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Als Viereck oder Keltenschanze bezeichnet man die vor allem in Suddeutschland anzutreffenden Reste eines rechteckigen meist quadratischen Areals mit einer umlaufenden Befestigung aus Wall und Graben Ihre Deutung ist noch nicht abschliessend geklart Durch neuere Untersuchungen ist jedoch gesichert dass manche der Viereckschanzen dauerhaft bewohnte keltische Gutshofe oder Mittelpunkt einer landlichen Siedlung waren Andererseits ist nicht ausgeschlossen dass die Kelten auch ihre Kultstatten mit viereckigen Einfriedungen umgaben 1 Fur die meisten Viereckschanzen liegen keine oder nur sparliche Untersuchungen vor so dass allgemeine Aussagen uber ihren Zweck noch nicht moglich sind Viereckschanze von Terlach in Wernberg Karnten OsterreichViereckschanze von Sankt Peter am Bichl in Klagenfurt am Worthersee OsterreichViereckschanze bei Buchendorf in Bayern Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung und Datierung 2 Lage und Erscheinungsbild 3 Forschungsgeschichte 4 Beispiele 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVerbreitung und Datierung BearbeitenDas Hauptverbreitungsgebiet der Viereckschanzen liegt in Suddeutschland Daneben gibt es Viereckschanzen in der Schweiz in Osterreich in Bohmen und in Nordfrankreich zwischen der Seine und der Dordogne und in Portugal 2 In Suddeutschland und in den angrenzenden Gebieten sind bis heute mehr als 300 Anlagen bekannt Das Fundgut wird in die spate Latenezeit datiert in das 2 und 1 vorchristliche Jahrhundert Dendrochronologische Untersuchungen weisen in die gleiche Zeit Lage und Erscheinungsbild BearbeitenViereckschanzen befinden sich fast nie in exponierten Lagen sondern haufig auf leichten Hangen und im Flachland vor allem auf den fur die Landwirtschaft geeigneten Boden Manche sind in keltische Siedlungen eingebunden wie beispielsweise bei Bopfingen und manchmal findet man in ihrer Nahe latenezeitliche Grabhugel Fast die Halfte aller Anlagen in Suddeutschland liegt in der Nahe eines Flusses oder Baches In der Nachbarschaft befindet sich manchmal eine zweite Schanze in geringer Entfernung sehr selten kommen auch Doppelschanzen vor wie bei den Viereckschanzen bei Nordheim Viereckschanzen sind Grabenanlagen mit einem rechteckigen meist quadratischen Grundriss der manchmal rhombisch oder trapezformig verzogen ist und mit Seitenlangen zwischen 80 und 140 Metern Auf der Innenseite des Grabens befindet sich der mit dem Aushub errichtete Wall Typisch ist eine ehemalige Hohe der Walle von drei bis vier Metern wobei der Wallfuss etwa sechs bis acht Meter breit war Der vorgelagerte Graben war wohl zwei bis drei Meter tief und funf bis sechs Meter breit 3 Die Schanzen haben nur einen Zugang der offenbar nie im Norden lag Meist befindet er sich in der Mitte einer der drei anderen Seiten Manchmal war auch ein Torbau vorhanden mit einer Holzbrucke uber dem Graben der im Torbereich durchlief Neuere Grabungen zeigen dass im Innenraum der Anlage oft ein wiederkehrendes Bauschema auftritt Das grosste Gebaude liegt jeweils an der dem Eingang gegenuberliegenden Seite wahrend die kleineren Bauten in den Ecken stehen so bleibt im Zentrum eine unbebaute freie Flache Brunnen und in den Boden eingetiefte Grubenhauser die wahrscheinlich als Werkstatten dienten sind nicht immer vorhanden Forschungsgeschichte Bearbeiten nbsp Schnitt durch Wall und Graben der Viereckschanze am Hohmichele 2014 Im 19 Jahrhundert wurden die Schanzen als militarische Anlagen der Romer gedeutet Die Grabungen in der Viereckschanze von Gerichtstetten im Neckar Odenwald Kreis durch Wilhelm Conrady und Karl Schumacher brachten 1896 zum ersten Mal zahlreiche Funde aus der spaten Latenezeit dem 2 und 1 Jahrhundert v Chr Die Bezeichnung Viereckschanze geht auf Paul Reinecke zuruck der die Grabenanlagen 1910 fur keltische Befestigungen