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Der Frankfurter Hauserkampf umfasste Protestbewegungen Kundgebungen und Demonstrationen der Frankfurter Spontiszene in den fruhen 1970er Jahren Die Proteste richteten sich in erster Linie gegen die Grundstucksspekulationen im Frankfurter Westend und die damit verbundene Verdrangung der Wohnbevolkerung Gentrifizierung Der um 1880 erbaute Livingstonsche Pferdestall an der Ecke Ulmenstrasse Kettenhofweg entging nur knapp dem Abriss fur ein Burohochhaus Er wurde 1978 von der Stadt erworben ist heute Sitz der Aktionsgemeinschaft Westend und dient als Burgertreff und Restaurant Der Hauserkampf markiert den Beginn der deutschen Hausbesetzerbewegung und den Anfang vom Ende einer burgerfernen Stadtplanung Die Entwicklung partizipativer Planungsmodelle erhielt durch den Frankfurter Hauserkampf entscheidende Impulse Im betroffenen Stadtteil Westend selbst konnte die Bewegung dagegen nur einen teilweisen Erfolg erzielen Wahrend viele der abrissbedrohten Grunderzeitvillen gerettet und der Bau weiterer Burohochhauser gestoppt werden konnte setzte sich die Vertreibung der Bewohner durch Buromieter weiter fort Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangssituation 2 Investoren Stadtplaner und der Funffingerplan 3 Konflikte und Widerstand 4 Nachwirkungen 5 Wohnhauser die wieder Wohnzwecken zugefuhrt wurden 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAusgangssituation BearbeitenDas kriegszerstorte Frankfurt am Main ubernahm nach dem Zweiten Weltkrieg anstelle Berlins mehrere Hauptstadtfunktionen fur die neugegrundete Bundesrepublik Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht gewann Frankfurt an Bedeutung was mit einem Schub fur die Stadtentwicklung einherging Die sich in Frankfurt ansiedelnden Unternehmen losten einen Flachenbedarf aus der uber die Wiederherstellung der Vorkriegsbestande hinausging Nachdem gegen Ende der 1950er Jahre die meisten Freiflachen innerhalb der eigentlichen Innenstadt also der zentrale und westliche Teil der Neustadt innerhalb der Wallanlagen bebaut waren stellte sich die Frage nach der Erschliessung von so genannten City Erweiterungsgebieten Wegen der seit Mitte des 19 Jahrhunderts mit Bau der Westbahnhofe entstandenen Westlastigkeit der Frankfurter City boten sich hierfur die zwei westlich an die Neustadt angrenzenden grunderzeitlichen Innenstadtbezirke an das Bahnhofsviertel und das Westend 1 Beide galten durch die Nahe des Bahnhofs breit ausgebaute Strassen und eine gute Verbindung zum Flughafen als gut erschlossen Das Bahnhofsviertel ist ein verdichtetes urbanes Innenstadtviertel mit grunderzeitlicher Blockbebauung Die Nutzungsdichte war durch die funf bis sechsgeschossigen Vorderhauser und die verbreitete Hinterhofbebauung bereits hoch und kaum erweiterbar Die Einwohnerzahl war rucklaufig die Zahl der Arbeitsplatze stieg an Im Bahnhofsviertel entstanden so unter anderem die Konzernzentralen der Dresdner Bank und von Philipp Holzmann Diese beiden Unternehmen waren die einzigen die im Bahnhofsviertel der 1960er und 1970er Jahre Hochhauser errichteten Fur Handel Banken und Versicherungen war das benachbarte Westend interessanter als das bereits weitgehend geschaftlich genutzte Bahnhofsviertel Wie das Bahnhofsviertel wies auch das Westend vergleichsweise geringe Bombenschaden auf Es war im 19 Jahrhundert jedoch nicht als innerstadtisches Geschaftsviertel sondern als Wohnviertel des Grossburgertums entstanden Fur eine erheblich kleinere Stadt geplant lag es aufgrund der folgenden rasanten Stadtentwicklung nun mitten in der Grossstadt Durch die Inflationszeit die Ermordung der Frankfurter Juden im