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Kolloide in der schematischen Einteilung der StoffeStoff Reinstoff Gemisch Element Verbindung Losung Dispersion auch Kolloid Aerosol disperseFlussigkeit disperserFeststoff Nebel Rauch Schaum Emulsion SuspensionAls Kolloide von altgriechisch kolla kolla Leim und eἶdos eidos Form Aussehen oder Kolloiddispersion 1 werden Teilchen oder Tropfchen bezeichnet die im Dispersionsmedium Feststoff Gas oder Flussigkeit fein verteilt sind Die Grosse der einzelnen Teilchen liegt im Bereich von einem Nanometer bis zu einem Mikrometer In diesem Grossenbereich liegen viele Molekule sowie die meisten Viren 2 Neben der Grosse der Teilchen ist auch ihre gleichmassige Verteilung fur ein kolloidales System kennzeichnend die sich nicht oder nur langsam andert 2 Sind die Teilchen beweglich etwa in einem flussigen Dispersionsmedium so zeigen sie Brownsche Bewegung Je nach Bindungsart zwischen den Atomen der Kolloide konnen unterschieden werden 2 Dispersionskolloide enthalten Teilchen die durch Zerkleinerung Kondensation oder Peptisation von beliebigen lyophoben Stoffen entstanden sind die sich nicht im Dispersionsmedium losen z B Tonkolloid in Wasser Eine elektrostatische oder sterische Stabilisierung mit Schutzkolloiden ist notwendig um eine Auflosung oder Aggregation zu verhindern Ein thermodynamisches Gleichgewicht liegt nicht vor Molekulkolloide enthalten Teilchen die typischerweise aus etwa 100 Atomen bestehen die uber Hauptvalenzen gebunden sind Beispiele sind Heteropolysauren Polysaccharide und Polyphosphate Der Aufbau entspricht niedermolekularen Substanzen Assoziationskolloide Mizellkolloide enthalten Mizellen die sich ab einer bestimmten Massenkonzentration selbsttatig d h ohne Mitwirkung von Schutzkolloiden oder Peptisatoren bilden Beispiele sind Seifen Tenside und manche Farbstoffe Kolloidale Suspensionen haben grosse Bedeutung in der Nahrungsmittel und Kosmetikindustrie und in der Grundlagenforschung insbesondere in der statistischen Physik Die Kolloidchemie ist der Bereich der Chemie der sich mit ihren stofflichen Eigenschaften befasst Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen und Formen 2 Geschichte und Herkunft des Begriffs 3 Eigenschaften 3 1 Makroskopisch 3 2 Mikroskopisch 4 Bedeutung und Anwendungen 4 1 Chemie 4 2 Physik 4 3 Verfahrenstechnik 4 4 Bodenkunde 4 5 Medizin 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseDefinitionen und Formen BearbeitenMeist wird fur Kolloide angenommen dass es Emulsionen oder Suspensionen von Flussigkeiten oder Feststoffen in einer Flussigkeit sind Grundsatzlich kann sowohl die disperse Phase als auch das Dispersionsmedium jeden der drei Aggregatzustande einnehmen also ein Feststoff eine Flussigkeit oder ein Gas sein Disperse Phase Dispersionsmedium Kolloid 2 Beispiele 2 Flussigkeit Flussigkeit Emulsionen Mikroemulsion Milch Blut Mayonnaise KosmetikaGas Flussigkeit Mikroschaum SchlagsahneFeststoff Flussigkeit Sol auch kolloidale Suspension kolloidale Losung Tinte Schlamm Kaffee kolloidales Gold oder kolloidales SilberFlussigkeit Gas Aerosol NebelFeststoff Gas RauchFlussigkeit Feststoff Festemulsion Materialfeuchte etwa in HolzGas Feststoff Festschaum Schaumstoff MilchquarzFeststoff Feststoff Festsuspension Spezielle Verbundwerkstoffe Farbstoff Pigmente in Kunststoff Gold Rubin Glas OpalglasKolloidale Losungen stehen aufgrund der Teilchengrosse zwischen echten Losungen molekulardispers und grobdispersen Suspensionen oder Emulsionen Pasten haben eine hohe Konzentration der dispersen Phase so dass keine oder nur eine sehr geringe Fliessfahigkeit vorliegt Gele haben statt einzelner Partikel meist langkettige Makromolekule wie bei Gelee oder Leim Flussigkristalle sind Kolloide die in einer Flussigkeit geordnete Strukturen bilden Aerosole sind Kolloiddispersionen in Gasen wie Rauch und Nebel Disperse Systeme mit annahernd gleicher Teilchengrosse werden als monodispers oder isodispers solche mit unterschiedlicher Teilchengrosse als polydispers bezeichnet Sind disperse Phase und Dispersionsmittel sicher zu unterscheiden handelt es sich um einfache Kolloide Bilden sie ineinander verschlungene Netzwerke ohne eine klare Zuordnung sind es Netzwerk Kolloide Die Grossenordnung von Kolloiden kann sich nur auf eine Dimension