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Der Begriff Helvetier Einode auch Helvetiereinode ist ein Erklarungsansatz fur das weitgehende Fehlen von Funden der Spatlatenezeit im rechtsrheinischen Sudwestdeutschland bei der Ankunft der Romer um die Mitte des 1 Jahrhunderts v Chr Grundlage ist neben einer allgemeinen Fundleere die Erwahnung von Gebieten die von den Helvetiern verlassen wurden durch den antiken Geographen Claudius Ptolemaus 1 Inhaltsverzeichnis 1 Quellen 2 Archaologische Hinweise 2 1 Bestattungen 2 2 Siedlungswesen 2 3 Forschungsgeschichte 3 Literatur 4 EinzelnachweiseQuellen BearbeitenRomische Schriftsteller besonders Gaius Iulius Caesar berichten dass vor der Ankunft der Romer im Verlauf des Gallischen Kriegs der Rhein die Grenze zwischen den keltischen Helvetiern und Germanen bildete und dass sie vielfach mit den Germanen in Kampfe verwickelt seien 2 Caesar befurchtete dass nach dem Abzug der Helvetier das von ihnen verlassene Gebiet von Germanen besiedelt werden konnte 3 nbsp Munze vom Typ Tanzendes Mannlein nbsp Wanderung der Kimbern und TeutonenSpatestens mit dem Gallischen Krieg bildete der Rhein aber keine eindeutige Grenze mehr zwischen Germanen und Kelten beginnend mit dem Rheinubergang Ariovists Bedeutende keltische Siedlungen oppida gab es zuvor schon rechts des Rheins bekannte Beispiele sind der Dunsberg oder der Glauberg Die Romer siedelten ihrerseits germanische Stamme links des Rheins an darunter 38 v Chr unter Agrippa die Ubier deren durch Schriftquellen belegte germanische Herkunft neuerdings durch die Quinare vom Typ Tanzendes Mannlein zweifelhaft ist Die Ansiedlung der vermutlich aus rechtsrheinischen Gebieten stammenden Triboker Nemeter und Vangionen im Reichsgebiet fand vermutlich erst zur Regierungszeit des Augustus statt Hinweise bei Caesar selbst 4 gehoren zu den geographischen Exkursen die wohl fruhestens in augusteischer Zeit in das Werk eingefugt wurden 5 Wahrscheinlicher ist neben einer indirekten Erwahnung des Geographen Strabon 6 die eigene Bekundung Caesars nach der Niederlage des Ariovist seien alle Sueben uber den Rhein geflohen 7 Fur die Gebiete rechts des Rheins ist die Quellenlage bedeutend schlechter Tacitus erwahnt dass einst zwischen hercynischem Wald Rhein und Main die Helvetier gesiedelt hatten 8 Spater erwahnt er der Besitz dieser Agri decumates sei umstritten 9 Claudius Ptolemaus nennt das Gebiet Helvetier Einode 1 Diese Erwahnungen deuten an dass ein grosser Teil Sudwestdeutschlands zuvor von den Helvetiern besiedelt wurde Unklar bleibt wann und warum diese Gebiete aufgegeben wurden da das Stammesgebiet der Helvetier zur Zeit Caesars auf die Region des Schweizer Mittellands zwischen Hochrhein und Genfer See beschrankt war In Betracht kommen neben dem Gallischen Krieg die Kimbernkriege im 2 Jahrhundert v Chr Die Kimbern erhielten bei ihrem Durchmarsch durch das Gebiet der Helvetier Zuzug von diesen Poseidonios hielt die Helvetier fur einen vierten Gau der Teutonen 10 In diesem Zusammenhang wurde versucht den Toutonenstein 11 einen romischen Grenzstein bei Miltenberg am Main als Hinweis auf einen in der Heimat verbliebenen Rest dieses Stammes zu deuten 12 Archaologische Hinweise BearbeitenArchaologische Funde konnen das unklare Bild das die Schriftquellen bieten nur teilweise erhellen Die Zahl der Funde und Fundstellen nimmt in Sudwestdeutschland ab dem 3 Jahrhundert v Chr deutlich ab Dies scheint die schriftlichen