Dritten Reich die Kriegs und Nachkriegswirren und die einsetzende Suburbanisierung des Burgertums war die ursprungliche Sozialstruktur weitgehend abhandengekommen Um 1960 war das Westend zum grossen Teil ein einfaches Wohngebiet 2 Die zwei bis dreigeschossigen klassizistischen grunderzeitlichen und Jugendstilvillen mit ihren grossen Garten waren jedoch wenn auch oft in schlechtem baulichen Zustand weitgehend erhalten geblieben Dieser Umstand machte das Westend einerseits zu einem der schonsten und historisch wertvollsten Frankfurter Stadtteile andererseits angesichts der zentralen Lage und der geringen Nutzungsdichte in den Augen der Stadtplanung und der Politik zum idealen City Erweiterungsgebiet 1962 hatte Oberburgermeister Werner Bockelmann in seiner Festrede zur Eroffnung des Zurich Hauses am Opernplatz genau dies angekundigt 3 Es wurde auf einem Grundstuck der Familie Rothschild errichtet das die Stadt Frankfurt 1938 in der Zeit des Nationalsozialismus in ihren Besitz gebracht und nach anhaltendem Widerstand 1960 zuruckerstattet hatte Zwei Drittel den heutigen Rothschildpark behielt sie ein Drittel ging an die Erben wobei zum Ausgleich eine Ausnutzung zugestanden wurde Diese verkauften das zuruckgegebene Gelande an die Zurich Versicherung und die Berliner Handels Gesellschaft die dort Burohochhauser errichteten 4 Der Bau des Zurich Hochhauses am Anfang der Bockenheimer Landstrasse bildete den Auftakt zum Ansturm von Bauherren und Investoren auf das Westend 5 und wurde von einer Welle der Bodenspekulation gefolgt 6 Investoren Stadtplaner und der Funffingerplan BearbeitenGetrieben von einem massiven Investoreninteresse entwickelte die sozialdemokratische Stadtverwaltung vertreten durch den Baudezernenten Hans Kampffmeyer und den Leiter der Stadtplanung Hans Reiner Muller Raemisch 1968 ein informelles Planwerk zur Erweiterung der Citynutzungen in das Westend hinein den sogenannten Funffingerplan Er sah vor das Westend nicht flachendeckend umzugestalten sondern die Buronutzungen in neuzubauenden Hochhausern entlang funf Entwicklungsachsen zu konzentrieren Vom Opernplatz als Handteller ausgehend sollte dies im Uhrzeigersinn die Taunusanlage bzw die Mainzer Landstrasse den Kettenhofweg die Bockenheimer Landstrasse die Oberlindau und den Reuterweg betreffen 7 8 Vor allem der Zeigefinger und Ringfinger also Kettenhofweg und Oberlindau waren jedoch schmale Wohnstrassen die bisher von innerstadtischen Nutzungen unberuhrt waren Auch die Bockenheimer Landstrasse galt dank ihrer zahlreichen eleganten Villen als eine der schonsten und vornehmsten Strassen der Stadt Alle drei Strassen waren also fur eine massive Verdichtung durch Hochhausbebauung denkbar ungeeignet Es war schnell absehbar dass der Plan nur um den Preis erheblicher Stadtzerstorung umzusetzen war Dieser Gefahrdung des durch die Kriegszerstorungen ohnehin arg geminderten architektonischen und stadtebaulichen Erbes der Stadt wurde in der Stadtverwaltung wesentlich weniger Bedeutung zugemessen als in der Offentlichkeit Mit Verweis auf das gelungene Stadtbauprogramm Neues Frankfurt der 1920er Jahre von Kampffmeyers Vorganger Ernst May verfolgte man stadtebaulich eine funktionalistisch orientierte Planungspolitik die den baulichen Zeugnissen der reichhaltigen Stadtgeschichte erkennbar wenig Respekt zollte Oberstes und ausdrucklich so benanntes Prinzip der Frankfurter Stadtplanung war seit den 1950er Jahren zudem die autogerechte Stadt Die zahlreichen Projekte zur Bekampfung der Wohnungsnot beschrankten sich seit etwa 1960 nach Abschluss des Wiederaufbaus der Innenstadt und der Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung des