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Wolfgang Kraushaar 2 September 1948 in Niederurff ist ein deutscher Politikwissenschaftler an der Hamburger Stiftung zur Forderung von Wissenschaft und Kultur Seit 1981 ist er Mitglied in der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler 1 Wolfgang Kraushaar 2012 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Chronist der 68er Bewegung 3 Arbeiten uber linksterroristische Gruppierungen 4 Veroffentlichungen Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKraushaar wuchs im nordhessischen Dorf Niederurff auf sein Vater war Kfz Mechaniker seine Mutter betrieb ein Lebensmittelgeschaft Ab der 5 Klasse besuchte er bis zum Abitur 1968 die Konig Heinrich Schule in Fritzlar Sein Bruder ist der Journalist und Schriftsteller Elmar Kraushaar Ein Schlusselereignis wahrend seiner Schulzeit das zu seiner Politisierung beitrug war 1962 der prominente Tod des DDR Fluchtlings Peter Fechter an der Berliner Mauer 1966 67 wandte Kraushaar sich als einziger in seinem Umfeld gegen die Einberufung zur Bundeswehr und stellte einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Nach seiner Anerkennung absolvierte er 1969 70 den ihm zugewiesenen Zivildienst als Pfleger auf der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrischen Klinik im Taunus Gemeinsam mit anderen Zivildienstleistenden und mit Unterstutzung eines Oberarztes organisierte er dort eine innovative Versammlung der Patienten bei der sich diese erstmals offen uber ihre Anliegen aussern konnten Im Zusammenhang mit diesem Experiment wurde die Gruppe der Zivildienstleistenden entlassen wodurch Kraushaar das letzte Drittel seiner anderthalbjahrigen Dienstzeit erspart blieb Anschliessend setzte er das 1968 angefangene Studium der Politikwissenschaft Philosophie und Germanistik an der Johann Wolfgang Goethe Universitat in Frankfurt am Main fort wo er sich in der Studentenbewegung engagierte 2 Im Jahr 1972 war er Mitbegrunder der Sozialistischen Hochschulinitiative als deren Kandidat 1974 75 Vorsitzender des Frankfurter AStA Von 1975 bis 1977 war er als Lektor im Verlag Neue Kritik beschaftigt von 1978 bis 1982 war er Mitarbeiter am Didaktischen Zentrum der Universitat Frankfurt 1982 wurde Wolfgang Kraushaar bei Iring Fetscher mit einer Dissertation uber den Strukturwandel der deutschen Universitat promoviert Seit 1987 arbeitet er am Hamburger Institut fur Sozialforschung HIS Seine Forschungen sind vor allem der Untersuchung von Protestbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR von 1949 bis 1990 insbesondere der 68er Bewegung RAF und K Gruppen sowie Totalitarismus und Extremismustheorie Pop Kultur und Medientheorie gewidmet Weil er empirische Defizite in der Erforschung neuer sozialer Bewegungen sah baute er ein Archiv uber Protest Widerstand und Utopie in der Bundesrepublik mit auf das inzwischen als Archivalische Sondersammlung den Hauptteil des von Reinhart Schwarz geleiteten HIS Archivs darstellt 2004 nahm er eine Gastprofessur an der Beijing Normal University in Peking wahr Chronist der 68er Bewegung BearbeitenKraushaar gilt als Chronist der 68er Bewegung Bereits 1977 publizierte er eine erste Chronologie der Studentenbewegung Seit 1992 veroffentlichte er in jeder Ausgabe der Zeitschrift Mittelweg 36 eine weitere Folge Aus der Protest Chronik Mit der 1996 veroffentlichten Protest Chronik 1949 1959 korrigierte er das Bild von den angeblich unpolitischen Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland Insbesondere mit seinen Publikationen zu den Mythen der 68er Bewegung zur Entstehungsgeschichte des bundesdeutschen Terrorismus dem linken Antisemitismus 3 sowie zum Nationalismus und zum Gewaltverstandnis von Rudi Dutschke loste er lang anhaltende Kontroversen aus Im Jahr der 50 Wiederkehr der 68er veroffentlichte Kraushaar drei eigene Titel und eine Rezension Anlasslich des 50 Jahrestages des Todes von Benno Ohnesorg betonte Kraushaar am 1 Juni 2017 dass damals nicht nur Dutschke sondern auch Mitglieder der Kommune I und Angehorige der RAF tief im Protestantismus verwurzelt gewesen seien und ihre revolutionare marxistische Gesinnung christlich untermauert hatten Dutschke habe sich wenn auch nicht offentlich so doch in kleinerem