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Die Tupamaros West Berlin TW waren eine linksterroristische 1 Gruppe von maximal 15 Personen die von November 1969 bis zum 19 Juli 1970 bestand Ihr Grunder war Dieter Kunzelmann 2 Mitglieder der Gruppe unternahmen Anschlage mit Brandbomben in West Berlin bei denen durch Zufall niemand verletzt wurde Geschichts und Politikwissenschaftler sehen die Gruppe vor allem wegen ihrer Berufung auf das ursprunglich lateinamerikanische Konzept der Stadtguerilla als ideologischen Vorlaufer der Terrororganisationen Bewegung 2 Juni und der Rote Armee Fraktion 3 Inhaltsverzeichnis 1 Grundung und Konzept 2 Anschlagsversuch auf das Judische Gemeindehaus Berlin 3 Weitere Anschlage und Auflosung 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGrundung und Konzept BearbeitenDie Tupamaros West Berlin gingen aus einer subkulturellen West Berliner Szene von etwa 100 Wohngemeinschaften hervor die sich als Blues bezeichneten und uber informelle personliche und politische Kontakte ohne feste Organisationsform miteinander verbunden waren 4 Kunzelmann Grundungsmitglied der West Berliner Kommune I suchte ab Sommer 1969 radikalere Aktionsformen Seine Freundin Ina Siepmann Albert Fichter Georg von Rauch und Roswitha Lena Conradt reisten Ende September 1969 nach Jordanien und liessen sich ab 5 Oktober in einem Camp der Al Fatah an Schusswaffen und im Bau von Zeitbomben ausbilden Dort entstand der Plan in Berlin eine Gruppe fur den bewaffneten Kampf gegen den US Imperialismus und den Zionismus zu bilden Gemeint waren Terrorakte mit Brandbomben gegen verschiedene Einrichtungen die als Mittel zur Unterdruckung der Palastinenser und anderer Volker betrachtet wurden 5 Bei der Ruckkehr nach Deutschland am 2 November 1969 initiierte Kunzelmann in Munchen mit Fritz Teufel die Grundung der Tupamaros Munchen in West Berlin dann die der Tupamaros West Berlin Mitglieder waren neben den nach Jordanien Gereisten unter anderen Thomas Weisbecker Hilmar Buddee Annkathrin Brunn Beide Gruppen wurden gegrundet um eine am 2 November 1969 begonnene internationale Kampagne der PLO gegen die seit der Balfour Deklaration entstandenen Staaten im Mittleren Osten praktisch und organisatorisch zu unterstutzen und diese Unterstutzung innerhalb der APO zu propagieren 6 Der Name der Gruppe folgte dem Vorbild der Untergrundbewegung Movimiento de Liberacion Nacional Tupamaros in Uruguay Diese verubten in den 1960er und 1970er Jahren Anschlage in Grossstadten entfuhrten hochgestellte Personlichkeiten und begingen Bankuberfalle Das Konzept Kunzelmanns stand dem Konzept einer Stadtguerilla nahe das einige Monate spater von Ulrike Meinhof ausgerufen wurde 7 Anschlagsversuch auf das Judische Gemeindehaus Berlin Bearbeiten nbsp Das Ziel des ersten Bombenanschlags der Tupamaros Judisches Gemeindehaus in der FasanenstrasseAm 9 November 1969 dem bewusst gewahlten Jahrestag der Novemberpogrome 1938 platzierte Albert Fichter eine Bombe mit einem Zeitzunder im Judischen Gemeindehaus Berlin Sie sollte wahrend einer Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen explodieren was wegen einer uberalterten Zundkapsel nicht geschah Der Zeitzunder war ausgelost 8 Nach einem Gutachten der Sprengstoffexperten der Berliner Polizei die einen Nachbau zur Explosion brachten hatte die Bombe das Haus zerfetzt und viele der 250 Teilnehmer der Gedenkveranstaltung getotet 9 Unter den Anwesenden befanden sich auch der Regierende Burgermeister von Berlin Klaus Schutz und der Vorsitzende der judischen Gemeinde Heinz Galinski Kunzelmann war nach Aussage Albert Fichters seines