Wohnraums auf den Neubau von Wohnvierteln am Stadtrand z B der Nordweststadt Die Erhaltung preiswerten Wohnraums im Altbestand spielte in der Frankfurter Wohnungspolitik keine erkennbare Rolle obwohl in der Bevolkerung ein grosses Interesse an zeitgemasser Wohnraumversorgung im angestammten Quartier bestand Die gesamte Bedeutung des Funffingerplans fur die bauliche und soziale Umgestaltung des Westends ist schwer einzuschatzen Der Interessenkonflikt zwischen stadtischer Wohnungspolitik und den Interessen der alteingesessenen Burgern entstand schon Anfang der 1960er Jahre und auch nach 1968 lagen viele der umstrittenen aber genehmigten Bauprojekte ausserhalb der funf im Plan genannten Entwicklungsachsen Auf jeden Fall trug der Plan dazu bei die aufkommenden Proteste politisch zu legitimieren Besonders eine Passage des Funffingerplans entfaltete eine erhebliche Wirkung als Voraussetzung fur eine hohe Ausnutzung eines Grundstucks durch den Bau eines Burohochhauses war eine Mindestgrosse von 2 000 Quadratmetern festgelegt Private Eigentumer von Wohnhausern versuchten daraufhin Nachbargrundstucke zu erwerben und zu einem grossen Areal zu verbinden um dann durch Verkauf an einen Bauherren an der Wertsteigerung des Bodenpreises zu verdienen Im ersten Jahr nach der Verabschiedung des Funffingerplans kam es so zu den intensivsten Bodenaufkaufen im Westend Nach Angaben des Frankfurter Planungsdezernates 9 waren es sieben Einzelkaufer bzw Kaufergruppen insgesamt weniger als 30 Personen die einen grossen Teil der Grundstucke kauften Sie erhielten dafur von sieben Banken Kredite uber mehr als eine Milliarde Deutsche Mark Dass auch die Hessische Landesbank die zur Halfte dem damals sozialdemokratisch regierten Land Hessen gehorte und in deren Vorstand der Frankfurter Oberburgermeister Rudi Arndt war ebenfalls solche Kredite vergab wurde von den Hausbesetzern stark kritisiert Konflikte und Widerstand BearbeitenDie Zerstorung des Westend durch die Immobilienspekulation nahm im Laufe der spaten sechziger Jahre bedenkliche Formen an Die Zahl der Wohnungen nahm rapide ab allein im Jahr 1968 ging die Zahl der Wohnraume um mehr als 4 000 zuruck Sie wurden uberwiegend in Buros umgewandelt oder es wurden Wohngebaude abgerissen und durch Burobauten ersetzt Raume fur Burozwecke liessen sich zu deutlich hoheren Mieten vermieten als zu Wohnzwecken Dazu kam die spekulative Aussicht von den Stadtbehorden die Genehmigung zu einem Neubau mit wesentlich hoherer Flache zu erhalten Die Methoden zur Vertreibung der Mieter waren drastisch Notwendige Reparaturen wurden bewusst unterlassen bereits entmietete Wohnungen mit so genannten Gastarbeitern belegt 10 11 Die katastrophale Uberbelegung bei der in jedem Raum viele Menschen zusammengepfercht waren fuhrte zur Verwahrlosung der Wohnhauser Die sanitaren Anlagen reichten nicht aus Rattenplagen entstanden Hauseigentumer machten ihre Wohnungen vorsatzlich unbewohnbar Heizungen fielen plotzlich aus Rohre brachen und massiver teilweise nachtlicher Baularm entnervte die Mieter Wenn die Bewohner diesem Druck schliesslich nachgaben wurden zahlreiche bauhistorisch wertvolle Altbauten abgerissen und durch Burogebaude im Stile der Zeit ersetzt Vor allem die Bockenheimer Landstrasse anderte ihr Bild radikal vom ehemaligen grossburgerlichen Boulevard blieb praktisch nichts erhalten Auch in vielen Nebenstrassen erreichten Bauspekulation Mietervertreibung und Abriss ungeahnte Ausmasse Innerhalb von vier Jahren halbierte sich die Einwohnerzahl des Westends auf etwa 20 000 10 Erstmals in der jungeren deutschen Bau und Planungsgeschichte entwickelte sich im Westend jedoch Widerstand Die Ereignisse