Quellen auf den ersten Blick zu bestatigen Das wenig einheitliche Bild das sich aus den Bodenfunden ergibt hat vornehmlich dazu gefuhrt die Quellenbasis kritisch zu hinterfragen Bestattungen Bearbeiten Eine wesentliche Schwierigkeit zur Datierung spatlatenezeitlicher Graber entsteht durch die Anderung der Bestattungssitten Nachdem bereits in der fruhen Latenezeit Grabhugel zu Gunsten von Flachgrabern aufgegeben wurden andert sich die Form im Laufe des 3 Jahrhunderts v Chr von der Korper zur Brandbestattung Der Leichenbrand wird vorwiegend in Urnen oft aber auch in Behaltnissen aus organischem Material geborgen In Sudwestdeutschland und weiten Teilen der Schweiz endet parallel dazu die Sitte den Toten Waffen Trachtbestandteile aus Metall und Schmuck auf den Scheiterhaufen zu geben Die Graber werden somit zunehmend schwerer nachzuweisen und zu datieren 13 Lange Zeit Gemeingut in der Forschung war der Versuch Ethnien anhand dieser Bestattungssitten zu identifizieren wobei man Korpergraber meist als keltisch Brandbestattungen als germanisch ansah Der Ansatz geht zuruck auf Gustaf Kossinna und wurde erst seit den 1960er Jahren allmahlich abgelost 14 Siedlungswesen Bearbeiten Gegen eine Siedlungsleere sprechen neben den Grabfunden besonders die spatkeltischen Oppida von denen einige sehr grosse Dimensionen erreichen Deren Grosse und die Konzentrationen von Handwerk und Gewerbe legen wenigstens fur kurze Zeiten die Anwesenheit einer zahlreichen Bevolkerung nahe Weniger bekannt sind kleinere Siedlungen im Flachland auf deren Vorhandensein oft kleinere Nekropolen hindeuten wahrend die Graberfelder der grossen oppida ebenfalls meist unbekannt sind 13 Obwohl deren Zweck nicht endgultig geklart ist weist die grosse Zahl von Viereckschanzen in Suddeutschland auf eine gewisse Bevolkerungsdichte hin die diese Anlagen als Gutshof Heiligtum oder Zentralort nutzten Nicht wenige dieser Anlagen weisen ausschliesslich Funde aus der Spatlatenezeit auf nbsp Germanien um 50 n Chr Forschungsgeschichte Bearbeiten Die Trennung zwischen keltischen und germanischen Funden nach Kossinna war seit dem Beginn des 20 Jahrhunderts lange Zeit pragend 14 Sie verhinderte prazisere Schlusse zur Besiedlung des Oberrheingebietes und den Vorgangen in der Grenzzone des Romischen Reiches Rafael von Uslar wollte 1951 keine Funde sudlich des Mains als germanisch ansehen 15 Demgegenuber stand eine zunehmende Zahl neckarsuebischer Funde aus dem Gebiet um Ladenburg Lopodunum und weiterer germanischer Funde in Starkenburg Durch Graber bei Gross Gerau Schindkaute Sandschliess und Nauheim Seichbohl konnte eine kleinere Germanengruppe im Vorfeld des romischen Legionsstandortes Mainz Mogontiacum identifiziert werden Grabbeigaben weisen auf Beziehungen ins Niederelbegebiet oder nach Jutland Romische Gegenstande im Fundmaterial deuten darauf hin dass diese Gruppe gezielt zum militarischen Schutz der Grenze hier angesiedelt wurde 16 In der Frage nach einer keltischen Bevolkerung herrschen seit den fruhen 1980er Jahren zwei Ansichten vor Rainer Christlein und C Sebastian Sommer gehen von einer weitgehenden Bevolkerungsleere aus 17 Siegmar von Schnurbein Hansjorg Kuster und Gunther Wieland halten einen mangelnden Forschungsstand vor allem im Alpenvorland fur ursachlich und versuchen einen Verbleib von Bevolkerung nachzuweisen 18 Literatur BearbeitenGerhard Dobesch Helvetiereinode In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 14 