Bruders Tilman Fichter und weiterer Zeugen der Initiator und Planer des Anschlagversuchs Dies war den Ermittlern bei ihren Vernehmungen im November 1969 bereits bekannt Albert Fichter zerstritt sich uber den Anschlag mit Kunzelmann floh vor Strafverfolgung ins Ausland und verliess damit die Tupamaros West Berlin 10 Der Politologe Wolfgang Kraushaar deckte 2005 auf dass Peter Urbach ein V Mann des Berliner Verfassungsschutzes die Bombe geliefert hatte Die Berliner Behorden kannten durch ihn die Namen der beteiligten Tater die der Schlussbericht einer eingesetzten Sonderkommission benannte Die Staatsanwaltschaft erhob jedoch keine Anklage der damals zustandige Staatsanwalt wollte sich 2005 nicht dazu aussern Kraushaar erklart dies mit dem grossen Ansehensverlust der Bundesrepublik falls der Anschlag auf das Judische Gemeindehaus mit staatlichen Mitteln verubt wurde 11 Urbachs Rolle bei dem Anschlag wurde nicht vollstandig geklart 9 Die Tupamaros West Berlin rechtfertigten den Anschlag in einem Flugblatt das in der Szenezeitschrift Agit883 erschien als Auftakt einer westdeutschen Kampagne gegen den Zionismus und den Staat Israel Sie wollten die APO dazu bewegen nicht mehr vorrangig die Vietcong im Vietnamkrieg sondern vorrangig den Kampf der Palastinenser gegen Israel im Nahostkonflikt zu unterstutzen Eventuell so eine andere Deutung fuhrten sie den Anschlagsversuch im direkten Auftrag der palastinensischen Al Fatah aus 12 In beiden Fallen gilt die Tat als Beispiel eines Antisemitismus im Zerfallsprozess der APO als Teile davon sich dem Linksterrorismus zuwandten Diskutiert wird ob dieser Antisemitismus als ausschlaggebende Wurzel fur den Anschlag angesehen werden muss und inwieweit diese judenfeindliche Dimension fur die Zerfallsphase der 68er Bewegung als exemplarisch gelten kann 12 Kunzelmann erklarte 1998 in seiner Autobiografie der Anschlagsversuch sei kontraproduktiv gewesen Jedem Linken hatte eigentlich klar sein mussen dass eine derartige Aktion keinerlei Sympathien fur die legitimen Anliegen der Palastinenser zu wecken vermochte 13 Eine Mitverantwortung fur die Tat selbst ubernahm er nicht An der durch Albert Fichters Gestandnis ausgelosten Debatte uber seine Rolle beteiligte er sich nicht 14 Weitere Anschlage und Auflosung BearbeitenBei einem Treffen fuhrender West Berliner Tupamaros mit den spateren RAF Grundern Andreas Baader Gudrun Ensslin und Horst Mahler im Marz 1970 kam es zu keiner gemeinsamen Organisation weil Kunzelmann und Baader beide eine Fuhrungsrolle anstrebten und das Konzept der subkulturell eingebetteten lose vernetzten Tupamaros West Berlin sich nicht mit einer von Baader angestrebten streng paramilitarischen und konspirativen Organisationsform vereinbaren liess 15 Im Mai 1970 verubte ein neu hinzugekommenes Mitglied der Tupamaros West Berlin im Alleingang einen Brandanschlag im Gebaude des Kammergerichts in Berlin Charlottenburg Kunzelmann der nach dem 9 November 1969 zur Fahndung ausgeschrieben worden war wurde am 19 Juli 1970 auf dem Flughafen Berlin Tempelhof verhaftet Ihm drohte eine langjahrige Haftstrafe Daraufhin losten sich die Tupamaros West Berlin auf 16 Siehe auch BearbeitenZentralrat der umherschweifenden HaschrebellenLiteratur BearbeitenAribert Reimann Tupamaros In Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2009 ISBN 3 525 37010 5 S 237 252 Bommi Baumann Wie alles anfing Trikont Verlag Munchen 1975 ISBN 3 920385 68 3 Wolfgang Kraushaar Die Bombe im Judischen Gemeindehaus Hamburger Edition des Instituts fur Sozialforschung Hamburg 2005 ISBN 3 936096 53 8 Wolfgang Kraushaar Antizionismus als