fielen zeitlich in die allgemeine Aufbruchs und Proteststimmung der Studentenbewegung und losten eine Widerstandsbewegung aus die bis in die Gegenwart reichende Folgen haben sollte nicht nur fur das Frankfurter Westend sondern auch fur das allgemeine Selbstverstandnis der Stadtplanung in Deutschland Als eine der ersten Burgerinitiativen grundeten rund 700 Burger 1969 die Aktionsgemeinschaft Westend AGW Die AGW erklarte als Ziel sich fur die Erhaltung einer funktionalen sozialen und architektonischen Mischstruktur im Westend der Stadt Frankfurt einzusetzen Sie forderte der Umwandlung des Stadtteils vom Wohngebiet zur erweiterten City Grenzen zu setzen der Vertreibung der vielschichtigen Bevolkerung Einhalt zu bieten und nicht noch mehr alte Bausubstanzen ohne Rucksicht auf soziale Gesichtspunkte und Stadtbildpflege zu zerstoren 12 Die Kastanienbaume der Bockenheimer Landstrasse die nach den U Bahn Bauplanen verschwinden sollten hielten AGW Helfer in einer Trockenperiode demonstrativ am Leben Mit rund 12 000 Fragebogen verschaffte die AGW sich Unterlagen uber die Wohnverhaltnisse im Westend und stellte sie der Stadt zur Verfugung Angesichts der zahlreichen trotz Wohnungsnot leerstehenden Hauser kam es im Herbst 1970 zu den ersten Hausbesetzungen in der Geschichte der Bundesrepublik in der Eppsteiner Strasse 47 der Liebigstrasse 20 und der Corneliusstrasse 24 In diese Hauser zogen Studenten und Familien von Gastarbeitern ein Zahlreiche Besetzungen folgten Das leerstehende Haus im Gruneburgweg 113 war das erste Haus das nur von Studenten besetzt wurde Obwohl Teile der Bewegung im Stile der Zeit und der damaligen politisch gesellschaftlichen Stromungen eine klassenkampferisch linksradikale Rhetorik gegen das Grosskapital im Allgemeinen verfolgten wurde der Widerstand im Westend von einer breiten Koalition vollig unterschiedlicher Betroffener und Gruppierungen getragen die sich von der linken Jugend und der sehr politischen Studentenbewegung uber Kirchen und Gewerkschaften bis hin zu den betroffenen Gastarbeitern und den kleinburgerlichen Anwohnern erstreckte Auch in der Offentlichkeit grossen Teilen der Presse und sogar in Teilen der Regierungspartei SPD genoss die Burgerbewegung im Westend grosse Sympathien Im Herbst 1971 beschloss die Stadtverwaltung auf Druck der Grundstuckseigentumer keine weiteren Hausbesetzungen zu dulden Bei der polizeilich durchgesetzten Raumung des besetzten Hauses Gruneburgweg 113 kam es zur ersten von zahlreichen Strassenschlachten im Westend Die Auseinandersetzung wurde in der Folge von beiden Seiten mit grosser Harte gefuhrt Eine am 5 Januar 1971 nach einer Forderung der Stadtverordnetenversammlung erlassene Veranderungssperre 11 zur Vorbereitung eines Bebauungsplans sowie die 1972 erlassene Hessische Verordnung gegen Wohnraumzweckentfremdung fuhrten zunachst zur Beendigung der unbegrenzten Grundstucksspekulation im Westend Durch das Hessische Denkmalschutzgesetz vom 23 September 1974 und eine von der Aktionsgemeinschaft Westend erstellte Liste denkmalschutzwurdiger Hauser konnten zahlreiche Gebaude vor kunftigen Abrissplanen geschutzt werden Weil sehr viele Hauser und Wohnungen aus Spekulationsgrunden leerstanden fur die es aber weder Abrissgenehmigungen noch Genehmigungen fur eine Zweckentfremdung von Wohnraum gab erhielt die stadtische Wohnheimgesellschaft von der Stadt den Auftrag sich um ihre zeitweilige Nutzung zu bemuhen Die Wohnheimgesellschaft verwaltete damals neunzehn Wohnheime und zwei Fluchtlingswohnheime insgesamt 9 500 Wohnungen Sie schloss daraufhin mit vielen Hauseigentumern zeitlich begrenzte Uberlassungsvertrage ab und uberliess die Wohnungen denen