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Die Revolutionaren Zellen RZ waren eine linksextremistische Terrorgruppe 1 2 in Deutschland Sie waren von den 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre hinein aktiv und begriffen sich als Teil der Autonomen Bewegung In den RZ kristallisierten sich zwei verschiedene Stromungen heraus Ein Teil war ahnlich wie die Rote Armee Fraktion RAF antiimperialistisch orientiert wahrend ein anderer Teil einen sozialrevolutionaren Ansatz vertrat Zwischen beiden Flugeln gab es heftige Auseinandersetzungen so dass ihre grosste Gemeinsamkeit neben dem Namen ihre dezentrale Organisationsform war Die Rote Zora war eine Frauengruppe die sich in diesem Zusammenhang organisierte Die Jugendorganisation der Revolutionaren Zellen nannte sich Revolutionare Viren 3 Eines der verwendeten Logos der Revolutionaren Zellen Inhaltsverzeichnis 1 Profil 2 Geschichte 2 1 Erste Anschlage 2 2 Spatere Jahre 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseProfil BearbeitenAnders als die RAF wollten die RZ Mitglieder nicht aus dem Untergrund agieren sondern in der Legalitat leben und arbeiten Sie blieben bei ihren Anschlagen anonym um weiterhin in legalen politischen Organisationen mitarbeiten und an Diskussionsprozessen innerhalb der Linken und der Gesellschaft teilnehmen zu konnen Im Gegensatz zur RAF waren die RZ nicht straff organisiert sie organisierten sich stattdessen in kleinen Zellen ohne zentrale Fuhrung Ihre dezentrale Organisationsform wurde vereinzelt auch als Guerilla Diffusa bezeichnet 4 Auf Grund dieser Organisationsstruktur wurden die RZ gelegentlich als Feierabendterroristen bezeichnet Ihre Vorgehensweise schutzte sie jedoch lange Zeit vor dem Zugriff durch den Staat Bis 1999 gab es laut Ausserungen aus Ermittlerkreisen kaum verwertbare Erkenntnisse uber die RZ und nur wenige Verurteilungen Erst durch die Verhaftung des OPEC Attentaters und RZ Mitglieds Hans Joachim Klein 1998 erfuhren die Ermittler etwas uber deren interne Strukturen 1999 wurde deshalb Rudolf Schindler festgenommen Ab 2001 wurden Schindler und andere Personen darunter der ehemalige Leiter des Akademischen Auslandsamtes der TU Berlin Matthias Borgmann die Galeristin Sabine Eckle sowie die Mehringhof Aktivisten Harald Glode und Axel Haug in Berlin wegen Grundung einer terroristischen Vereinigung nach 129a StGB angeklagt 5 6 2004 wurde Schindler gemeinsam mit seiner Frau Eckle zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt das ehemalige Mitglied Tarek Mousli 7 trat im Prozess als Kronzeuge auf und erhielt Haftverschonung 8 Harald Glode wurde nach 18 Monaten Untersuchungshaft freigelassen 9 und ebenfalls vom Berliner Kammergericht wegen Mitgliedschaft bei den RZ verurteilt 10 Aus dem Umfeld der RZ wurde die Zeitung Revolutionarer Zorn herausgegeben Nachdem 1978 die Antiterrorismusgesetze auch auf das Druckwesen Anwendung fanden wurden alle Ausgaben der Zeitschrift nach bundesweiten Razzien zur Vernichtung eingezogen Auch Nachdrucke von RZ Erklarungen in der Frankfurter Zeitschrift Pflasterstrand Heft 45 oder im Berliner Info Bug Heft 145 waren davon betroffen Die Anwalte der Druckerei merkten im Verfahren gegen Mitarbeiter an erstaunt zu sein dass etablierte Zeitschriften ungehindert Erklarungen der Rote Armee Fraktion nachdrucken durften 11 Geschichte BearbeitenErste Anschlage Bearbeiten Die RZ kamen aus dem militanten autonomen Spektrum Sie handelten als lose organisierte und unabhangig voneinander agierende Zellen Seit 1976 fungierten sie unter dem Namen Revolutionare Zellen Es gab Kontakte zur RAF zur Bewegung 2 Juni und auch zu palastinensischen Gruppen und dem lange Zeit weltweit gesuchten Terroristen Carlos Die ersten Anschlage verubten die RZ im November 1973 in Berlin und Nurnberg gegen den Konzern