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Dieser Artikel behandelt die Figur Platons Zum gleichnamigen Asteroiden siehe 423 Diotima fur den Kolibri siehe Meridasonnennymphe Diotima altgriechisch Diotima Diotima Betonung im Deutschen Diotima ist eine Figur in Platons Dialog Symposion in dem die Gesprachsteilnehmer die Natur des Eros erortern Sie wird dort als weise Frau aus Mantineia in Arkadien vorgestellt In dem Dialog tritt Diotima nicht selbst unter den Beteiligten auf sondern der Philosoph Sokrates erzahlt wie er von ihr uber den Eros belehrt wurde In dem Gesprach legte ihm Diotima ihre Lehre von der rechten philosophischen Lenkung des erotischen Drangs dar Das Eros Konzept das Platon ihr in den Mund legt wird seit der Renaissance als platonische Liebe bezeichnet Unbekannt ist ob die Gestalt frei erfunden ist oder ein historisches Vorbild aus dem 5 Jahrhundert v Chr hat das moglicherweise tatsachlich diesen Namen trug Wegen der starken Nachwirkung des Dialogs bis in die Gegenwart ist der Name Diotima in der Neuzeit immer wieder aufgegriffen und als Pseudonym als ehrender Alternativname oder zur Benennung einer literarischen Figur verwendet worden Er steht traditionell fur eine Frau die in der Lage ist auf erotischem Gebiet ein philosophisch untermauertes Wissen zu vermitteln Inhaltsverzeichnis 1 Diotima im Symposion 1 1 Dialogsituation 1 2 Inhalt 1 3 Bedeutung Diotimas 2 Rezeption 2 1 Antike 2 2 15 und 16 Jahrhundert 2 3 18 Jahrhundert 2 4 Moderne 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenDiotima im Symposion BearbeitenDialogsituation Bearbeiten Diotima ist die einzige weibliche Figur die in einem platonischen Dialog zu Wort kommt Sie tritt aber nicht direkt auf denn an dem Symposion Trinkgelage Gastmahl dessen Verlauf der Dialog schildert nimmt sie nicht teil Vielmehr berichtet Sokrates die Hauptfigur des Dialogs von einem Gesprach in dem ihn Diotima uber den Eros belehrt und von der Richtigkeit ihrer Sichtweise uberzeugt hatte Er hatte sie eigens zu dem Zweck solche Aufklarung zu empfangen aufgesucht als sie sich zeitweilig in Athen aufhielt Im Symposion ruhmt er ihre vollendete Weisheit Er gibt ihre Ausserungen in direkter Rede wieder und identifiziert sich mit deren Inhalt statt eine eigene Theorie vorzutragen Die Diotima Rede bildet den philosophischen Hohepunkt des Gastmahls Ansonsten erfahrt der Leser des Symposions uber Diotima nur dass sie eine Seherin war deren Weisheit ihr aussergewohnliche Fahigkeiten verlieh Sokrates berichtet sie sei in der Lage gewesen durch ein Opfer den Ausbruch der Pest in Athen um zehn Jahre zu verzogern 1 Daraus ist ersichtlich dass sie als Priesterin fungierte Gemeint ist die Pest die in Athen im Jahr 430 v Chr ausbrach attische Seuche Der Frauenname Diotima Bedeutung die von Zeus Geehrte oder die Zeus Ehrende 2 war selten haufig war hingegen die mannliche Form Diotimos 3 In seiner Wiedergabe des Gesprachs mit Diotima Symposion 201d 212c schildert Sokrates zuerst die Wesensart des Eros dann dessen Wirken Dabei tritt er ihr gegenuber als Schuler auf Indem sie Fragen stellt die ihm zu Erkenntnissen verhelfen sollen ubernimmt sie die maieutische Rolle die er sonst selbst in Platons Dialogen gegenuber seinen Gesprachspartnern spielt Wo er bekennen muss keine Antwort zu wissen enthullt sie ihm die Wahrheit Inhalt Bearbeiten Hauptartikel Platonische Liebe Mit Eros ist die mythische Gestalt gemeint die als Urheber des erotischen Begehrens der Menschen betrachtet wurde Damit ist stets die Vorstellung von Leidenschaft verbunden Sokrates geht anfanglich von der Annahme aus Eros sei ein