die dort einziehen wollten oder schon als Hausbesetzer eingezogen waren Es liefen jedoch erhebliche Mietruckstande auf und nach Ablauf der Uberlassungsvertrage zogen die Bewohner oft auch nicht aus Die Wohnheimgesellschaft erwirkte Raumungsurteile und liess die Hauser durch die Polizei raumen Die Konflikte beschrankten sich nicht nur auf das Frankfurter Westend Die Aktienbaugesellschaft fur kleine Wohnungen sowie die Hellerhof AG die uberwiegend der Stadt gehorten und damals uber 12 000 Altbauwohnungen besassen erhohten die Mieten 1972 1973 um zwanzig bis sechzig Prozent Diese Wohnungen waren gebaut worden um vorwiegend Familien geringverdienender offentlicher Bediensteter unterzubringen Angestellte der stadtischen Strassenbahn der Mullabfuhr Postler und Eisenbahner In den einfachen Wohnungen teilweise ohne Bad und noch mit Kohleofen beheizt hatten die Gesellschaften selten Reparaturen vornehmen lassen dafur waren die Mieten niedrig und die Mieter hatten oft auf eigene Kosten modernisiert Anfanglich verweigerten 4 000 Mieter die Zustimmung zur Mieterhohung uber 1 000 riskierten einen Prozess Jungsozialisten und Altkommunisten aus dem Gallus Viertel wo die KPD vor 1933 eine Hochburg gehabt hatte organisierten den Widerstand der Mieter in Mietervereinen Nachwirkungen Bearbeiten nbsp Siesmayerstrasse 6 1986 das letzte besetzte Haus in FrankfurtEinige Beteiligte des Frankfurter Hauserkampfs erlangten spater bundespolitische Bekanntheit Auf Seiten der Hausbesetzer gehorten die spateren Grunen Politiker Daniel Cohn Bendit und Joschka Fischer welche damals der Organisation Revolutionarer Kampf angehorten zu den Wortfuhrern Unter den Grundstucksspekulanten spielte Ignatz Bubis eine wichtige Rolle Bubis kaufte Hauser die fur die geplanten Neubauprojekte abgerissen werden sollten und vermietete sie bis zur Erteilung der Baugenehmigung an Studenten Auch Fischer wohnte zeitweise in Hausern deren Eigentumer Bubis war Bubis gehorte in unmittelbarer Nachbarschaft der Frankfurter Universitat ein Block von vier dreistockigen Grunderzeit Hausern an der Ecke Bockenheimer Landstrasse Schumannstrasse der langere Zeit besetzt war und bei dessen Raumung es 1974 zu einer der grossten Strassenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei in der Geschichte der Stadt kam Mitte 1972 hatte der Bauausschuss der Stadt den Bau eines Burogebaudes auf diesem Grundstuck genehmigt und den Bau von funfzig Sozialwohnungen in der Altkonigstrasse wo Bubis ein weiteres Grundstuck besass als Ersatzwohnraum zur Auflage gemacht Dieses Gelande lag nach dem Abriss der Bebauung mangels Bauinteressenten jahrelang brach und verursachte erhebliche finanzielle Nachteile fur seinen Eigentumer Die Hausbesetzerbewegung breitete sich schnell auf andere westdeutsche Grossstadte aus Am bekanntesten waren hier der ebenfalls durch eine neue Stadtplanung in seiner Existenz bedrohte Stadtteil Berlin Kreuzberg spater die Konflikte um die Hamburger Hafenstrasse und als vorlaufig letzter Hohepunkt die Hausbesetzungen im Ostteil des wiedervereinigten Berlin zu Beginn der neunziger Jahre unter anderem in der Mainzer Strasse Das letzte besetzte Haus im Frankfurter Westend die seit 1971 besetzte Siesmayerstrasse 6 wurde 1986 an den neuen Eigentumer die Deutsche Bank ubergeben Die Hausbesetzer hatten den geplanten Abriss verhindert und erreicht dass die dreigeschossige Grunderzeitvilla unter Denkmalschutz gestellt wurde 10 In der Stadtplanung ersetzten im Laufe der spaten siebziger und fruhen achtziger Jahre partizipative Modelle und Burgerbeteiligung das gescheiterte technokratische und von einer Unfehlbarkeit des Planers ausgehende Planungsverstandnis