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Westarmenien armenisch Արեւմտեան Հայաստան Arewmdian Hajasdan in westarmenischer Variante Արևմտյան Հայաստան Arewmtjan Hajastan auf Ostarmenisch turkisch Bati Ermenistan ist die historische Bezeichnung fur heute in der Turkei liegende westliche Teile des ehemals auch als Armenien Grossarmenien und Kleinarmenien bezeichneten Armenischen Hochlandes deren Gebiete seit dem 16 Jahrhundert zum Osmanischen Reich gehorten und bis zum Volkermord an den Armeniern 1915 bis 1918 den westlichen Teil des traditionellen Siedlungsgebiets der Armenier bildeten Hiervon zu unterscheiden sind noch einmal die seit dem 11 Jahrhundert ebenfalls armenisch besiedelten Gebiete des ehemaligen Konigreichs Kleinarmenien in Kilikien Mitunter bezeichnet Westarmenien auch die im einstigen Osmanischen Reich lebenden Armenier In der armenischen Diaspora stellte die durch den Volkermord verlorene Heimat Westarmenien vor allem bis zur Entstehung der unabhangigen Republik Armenien die keine Teile Westarmeniens einschliesst einen wichtigen Bezugspunkt in der Erinnerungskultur dar Seit der Grundung der modernen Turkei 1923 spatestens aber seit der Grundung der Republik Armenien 1991 beschrankt sich die Verwendung des Begriffs Westarmenien im deutschen Sprachgebrauch weitgehend auf historische Zusammenhange Die auch als Westarmenien bezeichneten Sechs Vilayets des Osmanischen Reiches sind hellgrun dargestelltVerteilung der armenischen Bevolkerung in Turkisch Armenien Kurdistan und Transkaukasien Karte von A Supan nach Cuinet Selenoy und v Seydlitz Stielers Handatlas 1896 Nur die Sandschaks mit der dunkelsten Farbe violett hatten eine armenische Bevolkerungsmehrheit Turkei in Asien mit Armenia major oder Turcomania Herman Moll 1736Westliche Grenze der Demokratischen Republik Armenien gezeichnet von US Prasident Woodrow Wilsons arbitral award 1920 Dieses im Vertrag von Sevres 1920 vorgesehene Territorium ist auch als Wilsonsches Armenien bekannt Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutungen des Begriffs Westarmenien 2 Westarmenien in der armenischen Diaspora 3 Westarmenier im heutigen Armenien 4 Historische Aspekte 5 Heute nicht mehr ubliche Verwendung 6 Literatur 7 EinzelnachweiseBedeutungen des Begriffs Westarmenien BearbeitenTessa Hofmann bietet fur Ostarmenien und Westarmenien zwei Definitionen Historisch politisch ist unter Westarmenien das einstige Turkisch Armenien und unter Ostarmenien Russisch Armenien zu verstehen wahrend philologisch die Dialektgrenze zwischen der ostarmenischen und der westarmenischen Sprache ungefahr bei Van anzusetzen ist 1 Mihran Dabag setzt dagegen bei der Eroberung der Bagratiden Metropole Ani im Jahre 1064 an ab deren Zerstorung durch die Seldschuken unter Alp Arslan die Entwicklungen des vormaligen armenischen Konigreichs von einer vor allem kulturell zunehmend auseinanderstrebenden Zweiteilung in ein Ost sowie ein Westarmenien bestimmt seien Dabei definiert Dabag Ostarmenien als Geschichte eines armenischen Territoriums unter zunachst persischer dann russischer Herrschaft Westarmenien als Geschichte der armenischen Siedlungsgebiete westlich des Ararats unter osmanischer Herrschaft und einer weit zerstreuten Diaspora 2 Levon Abrahamian beschreibt die Spaltung zwischen den Armeniern Ost und Westarmeniens als Ergebnis einer standigen Aufteilung Armeniens zwischen zwei Grossmachten die zu Recht bereits auf die Teilung Armeniens zwischen dem Persien der Sassaniden und dem Ostromischen Reich 385 387 zuruckgefuhrt werde und mit der Zeit vor dem Volkermord geendet habe als Armenien zwischen dem Russischen und dem Osmanischen Reich geteilt war 3 Westarmenien in der armenischen Diaspora BearbeitenAbrahamian verdeutlicht dass der Volkermord an den Armeniern zu