Trojanisches Pferd Zur antisemitischen Dimension in den Kooperationen von Tupamaros West Berlin RAF und RZ mit den Palastinensern In Wolfgang Kraushaar Hrsg Die RAF und der linke Terrorismus Band 1 Hamburg 2006 ISBN 978 3 936096 65 1 S 676 695 Armin Pfahl Traughber Linksextremismus in Deutschland Eine kritische Bestandsaufnahme Springer Wiesbaden 2014 ISBN 978 3 658 04506 7 S 167 168 Wolfgang Kraushaar Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel Munchen 1970 uber die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus Rowohlt Reinbek 2013 ISBN 3 498 03411 1Weblinks BearbeitenRegina Lessner Vor 50 Jahren Anschlag auf das judische Gemeindehaus Berlin Alle reden vom Wetter Wir nicht Vom Protest zum Terror mp3 Audio 49 7 MB 54 26 Minuten In Deutschlandfunk Sendung Feature 2008 abgerufen am 7 November 2019 Carsten Dippel Die Bombe die nicht zundete Anschlag auf das Berliner judische Gemeindehaus 69 mp3 Audio 9 2 MB 10 03 Minuten In Deutschlandfunk Sendung Tag fur Tag 7 November 2019 abgerufen am 7 November 2019 Michael Sontheimer Anschlagversuch in West Berlin Der Kommunarde und sein Judenknax In Spiegel Online 9 November 2020 abgerufen am 9 November 2020 Einzelnachweise Bearbeiten Armin Pfahl Traughber Linksextremismus in Deutschland Eine kritische Bestandsaufnahme Springer Wiesbaden 2014 ISBN 978 3 658 04506 7 S 167 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 232 und 250 Gerd Langguth Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1968 1976 Wissenschaft und Politik 1976 S 242 Hochschule fur Politische Wissenschaften Munchen Hanns Seidel Stiftung Hrsg Politische Studien Monatshefte der Hochschule fur Politische Wissenschaften Munchen Ausgaben 366 368 Isar Verlag 1999 S 78 Wolfgang Kraushaar Die RAF und der linke Terrorismus Band 1 Hamburger Edition 2006 ISBN 3 936096 65 1 S 528 530 Jan Fleischhauer S P O N Der Schwarze Kanal Propaganda der Tat In Spiegel Online 21 Februar 2013 abgerufen am 7 November 2019 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 14 und 250 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 232 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 236 Wolfgang Kraushaar Die RAF und der linke Terrorismus Band 1 Hamburg 2006 S 247 und 259 Wolfgang Kraushaar Die Bombe im Judischen Gemeindehaus Hamburg 2005 S 39 a b Gerd Koenen Rainer wenn du wusstest Der Anschlag auf die Judische Gemeinde am 9 November 1969 ist nun aufgeklart fast Was war die Rolle des Staates In Berliner Zeitung 6 Juli 2005 archiviert vom Original am 25 Februar 2016 abgerufen am 7 November 2019 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 246 f Stefan Reinecke Das abgespaltene Attentat In taz de 1 Juli 2005 abgerufen am 7 November 2019 Philipp Gessler Stefan Reinecke Wir haben das nicht ernst genommen In taz de 25 Oktober 2005 abgerufen am 7 November 2019 Interview mit Tilman Fichter Steffen Mayer Susanne Opalka Bombenterror gegen judische Gemeinde nach 30 Jahren packt der Tater aus In Kontraste 10 November 2005 archiviert vom Original am 27 Dezember 2012 abgerufen am 7 November 2019 Nachdruck auf blog lucidaintervalla com a b Wolfgang Kraushaar Die ultimative Provokation In taz de 12 November 2005 abgerufen am 7 November 2019 Dieter Kunzelmann Leisten Sie keinen Widerstand Bilder aus meinem Leben Transit 1998 ISBN 3 88747 132 6 S 128 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 10 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 254 Aribert Reimann Dieter Kunzelmann Avantgardist Protestler Radikaler Gottingen 2009 S 254 Normdaten Korperschaft GND 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