grosser Gott und musse schon sein Diotima widerlegt diese Meinung Sie zeigt dass Eros weder gut und schon noch schlecht und hasslich ist sondern in einem Mittelbereich zu verorten ist Wegen dieser Unvollkommenheit kann er kein Gott sein Zu den Sterblichen zahlt er aber auch nicht Da er zwischen Gottheit und Mensch steht ist er ein Daimon Damon aber nicht im heute gangigen meist abwertenden Sinn dieses Begriffs Damit fallt ihm wie allen Damonen eine Mittlerrolle zwischen Gottern und Menschen zu Diese Aufgabe erfullt er in seinem Zustandigkeitsbereich auf dem Gebiet des Erotischen Er ubermittelt den Menschen das was ihnen diesbezuglich von den Gottern zukommen soll In Diotimas Mythos ist Eros nicht wie in einer verbreiteten Uberlieferung der Sohn der Gottin Aphrodite sondern er wurde bei dem Festmahl das die Gotter anlasslich von Aphrodites Geburt hielten gezeugt Seine Mutter Penia die personifizierte Armut kam als Bettlerin zu dem Mahl und traf dort den betrunkenen Poros Wegfinder Poros ist die Personifikation der Findigkeit die stets einen Ausweg findet und den Weg zu Fulle und Reichtum bahnt Ihm fehlt aber wie seine Betrunkenheit andeutet die Fahigkeit des Masshaltens 4 Um ihre Bedurftigkeit auszugleichen wollte Penia von ihm ein Kind empfangen So kam es zur Zeugung des Eros der sich spater der Gottin deren Geburtsfest zur Begegnung seiner Eltern gefuhrt hatte anschloss und ihr Begleiter wurde In seinem Naturell verbindet Eros die Eigenschaften seines Vaters mit denen seiner Mutter Von der Mutter hat er das Prinzip des Mangels geerbt daher ist er arm und unansehnlich barfuss und obdachlos Vom Vater hat er seine Tatkraft und Schlauheit seine Zauberkunst und die starke Neigung zum Schonen und Guten die ihn antreibt Da die Weisheit zum Schonen zahlt ist er auch ein Philosoph Weisheitsliebender Ihm fehlt Einsicht doch strebt er eifrig danach da er sich dieses Mangels bewusst ist Wie Eros trachten auch die von ihm ergriffenen Menschen nach dem Schonen und Guten und wollen es fur sich erlangen Sie mochten es dauerhaft besitzen um glucklich zu sein Der Mensch verfugt uber Zeugungskraft oder Fruchtbarkeit sowohl im korperlichen als auch im seelischen Sinne Diese Fahigkeit des Hervorbringens ist ebenso wie die Schonheit von gottlicher Art daher kann sie sich dort entfalten wo sie auf Schones trifft mit Hasslichem harmoniert sie nicht daher wird sie von ihm nicht aktiviert Aus diesem Grund richtet sich das erotische Begehren auf das Schone Dabei wird aber das Schone nicht als solches erstrebt Der erotische Drang ist nicht Liebe zum Schonen sondern ein Drang zum Zeugen und Hervorbringen im Schonen Das Sterbliche strebt namlich nach Unsterblichkeit Mittels der Fortpflanzung konnen Sterbliche etwas von sich hinterlassen und so eine Dauerhaftigkeit erreichen mit der sie gewissermassen am Unsterblichen teilhaben Analog dazu ist auch das Hervorbringen dauerhafter geistiger Werte etwa in der Dichtung oder der Gesetzgebung eine Art von Zeugung die unsterblichen Ruhm verschafft 5 Eine besondere Starke erreicht die erotische Anziehungskraft wenn die begehrte Person nicht nur korperlich schon ist sondern auch seelisch also tugendhaft Hiervon ausgehend entwickelt Diotima ihre Lehre von der rechten philosophischen Lenkung des erotischen Drangs In der Jugend soll man sich schonen Korpern zuwenden und dabei erkennen dass es nicht um die Vorzuge eines bestimmten Korpers geht sondern um die korperliche Schonheit an sich die in allen schonen Korpern dieselbe ist Spater wird man sich der seelischen Schonheit zuwenden die man zunachst in einer bestimmten Person