einer weiter gehenden Spaltung der Armenier in ein weiterhin bestehendes Heimatland auf der Grundlage Ostarmeniens und eine Diaspora auf der Grundlage Westarmeniens fuhrte Die Spaltung unter den Armeniern habe sich noch weiter durch das Leben der Ostarmenier im Sozialismus und der westarmenischen Diaspora im Kapitalismus vertieft 3 Vartan Matiossian versteht unter Westarmenien Western Armenia das armenische Volk joghovurd people das als Kern core durch den Grossen Volkermord explodierte und dessen Uberbleibsel seit 1915 als armenische Diaspora anjoghov non reunited uber die ganze Welt verteilt sind Diese Armenische Diaspora sei ebenso wie die seit der Zerstorung Jerusalems 70 n Chr bestehende Judische Diaspora eine direkte Folge von Zerstorung 4 Levon Abrahamian stellt als Gegensatz zu den Juden heraus dass nur die Armenier aus Westarmenien und nicht die aus Ostarmenien ihr Heimatland verloren und sie die armenisch apostolische Kirche gewissermassen als Ersatz fur die verlorene Staatlichkeit behielten wobei auch der hochste Priester der Armenier der Katholikos nur seinen Titel veranderte und nicht seine Funktion verlor 5 Laut Hovhannes Hovhannisyan ist in der historischen Erinnerung der armenischen Diaspora gefordert auch von der Armenischen Revolutionaren Foderation Daschnag nicht das Gebiet der heutigen Republik Armenien beziehungsweise des vorherigen Sowjetarmeniens sondern Westarmenien das Mutterland was noch heute eine innere Verbindung der Diaspora Armenier mit der Republik Armenien erschwere Wahrend der Sowjetzeit spiegelte sich dies auch in der strikten Abgrenzung des Katholikats von Kilikien als Vertretung der Westarmenier in der Diaspora vom Katholikat des Heiligen Stuhles von St Etschmiadsin und Aller Armenier wider dem es einen Dienst am atheistischen Staat ohne Glauben vorwarf Diese Spaltung begann sich aber mit den Besuchen des Etschmiadsiner Katholikos Wasgen I in der Diaspora ab 1956 zu lockern Die Unabhangigkeit Armeniens 1991 und die nachfolgende Annaherung der Katholikate von Kilikien und Etschmiadsin unter Karekin Sarkissian sowie die starke Solidarisierung der Diaspora nach dem Erdbeben von Spitak 1988 und der Bergkarabachkonflikt mit der Grundung der de facto Republik Arzach waren nach Einschatzung Hovhannisyans wesentlich fur eine heute im Gegensatz zu fruher real gegebene Anerkennung des in Ostarmenien gelegenen Staates Armenien als Mutterland 6 Susanne Schwalgin arbeitete hierzu am Beispiel der armenischen Diaspora in Griechenland heraus wie die im Osmanischen Reich gelegenen Heimatorte der Uberlebenden des Volkermords der Bezugspunkt in deren Erzahlungen waren und diese in der Geschichtsschreibung der Diaspora als Westarmenien umschrieben wurden Nach 1991 habe sich jedoch das Heimatland als Bezugspunkt vom verlorenen Westarmenien zum inzwischen Realitat gewordenen Nationalstaat Armenien verschoben 7 Westarmenier im heutigen Armenien BearbeitenBereits nach der Eingliederung des vormals persischen Ostarmeniens ins Russische Kaiserreich Anfang des 19 Jahrhunderts gab es eine starke Wanderungsbewegung von Armeniern aus Westarmenien nach Russisch Armenien Wahrend des Grossen Volkermordes fanden Anfang des 20 Jahrhunderts weitere Westarmenier in Ostarmenien Zuflucht von denen aber viele noch die Hoffnung auf Ruckkehr in ein befreites Heimatland hegten Die Armenische Sozialistische Sowjetrepublik betrieb von den 1920er Jahren bis in die 1970er Jahre besonders aber nach dem Zweiten Weltkrieg eine aktive Politik der Repatriierung von Armeniern aus der Diaspora Zu den Einwanderern gehorte unter anderen der als syrischer Armenier in Aleppo geborene spatere armenische Staatsprasident Lewon Ter Petrosjan Wahrend Abrahamian im Falle der Armenier aus Iran von einer tatsachlich so zu bezeichnenden