hielt um 1920 interpretierte er sie als befestigte keltische Gutshofe Friedrich Drexel veroffentlichte 1931 einen Aufsatz in dem er die Viereckschanzen uber den Vergleich mit archaologischen Befunden aus dem Mittelmeerraum als spatkeltische Heiligtumer deutet Diese Interpretation setzte sich als Lehrmeinung durch denn die Ergebnisse der ersten grosseren Ausgrabung einer Viereckschanze um 1950 bei Holzhausen im Landkreis Munchen durch Klaus Schwarz schienen diese Deutung zu stutzen Der Grundriss eines Holzgebaudes erinnerte an einen romischen Tempel drei bis zu 35 Meter tiefe Schachte wurden als Opferschachte eines Heiligtums fanum gedeutet und auch die zuruckgezogene Lage der Schanze diente als Argument Erst seit den 1980er Jahren wurden in Bayern und in Baden Wurttemberg wieder Grabungen unternommen jetzt mit dem Bemuhen die Gesamtanlage komplett zu untersuchen Unter der Leitung von Dieter Planck wurde in Fellbach Schmiden nachgewiesen dass es sich bei den vermuteten Opferschachten um Brunnen handelt 1980 machte man in einem dieser Brunnen einen sensationellen Fund drei etwa 90 cm hohe aus Eichenholz geschnitzte Tierfiguren Diese unter einer zwei Meter dicken Schicht Stallmist im Brunnenschacht verborgenen Figuren blieben bisher die einzigen Fundstucke die man in einem religiosen Kontext sehen kann Siegwalt Schiek untersuchte 1984 in Ehningen zum ersten Mal den gesamten Innenraum einer Anlage Er entdeckte die Grundrisse von sieben holzernen Gebauden aus zwei aufeinanderfolgenden Bauphasen und auch die Fundmenge spatlatenezeitlicher Keramik war betrachtlich Die Wallanlage hatte also keinen nur sparlich bebauten Innenraum Die zwischen 1989 und 1992 grossflachig untersuchte Viereckschanze bei Bopfingen im Nordlinger Ries bestatigte die Ehninger Erkenntnisse Rudiger Krause und Gunther Wieland fanden die Grundrisse von drei in der Form eines Dreiecks angeordneten Holzgebauden zwei beiderseits des Toreingangs und das dritte dem Eingang gegenuber Um die Anlage herum fand man in geringer Entfernung die Grundrisse von mehr als 120 Hausern aus keltischer Zeit die zum Teil alter waren als die Schanze Die Viereckschanze lag also nicht abgeschieden sondern war Bestandteil einer landlichen Siedlung Frieder Klein fand in der Umgebung der zwischen 1991 und 1997 von ihm ausgegrabenen Vierecksschanze bei Riedlingen an der oberen Donau umfangreiche Reste einer latenezeitlichen Siedlung und Spuren einer eingezaunten Vorgangeranlage Hier wird eine langere Siedlungstatigkeit erkennbar Neben den Resten von grosseren Gebauden in symmetrischer Anordnung konnte Frieder Klein mehrere kleinere Getreidespeicher und zwei in den Boden eingetiefte Grubenhauser nachweisen Schmiedeschlacken ein eiserner Tullenmeissel und ein Knochengerat zur Verzierung von Keramik bewiesen handwerkliche Tatigkeit im Innern einer Viereckschanze Die Deutung der keltischen Viereckschanzen als Kultstatten wird auch durch die grossflachige Ausgrabung der beiden Viereckschanzen bei Nordheim in Frage gestellt Der ungewohnlich grosse siedlungstypische Fundbestand spricht fur eine Interpretation der Viereckschanze als keltischer Gutshof auf dem es moglicherweise auch einen Ort fur kultische Handlungen gab Die meisten Archaologen betrachten die Viereckschanzen heute als eingefriedete landliche Gehofte die von recht gut situierten Bauern bewohnt waren doch Martin Kuckenburg fugt an Es ist ja keineswegs ausgeschlossen dass die spatlatenezeitlichen Kelten aus Traditions und Glaubensgrunden sowohl ihre landlichen Gehofte als auch ihre Kultanlagen mit quadratischen Einfriedungen umgaben um sie deutlich sichtbar von der Umgebung abzugrenzen 4 Beispiele BearbeitenViereckschanze Buchendorf Viereckschanze Burgadelzhausen Viereckschanze Bildechingen Viereckschanze Eybburg Viereckschanze von Gerichtstetten Viereckschanze bei Gogglbach Viereckschanze Langenburg