ITT Im Jahr 1975 fuhrte eine Frauengruppe der RZ einen Bombenanschlag auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durch Die Rote Zora wie sich die nur aus weiblichen Mitgliedern bestehende Gruppe kurz danach nannte trat in der Folge als eigenstandige Organisation auf Bis in die 1980er Jahre gab es gemeinsame Anschlage beider Gruppen Zudem existierte eine internationale Zelle der RZ deren Mitglieder an verschiedenen internationalen Anschlagen beteiligt waren So beispielsweise Hans Joachim Klein neben Gabriele Krocher Tiedemann Bewegung 2 Juni an dem Uberfall auf die OPEC Konferenz 1975 unter Carlos Auch an der Entfuhrung einer Air France Maschine von Athen nach Entebbe im Jahr 1976 waren die RZ beteiligt Fur beide Operationen unterstellten sich RZ Mitglieder dem Kommando von Wadi Haddad der eine Abspaltung der Volksfront zur Befreiung Palastinas PFLP befehligte Im Zuge der israelischen Militaraktion zur Ersturmung des Flughafengebaudes von Entebbe in dem die Entfuhrer die Geiseln festhielten wurden zwei Grunder der RZ getotet Wilfried Bose und Brigitte Kuhlmann Dies fuhrte zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der RZ um die zukunftige Orientierung der Gruppierung Anschlage im Ausland wurden danach nicht mehr durchgefuhrt Johannes Weinrich der Boses Nachfolger wurde und militantere Anschlage favorisierte schloss sich im Zuge der Auseinandersetzungen Carlos an Spatere Jahre Bearbeiten Obwohl die RZ die gezielte Totung von Menschen nach eigenen Aussagen ablehnten fuhrten sie mehrere sogenannte Knieschuss Attentate durch Ziel dieser Anschlage war es angeblich das Opfer schwer zu verletzen und fur langere Zeit arbeitsunfahig zu machen 12 Die Ermordung des hessischen Wirtschaftsministers Heinz Herbert Karry 1981 soll auf eine solche Aktion zuruckgehen die genauen Umstande sind allerdings bis heute unklar In einem Bekennerschreiben stellte die RZ die Totung als Unfall dar zeigte jedoch keine Reue 13 Am 20 September 1983 kam es zu einem Sprengstoffanschlag auf das Rechenzentrum des MAN Werks Gustavsburg der einen Sachschaden von mehreren Millionen DM verursachte 14 Dem Leiter der Berliner Auslanderbehorde Harald Hollenberg wurde 1986 und dem Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gunter Korbmacher ein Jahr spater in die Beine geschossen 15 1987 konnte man Ingrid Strobl auf einem Uberwachungsvideo identifizieren Wahrend der verdeckten Ermittlung gegen sie traf sich Strobl im November 1987 mit einem grosseren Personenkreis Daraufhin gelang dem BKA am 18 Dezember 1987 ein grosser Schlag gegen die Revolutionaren Zellen Tausende Polizisten durchsuchten 33 Gebaude in 20 Stadten Gegen 23 mutmassliche RZ Mitglieder wurden Durchsuchungsbeschlusse vollstreckt und die meisten spater verurteilt Vier fluchteten nach Frankreich 16 Nach der Wende verloren die RZ an Bedeutung und Ruckhalt in der Szene Am 15 Januar 1991 scheiterte ein Sprengstoffanschlag auf die Berliner Siegessaule Im Dezember 1991 veroffentlichten die RZ einen Text der die Auseinandersetzungen nach der Entebbe Entfuhrung beschreibt und von der zunehmenden Spaltung der Gruppen berichtet Insbesondere distanzieren sie sich darin von ihrer antiimperialistischen und antizionistischen Ideologie der 70er Jahre Die Selektion der Geiseln in israelische Staatsburger sowie Juden auf der einen und sonstige Geiseln auf der anderen Seite fand man nunmehr antisemitisch 17 Im Oktober 1993 ereigneten sich die letzten Anschlage der Revolutionaren Zellen Die Zerstorung eines Trafohauschens des Bundesgrenzschutzes in der Nahe von Frankfurt Oder und ein Anschlag am Flughafen Rothenburg Sachsen Die Rote Zora zundete im Juli 1995 eine Bombe in der Lurssen Werft in Lemwerder Laut Generalbundesanwalt bekannten sich die Revolutionaren Zellen Rote Zora zu insgesamt 186 