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Der Kollektivplan ist neben dem Zehlendorfer Plan und dem Bonatz Plan eine der bedeutendsten Gesamtkonzeptionen zum Wiederaufbau Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg Aus den Zerstorungen der Mietskasernenstadt schopften Politiker und Stadtplaner die Hoffnung der Errichtung einer neuen Stadt die als Konzept seit den 1920er Jahren in ihren Grundzugen feststand Stark vereinfachte Darstellung des Kollektivplans vom Planungskollektiv 1946Mit dem geplanten Abriss von Bausubstanz die bis zu 70 erhalten war mit der Planung als autogerechter Stadtlandschaft und der Funktionstrennung stellte sich dieser Plan in die Tradition der zwei stadtebaulichen Manifeste der Moderne des Plan Voisin von Le Corbusier fur das Pariser Stadtzentrum und der 1942 veroffentlichten Charta von Athen des Congres Internationaux d Architecture Moderne CIAM Inhaltsverzeichnis 1 Kollektiv 2 Neuplanung Berlins 3 Ausstellung im Berliner Schloss 4 Rezeption 5 Zehlendorfer Plan 6 Bonatz Plan 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseKollektiv BearbeitenHans Scharoun war bereits im Mai 1945 von der Sowjetischen Stadtkommandantur unter Nikolai Erastowitsch Bersarin zum Stadtrat und Leiter der Abteilung Bau und Wohnungswesen beim Magistrat von Berlin ernannt worden Von Seiten der Alliierten war ein Generalplan von Gross Berlin verboten aber es gelang Scharoun das Hauptamt fur Planung II einzurichten an dessen Spitze Wils Ebert stand ein enger Bauhaus Freund von Selman Selmanagic um dort eine Gesamtplanung durchzufuhren 1 Gemeinsam mit Scharoun wahlte Ebert vorwiegend Mitarbeiter zur Neuplanung fur Berlin aus die durch ihre Ausbildung am Bauhaus oder der TH Charlottenburg gepragt waren sich untereinander kannten und die danach Berufserfahrungen als Mitarbeiter von Eiermann Gropius Hilberseimer Poelzig Tessenow oder den Brudern Taut gesammelt hatten Sie bildeten das Planungskollektiv und verabredeten unter diesem Namen ihre gemeinsame Autorenschaft Die Namenswahl dokumentierte die damalige Aufbruchsstimmung und sollte die Nahe zur sowjetischen Besatzungsmacht demonstrieren Zu diesem Kollektiv gehorten neben Scharoun 2 3 Wils Ebert Leiter des Hauptamts fur Planung II Arbeits und Wohnstandorte Peter Friedrich Verkehr Reinhold Lingner Grunplanung Ludmilla Herzenstein Dezernentin fur Statistik Selman Selmanagic Dezernent fur Kultur und Erholung Herbert Weinberger Kulturbauten und Krankenhausplanung Luise Seitz Wohnungsdezernentin Neuplanung Berlins BearbeitenAusgehend von der flachenhaften Zerstorung grosser Teile der Mietskasernenstadt innerhalb der Ringbahn und der Annahme weitestgehender offentlich rechtlicher Verfugung uber den Boden sollte Berlin als organische Stadtlandschaft als Bandstadt gestaltet werden und so die Stadt von morgen ermoglichen Voraussetzung fur die Umsetzung dieses Konzeptes einer Stadtlandschaft war fur Scharoun die mechanische Auflockerung der Stadt durch die erfolgten Luftangriffe der Alliierten auf Berlin und die Verfugbarkeit von Grund und Boden Das Kollektiv erhielt dabei von der Stadt die Erlaubnis den Bodenpreis einheitlich mit 50 Pfennig je Quadratmeter anzusetzen 4 Obwohl die Struktur der Stadt und insbesondere die Versorgungsnetze weitgehend erhalten waren ging das Planungskollektiv von einer vollig zerstorten Stadt aus Der Plan sah eine grundsatzliche gesellschaftspolitische und stadtebauliche Neuordnung vor die eine radikale Umstrukturierung des gesamten Stadtgebietes mit der Loslosung vom historisch gewachsenen Grundriss