wahrnimmt Daher richtet sich nun die Liebe auf diese Person auch wenn sie ausserlich unansehnlich ist Das fuhrt zu einer Ausrichtung auf die Ethik der Liebende entdeckt das Schone in schonen Handlungen Spater wird auch die Schonheit von Erkenntnissen fur ihn wahrnehmbar Dabei erhalt er Gelegenheit zu entdecken dass auch im geistig seelischen Bereich die Schonheit nicht an etwas Einzelnes gebunden ist sondern das Allgemeine ist das sich jeweils im Besonderen zeigt Von da aus gelangt der Liebende zur hochsten Erkenntnisstufe Dort kommt es nicht mehr auf einzelne Tugenden oder auf einzelne schone Taten oder Einsichten an sondern auf Schonheit im allgemeinsten und umfassendsten Sinne die vollkommene und unwandelbare Schonheit schlechthin die allen Erscheinungsformen des Schonen letztlich als deren Quelle zugrunde liegt Dieses Urschone ist keine blosse Abstraktion kein gedankliches Konstrukt sondern fur den der die letzte Stufe erreicht hat eine wahrnehmbare Wirklichkeit Sokrates stimmt Diotimas Ausfuhrungen zu und erganzt dass Eros auf dem philosophischen Erkenntnisweg der beste Helfer des Menschen sei Daher solle man ihn und die Erotik ehren und sich auf diesem Gebiet uben Bedeutung Diotimas Bearbeiten Platon stellt in seinen Dialogen Sokrates als Philosophen dar der Erkenntnisse erlangt hat und anderen im Gesprach zu Einsichten verhilft aber nicht mit dem Anspruch auftritt uber Wissen im Sinne eines abgeschlossenen luckenlos begrundbaren Lehrsystems zu verfugen Daher lasst er ihn im Symposion nicht wie andere Gesprachsteilnehmer eine eigene Theorie des Eros in einer Rede vortragen sondern weist ihm die Rolle des Berichterstatters zu der nur fremde Weisheit darlegt Aus diesem Grund benotigt Platon die Gestalt der Diotima der er hier sein Konzept in den Mund legt Als weise Seherin verfugt Diotima uber eine Einsicht die der philosophische Diskurs allein nicht vermitteln kann Sie argumentiert zwar streckenweise philosophisch aber hinsichtlich des Kerns ihrer Lehre beruft sie sich auf eine transzendente Erfahrung die nach ihrer Darstellung den Hohepunkt und Abschluss eines philosophischen Schulungswegs darstellt Hiervon ausgehend haben manche Forscher Diotima zu einer frei erfundenen Gestalt erklart wahrend andere einen Zusammenhang mit einer realen Person annehmen oder zumindest nicht ausschliessen 6 Alle Angaben spaterer antiker Autoren fussen auf denen Platons die sie zum Teil mit erfundenen Erganzungen ausschmucken Falls es sich um eine fiktive Gestalt handelt konnte ihre angebliche Herkunft aus Mantineia eine Anspielung auf ihre Funktion als Seherin mantis sein Einer Hypothese zufolge gestaltete Platon die Figur der Diotima als Gegenbild zu derjenigen der Aspasia die in seinem Dialog Menexenos als Rhetoriklehrerin eine Rolle spielt und nach der ein nur fragmentarisch erhaltener Dialog des Sokratikers Aischines benannt ist Dabei sei es ihm darum gegangen das Konzept von Aischines Aspasia zu uberwinden und ihm ein uberlegenes entgegenzustellen 7 Oft ist die Frage erortert worden warum Platon gerade bei diesem Thema ausnahmsweise die Darlegung seiner eigenen Auffassung einer Frau ubertragt Dabei haben auch mancherlei Spekulationen uber seine eigene sexuelle Orientierung eine Rolle gespielt 8 Es ist sogar vermutet worden Diotima vertrete ein sophistisches von Platon oder zumindest seinem Sokrates abgelehntes Konzept 9 Dieser Ansatz gilt heute als verfehlt 10 was aber nicht bedeutet dass Diotimas Lehre mit Platons eigener Uberzeugung ganzlich identisch sein muss 11 Eine weitere Hypothese lautet Platon habe eine Selbstdemontage des weiblichen Prinzips