Anschlagen 40 davon in Berlin Sie gaben an gegen staatlichen Rassismus Sexismus und das Patriarchat zu kampfen Mitte der 1980er Jahre richteten sich die Anschlage vorrangig gegen die Auslander und Asylpolitik der Bundesrepublik Laut dem nordrhein westfalischen Innenministerium verubten die RZ im Zeitraum 1973 1995 insgesamt 296 Sprengstoff Brand und sonstige Anschlage 18 2000 wurden die ehemaligen RZ Mitglieder Christian Gauger und seine Lebensgefahrtin Sonja Suder in Paris verhaftet Nach einigen Monaten kamen sie zunachst wieder frei da die ihnen zur Last gelegten Taten nach franzosischem Recht verjahrt waren Deutsche Behorden warfen beiden vor in den 1970er Jahren an Bombenanschlagen gegen die Unternehmen KSB Frankenthal und MAN Werk Gustavsburg sowie auf das Heidelberger Schloss beteiligt gewesen zu sein Suder sollte ausserdem das Attentat auf die Opec Konferenz 1975 in Wien mit vorbereitet haben 1978 hatten beide gemerkt dass man sie beschattete und waren daraufhin nach Frankreich geflohen 19 Nachdem der Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte 2010 Eilantrage gegen eine Auslieferung nach Deutschland abgelehnt hatte 20 erfolgte diese im September 2011 Beide kamen in Untersuchungshaft 21 Am 21 September 2012 begann ihr Strafprozess vor dem Frankfurter Landgericht 22 Am 12 November 2013 wurde Sonja Suder vom Vorwurf des Mordes im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die OPEC Olministerkonferenz im Dezember 1975 in Wien freigesprochen da eine Mittaterschaft nicht nachzuweisen war Wegen drei Brandanschlagen von 1977 und 1978 erhielt die mittlerweile 80 Jahrige eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Weil sie schon zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft verbracht hatte setzten die Richter den Haftbefehl gegen Suder aus Das Verfahren gegen ihren Lebensgefahrten Christian Gauger hatten sie bereits vorher wegen dauerhafter Verhandlungsunfahigkeit eingestellt 23 Im Dezember 2006 stellten sich die ehemaligen RZ Mitglieder Adrienne Gerhauser und Thomas Kram uberraschend der Bundesanwaltschaft 24 Wegen der Beteiligung an zwei fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlagen mit der Roten Zora wurde Gerhauser im April 2007 zu zwei Jahren auf Bewahrung verurteilt 25 26 Die gleiche Strafe erhielt Kram 2009 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung 27 Literatur BearbeitenArmin Pfahl Traughber Linksextremismus in Deutschland Eine kritische Bestandsaufnahme Wiesbaden 2014 Springer ISBN 978 3 658 04506 7 S 170 178 ID Archiv im IISG Amsterdam Fruchte des Zorns Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaren Zellen und der Roten Zora Berlin und Amsterdam 1993 ISBN 3 89408 023 X nadir org Robert Wolff Zwischen personlicher Schuld und praktischem Internationalismus Die transnationalen Verflechtungen der Revolutionaren Zellen In Uber Grenzen hinweg Transnationale politische Gewalt im 20 Jahrhundert Herausgegeben von Adrian Hanni Daniel Rickenbacher Thomas Schmutz Frankfurt am Main 2019 S 281 305 Wolfgang Kraushaar Im Schatten der RAF Die Entstehungsgeschichte der Revolutionaren Zellen In Die RAF und der linke Terrorismus Herausgegeben von Wolfgang Kraushaar Hamburger Edition HIS Hamburg 2006 Band 1 S 583 603 Wolfgang Kraushaar Die antisemitische Selektion eines bundesdeutschen Terroristen Wilfried Boses Weg von Bamberg nach Frankfurt und von Frankfurt nach Entebbe In Die blinden Flecken der RAF Herausgegeben von Wolfgang Kraushaar Stuttgart 2017 S 235 249 Unsichtbare Hrsg Herzschlage Gesprach mit Ex Militanten der Revolutionaren Zellen Assoziation A Berlin 2022 ISBN 978 3 86241 490 1 Weblinks BearbeitenWolfgang Gast Uwe Rada Verblasster Sound der Achtzigerjahre In taz de 19 Marz 2004 abgerufen am 19 Dezember 2019 Revolutionare Zellen RZ Erklarung vom 2 10 1993 