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Als Junker von mittelhochdeutsch Juncherre junger Herr Jungherr wurden Rittergutsbesitzer in den landlich gepragten Gebieten Ostelbiens bezeichnet die meist aber nicht unbedingt zum preussischen Adel gehorten Prominente Vertreter des ostelbischen Landadels sind Otto von Bismarck Elard von Oldenburg Januschau Paul von Hindenburg Marion Grafin Donhoff und Veruschka Grafin von Lehndorff Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Rezeption 3 Literatur 4 AnmerkungenGeschichte BearbeitenDer ursprunglich positiv verwendete Begriff Junker wurde im 19 Jahrhundert zunachst zu einem Kampfbegriff der Liberalen und spater der Sozialisten um eine starke Bastion ihrer konservativen und reaktionaren Gegner den ostelbischen Landadel zu bezeichnen Die pejorative Bezeichnung Junker setzte sich spatestens seit dem Junkerparlament im liberalen politischen Sprachgebrauch fest Sie wurde von Seiten der so bezeichneten ostelbischen Adligen allerdings immer wieder aktiv aufgenommen und zur Selbstbezeichnung verwendet Als sozialwissenschaftlicher Begriff ist der Terminus Junker schwierig da eine klare Zuordnung kaum moglich ist Dass er bis heute immer wieder verwendet wird liegt vor allem an langfristigen Tradierungslinien von Max Weber uber Hans Rosenberg bis zu Hans Ulrich Wehler durch die Kampfbegriffe aus den politischen Auseinandersetzungen des Kaiserreiches nahtlos und kaum hinterfragt in sozialgeschichtliche Deutungsmuster ubernommen wurden Die Junker besassen insbesondere im 19 und noch in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts im ostlich der Elbe gelegenen auch Ostelbien genannten Kerngebiet Preussens eine bedeutende politisch okonomische Machtstellung die politisch bis 1918 durch das Dreiklassenwahlrecht und okonomisch durch den erheblichen Grossgrundbesitz dieser Schicht gefestigt wurde Der Landadel galt als sehr konservativ militaristisch und antiliberal Er war die reaktionare Stutze der Monarchie der Hohenzollern und des preussischen Staats und Militarwesens Die Demokratie lehnte der Landadel schroff ab Er dominierte praktisch die gesamte politische Elite der preussischen Stammlande mit Ausnahme der durch ihre urbanen Strukturen gepragten Stadt Berlin Die Herrschaft der Junker wurde durch die im landlichen Raum tief verwurzelten aristokratischen Traditionen und die Verbundenheit der Familien mit dem preussischen Militar gestutzt in dem die Sohne seit Generationen als Offiziere dienten Ihre Einkunfte bezogen die Junker vornehmlich aus der Landwirtschaft in der sie eine monopolartige Stellung innehatten welche sie nicht nur in den ostelbischen Gebieten sondern auch im restlichen Preussen und dann im gesamten Reich erfolgreich zu behaupten wussten 1 nbsp Schloss Neetzow DDR 1954 Originaltext Das Schloss war Sitz des Krautjunkers Rittmeister von Kruse Jetzt ist das Staatliche Ensemble der Dorfjugend in seine Raume eingezogen Das Wort Junker bekam in liberaleren Kreisen einen negativen Beigeschmack und wurde in der Zeit des Wilhelminismus zu einem polemischen Kampfbegriff der die Vorstellung eines ruckstandigen bornierten und unkultivierten Gutsherrn mit ungehobelten Manieren und autoritarem Gebaren hervorrief Bereits seit den 1850er Jahren benutzte man in ahnlicher Weise den spottischen Ausdruck Krautjunker 2 In diesem Sinne sprach etwa der selbst aus dem schlesischen Landadel stammende und von seinen politischen Gegnern als roter Baron titulierte SPD Politiker Kurt Freiherr von Reibnitz abfallig vom kleinen ostelbischen Landadel 3 In