beabsichtigt Es sei Diotimas Aufgabe den Eros aus der ihm traditionell zuerkannten gottlichen Position zu verdrangen Dies bedeute eine Abweisung des Weiblich Gottlichen das endgultig vom Mannlich Gottlichen uberwunden werde Das Ziel sei eine vollstandige Entmachtung der Prinzipien der Aphrodite Im Sinne dieser Absicht sei es zweckmassig dass gerade bei diesem Machtwechsel eine Frau das Kommando fuhrt 12 Rezeption BearbeitenAntike Bearbeiten nbsp Votivrelief einer Frau die eine Leber als Zeichen der Wahrsagung halt vielleicht eine Darstellung der Diotima Gefunden in Mantineia jetzt Archaologisches Nationalmuseum Athen Inventarnummer 226Eine Darstellung Diotimas in der antiken bildenden Kunst konnte bisher nicht mit volliger Sicherheit ermittelt werden Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei der Frau die auf einem Wandbild der fruhen romischen Kaiserzeit aus Boscoreale neben dem sitzenden Sokrates steht um Diotima Das Wandbild das nach einem Vorbild aus dem spaten 4 Jahrhundert v Chr gestaltet wurde befindet sich heute im J Paul Getty Museum in Malibu 13 Zwei weitere Identifizierungsvorschlage sind nach heutigem Forschungsstand in Betracht zu ziehen eine stehende Frau auf einem Weihrelief des 3 Jahrhunderts v Chr mit Epimenides heute in Rom Konservatorenpalast und eine stehende Frau die eine Leber als Zeichen der Wahrsagung halt auf einem 1887 in Mantineia gefundenen Relief jetzt im Archaologischen Nationalmuseum in Athen siehe rechts Das Relief aus Mantineia stammt aus dem letzten Drittel des 5 Jahrhunderts v Chr es ist also falls es tatsachlich Diotima darstellt und diese eine historische Person ist zeitgenossisch Fruher wurde auch eine sitzende Frau mit Eros und einem Mann mutmasslich Sokrates auf einem Bronzerelief aus Pompeji heute in Neapel sowie auf zwei versilberten Toneimern aus der Gegend von Orvieto fur Diotima gehalten Diese Identifizierung hat sich jedoch als falsch erwiesen 14 In der romischen Kaiserzeit fand die Gestalt der Diotima wenig Beachtung Ihre im Symposion vorgetragene Lehre beschaftigte aber Plutarch und die Neuplatoniker Plutarch und der Neuplatoniker Plotin setzten sich mit der Frage auseinander wie der Eros Mythos zu deuten sei 15 Im 5 Jahrhundert fuhrte der Neuplatoniker Proklos in seinem Kommentar zu Platons Dialog Politeia Diotima unter den Pythagoreerinnen an deren Tugend bekannt war 16 Er soll auch Diotimas Ausfuhrungen im Symposion kommentiert haben 17 Im Mittelalter war Diotima weitgehend unbekannt da Platons Schrift im Westen verschollen war 15 und 16 Jahrhundert Bearbeiten Als in der Renaissance das Symposion der westlichen Gelehrtenwelt wieder im griechischen Originaltext zuganglich wurde erweckte Diotima das Interesse der Humanisten Der beruhmte Gelehrte Marsilio Ficino ein eifriger Erforscher des antiken Platonismus ubersetzte den Dialog ins Lateinische und machte ihn damit einem breiteren Lesepublikum zuganglich Ausserdem schrieb er dazu 1468 1469 einen lateinischen Kommentar Commentarium in convivium Platonis de amore kurz De amore Uber die Liebe der 1484 gedruckt wurde Diesen Kommentar von dem er auch eine italienische Fassung anfertigte gestaltete er als Dialog mit sieben zeitgenossischen Teilnehmern welche die Reden im Symposion erlautern Die Rede des Sokrates deutet Tommaso Benci der Diotima als gottlich inspirierte Seherin einfuhrt Sokrates habe zeigen wollen dass die Menschen nur dank gottlicher Eingebung verstehen konnten was wahre Schonheit und rechte Liebe sei 18 In der Folgezeit wurde Diotima fur die Gebildeten das Muster einer Frau die in der Philosophie mit eigenen Gedanken