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Gudrun Ensslin 15 August 1940 in Bartholoma 18 Oktober 1977 in Stuttgart Stammheim war eine deutsche linksextremistische Terroristin Als Mitbegrunderin und fuhrendes Mitglied der Rote Armee Fraktion war sie an funf Bombenanschlagen mit vier Todesopfern beteiligt Anfang Juni 1972 wurde sie verhaftet und wegen vierfachen Mordes im April 1977 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt Am 18 Oktober 1977 starb sie in der Todesnacht von Stammheim durch Suizid Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Herkunft Familie und Schulzeit 1 2 Erste berufliche und politische Tatigkeit 1 3 68er Bewegung und Ausserparlamentarische Opposition 1 4 RAF Zeit Festnahme und Tod 2 Rezeption 3 Veroffentlichungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHerkunft Familie und Schulzeit Bearbeiten Gudrun Ensslin war das vierte von sieben Kindern des evangelischen Pfarrers Helmut Ensslin und seiner Frau Ilse Sie wurde in Bartholoma im heutigen Ostalbkreis geboren und wohnte dort im Pfarrhaus 1 bis sie als Jugendliche mit ihrer Familie nach Tuttlingen im Suden Baden Wurttembergs umzog Wahrend ihrer Schulzeit verbrachte sie ein Jahr als Austauschschulerin in den Vereinigten Staaten Nach dem Abitur 1960 am Konigin Katharina Stift in Stuttgart studierte sie von 1960 bis 1963 an der Universitat Tubingen Anglistik Germanistik und Padagogik anschliessend wechselte sie an die Padagogische Hochschule Schwabisch Gmund wo sie 1964 ihr Staatsexamen zur Volksschullehrerin machte Danach studierte Ensslin in Berlin mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes an der Freien Universitat Germanistik Zu einer geplanten Direktpromotion uber Hans Henny Jahnn kam es nicht mehr 2 Erste berufliche und politische Tatigkeit Bearbeiten Ensslin grundete 1963 in Tubingen zusammen mit ihrem Kommilitonen und Freund Bernward Vesper einen Kleinverlag das studio neue literatur Es erschienen eine Anthologie deutscher Gedichte Gegen den Tod Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe und ein Gedichtband mit Gedichten des Franco Anhangers Gerardo Diego Von der nach dem Tod von Bernward Vespers Vater 1962 geplanten Will Vesper Gesamtausgabe erschien letztlich nur ein Band In einer Rezension fur die Zeitung Das deutsche Wort erklarte Gudrun Ensslin im September 1963 diese Edition zur Aufgabe fur das nationale Deutschland Im Zuge dessen bezeichnete sie den fur seine dem Nationalsozialismus nahen Werke und Hitler Oden beruchtigten Will Vesper unter anderem als liebenswertesten unterhaltendsten und geistreichsten Dichter den Deutschland in diesem Jahrhundert besessen hat 3 Nach ihrem Wechsel nach West Berlin waren Ensslin und Vesper wahrend des Bundestagswahlkampfs 1965 im SPD nahen Wahlkontor deutsche Schriftsteller aktiv fur die Wahl Willy Brandts 4 Sie spielte 1967 im experimentellen Kurzfilm Das Abonnement des Regisseurs Ali Limonadi ein Fotomodell das anders als ihr Fotograf auf die taglich eingeworfene Zeitung Die Welt aus dem Axel Springer Verlag unbeeindruckt reagiert 5 Diese medienkritische Rolle spielte Ensslin in ihrem einzigen Filmauftritt laut Ingeborg Gleichauf wandlungsfahig und uberzeugend und zeigte ihr Talent fur Inszenierungen 6 Am 13 Mai 1967 gebar sie ihren Sohn Felix Ensslin dessen Patenonkel Rudi Dutschke wurde 7 Im