einem von vielen Prominenten aus dem Wirtschafts Wissenschafts und Kulturbetrieb mitunterzeichneten Aufruf fur die Abschaffung des Zensuswahlrechts verlangte der liberale Publizist Theodor Wolff 1909 im Berliner Tageblatt die agrarkonservative Vorherrschaft uber Preussen zu brechen und sprach von jener kleinen Oberschicht die sich in den ostlichen Provinzen Preussens dem Eindringen modernen Geistes erfolgreich entgegenstemmt 4 Zur ersten Gruppe der Unterzeichner gehorten neben Theodor Wolff und Max Weber unter anderem Lujo Brentano Franz von Liszt Ignaz Jastrow Karl Lamprecht Hugo Preuss Alfred Weber Georg Simmel Engelbert Humperdinck Frank Wedekind Ludwig Ganghofer Gerhard Anschutz Ferdinand Tonnies Friedrich Meinecke Edgar Jaffe Gerhart Hauptmann Hans Gregor Walther Schucking Max Slevogt Lovis Corinth und Eugen Diederichs 5 In der Weimarer Republik sammelten sich die Agrarier in der Deutschnationalen Volkspartei DNVP Die Forschung sieht in der reaktionaren Gesinnung und einflussreichen Position der Junker und Grossagrarier im politischen Leben Preussens ein entscheidendes Hindernis der deutschen Entwicklung und schreibt einigen Junkern die 1932 1933 zum einflussreichen Kreis der so genannten Kamarilla um den Reichsprasidenten Paul von Hindenburg gehorten eine Mitverantwortung an der Machtergreifung der NSDAP unter Adolf Hitler zu 6 Allerdings entstammten auch einige fuhrende Kopfe des spateren deutschen Widerstandes dem preussischen Junkertum so Erwin von Witzleben und Henning von Tresckow nbsp Bodenreform Denkmal in der Uckermark Junkernland in Bauernhand von den DDR Behorden am 6 September 1985 eingeweiht nbsp Erntefest zu Zeiten der DDR mit der Losung Junkerland in Bauernhand 19 Oktober 1985Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone unter der Devise Junkerland in Bauernhand Neben den Ostgebieten des Deutschen Reiches jenseits der Oder Neisse Linie die sich damals bereits unter polnischer und unter sowjetischer Verwaltung befanden war auch die Landwirtschaft Mecklenburgs Vorpommerns und der Mark Brandenburg vom junkerlichen Grossgrundbesitz gepragt gewesen Die Junkerguter wurden zuerst unter Kleinbauern aufgeteilt und im Zuge der spateren Kollektivierung zu landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften LPG zusammengefasst In diesem Zusammenhang sollten mit dem Motto Junkerland in Bauernhand die in Deutschland in manchen Personenkreisen vorhandenen alten Ressentiments gegen die preussische Junkerherrschaft propagandistisch nutzbar gemacht werden um die Akzeptanz der bodenpolitischen Ziele der sowjetischen Besatzungsmacht bei der deutschen Bevolkerung zu erhohen Die Zerstorung der ostdeutschen Adelswelt der Junker wird von dem Gesellschaftshistoriker Hans Ulrich Wehler als enorme strukturelle Begunstigung des Aufbaus der Bundesrepublik bezeichnet 7 Nach der Wiedervereinigung kehrten einige Familien aus dem ostelbischen Landadel in ihre fruhere Heimat zuruck um ihre in der Bodenreform enteigneten ehemaligen Besitzungen zuruckzukaufen oder zu pachten Rezeption BearbeitenDie literarische Karikatur eines typischen ostelbischen Junkers findet sich in der Figur des grossspurigen preussischen Regierungsprasidenten von Wulckow in Heinrich Manns Roman Der Untertan 1914 Eindrucksvolle Schilderungen der Verhaltnisse und Mentalitaten im Landadel der damals zu Preussen gehorenden Mark Brandenburg finden sich auch in Theodor Fontanes Roman Der Stechlin 1898 Literatur BearbeitenBruno Buchta Die Junker und die Weimarer Republik Charakter und Bedeutung der Osthilfe in den Jahren 1928 