hervortritt Im spaten 16 Jahrhundert verfasste Francesco Patrizi da Cherso das vier Dialoge umfassende Werk L amorosa filosofia wobei er den Aufbau des Symposions nachahmte Es ist wie bei Platon ein Bericht uber ein Gastmahl an dem von einem Gesprach mit einer Frau erzahlt wurde die Belehrung uber Liebesangelegenheiten erteilte Diese gebildete Dame die als neue Diotima bezeichnet wird es handelt sich um die mit Patrizi befreundete Dichterin Tarquinia Molza trug allerdings unplatonisches Gedankengut vor Sie fuhrte alle Formen der Liebe auf Selbstliebe zuruck 19 18 Jahrhundert Bearbeiten 1775 1780 fertigte der franzosische Maler Jacques Louis David eine Zeichnung an die Sokrates und Diotima darstellt Sie befindet sich heute in der National Gallery of Art in Washington D C 20 Diotima wurde literarisch als Deckname fur zeitgenossische Damen verwendet denen eine an das antike Vorbild erinnernde Rolle zugeschrieben wurde So nannte Frans Hemsterhuis die gebildete Furstin Amalie von Gallitzin Diotima sich selbst im Umgang mit ihr Sokrates Gegen Ende des 18 Jahrhunderts erwachte in Deutschland ein neues Interesse an Platon und die Rolle von Frauen im philosophischen Diskurs wurde vielfach thematisiert Damit ruckte Diotima als Vorbild fur eigenstandig philosophierende Frauen wieder ins Blickfeld Friedrich Schlegel verfasste 1795 einen Aufsatz Uber die Diotima in dem er sie als Priesterin und als Pythagoreerin darstellte und als Bild vollendeter Menschheit beschrieb als eine Frau in welcher sich die Anmut einer Aspasia die Seele einer Sappho mit hoher Selbstandigkeit vermahlt 21 Ausfuhrlich trat Schlegel dem Verdacht entgegen sie sei eine Hetare gewesen da damals nur Hetaren uber Bildung verfugt hatten und mit Mannern auf die von Platon geschilderte Weise hatten Umgang pflegen konnen Die bekannteste und wirkungsmachtigste Diotima Rezeption dieser Epoche und der gesamten Neuzeit ist diejenige Friedrich Holderlins Er war von Diotimas Ausfuhrungen im Symposion stark beeindruckt und verwendete in seiner Liebeslyrik ihren Namen mit der griechischen Betonung Diotima fur die Geliebte Den platonischen Gedanken dass Eros sich uber das vergangliche Individuelle emporheben kann druckte er dichterisch in der Ode Der Abschied und in der Elegie Menons Klagen um Diotima aus In seinem Briefroman Hyperion an dem er in den letzten Jahren des 18 Jahrhunderts arbeitete brachte er ebenfalls das Eros Konzept von Platons Diotima zur Geltung Die Handlung spielt im spaten 18 Jahrhundert wahrend der Kampfe um die Befreiung Griechenlands von der osmanischen Herrschaft Diotima ein griechisches Madchen ist als Geliebte des Titelhelden eine zentrale Figur Sie liebt Hyperion ermutigt ihn aber auch zu der Einsicht dass er seine Lebensaufgabe erst erfullen kann wenn er sich nicht mehr von einer einseitigen Bindung an die konkrete Einzelerscheinung beherrschen lasst sondern den Weg in eine hohere Dimension findet Zugleich ist sie selbst die Verkorperung seines Ideals vollendeter Schonheit Er befindet sich in einer Illusion denn er entwirft fur sich ein idealisiertes Bild von Diotima das sich stark von ihrer Selbstwahrnehmung unterscheidet Nach ihrem Tod an dem er Mitschuld tragt fallt ihm die Aufgabe zu sein Leben neu zu gestalten Schliesslich findet er Frieden in der Natur Das Vorbild fur Holderlins literarische Frauengestalt war Susette Gontard doch nicht in dem Sinne dass die reale Person durchgangig mit der fiktiven gleichzusetzen ware 22 Ganz anders war der Ansatz von Christoph Martin Wieland Er setzte sich 1800 1801 mit den im Symposion vorgetragenen Liebeslehren kritisch