der Stadt einschloss An dessen Stelle sollte das von Peter Friedrich geplante Rechtecksystem aus Schnellstrassen treten die durch eine grune Stadtlandschaft fuhren und in dem gleichmassig verteilt Streifen fur Wohnzellen nach dem Muster der Siemensstadt fur 4000 5000 Einwohner Handel und Gewerbe liegen Durch wirtschaftliches Zuordnen der Wohn und Arbeitsflachen sollten der unwirtschaftliche und unwirtliche Baukorper Berlins aufgelockert und seine einzelnen Flachen so miteinander verbunden werden dass sich eine neue lebendige Ordnung ergibt Die topographischen Gegebenheiten der Landschaft von Urstromtal mit Barnim und Teltow mit Spree und Havel sollten durch Freilegung von der Bebauung herausgearbeitet und als wichtige Teile des Stadtgrundrisses zu einem folgerichtigen Erholungssystem zusammengefasst werden Die Planung sah eine autogerechte Stadt vor mit einem niveaufreien Strassennetz dessen Kreuzungen wie bei Autobahnen kleeblattformig gestaltet sind um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu sichern Es war geplant die Bandstadt durch vier parallele Verkehrsstrange in Ost West und funf in Nord Sud Richtung zu erschliessen Diese Strassenstruktur sollte die historische radial auf die Spreefurt zulaufende Struktur ersetzen Entlang eines Bandes am Urstromtal der Spree in Ost West Richtung sollte sich ein zentrales Arbeitsgebiet erstrecken dem nordlich und sudlich Wohngebiete zugeordnet waren In diesem Band sollten die zentralen Einrichtungen ortlicher Stadtverwaltung Lagerhaltung Logistik und uberortlicher Art Staatliche Einrichtungen Gewerkschaften Wirtschaft Finanzen Nachrichten besondere kulturelle Institutionen Hochschulen Akademie der Wissenschaften Krankenhauser Museen und wirtschaftliche Einrichtungen Grosshandel Konfektion Presse Film Konstruktionsburos ihren Platz haben Das Arbeitsband sollte durch eine Bahnstrecke vom Gorlitzer Bahnhof im Osten bis zur Ringbahn am Lietzensee im Westen erschlossen werden Als kulturelles Erbe erhalten bleiben sollten allein im Westen das Schloss Charlottenburg und im historischen Stadtzentrum der Strassenzug Unter den Linden vom Pariser Platz bis zur Museumsinsel mit Forum Fridericianum und Schloss einschliesslich eines Teilstucks der Friedrichstrasse sowie das Ensemble des Gendarmenmarktes Scharoun war gegen den Abriss der Schlossruine Ausstellung im Berliner Schloss Bearbeiten Was blieb nachdem Bombenangriffe und Endkampf eine mechanische Auflockerung vollzogen gibt uns die Moglichkeit eine Stadtlandschaft zu gestalten Die Stadtlandschaft ist fur den Stadtebauer ein Gestaltungsprinzip um der Grosssiedlungen Herr zu werden Durch sie ist es moglich Unuberschaubares Massstabloses in ubersehbare und massvolle Teile aufzugliedern und diese Teile so zueinander zu ordnen wie Wald Wiese Berg und See in einer schonen Landschaft zusammenwirken So also dass das Mass dem Sinn und dem Wert der Teile entspricht und so dass aus Natur und Gebauden aus Niedrigem und Hohem Engem und Weitem eine neue lebendige Ordnung wird Hans Scharoun Eroffnungsworte Scharouns zur Ausstellung Berlin plant am 22 August 1946 5 Mit diesen Worten eroffnete am 22 August 1946 Hans Scharoun im hergerichteten Weissen Saal des teilzerstorten Berliner Schlosses die Ausstellung Berlin im Aufbau zur Zukunft der ehemaligen Reichshauptstadt und stellte den Aufbauplan des achtkopfigen Kollektivs als Kollektivplan vor Zuvor war der Plan am 4 April 1946 dem Bauwirtschaftsausschuss des Magistrats dargelegt worden Neben dem visionaren Vorschlag des Planungskollektivs wurde in der Ausstellung