Sommer 1967 lernte Gudrun Ensslin Andreas Baader kennen im Februar 1968 trennte sie sich von Bernward Vesper der gemeinsame Sohn kam nach Gudrun Ensslins Verhaftung Anfang April 1968 zum Vater Auf Gudrun Ensslins Initiative wurden die Rechte des Vaters im September 1969 eingeschrankt und Felix Ensslin kam zu Pflegeeltern Bernward Vesper nahm sich im Mai 1971 das Leben 68er Bewegung und Ausserparlamentarische Opposition Bearbeiten Involviert in die Studentenunruhen der ausgehenden 1960er engagierte sich Ensslin seit dem Tod Benno Ohnesorgs am 2 Juni 1967 in der Ausserparlamentarischen Opposition Nach politisch motivierten Kaufhaus Brandstiftungen am 2 April 1968 in Frankfurt am Main wurde Ensslin verhaftet und ebenso wie Andreas Baader Thorwald Proll und Horst Sohnlein zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt Nach der vorlaufigen Verurteilung kamen die Beschuldigten wegen des Einlegens der Revision zunachst auf freien Fuss Nachdem der Bundesgerichtshof die Revision der Angeklagten verworfen hatte und das Urteil aus dem Kaufhausbrandprozess damit rechtskraftig geworden war tauchte Ensslin im September 1969 unter und fluchtete mit Baader und Astrid Proll nach Italien Im Januar 1970 kehrte sie mit Andreas Baader nach Berlin zuruck wo Baader am 4 April 1970 festgenommen wurde Ensslin und Ulrike Meinhof planten die Befreiung Baaders die am 14 Mai 1970 bei einem fingierten Recherchetermin gelang An der Aktion beteiligt waren Meinhof Ingrid Schubert Irene Goergens sowie ein bisher nicht identifizierter Mann RAF Zeit Festnahme und Tod Bearbeiten Nach der Befreiung Baaders folgten zahlreiche Bankuberfalle um das Leben im Untergrund und weitere Aktionen finanzieren zu konnen Zeitweise liess die Gruppe sich in einem palastinensischen Camp in Jordanien militarisch ausbilden Nach der Ruckkehr in die Bundesrepublik Deutschland verubten sie weitere Bankuberfalle und funf Sprengstoffanschlage Gudrun Ensslin war an der Mai Offensive der RAF beteiligt bei der insgesamt vier Menschen ums Leben kamen 8 Am 7 Juni 1972 wurde sie in einer Hamburger Modeboutique verhaftet Die Geschaftsfuhrerin hatte in ihrer abgelegten Jacke eine Waffe ertastet und die Polizei gerufen Ensslin kam in den eigens errichteten Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim In der dort neugebauten Mehrzweckhalle fanden die Gerichtsverfahren gegen sie und andere Mitglieder der RAF statt Tonbandaufzeichnungen davon entstanden zwischen August 1975 und Februar 1977 wurden teilweise veroffentlicht und befinden sich heute im Landesarchiv Baden Wurttemberg Darunter befindet sich eine Erklarung Ensslins zu Anschlagen der RAF 9 Im Stammheimer Prozess wurde Ensslin im April 1977 vom OLG Stuttgart zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt Das Urteil war wegen anhangiger Revision nicht rechtskraftig nbsp Grabstatte von Baader Raspe und EnsslinEnsslin starb ebenso wie Andreas Baader und Jan Carl Raspe am 18 Oktober 1977 durch eigene Hand sie erhangte sich mit Hilfe eines Lautsprecherkabels Irmgard Moller die einzige Uberlebende der Todesnacht von Stammheim und die Anwalte der Gefangenen behaupteten es habe sich nicht um kollektiven Suizid gehandelt sondern um staatlich angeordnete Morde Nach Ansicht der Stuttgarter Staatsanwaltschaft sind diese Vorwurfe als Verschworungstheorien widerlegt 10 11 