Ruckkehr ins Heimatland ihrer Vorvater spricht handelt es sich nach seinen Worten bei der Repatriierung der ubrigen Diaspora Armenier nicht um eine Ruckkehr ins eigentliche Heimatland das ja Westarmenien war sondern nach Sowjetarmenien als dessen symbolischen Ersatz So habe eine Vereinigung von Ostarmeniern und Westarmeniern in Sowjetarmenien bereits stattgefunden wobei kulturelle Unterschiede in der Bevolkerung Armeniens fast bis heute erkennbar seien Immerhin waren westarmenische Musik und Tanze aus Sasun bei Musikfestivals in Jerewan in den 1970er Jahren sehr erfolgreich Heute treten diese Unterschiede gegenuber den Gegensatzen zu den armenischen Fluchtlingen und Vertriebenen aus Aserbaidschan in Armenien zuruck 8 Historische Aspekte BearbeitenNach dem Fall der kilikischen Hauptstadt Sis 1375 war das gesamte armenische Siedlungsgebiet unter totaler Herrschaft des Islam Seit dem 16 Jahrhundert war Armenien in ein von den Osmanen beherrschtes Westarmenien und ein von den Persern beherrschtes Ostarmenien geteilt 9 10 Seit dem Ende der Kampfe der persischen Safawiden und Osmanen um die Vorherrschaft uber Armenien Anfang des 17 Jahrhunderts anderte sich die osmanisch persische Grenze nicht mehr Die Armenier wurden in dem weiterhin Westarmenien oder Turkisch Armenien genannten Gebiet zu einer wenn auch weithin sehr starken Minderheit 11 Dabei unterlag die westarmenische Gemeinschaft ahnlich den vor der Inquisition geflohenen osmanischen Juden dem Millet System das von Dabag als Duldungsprinzip charakterisiert wird wahrend mache anderen Autoren mitunter von einem Toleranzsystem sprechen 2 So bezeichnet Friedrich Heyer den siegreichen Sultan als den Armeniern gegenuber gutwillig und hilfsbereit um ein Gleichgewicht zwischen den christlichen Volkern seines Reiches herzustellen und stellt die Rechte und Privilegien der Armenier unter dem Sultan heraus weshalb die Armenier treue Glaubensnation millet i sadika genannt bis ins 19 Jahrhundert loyal zum Osmanischen Reich waren Erst durch die russische Expansion und den zunehmenden Machtverlust des Osmanischen Reiches wurden die Armenier als Gefahr angesehen Insbesondere nach dem Russisch Turkischen Krieg als 1878 auch Teile des turkischen Armeniens um die Stadt Kars unter russische Herrschaft kamen verschlechterte sich die Situation der Armenier in der Turkei In den letzten Jahrzehnten der osmanischen Herrschaft ging die Zahl der Armenier die vor allem in den auch als Westarmenien bezeichneten Sechs Vilayets lebten durch Massaker zuruck Nach der Machtubernahme der Jungturken 1908 galten die Armenier nicht mehr als millet i sadika Laut Heyer waren Diyarbakir Bitlis Van Musch Erzerum Sivas und Elazig armenische Provinzen Ab dem 24 April 1915 kam es wahrend des Ersten Weltkrieges schliesslich zum Genocid an den wehrlosen Armeniern bei dem uber anderthalb Millionen Menschen aus Westarmenien starben 12 Auf Vorschlag des US amerikanischen Prasidenten Woodrow Wilson wurde im Vertrag von Sevres 1920 noch ein Armenien mit einem Grossteil Westarmeniens vorgesehen doch kam dies durch die turkischen Siege im Griechisch Turkischen und im Turkisch Armenischen Krieg nicht mehr zustande Mit dem Vertrag von Kars 1922 zwischen Sowjetrussland und der als Nationalstaat neu gegrundeten Turkei wurde ein Armenien mit den historischen Siedlungsgebieten der Armenier im ehemaligen Osmanischen Reich Makulatur 13 Im ehemaligen Westarmenien gibt es seitdem keine armenischen Gemeinden und keine als solche genutzten armenischen Kirchen mehr Wahrend die meisten Armenier von hier entweder starben oder das Land verliessen leben die zuruckgebliebenen Armenier und ihre Nachkommen mit mehr oder weniger verborgener armenischer Identitat als Kryptoarmenier 14 Heute nicht mehr ubliche Verwendung BearbeitenTessa Hofmann