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Juliusz Bursche 16 September 1862 in Kalisch Kongresspolen Russisches Kaiserreich 20 Februar 1942 in Berlin war ein polnischer evangelischer Geistlicher Verleger und Landesbischof von Polen Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit 1 2 Studien 1 3 Arbeit als Seelsorger und Oberhaupt der Kirche bis 1918 1 4 In der Zweiten Polnischen Republik 1918 1939 1 5 Im Zweiten Weltkrieg 1 6 Familie 2 Nachleben 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit Bearbeiten Juliusz Bursche wurde als altestes von insgesamt zehn Kindern in zwei Ehen des damaligen Vikars der Evangelischen Gemeinde in Kalisch Ernst Wilhelm Bursche und seiner ersten Gemahlin Mathilda geb Muller geboren Die vaterliche Familie stammte aus Schlesien Ernst Wilhelms Vater ein einfacher schlesischer Weber wanderte um 1820 in Kongresspolen ein und liess sich in Turek in der Nahe von Kalisch nieder Nach einigen Jahren zog die Familie Ernst Wilhelms nach Zgierz bei Lodz wo der Vater zum Pfarrer gewahlt wurde Hier wurde Juliusz ebenso beruhmter Halbbruder Edmund Bursche 1881 1940 geboren Studien Bearbeiten 1872 begann Bursche seine Ausbildung am Stadtischen Gymnasium heute Adam Asnyk Lyzeum in Kalisch Nach einigen Jahren wurde der Vater nach Plock versetzt wo er zum Superintendenten ernannt wurde Juliusz musste seine Heimatstadt verlassen und die Ausbildung am IV Staatlichen Gymnasium zu Warschau fortsetzen Nach dem Abitur immatrikulierte er sich an der Fakultat fur Evangelische Theologie der Universitat Dorpat Hier gehorte er zur polnischen Landsmannschaft Konwent Polonia und zum Arbeitskreis der polnischen evangelischen Theologen der von den Ideen des Warschauer Pfarrers Leopold Otto beeinflusst war Otto war uberzeugt dass die Zeit gekommen sei mit dem stereotypen Denken Pole Katholik Deutscher Lutheraner zu brechen und dass die evangelische Kirche Polens vor neuen ubernationalen Aufgaben stehe Arbeit als Seelsorger und Oberhaupt der Kirche bis 1918 Bearbeiten nbsp Juliusz Bursche 1905 Nach der Beendigung des Studiums wurde Bursche 1884 zum Pastor in Kongresspolen ordiniert Nach einer kurzen Tatigkeit als Vikar in Warschau wurde er zum Pfarrer in Zyrardow gewahlt 1888 kehrte er nach Warschau zuruck wurde hier Diakon und 1898 Pastor Primarius der grossen lutherischen Gemeinde der polnischen Hauptstadt Schon fruher als vorzuglicher Organisator und Prediger bekannt nahm er nun in der Nachfolge Leopold Ottos die verlegerische Tatigkeit auf und verlegte ein paar hundert Bucher von religiosem Inhalt eine Zeitschrift Zwiastun Der Verkunder die bis heute existiert und stellte ein Gesangbuch zusammen das bis 1939 in Gebrauch war Bursche war Grundungsmitglied des Zentralkomitees fur Schlesien Kaschubien und Masuren Komitet Centraly dla Slaska Kaszub i Mazur und unterstutzte die Grundung der Masurischen Volkspartei im November 1896 1 Um 1901 wurde er ins Konsistorium gewahlt und schliesslich im Jahre 1904 zum General Superintendenten dem Oberhaupt der Evangelischen Kirche Kongresspolens ernannt Als solcher setzte er ein Jahr spater nach der Synode von 1905 durch dass Gottesdienste in polnischer Sprache neben der bisher alleinherrschenden deutschen erlaubt wurden In der 1849 gegrundeten Evangelischen Kirche des Konigreichs Polen Kongresspolen bildeten die ethnischen Polen eine Minderheit die besonders im Raum Warschau einen standigen Zuzug von assimilierten Deutschstammigen erhielt Die ubrigen Evangelischen die vor allem in der Gegend von Lodz Kalisz Plock sowie in den deutschen Siedlungen an der ostpreussischen Grenze und in Wolhynien konzentriert waren behielten in grosser Mehrheit die deutsche Sprache und Kulturtradition bei Bursches Bestreben war es die in Kongresspolen ansassigen Lutheraner dahin zu fuhren dass sie sich unabhangig von ihrer Nationalitat als Bekenner derselben Konfession fuhlten Selbst hielt er Gottesdienste und akzentfreie hervorragende Predigten in beiden Sprachen In den Augen der russischen Behorden waren aber die Lutheraner in Kongresspolen weiterhin Deutsche nach dem Kriegsausbruch 1914 begann die Deportation der Evangelischen ins eigentliche Russland Kurz vor der Einnahme Warschaus durch die Deutschen im Jahre 1915 wurde Bursche selbst nach Moskau verbracht wo er bis zur ersten russischen