Gudrun Ensslin wurde am 27 Oktober 1977 in einem Gemeinschaftsgrab mit Andreas Baader und Jan Carl Raspe auf dem Dornhaldenfriedhof in Stuttgart beigesetzt Christiane Ensslin 1939 2019 eine altere Schwester Gudruns 12 bemuhte sich um Kontakte zu Angehorigen von Opfern der RAF Ehefrau und Bruder des Gerold von Braunmuhl und gab 2005 gemeinsam mit dem jungeren Bruder Gottfried 1946 2013 ein Buch mit Briefen ihrer Schwester Gudrun aus den Jahren 1972 und 1973 heraus 13 Rezeption BearbeitenDer deutsche Komponist Helmut Lachenmann vertonte in seiner Oper Das Madchen mit den Schwefelholzern 1990 1996 auch einen Text Gudrun Ensslins Die Oper wurde 1997 in Hamburg 2000 in Tokio und 2002 auf den Salzburger Festspielen aufgefuhrt 14 Die osterreichische Schriftstellerin und Literatur Nobelpreistragerin Elfriede Jelinek verwendete Tagebuchaufzeichnungen Ensslins in ihrem Montage Text Wolken Heim Die deutsche Schriftstellerin Christine Bruckner liess Ensslin in ihrem Buch Wenn du geredet hattest Desdemona Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen in einem fiktiven Monolog zu Wort kommen Kein Denkmal fur Gudrun Ensslin Rede gegen die Wande von Stammheim In den folgenden Spielfilmen sind in der Rolle Ensslins zu sehen Jahr Film 15 Regie Ensslin Darstellerin Anmerkungen1981 Die bleierne Zeit Margarethe von Trotta Barbara Sukowa als Marianne an die Biografie der Ensslin Geschwister angelehnt Goldener Lowe der Filmfestspiele von Venedig1986 Stammheim Reinhard Hauff Sabine Wegner Goldener Bar der Filmfestspiele von Berlin1986 Die Reise Markus Imhoof Corinna Kirchhoff als Dagmar nach dem gleichnamigen Romanfragment von Ensslins Lebensgefahrten Bernward Vesper1997 Todesspiel Heinrich Breloer Anya Hoffmann2002 Baader Christopher Roth Laura Tonke in Anlehnung an die Biografie von Andreas Baader2008 Der Baader Meinhof Komplex Uli Edel Johanna Wokalek Oscar nominierte Verfilmung die weitgehend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Stefan Aust basiert 2011 Wer wenn nicht wir Andres Veiel Lena Lauzemis stutzt sich auf Gerd Koenens Biografie Vesper Ensslin BaaderVeroffentlichungen Bearbeitenals Hrsg Gegen den Tod Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe Studio Neue Literatur Stuttgart 1964 DNB 455081069 Zieht den Trennungsstrich jede Minute Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried aus dem Gefangnis 1972 1973 Herausgegeben von Christiane Ensslin und Gottfried Ensslin Konkret Literatur Hamburg 2005 ISBN 3 89458 239 1 Caroline Harmsen Ulrike Seyer Johannes Ullmaier Hrsg Gudrun Ensslin Bernward Vesper Notstandsgesetze von Deiner Hand Briefe 1968 1969 Mit einer Nachbemerkung von Felix Ensslin Suhrkamp Frankfurt 2009 ISBN 978 3 518 12586 1 Literatur BearbeitenUwe Backes Terroristen Biographien Gudrun Ensslin und Andreas Baader In Ders Bleierne Jahre Baader Meinhof und danach Reihe Extremismus und Demokratie Band 1 Straube Erlangen u a 1991 ISBN 3 927491 36 5 S 129 ff Susanne Bressan Martin Jander Gudrun Ensslin In Wolfgang Kraushaar Hrsg Die RAF und der linke Terrorismus Band 1 Hamburger Edition Hamburg 2006 ISBN 3 936096 65 1 S 398 429 Alexander Gallus Hrsg Meinhof Mahler Ensslin Studienjahre dreier Hochbegabter die Akten der Studienstiftung des deutschen Volkes Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2016 ISBN 978 3 525 30039 8 Ingeborg