zum Aufbau der kriegszerstorten Stadt ein weiterer Entwurf gezeigt der im Hauptamt fur Planung I des Berliner Magistrats entstandene Zehlendorfer Plan der von grundsatzlich anderen Vorstellungen ausging Es ist aus heutiger Sicht erstaunlich dass es angesichts der Not der Nachkriegsjahre zu zwei gleichberechtigten Hauptamtern fur Planung gekommen war 6 In der Ausstellung wurden ebenfalls Plane des Architekten Max Taut gezeigt Bilder der Ausstellung Berlin im Aufbau nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp Rezeption BearbeitenDie Ausstellung des Kollektivplans fuhrte zu politischen und fachlichen Debatten wobei noch nicht der Ost West Gegensatz sondern das Thema Tradition gegen Moderne thematisiert wurde Auch unter Stadtplanern gab es Kritik Das langjahrige SPD Mitglied und spatere Nachfolger von Scharoun Karl Bonatz kritisierte den Plan weil er die politischen wirtschaftlichen praktischen und technischen Gegebenheiten zu sehr ausser acht gelassen habe Er kritisierte die Idee der Stadtlandschaft das Rechtecksystem der Schnellstrassen die Missachtung des kulturellen und materiellen Wertes der erhaltenen Strassen samt ihrer technischen Infrastruktur sowie die Auflosung der Grossstadt in kleine Wohngebiete Die Landschaftsarchitekten Reinhold Lingner Mitarbeiter im Planungskollektiv und Georg Bela Pniower stritten uber die Idee der Stadtlandschaft Pniower erkannte in Begriffen wie Urstromtal und Bodenstandigkeit eine Kontinuitat zu Auffassungen aus nationalsozialistischer Zeit Der Plan scheiterte aber hauptsachlich weil er die erhaltene unterirdische Infrastruktur wie Be und Entwasserung das gesamte Strassenbahn und U Bahn Netz sowie das vorhandene Strassennetz als uberholt und wertlos erachtete Ein kompletter Neubau war angesichts der masslosen Zerstorung Berlins allein aus finanziellen Grunden und angesichts der herrschenden Wohnungsnot nicht realisierbar Er wurde deshalb vom Magistrat im April 1946 als utopisch abgelehnt Zehlendorfer Plan BearbeitenGleichzeitig mit dem Kollektivplan entstand im Hauptamt fur Planung I der Zehlendorfer Plan durch die Architekten Walter Moest und Willi Goergens Sie erhielten vom Zehlendorfer Bezirksburgermeister Werner Wittgenstein den Auftrag ein Planungsamt neu aufzubauen und alles Material das als Unterlage fur die Ausarbeitung eines Plans fur die Neugestaltung Berlins noch vorhanden war zu sichern und Vorschlage fur die Neugestaltung Berlins zu machen Die Plane unterschieden sich von denen des Planungskollektivs erheblich da sie von der vorhandenen Infrastruktur ausgingen und eine neue Verkehrsplanung anstrebten Beide Plane losten heftige Auseinandersetzungen aus Da sich Zehlendorf im Amerikanischen Sektor befand ist nicht auszuschliessen dass die Amerikaner die Aufbauplanung Berlins nicht alleine der sowjetischen Aufsicht uberlassen wollten Schliesslich wurde im Bauwirtschaftsausschuss des Magistrats der Zehlendorfer Plan akzeptiert und der Kollektivplan als utopisch abgelehnt Am 20 Oktober 1946 fand die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Gross Berlin 1946 statt aus der die SPD als eindeutiger Sieger hervorging Nachfolger des parteilosen Scharoun wurde nun das langjahrige SPD Mitglied Karl Bonatz der ein Kritiker des Kollektivplans war Dementsprechend favorisierte er den Zehlendorfer Plan und kehrte auf den Boden der Wirklichkeit zuruck Bonatz ging davon aus dass wir es nicht mit der Neuanlage einer Stadt sondern nur mit der sehr begrenzt moglichen Umbildung einer nur teilweise zerstorten bestehenden zu tun haben So