auseinander In seinem Briefroman Aristipp wird in einem Brief von einem Gastmahl berichtet an dem neben der Gastgeberin Lais funf Manner teilnahmen Platons Symposion wurde vorgelesen und dann hinsichtlich seiner einzelnen Bestandteile erortert Dabei kamen die Gesprachsteilnehmer zu Ergebnissen die der Auffassung Diotimas radikal widersprechen Insbesondere die Lehre vom Urschonen stiess auf fundamentale Kritik da das Urschone ausserhalb des Bereichs moglicher menschlicher Erfahrung liege Daher kann es aus dieser kritischen Sicht nicht das Ziel der Liebe sein sondern erscheint als unwirklich Wieland konzipierte seine Lais als Gegenbild zu Diotima 23 Moderne Bearbeiten nbsp Jadwiga Luszczewska als Diotima auf einem Gemalde des polnischen Malers Jozef Simmler von 1855Im 19 und 20 Jahrhundert war das literarische Interesse an Diotima relativ gering Die Dichterin Sophie Borries 1799 1841 und die polnische Schriftstellerin und Dichterin Jadwiga Luszczewska 1834 1908 wahlten den Namen als Pseudonym Auch die deutschnationale Publizistin Lenore Kuhn 1878 1955 verwendete dieses Pseudonym als sie 1930 im Verlag Eugen Diederichs ihre Schule der Liebe veroffentlichte ein Sachbuch uber Geschlechterbeziehungen das einen grossen Verkaufserfolg erzielte 24 In Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften erhalt die Gastgeberin eines Salons von einem Bewunderer den Namen Diotima Damit knupft Musil an die antike Tradition an allerdings mit ironischer Absicht Er wendet sich gegen eine idealistische romantische Uberhohung trivialer Verhaltnisse 25 Von dem Schweizer Maler Hans Erni stammen mehrere Zeichnungen von Sokrates mit Diotima Der Komponist Luigi Nono schuf 1979 1980 das Streichquartett Fragmente Stille An Diotima mit dessen Benennung er auf Holderlins Diotima Gestalt Bezug nahm 26 Als Hommage an dieses Werk versteht sich der Name des franzosischen Streichquartetts Quatuor Diotima das 1996 von Absolventen der Musikschulen von Paris und Lyon gegrundet wurde Die italienische Philosophin Luisa Muraro grundete 1983 in Verona eine feministische Philosophinnengemeinschaft namens Diotima In Athen erscheint seit 1973 die philosophische Zeitschrift Diotima herausgegeben von der Societe Hellenique d Etudes Philosophiques Nach Platons Diotima ist der Asteroid 423 Diotima benannt Seit 2009 wird der Diotima Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft verliehen Literatur BearbeitenDavid M Halperin Why Is Diotima a Woman Platonic Erōs and the Figuration of Gender In David M Halperin u a Hrsg Before Sexuality The Construction of Erotic Experience in the Ancient Greek World Princeton University Press Princeton N J 1990 ISBN 0 691 03538 5 S 257 308 Kurt Sier Die Rede der Diotima Untersuchungen zum platonischen Symposion Teubner Stuttgart 1997 ISBN 3 519 07635 7 Jurgen Wippern Eros und Unsterblichkeit in der Diotima Rede des Symposions In Hellmut Flashar Konrad Gaiser Hrsg Synusia Festgabe fur Wolfgang Schadewaldt zum 15 Marz 1965 Neske Pfullingen 1965 S 123 159 Rezeption Pascal Firges Eros im Hyperion Platonisches und spinozistisches Gedankengut in Holderlins Roman Kulturgeschichtliche Reihe Band 11 Sonnenberg Annweiler 2010 ISBN 978 3 933264 61 9 Jean Firges Friedrich Holderlin Trauer um Diotima Der Hyperion Roman Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie Band 10 Sonnenberg Annweiler 2002 ISBN 978 3 933264 17 6 Weblinks BearbeitenRudiger Kruger Diotima Gedichte Holderlins Rede der Diotima Platon Symposion 201d 212c griechisch und deutsch Anmerkungen Bearbeiten Platon Symposion 201d Luc Brisson Diotima In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Bd 