Viereckschanzen bei Nordheim Wurttemberg Viereckschanze Oberjettingen Viereckschanze bei Peterhof Gersthofen Viereckschanze Tannheim Viereckschanze bei WalpertskirchenSiehe auch BearbeitenListe von Viereckschanzen in Bayern Wallburg Erdwerk Ringwall NemetonaLiteratur BearbeitenAlphabetisch geordnet Richard Ambs Die keltische Viereckschanze bei Beuren Marktgem Pfaffenhofen a d Roth Lkrs Neu Ulm Bayern Berichte zur Archaologie im Landkreis Neu Ulm Bd 4 Neu Ulm 2011 ISBN 978 3 9812654 2 2 Kurt Bittel Siegwalt Schiek Dieter Muller Die keltischen Viereckschanzen Atlas archaologischer Gelandedenkmaler in Baden Wurttemberg 2 Bde Stuttgart 1990 ISBN 3 8062 0851 4 Peter Donat Zu Hausbefunden aus Hallstatt und latenezeitlichen Viereckanlagen in Suddeutschland In Jahrbuch des Romisch Germanischen Zentralmuseums Mainz Band 53 Teil 1 2006 S 109 174 Alfred Haffner Hrsg Heiligtumer und Opferkulte der Kelten Sonderheft Archaologie in Deutschland Nikol Verlagsgesellschaft Hamburg 2001 L Hansen D Krausse R Tarpini Neue Forschungen zur Viereckschanze am Hohmichele In Martin Kemkes Patrick Rau Ralph Robe Patricia Schlempe Barbara Theune Grosskopf Hrsg Ob res prospere gestas Wegen erfolgreich ausgefuhrter Taten Festschrift fur Jorg Heiligmann Friedberg 2018 S 104 113 Martin Kuckenburg Die Kelten in Mitteleuropa Theiss Verlag Stuttgart 2004 S 132 138 ISBN 978 3 8062 1593 9 Manfred Nawroth und andere Menschen Zeiten Raume Archaologie in Deutschland Ausstellungsfuhrer Theiss Stuttgart 2002 Andrea Neth Entdeckung archaologischer Fundstellen damals und heute In Christina Jacob Helmut Spatz Schliz ein Schliemann im Unterland 100 Jahre Archaologie im Heilbronner Raum Stadtische Museen Heilbronn 1999 Andrea Neth Viereckschanzen Gutshofe des keltischen Landadels Heimat und Altertumsverein Heidenheim an der Brenz e V Sonderdruck aus Jahrbuch 2001 2002 Klaus Schwarz Atlas der spatkeltischen Viereckschanzen Bayerns Plane und Karten Beck Munchen 1959 Textband Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 10336 0 Gunther Wieland Viereckschanzen In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 32 Walter de Gruyter Berlin New York 2006 ISBN 3 11 018387 0 S 357 362 Gunther Wieland Hrsg Keltische Viereckschanzen Einem Ratsel auf der Spur Theiss Stuttgart 1999 ISBN 3 8062 1387 9 Gunther Wieland Klaus Schwarz Die Ausgrabung in der Viereckschanze 2 von Holzhausen Grabungsberichte von Klaus Schwarz Zusammengestellt und kommentiert von Gunther Wieland Leidorf 2005 ISBN 3 89646 536 8 Viereckschanzen ratselhafte Bauwerke der Kelten Stand der Viereckschanzenforschung in Bayern und Baden Wurttemberg Kolloquium Kelheim in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt fur Denkmalpflege Kelheim 2005 ISBN 3 00 017987 9 Weblinks BearbeitenKarte und Beschreibung von 16 Keltenschanzen sudlich Munchen Keltische Viereckschanzen in Suddeutschland kultische oder profane Deutung Viereckschanzen Kelten Info Bank Bebilderte Ubersicht von 100 suddeutschen Keltenschanzen Aufstellung aller noch sichtbaren Keltenschanzen in Bayern und Baden Wurttemberg 275 Schanzen SILVA A J M LOPES C 2007 La contribution de la prospection geomagnetique pour la comprehension de la paleoforme de Matabodes Beja Portugal communication presentee au 1 º Colloque de d Archeogeographie 6 a 8 Septembre 2007 a Paris Einzelnachweise Bearbeiten Erklarungstafel nahe der Viereckschanze Buchendorf Antonio Jose Marques da Silva La contribution de la prospection geomagnetique pour la comprehension de la paleoforme de Matabodes Beja Portugal academia edu abgerufen am 17 Februar 2022 Karin Berghausen Magnetometrische Untersuchungen an keltischen Viereckschanzen in Bayern Volk Verlag Munchen 2014 ISBN 978 3 86222 144 8 S 15 Kuckenburg S 137f Normdaten Sachbegriff GND 4188271 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Viereckschanze amp oldid 238176292