beziehen so dass man in der Struktur von Kolloiden differenzieren kann Kaolinit ist ein Beispiel fur ein sehr dunnplattiges Tonmineral und bildet auch ein kolloidales System Dies gilt gleichfalls fur faser oder netzwerkartige Strukturen die in zwei Raumrichtungen kolloidale Dimensionen aufweisen Kolloide mussen nicht zwangslaufig aus einzelnen Partikeln bestehen Markanter ist die Untergrenze von etwa einem Nanometer da es hier zu einem recht einheitlichen Ubergang hin zu den Eigenschaften molekular disperser Systeme kommt Geschichte und Herkunft des Begriffs BearbeitenKolloide wurden schon genutzt als noch keinerlei Kenntnis uber ihre Systematik bestand Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kolloiden ist erst in jungerer Zeit zu verzeichnen als sich die fruher begrenzten technischen Moglichkeiten fur eine gezielte reproduzierbare Herstellung wohldefinierter Kolloide verbesserte Bereits den Alchimisten waren Formen des kolloidalen Goldes bekannt und Pierre Joseph Macquer vermutete 1744 dass es sich hierbei um eine feine Verteilung des Goldes in einer Dispersion handeln konnte Erste empirische Untersuchungen fuhrte Selmi 1845 durch 1856 folgten die Versuche Michael Faradays mit kolloidalem Gold Der britische Physiker Thomas Graham fuhrte 1861 den englischen Begriff colloid ein den er von dem griechischen Wort fur Leim ableitete Er benutzte ihn um Stoffe aufgrund ihres Diffusionsverhaltens durch porose Membranen in kristalloide und kolloidale Substanzen zu unterteilen Grahams Kriterien waren jedoch nicht zielfuhrend Was er als kolloidal bezeichnete war nicht eine chemische Eigenschaft sondern ein Zustand der feinen physikalischen Unterteilung bestimmter Proben Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wird der Begriff im Sinne der modernen Definition verwendet 3 Im Jahr 1922 grundete Wolfgang Ostwald in Leipzig die Kolloid Gesellschaft zur Pflege und Forderung der Kolloidwissenschaft die bis heute noch besteht Eine kinetische Theorie fur kolloidale Systeme wurde erstmals von Marian Smoluchowski geschaffen Die Chemie der Kolloide und deren Eigenschaften wurden besonders von Richard Zsigmondy Nobelpreis 1925 und seinen Mitarbeitern untersucht Eigenschaften BearbeitenMakroskopisch Bearbeiten nbsp Eine leichte Opaleszenz bei kolloidalem Siliciumdioxid hydrodynamischer Durchmesser 92 7 nm Aufgrund ihrer im Verhaltnis zum Volumen vergleichsweise grossen Grenzflachen spielen Effekte der Oberflachenchemie fur Kolloide eine besondere Rolle Kolloide weisen zudem in der Regel den Tyndall Effekt auf Durch Lichtstreuung an den Grenzflachen erscheinen selbst Dispersionen aus transparenten Phasen milchig oder trub es kann auch Opaleszenz auftreten solange die Brechungsindizes nicht genau gleich sind Mikroskopisch Bearbeiten Folgende Wechselwirkungen konnen zwischen Kolloidteilchen auftreten Abstossung harter Kugeln Dies ist die einfachste Wechselwirkung Harte Kolloidteilchen konnen sich beim Zusammenstoss gegenseitig nicht verformen oder durchdringen Dies erscheint trivial das Harte Kugel Modell in dem keine andere Wechselwirkung herrscht ist jedoch eines der wichtigsten Systeme in der statistischen Physik Das zugehorige Potential ist unendlich fur Abstande kleiner der Partikeldurchmesser und null sonst Elektrostatische Wechselwirkung Elektrisch gleichnamig geladene Kolloidteilchen stossen sich gegenseitig ab Das Wechselwirkungspotential hat die Form V 1 r displaystyle V sim frac 1 r nbsp Haben die Kolloide unterschiedliche Ladungen so bilden sie ein ionisches Modellsystem einige Teilchen ziehen einander an andere stossen einander ab In der Flussigkeit vorhandene Ionen wie bei gelosten Salzen konnen das elektrostatische Potential mehr oder weniger abschirmen Van der Waals Krafte kommen unter anderem durch fluktuierende Dipole zustande Die Hamaker Konstante A displaystyle A nbsp beschreibt die Van der Waals Wechselwirkung zweier makroskopischer Korper Aus der Hamaker Konstante folgt dass die Van der Waals Wechselwirkung minimiert wird wenn der Brechungsindex der Flussigkeit und der Teilchen ahnlicher gemacht wird Entropische Wechselwirkung Noch kleinere Partikel oder Polymerketten die sich zusatzlich zu den eigentlichen Kolloiden in der Flussigkeit befinden uben einen effektiven osmotischen Druck