Walter de Gruyter Berlin New York 1999 ISBN 3 11 016423 X S 351 374 Franz Fischer Die Kelten und ihre Geschichte In Kurt Bittel Wolfgang Kimmig Ewald Schiek Hrsg Die Kelten in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 1981 ISBN 3 8062 0211 7 S 70 75 Gertrud Lenz Bernhard und Helmut Bernhard Das Oberrheingebiet zwischen Caesars Gallischem Krieg und der flavischen Okkupation 58 v 73 n Chr Eine siedlungsgeschichtliche Studie Verlag des Historischen Vereins der Pfalz Speyer 1991 Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 89 Gertrud Lenz Bernhard Lopodunum III Die neckarswebische Siedlung und Villa rustica im Gewann Ziegelscheuer eine Untersuchung zur Besiedlungsgeschichte der Oberrheingermanen Theiss Stuttgart 2003 ISBN 3 8062 1567 7 Forschungen und Berichte zur Vor und Fruhgeschichte in Baden Wurttemberg 77 S 17 24 Einzelnachweise Bearbeiten a b Claudius Ptolemaus Geographike Hyphegesis 2 11 6 Gaius Iulius Caesar De bello Gallico 1 2 3 und 1 1 4 Caesar De bello Gallico 1 28 4 Caesar De bello Gallico 4 10 und 6 25 Herbert Nesselhauf Die Besiedlung der Oberrheinlande in rom Zeit In Badische Fundberichte 19 1951 S 71 85 Gertrud Lenz Bernhard Lopodunum III Die neckarswebische Siedlung und Villa rustica im Gewann Ziegelscheuer eine Untersuchung zur Besiedlungsgeschichte der Oberrheingermanen Stuttgart 2003 S 21 mit weiteren Quellen Strabon 7 1 3 Caesar De bello Gallico 1 53 54 Tacitus Germania 28 Tacitus Germania 29 3 bei Strabon 7 2 2 CIL 13 6610 Franz Fischer Die Kelten und ihre Geschichte In Kurt Bittel Wolfgang Kimmig Ewald Schiek Hrsg Die Kelten in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 1981 S 72 a b Franz Fischer Die Kelten und ihre Geschichte In Kurt Bittel Wolfgang Kimmig Ewald Schiek Hrsg Die Kelten in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 1981 S 73 a b Gertrud Lenz Bernhard Lopodunum III Die neckarswebische Siedlung und Villa rustica im Gewann Ziegelscheuer eine Untersuchung zur Besiedlungsgeschichte der Oberrheingermanen Stuttgart 2003 S 17 Rafael von Uslar Bemerkungen zu einer Karte germanischer Funde der alteren Kaiserzeit In Germania 29 1951 S 44 47 Thomas Maurer Der Raum Trebur in romischer Zeit ein Uberblick In Britta Ramminger Alexander Heising Thomas Maurer Der Raum Trebur in Vorgeschichte Romerzeit und Mittelalter Bestattungen aus dem Mittelneolithikum der Bronze und Eisenzeit Militarlager und zivile Besiedlung in romischer Zeit die Konigspfalz Wiesbaden 2013 ISBN 978 3 89822 705 6 Themen der Hessen Archaologie 5 S 10 17 hier S 10 f Rainer Christlein Zu den jungsten keltischen Funden Sudbayerns In Bayerische Vorgeschichtsblatter 47 1982 S 275 292 C Sebastian Sommer Die romischen Zivilsiedlungen in Sudwestdeutschland In Dieter Planck Hrsg Archaologie in Wurttemberg Ergebnisse und Perspektiven archaologischer Forschung von der Altsteinzeit bis zur Neuzeit Theiss Stuttgart 1988 S 281 310 Siegmar von Schnurbein in Landesamt fur Denkmalpflege Hrsg Die Romer in Schwaben Jubilaumsausstellung 2000 Jahre Augsburg Lipp Munchen 1985 Arbeitshefte des bayerischen Landesamtes fur Denkmalpflege 27 S 18 f Hansjorg Kuster Werden und Wandel der Kulturlandschaft im Alpenvorland In Germania 64 1986 S 533 559 Gunther Wieland Die Spatlatenezeit in Wurttemberg Forschungen zur jungeren Latenekultur zwischen Schwarzwald und Nordlinger Ries Theiss Stuttgart 1986 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Helvetier Einode amp oldid 238026957