Auch die gewachsene Wertschatzung historischer Bausubstanz kam ab Mitte der siebziger Jahre durch den gesetzlich gestarkten Denkmalschutz zum Ausdruck Die in Frankfurt seit Kriegsende regierende SPD verlor bei den Kommunalwahlen 1977 die Macht an die bisher oppositionelle CDU die eine absolute Mehrheit errang Der neue Oberburgermeister Walter Wallmann leitete eine Wiederentdeckung des historischen Stadtbilds ein die sich unter anderem durch den Wiederaufbau der Alten Oper und der Rekonstruktion der Ostzeile des Romerbergs ausdruckte Der Hochhausbau in Frankfurt verlagerte sich aus dem Westend auf die grossen Achsen der westlichen City wie die Mainzer Landstrasse und die Friedrich Ebert Anlage seit dem Hochhausrahmenplan 1990 in das engere Bankenviertel beiderseits der Neuen Mainzer Strasse Die verbliebene alte Bausubstanz im Westend konnte nach Ende des Hauserkampfs weitgehend bewahrt bleiben die Verdrangung der alten einkommenschwacheren Wohnbevolkerung ging jedoch weiter Dienstleister wie Banken und Anwaltskanzleien zogen statt in neugebaute Burohauser in die aufwendig sanierten Grunderzeitvillen die von wohlhabenden Privatleuten teilweise auch als Wohnimmobilien genutzt werden Die Einwohnerzahl des Stadtteils sank von 1965 bis 1987 von 40 000 auf 18 000 Menschen Die Hessische Verordnung uber Zweckentfremdung von Wohnraum von 1972 wurde 2004 aufgehoben 13 Die Urauffuhrung des 1975 entstandenen und vom Frankfurter Hauserkampf inspirierten Theaterstucks Der Mull die Stadt und der Tod von Rainer Werner Fassbinder am Schauspiel Frankfurt wurde am 31 Oktober 1985 von Mitgliedern der Judischen Gemeinde Frankfurt und anderen Demonstranten verhindert indem sie die Buhne besetzten und Schauspieler und Publikum in Diskussionen verwickelten so dass die Vorstellung schliesslich abgebrochen wurde Die Protestierenden glaubten in der Hauptfigur des Stuckes einem reichen judischen Immobilienspekulanten Ignatz Bubis wiederzuerkennen der damals Vorsitzender der Frankfurter Gemeinde und Direktoriumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland war Dem 1982 verstorbenen Fassbinder wurden posthum antisemitische Einstellungen vorgeworfen Erst am 1 Oktober 2009 konnte schliesslich im Theater an der Ruhr in Mulheim an der Ruhr die deutsche Erstauffuhrung in einer leicht gekurzten Fassung stattfinden Dem Fassbinder Stuck lag Gerhard Zwerenz Roman Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond von 1973 zugrunde der bereits die Stereotype des reichen judischen Immobilienspekulanten einfuhrte Dies wurde als Anspielung auf Bubis verstanden und loste bei Erscheinen ahnliche Vorwurfe aus wie spater Fassbinders Theaterstuck Die Aktionsgemeinschaft Westend erhielt 1973 als vorbildliche Burgerinitiative die Theodor Heuss Medaille uberreicht ihr Hauptinitiator und langjahriger stellvertretender Vorsitzender Otto Fresenius das Bundesverdienstkreuz am Bande Wohnhauser die wieder Wohnzwecken zugefuhrt wurden BearbeitenBockenheimer Landstrasse 94 96 Bockenheimer Landstrasse 111 113 und Schumannstrasse 69 71 der Block Eppsteiner Strasse 47 Freiherr vom Stein Strasse 18 Ginnheimer Landstrasse 181 Guiollettstrasse 56 Heidestrasse 11 13 Leipziger Strasse 3 Niedenau 46 sowie Zimmerweg 13 15 und 17 Niedenau 51 Niedenau 57 Niedenau 59 Schubertstrasse 27 Siesmayerstrasse 3 Siesmayerstrasse 6 Ulmenstrasse 18Literatur BearbeitenRudolf Heinrich Apel Heisser Boden Stadtentwicklung und Wohnprobleme Herausgegeben vom Presse und Informationsamt der Stadt Frankfurt Oktober 1974 Fritz Backhaus Raphael Gross Michael Lenarz Ignatz Bubis Ein judisches Leben in Deutschland Judischer Verlag Frankfurt 2007 ISBN 3 633 54224 