Kreise durchgehend auf Jesus bezogen 4 Arbeiten uber linksterroristische Gruppierungen BearbeitenKraushaar gilt als einer der profiliertesten deutschen Forscher zur Geschichte des linksradikalen Terrorismus 5 So gab er mit Die RAF und der linke Terrorismus eines der Standardwerke zur Rote Armee Fraktion heraus Er beschaftigte sich intensiv und kritisch mit dem Fall Verena Becker und deren moglicher Rolle bei dem Attentat auf Siegfried Buback 1977 und publizierte ein Buch daruber Er nahm auch als Beobachter am Prozess gegen Becker teil und kommentierte dass nach seiner und der Ansicht anderer Prozessbeobachter der Staat die Angeklagte verteidigt Es sei eine Perversion des Rechtsstaats wenn der Vertreter der Anklage insgeheim die Interessen der Angeklagten in diesem Fall einer Exterroristin vertritt Im Juni 2011 betitelte er einen Zeitungsartikel uber den Prozess Eine Farce in Stammheim 6 Anhand des Becker Prozesses ausserte er sich auch zum moglichen Einfluss von Geheimdiensten auf den linken Terrorismus Zu einer moglichen Verstrickung von Geheimdiensten etwa in den Buback Mord befragt meinte er 7 Geheimdienste westliche wie ostliche sind nach wie vor die grosse Unbekannte in der Entstehung und Entwicklung des Terrorismus des bundesdeutschen ebenso wie des mit ihm verflochtenen internationalen Terrorismus Wenn es der Forschung nicht gelingt die diversen Schnittstellen zwischen Geheimdiensten und terroristischen Organisationen zu erhellen dann wird die historische Darstellung etwa die der RAF hochst unzureichend bleiben Ich bin allerdings um das gleich vorweg festzuhalten nicht der Ansicht dass sich die RAF die Bewegung 2 Juni die Revolutionaren Zellen und andere terroristische Gruppen auf als von Geheimdiensten ferngesteuerte Elemente reduzieren lassen Das beste Beispiel fur den geheimdienstlichen Einfluss auf die linksradikale Szene sei immer noch die nur zum Teil geklarte Rolle des Verfassungsschutz V Manns Peter Urbach der im Ubergang von der Studentenbewegung zu den ersten Berliner Untergrundgruppierungen als eine Art Agent Provocateur aufgetreten sei 7 Nachdem es Kraushaar 2005 gelungen war jenen Mann ausfindig zu machen der am 9 November 1969 wahrend einer Gedenkveranstaltung fur die Opfer des Judenpogroms von 1938 eine von Urbach gelieferte Bombe in das Judische Gemeindehaus in Berlin gelegt hatte fuhrte er seine Recherchen auch im Hinblick auf den bislang ungeklarten Brandanschlag auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in Munchen am 13 Februar 1970 weiter fort Er sah in der Tat der Tupamaros West Berlin Parallelen zu den Aktivitaten ihrer Schwesterorganisation der Tupamaros Munchen Die Indizien die fur seine Annahme sprechen dass der Anschlag wahrscheinlich von deren Mitgliedern oder ihrem engsten Umfeld verubt wurde stellte er in einer materialreichen Publikation uber die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus vor siehe Veroffentlichungen Im Gegensatz zum Fall der von den Tupamaros West Berlin gelegten Bombe konnte er jedoch weder ein Bekenntnis eines Attentaters noch unwiderlegbare Beweise vorlegen Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenNotizen zu einer Chronologie der Studentenbewegung In Peter Mosler Was wir wollten was wir wurden Studentenrevolte zehn Jahre danach Reinbek 1977 ISBN 3 499 14119 1 S 249 295 als Hrsg Autonomie oder Getto Kontroversen uber die Alternativbewegung Neue Kritik Frankfurt am Main 1978 ISBN 3 8015 0150 7 als Hrsg Was sollen die Grunen im Parlament Frankfurt am Main 1983 ISBN 3 8258 6845 1 Revolte und Reflexion Politische Aufsatze 1976 1987 Neue Kritik Frankfurt am Main 1990 ISBN 3 8015 0233 3 Die Protest Chronik 1949 1959 Eine illustrierte Geschichte von Bewegung Widerstand und Utopie 4 Bande Rogner amp Bernhard bei Zweitausendeins Hamburg 1996 ISBN 3 8077 0350 0 als Hrsg Frankfurter Schule und Studentenbewegung Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail 3 Bande Rogner amp Bernhard Hamburg 1998 ISBN 3 8077 0348 9 1968 Das Jahr das alles verandert hat Piper Munchen 1998 ISBN 3 492 04058 6 1968 als Mythos Chiffre und Zasur Hamburger Edition Hamburg 2000 ISBN 3 930908 59 X Linke Geisterfahrer Denkanstosse fur eine antitotalitare Linke Neue Kritik Frankfurt 2001 