aus und pressen die Kolloide zusammen Anschaulich lasst sich dies so verstehen dass die Gesamtentropie des Systems steigt wenn die grossen Partikel zusammenrucken da die kleinen Partikel dann mehr Raum zur Verfugung haben Bedeutung und Anwendungen BearbeitenChemie Bearbeiten Die Kolloidchemie untersucht die Eigenschaften kolloiddisperser Systeme und ist ein selbstandiges Gebiet der physikalischen Chemie 4 Physik Bearbeiten Kolloidsuspensionen sind wichtige Modellsysteme um Vorhersagen der statistischen Thermodynamik zu uberprufen oder atomare Festkorperprozesse zu simulieren 5 Die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Kolloidteilchen lassen sich durch Auswahl der Teilchen Behandlung ihrer Oberflache und Zusammensetzung der Flussigkeit einstellen Man kann Starke und Reichweite der Wechselwirkung separat einstellen und damit verschiedenartige Potentialverlaufe modellieren Die Teilchen verhalten sich wie Atome eines Metalls oder wie die eines ionischen Systems und bilden entsprechende Kristalle Bei hinreichender Konzentration tritt die Kristallisation sogar bei nicht wechselwirkenden Partikeln Harte Kugeln ein was paradoxerweise entropische Ursachen hat Kolloide sind etwa um den Faktor 1000 bis 10 000 grosser als Atome Daher sind sie wesentlich einfacher und mit deutlich weniger experimentellem Aufwand dynamischer Lichtstreuung oder Konfokalmikroskopie zu beobachten Ihre Bewegung ist deutlich langsamer als die von Atomen Das erlaubt die Beobachtung von Prozessen wie Kristallisation die in atomaren Systemen zu schnell ablaufen Verfahrenstechnik Bearbeiten Kolloiddisperse Systeme haben durch die feine Verteilung der einen Phase in der anderen im Verhaltnis zu ihrem Volumen eine enorm grosse Grenzflache Dies wird uberall ausgenutzt wo Grenzflacheneffekte wichtig sind wie in der Trocknungstechnik oder bei der Reaktion zweier nichtmischbarer Flussigkeiten Bodenkunde Bearbeiten In der Bodenkunde wird das Grossenspektrum der Kolloide bis zwei Mikrometer erweitert Diese Einteilung schliesst die bodenkundlich relevante Tonfraktion ein da Bodenteilchen mit einem Durchmesser bis etwa 2 mm kolloidale Eigenschaften aufweisen Dies ist unter anderem Folge des blattformigen Habitus von Tonteilchen Dabei treten Eigenschaften die auf Grund der Masse der Teilchen auftreten gegenuber den Eigenschaften aus der grossen spezifischen Oberflache zuruck Medizin Bearbeiten In der Infusionstherapie werden kolloidale Infusionslosungen eingesetzt die eine Stabilisierung oder Zunahme des Volumens in den Blutgefassen bewirken Sie enthalten kolloidale Makromolekule wie Kohlenhydrate Hydroxyethylstarke Dextrane oder Proteine Gelatine oder humanes Albumin Siehe auch BearbeitenKolloidosom Kolluvium Sol Gel Prozess Cluster Physik Literatur BearbeitenWolfgang Ostwald Die Welt der vernachlassigten Dimensionen Verlag Theodor Steinkopff Dresden Leipzig 1914 OCLC 14782110 Thilo Hoffmann Kolloide Die Welt der vernachlassigten Dimensionen In Chemie in unserer Zeit 38 Nr 1 2004 S 24 35 doi 10 1002 ciuz 200400294 Douglas H Everett Grundzuge der Kolloidwissenschaften Steinkopff Darmstadt 1992 ISBN 3 7985 0871 2 J C Daniel R Audebert Small Volumes and Large Surfaces The World of Colloids In M Daoud C E Williams Hrsg Soft Matter Physics Springer Berlin Heidelberg 1999 ISBN 3 540 64852 6 Jacob N Israelachvili Intermolecular and Surface Forces Third Edition Academic Press Oxford 2011 ISBN 978 0 12 375182 9 Drew Myers Surfaces Interfaces and Colloids Second Edition Wiley VCH New York 1999 ISBN 0 471 33060 4 Einzelnachweise Bearbeiten Dispersionen Kolloiddispersionen Bereich Physikalische Chemie Kolloide der Albert Ludwigs Universitat Freiburg a b c d e Kolloide Abschnitt 1 1 In TU Chemnitz de Abgerufen im Januar 2022 M Daoud C E Williams Hrsg Soft Matter Physics Springer Berlin und Heidelberg 1999 ISBN 3 540 64852 6 Gunter Jakob Lauth Jurgen Kowalczyk Einfuhrung in die Physik und Chemie der Grenzflachen und Kolloide Springer Berlin Heidelberg ISBN 978 3 662 47017 6 S 354 f doi 10 1007 978 3 662 47018 3 10 V Prasad D Semwogerere E Weeks Confocal microscopy of colloids In Journal of Physics Condensed Matter Band 19 2007 S 113102 doi 10 1088 0953 8984 19 11 113102 PDF Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kolloid amp oldid 235978865