entstanden 1947 die Plane A und B als Alternative fur eine endgultige Planung auf deren Grundlage das Stadtplanungsamt Entwurfe zur Gestaltung der Innenstadt von Walter Moest und Richard Ermisch entwickeln liess Bonatz Plan BearbeitenMit den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung im Oktober 1946 wurde das langjahrige SPD Mitglied Karl Bonatz zum Nachfolger zum parteilosen Hans Scharoun ernannt Bonatz hatte bereits vorher den Kollektivplan kritisiert Dieser Ablehnung entsprechend tendierte er zur Zehlendorfer Planung an der er lediglich die nur auf Grunplanung beschrankte Strukturierung des Stadtgebietes bemangelte Es handelt sich jetzt darum die Durchdringung beider Prinzipien zu fordern das heisst die Strassenfuhrung in moglichster Anpassung an das alte gegebene Netz mit den Strukturverbesserungen und moderner Standortplanung zu verbinden Bonatz war davon ausgegangen dass wir es nicht mit der Neuanlage einer Stadt sondern nur mit der sehr begrenzt moglichen Umbildung einer nur teilweise zerstorten bestehenden zu tun haben Seinem 1948 vorgestellten Entwurf lag die Annahme zugrunde Berlin wurde mit 3 3 5 Millionen Einwohnern wieder die Hauptstadt Deutschlands werden Dem alten Stadtzentrum mass Bonatz im Gegensatz zum Kollektivplan grosse Bedeutung zu er bezeichnete es als das wichtigste Mittelteil der Stadt Fur die Wohnviertel war eine Einteilung in Nachbarschaften mit jeweils 4000 5000 Einwohnern angedeutet Mit der beginnenden Spaltung der Stadtverwaltungen wurden weder der Kollektivplan noch der Bonatz Plan umgesetzt Literatur BearbeitenBodenschatz Duwel Gutschow Stimmann Berlin und seine Bauten Hrsg Architekten und Ingenieur Verein zu Berlin DOM A Berlin 2009 ISBN 978 3 938666 42 5 Leonie Glabau Platze in einem geteilten Land Stadtplatzgestaltungen in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik von 1945 bis 1990 Peter Lang Frankfurt am Main 2010 ISBN 978 3 631 61202 6 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Elke Sohn Zum Begriff der Natur in Stadtkonzepten anhand der Beitrage von Hans Bernhard Reichow Walter Schwangenscheidt und Hans Scharoun zum Wiederaufbau nach 1945 In Klaus Jurgen Scherer Adalbert Schlag Burkard Thiele Hrsg Schriftenreihe der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Friedrich Ebert Stiftung Band 30 Lit Verlag Hamburg 2008 ISBN 978 3 8258 9748 2 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Weblinks BearbeitenHans Stimmann Nachkriegszeit Vor 70 Jahren wollten Architekten Berlin ausradieren In welt de 23 August 2016 abgerufen am 30 Januar 2019 Historische Entwicklung Planungen seit 1990 Leitlinien und Entwicklungsziele fur den Spreeraum pdf In Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung 2002 abgerufen am 31 Januar 2019 Berliner Plane 1862 1994 pdf In Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung 2002 abgerufen am 31 Januar 2019 Alexanderplatz Land Berlin In stadtentwicklung berlin de 17 Mai 1945 abgerufen am 30 Januar 2019 Azemina Bruch Selmanagic Beitrage zum Wiederaufbau Berlins pdf 10 April 2018 abgerufen am 31 Januar 2019 David Hinkel Bauen in den 50er Jahren Grosssiedlungen und Trabantenstadte pdf In Baugeschichtliches Seminar Universitat Karlsruhe 2002 abgerufen am 31 Januar 2019 Einzelnachweise Bearbeiten Azemina Bruch Selmanagic Beitrage zum Wiederaufbau Berlins Johann Friedrich Geist Das Berliner Mietshaus 1945 1989 Band 3 Munchen 1989 ISBN 978 3 7913 0719 0 S 7 Elke Sohn Zum Begriff der Natur in 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title Kollektivplan amp oldid 238998012