Gleichauf Poesie und Gewalt Das Leben der Gudrun Ensslin Klett Cotta Stuttgart 2017 ISBN 978 3 608 94918 6 Michael Kapellen Doppelt leben Bernward Vesper und Gudrun Ensslin Die Tubinger Jahre Klopfer und Meyer Tubingen 2005 ISBN 3 937667 65 2 Gerd Koenen Vesper Ensslin Baader Urszenen des deutschen Terrorismus Kiepenheuer und Witsch Koln 2003 ISBN 3 462 03313 1 Gunna Wendt Wir waren doch Teile voneinander Geschichten von beruhmten Schwestern Reclam Verlag 2022 ISBN 978 3 15 011381 3 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Gudrun Ensslin Sammlung von Bildern Literatur von und uber Gudrun Ensslin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Gudrun Ensslin in der Deutschen Digitalen Bibliothek Regina Haunhorst Irmgard Zundorf Gudrun Ensslin Tabellarischer Lebenslauf im LeMO DHM und HdG Dossier zu Gudrun Ensslin bei Spiegel Online Florian Jessberger Inga Schuchmann Baader Andreas Ulrike Meinhof Gudrun Ensslin Holger Meins Jan Carl Raspe in Lexikon der Politischen Strafprozesse Hrsg von Kurt Groenewold Alexander Ignor und Arnd Koch Online Stand 2018 Gudrun Ensslin in der Internet Movie Database englisch Einzelnachweise Bearbeiten Alex Assmann Gudrun Ensslin Die Geschichte einer Radikalisierung Ferdinand Schoningh 2018 ISBN 978 3 506 78848 1 S 27 Alexander Gallus Ein Anfang der das Ende nicht erwarten liess Die Studienstiftler Meinhof Mahler Ensslin Vesper und die Eliteforderung der fruhen Bundesrepublik eine Aktenlekture In Jahrbuch Extremismus amp Demokratie Band 24 2012 ISBN 978 3 8329 7999 7 S 13 29 Christian Schultz Gerstein Die Zerstorung einer Legende In Der Spiegel Nr 52 1979 S 146 150 online 24 Dezember 1979 Franz Walter Der Chic der Sozialdemokratie Der Frau treu bleiben die Partei wechseln In Spiegel Online 7 Januar 2007 Das Abonnement in der Internet Movie Database englisch Ingeborg Gleichauf Poesie und Gewalt Das Leben der Gudrun Ensslin Klett Cotta Stuttgart 2017 ISBN 978 3 608 94918 6 S 135 Heinrich Jaenecke Ein Kind aus gutem Hause Gudrun Ensslin ihre Moral ihre Leidenschaft ihre Irrtumer In Stern Nr 26 1972 S 20 Andreas Gohr Der Prozess In Infos zur Rote Armee Fraktion RAF 04 05 1976 Erklarung von Gudrun Ensslin zu Anschlagen der RAF Memento des Originals vom 29 September 2007 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www swr de In SWR de 15 Februar 2011 Die Stammheim Tonbander In Landesarchiv Baden Wurttemberg 27 September 2007 Verschworungstheorien widerlegt In Hamburger Abendblatt 27 September 2008 Terrorismus Suicide Action DER SPIEGEL 50 1990 Abgerufen am 20 Januar 2021 DER SPIEGEL 5 2019 Volker Albers Wenn die Schwester Gudrun Ensslin heisst In Hamburger Abendblatt 29 Juni 2005 Radikales Experiment und lustvolles Abenteuer Memento vom 5 Januar 2002 im Internet Archive Helmut Lachenmann uber die Musik nach dem Ende der Musik bei Freunde der Salzburger Festspiele e V 2002 Gudrun Ensslin in der Internet Movie Database englisch Normdaten Person GND 118530518 lobid OGND AKS LCCN n78045814 VIAF 50016704 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Ensslin GudrunKURZBESCHREIBUNG deutsche Terroristin Mitbegrunderin der Rote Armee FraktionGEBURTSDATUM 15 August 1940GEBURTSORT BartholomaSTERBEDATUM 18 Oktober 1977STERBEORT Stuttgart Stammheim Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gudrun Ensslin amp oldid 237615715