2 Paris 1994 S 883 884 hier 884 Siehe John S Traill Persons of Ancient Athens Bd 6 Toronto 1997 S 52 62 Kurt Sier Die Rede der Diotima Stuttgart 1997 S 8 Zum Charakter des Poros und zur Etymologie seines Namens siehe Steffen Graefe Der gespaltene Eros Platons Trieb zur Weisheit Frankfurt am Main 1989 S 131 170 Siehe dazu Stefan Buttner Die Literaturtheorie bei Platon und ihre anthropologische Begrundung Tubingen 2000 S 215 224 Von der Historizitat uberzeugt ist Walther Kranz Diotima von Mantineia In Walther Kranz Studien zur antiken Literatur und ihrem Fortwirken Heidelberg 1967 S 330 337 hier 330f Fur die Moglichkeit der Historizitat oder eines historischen Vorbilds pladieren u a Ute Schmidt Berger Hrsg Platon Das Trinkgelage Frankfurt am Main 1985 S 140 und Debra Nails The People of Plato Indianapolis 2002 S 137f Zu den Befurwortern der gegenteiligen Auffassung zahlen Gregory Vlastos Socrates Ironist and Moral Philosopher Cambridge 1991 S 73 Anm 128 Heinrich Dorrie Diotima In Der Kleine Pauly Band 2 Munchen 1979 S 94f und Eveline Krummen Sokrates und die Gotterbilder In Perspektiven der Philosophie 28 2002 S 11 45 hier 19f Siehe auch Luc Brisson Hrsg Platon Le Banquet 2 Auflage Paris 2001 S 29f Hayden W Ausland Who Speaks for Whom in the Timaeus Critias In Gerald A Press Hrsg Who Speaks for Plato Studies in Platonic Anonymity Lanham 2000 S 183 198 hier 185f und S 186 Anm 11 zu den Anfangen der Forschungsdiskussion im 18 und 19 Jahrhundert Michael Erler Platon Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 2 2 Basel 2007 S 196 Kurt Sier Die Rede der Diotima Stuttgart 1997 S 8 Barbara Ehlers Eine vorplatonische Deutung des sokratischen Eros Munchen 1966 S 131 136 zustimmend Holger Thesleff Platonic Patterns Las Vegas 2009 S 266 283f Siehe dazu Luc Brisson Hrsg Platon Le Banquet 2 Auflage Paris 2001 S 30f Eva Maria Engelen Zum Begriff der Liebe in Platons Symposion oder Warum ist Diotima eine Frau In Bochumer Philosophisches Jahrbuch fur Antike und Mittelalter 6 2001 S 1 20 mit Diskussion der alteren Hypothesen Michael Erler Platon Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 2 2 Basel 2007 S 196 David M Halperin Why Is Diotima a Woman Platonic Erōs and the Figuration of Gender In David M Halperin u a Hrsg Before Sexuality Princeton 1990 S 257 308 Kurt Sier Die Rede der Diotima Stuttgart 1997 S 10f Enrique A Ramos Jurado Eros demonico y mujer demonica Diotima de Mantinea In Habis 30 1998 S 79 86 Harry Neumann Diotima s Concept of Love In American Journal of Philology 86 1965 S 33 59 Steffen Graefe Der gespaltene Eros Platons Trieb zur Weisheit Frankfurt am Main 1989 S 110 119 Barbara Zehnpfennig Hrsg Platon Symposion Hamburg 2000 S XVI und Anm 13 Stefan Buttner Die Literaturtheorie bei Platon und ihre anthropologische Begrundung Tubingen 2000 S 215f Anm 1 Michael Erler Platon Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 2 2 Basel 2007 S 197 Kurt Sier Die Rede der Diotima Stuttgart 1997 S 96 Vgl auch Walther Kranz Diotima von Mantineia In Walther Kranz Studien zur antiken Literatur und ihrem Fortwirken Heidelberg 1967 S 330 337 hier 331f Achim Wurm Platonicus amor Berlin 2008 S 16 22 Gary Alan Scott William A Welton Eros as Messenger in Diotima s Teaching In Gerald A Press Hrsg Who Speaks for Plato Studies in Platonic Anonymity Lanham 2000 S 147 159 Claudia Piras Vergessen ist das Ausgehen der Erkenntnis Eros Mythos und Gedachtnis in Platons Symposion Frankfurt am Main 1997 S 86 145 besonders S 94f Karl Schefold Die Bildnisse der antiken Dichter Redner und Denker Basel 1997 S 178f mit Abbildung Karl