In nadir org Abgerufen am 19 Dezember 2019 Erklarung zu den Anschlagen in Frankfurt Oder und Rothenburg Jorg Diehl Alexander Linden Ex Terrorist Hermann F Der Revoluzzer der sein Leben zerbombte In Spiegel Online 6 November 2008 abgerufen am 19 Dezember 2019 Bertolt Hunger Ansgar Siemens Revolutionare Zellen Knockout fur die Feierabendterroristen In einestages auf Spiegel Online 18 Dezember 2019 abgerufen am 19 Dezember 2019 Interview mit Martin Tuffner ehemals Mitarbeiter im Bundeskriminalamt Berliner Bundnis fur Freilassung freilassung de Abgerufen am 19 Dezember 2019 Texte und Information von und uber die RZ Einzelnachweise Bearbeiten Armin Pfahl Traughber Linksextremismus in Deutschland Eine kritische Bestandsaufnahme Wiesbaden 2014 Springer ISBN 978 3 658 04506 7 S 173 SPIEGEL ONLINE Hamburg Germany Prozess um Opec Attentat Suder und Gauger schweigen In SPIEGEL ONLINE Abgerufen am 4 August 2016 Revolutionare Viren Der Spiegel 29 1987 Demokratie ist die beste Antwort auf den Rechtsextremismus Kay Nehm 29 November 2000 Wolfgang Bayer Antiquitat mit Sprengstoff In Der Spiegel Nr 12 2001 S 52 online 19 Marz 2001 Wolfgang Bayer Antiquitat mit Sprengstoff In Der Spiegel 18 Marz 2001 ISSN 2195 1349 spiegel de abgerufen am 11 Januar 2022 tagesspiegel de Urteil im Prozess gegen linksextreme Revolutionare Zellen 123recht net Fragen uber Fragen Abgerufen am 11 Januar 2022 CHRISTIAN RATH Falsche Protokolle retten RZ nicht In Die Tageszeitung taz 30 Juni 2006 ISSN 0931 9085 S 6 taz de abgerufen am 11 Januar 2022 Roland Seim Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen Munster 1997 S 243 Aktion gegen den hessischen judischen Wirtschaftsminister Karry Mai 81 Revolutionare Zellen Mai 1981 nach Die Fruchte des Zorns Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaren Zellen und der Roten Zora ID Archiv im IISG Hg ID Verlag Johannes Worle Erdung durch Netzwerkstruktur Revolutionare Zellen in Deutschland In Alexander Strassner Hrsg Sozialrevolutionarer Terrorismus Theorie Ideologie Fallbeispiele Zukunftsszenarien VS Verlag 2008 S 267f Anschlag auf sudhessisches Rechenzentrum zeigt Schwachen bei der Security Planung auf MAN Bombe lasst DV Sicherheitsleute aufhorchen In Computerwoche 30 September 1983 abgerufen am 4 Marz 2016 Im Artikel werden die Revolutionaren Zellen als Rote Zellen betitelt Die RZ waren keine Schwatzbude Nicht mehr online verfugbar In jungle world com Archiviert vom Original am 4 August 2016 abgerufen am 4 August 2016 Knockout fur die Feierabendterroristen DER SPIEGEL 18 12 2019 Gerd Albartus ist tot Revolutionare Zellen im Dezember 1991 nach Die Fruchte des Zorns Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaren Zellen und der Roten Zora ID Archiv im IISG Hg ID Verlag web archive org Du schaust immer ob jemand hinter dir ist in taz de vom 20 Marz 2010 Mutmasslichen deutschen Terroristen droht Auslieferung in Spiegel Online vom 3 Januar 2011 Exmitglieder kommen in Haft in taz vom 16 September 2011 Frankfurt Revolutionare Zellen Suder Gauger FR vom 21 September 2012 Revolutionare Zelle Aktivistin Sonja Suder Der letzte Richterspruch In taz de 12 November 2013 abgerufen am 26 Juni 2015 Deutsche Terroristen stellen sich nach 19 Jahren SPIEGEL Online 3 Februar 2007Mutmassliche Terroristen stellen sich nach 19 Jahren tagesschau de Archiv Tagesschau de 3 Februar 2007Die populare Stadtguerilla steigt aus taz 5 Februar 2007 morgenpost de Kammergericht Mitglied der Roten Zora zu Bewahrungsstrafe von zwei Jahren Haft verurteilt PM 29 2007 Abgerufen am 3 August 2016 taz die tageszeitung Gibt man jemandem eine Waffe den man umbringen will In www taz de Abgerufen am 4 August 2016 Normdaten Korperschaft GND 5545218 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Revolutionare Zellen Deutschland amp oldid 229670953