1933 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1959 Walter Gorlitz Die Junker Adel und Bauer im deutschen Osten Geschichtliche Bilanz von sieben Jahrhunderten Starke Glucksburg Ostsee 1956 Francis L Carsten Geschichte der preussischen Junker Suhrkamp Frankfurt 1988 ISBN 3 518 11273 2 Francis L Carsten Der preussische Adel und seine Stellung in Staat und Gesellschaft bis 1945 In Hans Ulrich Wehler Hrsg Europaischer Adel 1750 1950 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1989 ISBN 3 525 36412 1 S 112 125 Heinz Reif Hrsg Ostelbische Agrargesellschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik Agrarkrise Junkerliche Interessenpolitik Modernisierungsstrategien Akademie Berlin 1994 ISBN 3 05 002431 3 Heinz Reif Die Junker In Etienne Francois Hagen Schulze Hrsg Deutsche Erinnerungsorte Bd 1 Beck Munchen 2001 ISBN 3 406 47222 2 S 520 536 Johannes Rogalla von Bieberstein Preussen als Deutschlands Schicksal Ein dokumentarischer Essay uber Preussen Preussentum Militarismus Junkertum und Preussenfeindschaft Minerva Publikation Munchen 1981 ISBN 3 597 10336 7 Hans Rosenberg Die Pseudodemokratisierung der Rittergutsbesitzerklasse In Ders Machteliten und Wirtschaftskonjunkturen Studien zur neueren deutschen Sozial und Wirtschaftsgeschichte Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd 31 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1978 ISBN 3 525 35985 3 S 83 117 Rene Schiller Vom Rittergut zum Grossgrundbesitz Okonomische und soziale Transformationsprozesse der landlichen Eliten in Brandenburg im 19 Jahrhundert Elitenwandel in der Moderne Bd 3 Akademie Verlag Berlin 2003 ISBN 3 05 003449 1 Hanna Schissler Die Junker Zur Sozialgeschichte und historischen Bedeutung der agrarischen Elite in Preussen In Hans Jurgen Puhle Hans Ulrich Wehler Hrsg Preussen im Ruckblick Geschichte und Gesellschaft Sonderheft 6 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1980 ISBN 3 525 36405 9 S 89 122 Cornelius Torp Max Weber und die preussischen Junker Mohr Siebeck Tubingen 1998 ISBN 3 16 147061 3 Patrick Wagner Bauern Junker und Beamte Lokale Herrschaft und Partizipation im Ostelbien des 19 Jahrhunderts Moderne Zeit Bd 9 Wallstein Gottingen 2005 ISBN 3 89244 946 5 zugleich Habilitationsschrift Universitat Freiburg im Breisgau 2003 Anmerkungen Bearbeiten Rene Schiller Vom Rittergut zum Grossgrundbesitz Okonomische uns soziale Transformationsprozesse der landlichen Eliten in Brandenburg im 19 Jahrhundert Berlin 2003 so Louise von Francois Die letzte Reckenburgerin 1871 Leipzig 1965 S 286 Vgl Stephan Malinowski Vom Konig zum Fuhrer Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS Staat 3 Auflage Berlin 2003 S 467 Fur die Preussische Wahlreform Kundgebung im Berliner Tageblatt Nr 620 vom 7 Dezember 1909 Abgedruckt in Horst Baier u a Hrsg Max Weber Wirtschaft Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900 1912 Tubingen 1998 Bd 8 der Max Weber Gesamtausgabe S 458 Horst Baier u a Hrsg Max Weber Wirtschaft Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900 1912 Tubingen 1998 Bd 8 der Max Weber Gesamtausgabe S 455 Heinrich August Winkler Die Revolution von 1918 19 und das Problem der Kontinuitat in der deutschen Geschichte In Historische Zeitschrift 250 1990 S 303 319 hier S 317 Hans Ulrich Wehler Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd 4 Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Grundung der beiden deutschen Staaten 1914 1949 Beck Munchen 2003 S 956 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Junker Preussen amp oldid 219218210