Revolution von 1917 verweilte Von der Kerenski Regierung erhielt er dann die Ausreiseerlaubnis nach Stockholm 1916 schufen die Besatzungsmachte Deutsches Reich und Osterreich Ungarn ein unabhangiges Konigreich Polen genannt Regentschaftskonigreich Polen auf dem Gebiete Kongresspolens Mit der Unterstutzung der deutschen Zivilverwaltung und der Militarbehorden versuchten nun die sog Lodzer Aktivisten eine unabhangige Deutsche Evangelische Kirche Polens zu schaffen deren Verwaltung und Schulwesen vollig autonom gegenuber dem polnischen Staate sein sollten In Abwesenheit des Oberhauptes der Kirche rief der Warschauer Generalgouverneur General Hans von Beseler eine Synode zusammen die in Lodz tagte 18 19 Oktober 1917 und die Plane der Lodzer Aktivisten gutheissen sollte Die Synode brachte kein Ergebnis denn die grosse Warschauer Gruppe verliess sie in Protest gegen die Politisierung der Evangelischen Kirche In der Zweiten Polnischen Republik 1918 1939 Bearbeiten Am 17 Februar 1918 kehrte Bursche nach Warschau zuruck und wurde zum Mitglied des Staatsrats ernannt Schon wahrend der letzten Phase des Regentschaftskonigreichs arbeitete er einen Gesetzentwurf aus in welchem er schrieb Die Aufgabe der Kirche ist das Evangelium zu verbreiten unter Polen unter solchen Polen die fruher Deutsche waren und deutsche Namen tragen und unter denen die Deutsche sind nicht das Polentum oder das Deutschtum zu verkunden Wahrend der ganzen Epoche der Zweiten Republik musste sich Bursche mit der deutschsprachigen und freundlichen Opposition innerhalb der Kirche auseinandersetzen Eine grosse Gruppe von deutschsprachigen Pastoren unter der Fuhrung Richard Ernst Wagners boykottierte und behinderte alle seine Massnahmen die auf Versohnung und Zusammenarbeit zwischen den beiden Bevolkerungsgruppen hinzielten Selbst war er loyaler Burger des neuen polnischen Staates 1919 wurde er als Experte zur Friedenskonferenz in Versailles entsandt wo er sich den Planen einer Volksabstimmung in Ermland Masuren und Westpreussen widersetzte und die sofortige Vereinigung dieser Gebiete mit der Republik Polen forderte Schon ab 1918 war er Vorsitzender des Masurenkomitees des Rates der Evangelischen Kirchen in Polen und der Gesellschaft fur Geschichte der Reformation in Polen Bei der dennoch durchgefuhrten Abstimmung im Abstimmungsgebiet Allenstein ubernahm er den Vorsitz des polnischen masurischen Abstimmungskomitees Mazurski Komitet Plebiscytowy das fur einen Anschluss des sudlichen Ostpreussen an Polen eintrat In den Jahren 1922 bis 1939 war er auch Herausgeber und Chefredakteur der Gazeta Mazurska Masurische Zeitung 1936 gelang es Bursche trotz einiger Vorbehalte die Verhandlungen mit dem Ministerium fur Religions und Bekenntnisangelegenheiten uber eine neue Kirchenverfassung abzuschliessen Die Evangelische Kirche erhielt erstmals in ihrer Geschichte eine presbyterial synodale Ordnung Die Regierung sicherte sich jedoch die Mitsprache bei der Besetzung der Pfarrstellen und kirchenleitenden Amter Bursche selbst wurde 1937 der erste Landesbischof seiner Kirche Da die deutschen Pastoren und Laien 1937 in den Senioratswahlen keine Mehrheiten erreichen konnten boykottierten sie die darauffolgende Landessynode und bildeten im Fruhjahr 1939 eine illegale da vom Staat nicht anerkannte Deutsche Evangelische Kirche in Polen die sich als unabhangig vom Warschauer Konsistorium erklarte Im Zweiten Weltkrieg Bearbeiten Am 6 September 1939 erhielt Bursche den Befehl der polnischen Regierung die belagerte Hauptstadt und das Land zu verlassen Er gehorchte dem Befehl nur zur Halfte und begab sich nach Lublin wo er die seelsorgerische Arbeit in der dortigen evangelischen Gemeinde aufnahm Am 3 Oktober wurde er vom SD verhaftet und im Gefangnis von Radom eingesperrt danach am 13 Oktober nach Berlin ins Gestapo Gefangnis in der Albrechtstrasse verbracht Die Listen mittels derer der SD Bursche und weitere Pastoren festnahm waren unter Mitwirkung des Kirchlichen Aussenamtes der Deutschen Evangelischen Kirche erstellt worden Die Verhore wurden von Reinhard Heydrich geleitet Man warf ihm vor dass er seinen deutschen Ursprung verraten die deutschen evangelischen Kirchen in Grosspolen Oberschlesien und Galizien bekampft die Polonisierung seiner Kirche betrieben und in Versailles und Masuren gegen die