Schefold Die Bildnisse der antiken Dichter Redner und Denker Basel 1997 S 108f Relief aus Mantineia mit Abbildung 178f Neapel 242f Relief in Rom mit Abbildung Agnes Schwarzmaier Wirklich Sokrates und Diotima In Archaologischer Anzeiger 1997 S 79 96 Vgl Gisela M A Richter The Portraits of the Greeks Supplement London 1972 S 6 teilweise veraltete Angaben Willy Theiler Diotima neuplatonisch In Willy Theiler Untersuchungen zur antiken Literatur Berlin 1970 S 502 518 Teresa Chevrolet L Eros de Diotime comme mythe intertextuel lectures neo platoniciennes d un passage du Banquet In Bibliotheque d Humanisme et Renaissance 51 1989 S 311 330 Proklos In Platonis rem publicam I S 248 Z 25 27 Kroll franzosische Ubersetzung Andre Jean Festugiere Proclus Commentaire sur la Republique Bd 2 Paris 1970 S 53 Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Band 3 Stuttgart Bad Cannstatt 1993 S 200 Pierre Laurens Hrsg Marsile Ficin Commentaire sur le Banquet de Platon De l amour Paris 2002 S 127 Vgl Vanessa Kayling Die Rezeption und Modifikation des platonischen Erosbegriffs in der franzosischen Literatur des 16 und 17 Jahrhunderts unter besonderer Berucksichtigung der antiken und italienischen Tradition Bonn 2010 S 110 112 Siehe dazu Sabrina Ebbersmeyer Zwischen Physiologie und Spiritualitat Zur Rezeption des platonischen Symposions in der Philosophie der Renaissance In Stefan Matuschek Hrsg Wo das philosophische Gesprach ganz in Dichtung ubergeht Platons Symposion und seine Wirkung in der Renaissance Romantik und Moderne Heidelberg 2002 S 17 32 hier 29 31 Siehe zu diesem Werk James H Lesher Some Notable Afterimages of Plato s Symposium In James H Lesher u a Hrsg Plato s Symposium Issues in Interpretation and Reception Cambridge Massachusetts 2006 S 313 340 hier 327 mit Abbildung Ernst Behler Hrsg Friedrich Schlegel Studien des klassischen Altertums Kritische Friedrich Schlegel Ausgabe Bd 1 Abt 1 Paderborn 1979 S 115 vgl S CXLIX CLII Zur Diotima Gestalt im Hyperion siehe Gabriele von Bassermann Jordan Schones Leben du lebst wie die zarten Bluthen im Winter Die Figur der Diotima in Holderlins Lyrik und im Hyperion Projekt Theorie und dichterische Praxis Wurzburg 2004 S 130 151 Ulrich Gaier Diotima eine synkretistische Gestalt In Valerie Lawitschka Hrsg Holderlin Christentum und Antike Tubingen 1991 S 141 172 Vgl Pascal Firges Eros im Hyperion Annweiler 2010 S 30 35 40 49 Klaus Manger Lais Antisymposion in Wielands Aristipp In Stefan Matuschek Hrsg Wo das philosophische Gesprach ganz in Dichtung ubergeht Platons Symposion und seine Wirkung in der Renaissance Romantik und Moderne Heidelberg 2002 S 49 61 Christiane Streubel Lenore Kuhn 1878 1955 Berlin 2007 S 43 Siehe dazu Karin Sporkhorst Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht Diotima Eine Frau mit Vergangenheit aber ohne Zukunft In Gabriele Uerscheln Hrsg Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib Frauengestalten des Mythos im Zwielicht Koln 2009 S 112 121 Zu Nonos Holderlin Rezeption siehe Ingrid Allwardt Die Stimme der Diotima Friedrich Holderlin und Luigi Nono Berlin 2004 Hermann Spree Fragmente Stille An Diotima Saarbrucken 1992 S 79 87 sowie die Aufsatze von Peter Andraschke Holderlin 1980 und Siegfried Mauser An Diotima Dichtung als Partitur in dem von Otto Kolleritsch herausgegebenen Band Die Musik Luigi Nonos Wien 1991 S 145 161 bzw 162 179 Normdaten Person GND 119302438 lobid OGND AKS LCCN sh90005689 VIAF 37151776730818010391 Wikipedia Personensuche nbsp Dieser Artikel wurde am 13 November 2012 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Diotima amp oldid 237607505