stellt heraus dass durch den Volkermord an den Armeniern 1915 1918 die Grenzen des Armenischen Hochlandes blutig ausradiert wurden und selbst im Ausland die Bezeichnung Ostanatolien an die Stelle von West bzw Turkisch Armenien trat 15 Literatur BearbeitenFriedrich Heyer Die Kirche Armeniens Eine Volkskirche zwischen Ost und West Evangelisches Verlagswerk Stuttgart 1978 Levon Abrahamian Armenian identity in a changing world Mazda Publishers Costa Mesa California 2006 Gerard J Libaridian The Ultimate Repression The Genocide of the Armenians 1915 1917 In Isidor Wallimann Michael N Dobkowski Hrsg Genocide and the Modern Age Etiology and Case Studies of Mass Death S 206 236 Marie Aude Baronian Stephan Besser Yolande Jansen Diaspora and Memory Figures of Displacement in Contemporary Literature Arts and Politics Rodopi 2007 ISBN 978 90 420 2129 7 Lorne Shirinian The Republic of Armenia and the rethinking of the North American Diaspora in literature E Mellen Press 1992 ISBN 978 0 7734 9613 2 Richard G Hovannisian The Armenian Genocide Cultural and Ethical Legacies Transaction Publishers New Brunswick New Jersey 2008 ISBN 978 1 4128 3592 3 Adam Jones Genocide A Comprehensive Introduction Routledge 2013 ISBN 978 1 134 25981 6Einzelnachweise Bearbeiten Tessa Hofmann Annaherung an Armenien Geschichte und Gegenwart 2 Auflage C H Beck Munchen 2006 S 11 a b Mihran Dabag Jungturkische Visionen und der Volkermord an den Armeniern In Mihran Dabag Kristin Platt Hrsg Genozid und Moderne Band 1 Strukturen kollektiver Gewalt im 20 Jahrhundert Leske Budrich Opladen 1998 S 152 205 hier S 160 a b Levon Abrahamian Armenian identity in a changing world Mazda Publishers Costa Mesa California 2006 S 330f Vartan Matiossian The Future is Not Coming The Past is Gone Some Notes about the Armenian Reality in Argentina In Barlow Der Mugrdechian Hrsg Journal of the Society for Armenian Studies JSAS Vol 12 2001 2002 S 11 29 hier S 12 2003 Levon Abrahamian Armenian identity in a changing world Mazda Publishers Costa Mesa California 2006 S 326 Hovhannes Hovhannisyan Identity Borders and Religious Belonging Armenians between Two Spiritual Centers Etchnmiadzin and Cilicia In Alexander Agadjanian Hrsg Armenian Christianity Today Identity Politics and Popular Practice Routledge London New York 2016 S 125 144 hier S 130 133 137 Susanne Schwalgin In the Ghetto Prozesse der Verortung in der armenischen Diaspora Griechenlands In Angelika Eder Kristina Vagt Hrsg Wir sind auch da Uber das Leben von und mit Migranten in europaischen Grossstadten Dolling und Galitz Munchen 2003 S 165 188 hier S 173 Levon Abrahamian Armenian identity in a changing world Mazda Publishers Costa Mesa California 2006 S 335f Friedrich Heyer Die Kirche Armeniens Eine Volkskirche zwischen Ost und West Evangelisches Verlagswerk Stuttgart 1978 S 38 Mihran Dabag Die armenische Gemeinschaft in der Turkei Bundeszentrale fur politische Bildung 9 April 2014 Raymond Kevorkian Les Armeniens dans l empire Ottoman a la veille du genocide Editions d Art et d Histoire Paris 1992 S 53 56 Friedrich Heyer Die Kirche Armeniens Eine Volkskirche zwischen Ost und West Evangelisches Verlagswerk Stuttgart 1978 S 39 41 Tessa Hofmann Annaherung an Armenien Geschichte und Gegenwart 2 Auflage C H Beck Munchen 2006 S 247 Turkey s Secret Armenians Memento des Originals vom 13 Februar 2018 imInternet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www al monitor com Al Monitor 19 Februar 2013 Tessa Hofmann Zwischen Ararat und Kaukasus Portrat eines kleinen Landes in funf Stichworten In Huberta von Voss Portrat einer Hoffnung Die Armenier Lebensbilder aus aller Welt S 24 Hans Schiler Verlag Berlin 2004 ISBN 978 3 89930 087 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Westarmenien amp oldid 238016400