Interessen des Deutschen Reiches gearbeitet habe usw Ende Januar 1940 wurde er in das KZ Sachsenhausen verbracht und dort im Zellenbau gehalten der fur prominente Haftlinge vorgesehen war Viele protestantische Bischofe und auch katholische Kreise aus ganz Europa versuchten vergeblich seine Entlassung zu erwirken Das Kirchliche Aussenamt der Deutschen Evangelischen Kirche behauptete keine Kenntnis uber den Aufenthaltsort Bursches zu besitzen obwohl es durch Mittelsmanner uber die Verhore und die Uberstellung in das KZ Sachsenhausen informiert worden war Ende Februar 1942 benachrichtigte die Warschauer Gestapo die Tochter des Bischofs dass er am 20 Februar dieses Jahres im Alter von 80 Jahren im Gefangnis Moabit gestorben sei Familie Bearbeiten Bursche heiratete 1885 Amalie Helena geb Krusche sie bekamen einen Sohn und vier Tochter Juliusz Bursches einziger Sohn Stefan Bursche 1887 wurde 1940 von der Gestapo erschossen Beide besitzen ein symbolisches Grab auf dem Evangelischen Friedhof in Warschau Die Tochter Helena langjahrige Rektorin des Evangelischen Anna Wasa Madchengymnasiums in Warschau starb 1975 Die zweite Tochter Aniela nach 1945 Redakteurin der Kirchenzeitschrift Zwiastun lebte bis 1980 in Warschau Der jungere Bruder des Bischofs Emil Bursche 9 Juni 1872 in Zgierz 10 November 1934 in Warschau war Arzt und jahrzehntelang Chef des Evangelischen Krankenhauses in der polnischen Hauptstadt Nachleben BearbeitenDie NS Behorden verweigerten die Herausgabe der Urne mit der Asche Bursches Die Angehorigen erfuhren nicht ob er wirklich an diesem Tag und unter welchen Umstanden er gestorben war Das Grab in dem die Urne Bursches anonym beigesetzt worden war wurde im Oktober 2017 auf dem Stadtischen Friedhof in der Humboldtstrasse in Berlin Reinickendorf entdeckt 2 Im November 2018 wurde eine Urne mit Erde vom Berliner Friedhof symbolisch auf dem evangelischen Friedhof in Warschau beigesetzt 3 Literatur BearbeitenAsnykowiec Jahresschrift 2003 des Asnyklyzeums in Kalisch Kalisz 2003 Bogdan Graf von Hutten Czapski Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft 2 Bande Mittler Berlin 1936 Eduard Kneifel Julius Bursche Sein Leben und seine Tatigkeit 1862 1942 Selbstverlag des Verfassers Vierkirchen bei Munchen 1980 online PDF Bernd Krebs Nationale Identitat und kirchliche Selbstbehauptung Julius Bursche und die Auseinandersetzungen um Auftrag und Weg des Protestantismus in Polen 1917 1939 Historisch theologische Studien zum 19 und 20 Jahrhundert Bd 6 Neukirchener Neukirchen Vluyn 1993 Bernd Krebs Annette Kurschus Dirk Stelter Hrsg Geteilte Erinnerung versohnte Geschichte Deutsche und polnische Protestanten im Spannungsfeld der Ideologien des 20 Jahrhunderts W Kohlhammer Stuttgart 2020 Eugeniusz Szulc Cmentarz Ewangelicko Augsburski w Warszawie Zmarli i ich Rodziny Panstwowy Instytut Wydawniczy Warschau 1989 ISBN 83 06 01606 8 Biblioteka Syrenki Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Juliusz Bursche Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Juliusz Bursche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Uber Juliusz Bursche auf der Seite der Evangelisch Augsburgischen Kirche in PolenEinzelnachweise Bearbeiten Andreas Kossert Masuren Ostpreussens vergessener Suden Pantheon 2006 ISBN 3 570 55006 0 S 209 ff Schicksal des verfolgten Bischofs Bursche geklart Suddeutsche Zeitung 27 Oktober 2017 abgerufen am 26 August 2020 Spates Wiedersehen nach einem Menschenalter In Frankfurter Allgemeine Zeitung 26 November 2018 S 13 Bischofe und Generalsuperintendenten der Evangelisch Augsburgischen Kirche in Polen Adolf Theodor Julius Ludwig 1849 1874 Paul Woldemar von Everth 1875 1895 Karl Gustav Manitius 1895 1904 Juliusz Bursche 1904 1942 Jan Szeruda 1945 1951 Karol Kotula 1951 1959 Andrzej Wantula 1959 1975 Janusz Narzynski 1975 1991 Jan Szarek 1991 2001 Janusz Jagucki 2001 2009 Jerzy Samiec seit 2010 Normdaten Person GND 118517813 lobid OGND AKS LCCN n94098558 VIAF 62340017 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Bursche JuliuszKURZBESCHREIBUNG polnischer evangelischer Geistlicher Verleger und Landesbischof von PolenGEBURTSDATUM 16 September 1862GEBURTSORT Kalisz PolenSTERBEDATUM 20 Februar 1942STERBEORT Gefangnis Moabit Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Juliusz Bursche amp oldid 234444265