ISBN 3 8015 0320 8 Fischer in Frankfurt Karriere eines Aussenseiters Hamburger Edition Hamburg 2001 ISBN 3 930908 69 7 zusammen mit Karin Wieland und Jan Philipp Reemtsma Rudi Dutschke Andreas Baader und die RAF Hamburger Edition Hamburg 2005 ISBN 3 936096 54 6 Die Bombe im Judischen Gemeindehaus Hamburger Edition Hamburg 2005 ISBN 3 936096 53 8 Uber den versuchten Anschlag auf das Judische Gemeindehaus in Berlin am 9 November 1969 durch die Gruppe Tupamaros West Berlin um Dieter Kunzelmann als Hrsg Die RAF und der linke Terrorismus 2 Bande Hamburger Edition Hamburg 2006 ISBN 3 936096 65 1 8 Achtundsechzig Eine Bilanz Propylaen Berlin 2008 ISBN 978 3 549 07334 6 Verena Becker und der Verfassungsschutz Hamburger Edition Hamburg 2010 ISBN 978 3 86854 227 1 9 Der Aufruhr der Ausgebildeten Vom Arabischen Fruhling zu den weltweiten Anti Banken Protesten Vom Arabischen Fruhling zur Occupy Bewegung Hamburger Edition Hamburg 2012 ISBN 978 3 86854 246 2 Der Griff nach der Notbremse Nahaufnahmen des Protests Wagenbach Berlin 2012 ISBN 978 3 8031 2691 7 Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel Munchen 1970 uber die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus Rowohlt Reinbek 2013 ISBN 978 3 498 03411 5 10 Die blinden Flecken der RAF Klett Cotta Stuttgart 2017 ISBN 978 3 608 98140 7 Die blinden Flecken der RAF Sonderausgabe Bundeszentrale fur politische Bildung Bonn 2018 1968 Hundert Seiten Ditzingen 2018 ISBN 978 3 15 020452 8 Die blinden Flecken der 68er Bewegung Stuttgart 2018 ISBN 978 3 608 98141 4 Die 68er Bewegung international Eine illustrierte Chronik 1960 1969 Band I IV Stuttgart 2018 ISBN 978 3 608 96292 5 ad Walter Benjamin Eine Verteidigung gegen seine Bewunderer Europaische Verlagsanstalt Hamburg 2022 ISBN 978 3 86393 141 4 Keine falsche Toleranz Warum sich die Demokratie starker als bisher zur Wehr setzen muss Europaische Verlagsanstalt Hamburg 2022 ISBN 978 3 86393 142 1 11 Literatur BearbeitenPatrick Bahners Wie alles anfing und weiterging und an kein Ende kam Der Protest Chronist der Achtundsechzig aus den Quellen erklart Wolfgang Kraushaar wird siebzig In Frankfurter Allgemeine Zeitung 1 September 2018 Nr 203 S 13 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Wolfgang Kraushaar Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Wolfgang Kraushaar im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Wolfgang Kraushaar bei Perlentaucher Mitarbeiter Website beim Hamburger Institut fur Sozialforschung Website von Wolfgang Kraushaar WDR 5 Westdeutscher Rundfunk Tischgesprach vom 14 Marz 2018Einzelnachweise Bearbeiten Munzinger Eintrag Politologe Wolfgang Kraushaar WDR 5 Westdeutscher Rundfunk Tischgesprach vom 14 Marz 2018 WDR Mediathek Joachim Guntner Wie tief sitzt der linke Antisemitismus In Neue Zurcher Zeitung vom 26 Oktober 2005 Interview mit Wolfgang Kraushaar Fabian Federl Rudi Dutschke nahm sich Jesus Christus als Vorbild auf zeit de 1 Juni 2017 Siehe Petra Terhoeven Deutscher Herbst in Europa Der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phanomen Oldenbourg Munchen 2014 ISBN 978 3 11 048490 8 S 58 Wolfgang Kraushaar Eine Farce in Stammheim in die tageszeitung vom 8 Juni 2011 S 15 a b Marcus Klockner Die RAF und die Geheimdienste Interview mit Wolfgang Kraushaar Telepolis 10 November 2010 Annette Vowinckel Rezension zu Kraushaar Hrsg Die RAF und der linke Terrorismus In H Soz Kult 24 Oktober 2007 Alfons Sollner Standardwerk zur RAF In Jahrbuch Extremismus amp Demokratie Band 19 2007 S 403 406 200 Seiten die Arger machen werden Rezension des Buchs zum Fall Verena Becker In taz de 12 Oktober 2010 Antisemitische Geschwister Rezension In Israelreport Nr 2 2013 Seite 14 PDF 11 6 MB Memento vom 5 Dezember 2016 im Internet Archive deutschlandfunkkultur de Wolfgang Kraushaar Keine falsche Toleranz In der Mitte entspringt der Frust Abgerufen am 18 November 2023 Normdaten Person GND 120283344 lobid OGND AKS LCCN n79037867 VIAF 85029194 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kraushaar WolfgangKURZBESCHREIBUNG deutscher Politikwissenschaftler Historiker und AutorGEBURTSDATUM 2 September 1948GEBURTSORT Niederurff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wolfgang Kraushaar amp oldid 239233462