8 Frolinde Balser Aus Trummern zu einem europaischen Zentrum Geschichte der Stadt Frankfurt am Main 1945 1989 Hrsg Frankfurter Historische Kommission Veroffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission Band 20 Jan Thorbecke Sigmaringen 1995 ISBN 3 7995 1210 1 Geronimo Feuer und Flamme Verlag ID Archiv Berlin 4 Auflage 1995 ISBN 3 89408 004 3 Der Frankfurter Hauserkampf S 59 f nadir org PDF 558 kB Hauserrat Frankfurt Wohnungskampf in Frankfurt Schriften zum Klassenkampf 2 Trikont Verlag Munchen 1974 ISBN 3 920385 62 4 Richard Herding Wohnraumvernichtung Hausbesetzungen okologische Wende und Skyline offentlicher Lernprozess in Frankfurt am Main 31 August 2000 archiviert vom Original am 27 September 2007 abgerufen am 18 November 2023 Volltext auf der Website des Informationsdiensts fur kritische Medienpraxis Serhat Karakayali Across Bockenheimer Landstrasse In diskus 2 2000 Abgerufen am 18 November 2023 zum Autor M A Serhat Karakayali Bundeszentrale fur politische Bildung archiviert vom Original am 29 September 2007 abgerufen am 18 November 2023 Wolfgang Kraushaar Fischer in Frankfurt Karriere eines Aussenseiters Hamburger Edition Hamburg 2001 ISBN 3 930908 69 7 Jurgen Mumken Kapitalismus und Wohnen Ein Beitrag zur Geschichte der Wohnungspolitik im Spiegel kapitalistischer Entwicklungsdynamik und sozialer Kampfe Verlag Edition AV Lich 2006 ISBN 978 3 936049 64 0 zum Hauserkampf in Frankfurt S 228 231 Hans Reiner Muller Raemisch Frankfurt am Main Stadtentwicklung und Planungsgeschichte seit 1945 Campus Frankfurt New York 1998 ISBN 3 593 35918 9 Margret Steen Das Cafe Marx und ein Funf Finger Plan Das Westend In Jurgen Engelhardt Hrsg Frankfurt zu Fuss 20 Rundgange durch Geschichte und Gegenwart VSA Verlag Hamburg 1987 ISBN 3 87975 420 9 Dieses Haus ist besetzt Frankfurter Hauserkampf 1970 1974 Dokumentation der Ausstellung in Frankfurt am Main 18 Sept 18 Okt 2020 Institut fur Selbstorganisation e V Frankfurt am Main Dezember 2020 ISBN 978 3 9821407 1 1Weblinks BearbeitenGeschichte des Westends Aktionsgemeinschaft Westend e V abgerufen am 18 November 2023 Erste Hessische Verordnung uber das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum PDF 0 2 MB von 1972 aufgehoben 2004 Serhat Karakayali Lotta Continua in Frankfurt Turken Terror in Koln Migrantische Kampfe in der Geschichte der Bundesrepublik grundrisse net Fotodokumentation der Auseinandersetzung um den Kettenhofweg 51 indymedia orgEinzelnachweise Bearbeiten Muller Raemisch Seite 206 Steen Seite 180 erster wolkenkratzer das zurich hochhaus Archiviert vom Original am 31 Mai 2004 abgerufen am 20 November 2023 Rudolf Heinrich Appel 1974 S 8 Muller Raemisch S 205 Dokumentation zur Bodenspekulation und zur Zweckentfremdung von Wohnraum in Frankfurt am Main Magistrat der Stadt Frankfurt am Main Frankfurt am Main Oktober 1975 S 3 92 Steen Seite 172 Muller Raemisch S 211 Magistrat der Stadt Frankfurt am Main Dokumentation zur Bodenspekulation und zur Zweckentfremdung von Wohnraum in Frankfurt am Main Frankfurt am Main Oktober 1975 a b c Steen S 179 a b bauaufsichtsbehorde Berichtszeitraum 1969 72 Memento vom 3 Marz 2012 im Internet Archive aufbau ffm de abgerufen am 28 Juni 2007 Rudolf Heinrich Appel 1974 S 40 f Erste Hessische Verordnung uber das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum GVBl II 362 12 vom 25 Januar 1972 In Hessische Landesregierung Hrsg Gesetz und Verordnungsblatt fur das Land Hessen 1972 Nr 3 S 19 Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags PDF 117 kB nbsp Dieser Artikel wurde am 17 Juli 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frankfurter Hauserkampf amp oldid 239289737