Verschuldenshaftung bedeutet im Recht die gesetzliche Verantwortlichkeit für die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung von Rechtgütern oder Rechten Dritter.
Allgemeines Bearbeiten
Bei der Verschuldenshaftung muss der Verursacher für Schäden einstehen, die er aufgrund der Nichteinhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten zu vertreten hat, weil es dadurch zum Schaden gekommen ist. Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen setzen ein schuldhaftes, also nicht nur objektiv rechtswidriges, sondern auch persönlich vorwerfbares Verhalten in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Die Verschuldenshaftung ist die Einstandspflicht für verschuldetes Unrecht. Diese verhaltensbezogene Haftung hat neben der kompensatorischen Funktion des Schadensersatzes auch präventiven Charakter, denn es soll dazu ermahnt werden, durch gesetzmäßiges Verhalten Schadenseintritte möglichst zu vermeiden.
Von der Verschuldenshaftung zu unterscheiden sind verschuldensunabhängige Haftungsformen. Dazu gehören die Gefährdungshaftung, die erlaubterweise zugefügte Eingriffshaftung und die bei zufällig eintretenden Ereignissen geltende Erfolgshaftung. Für diese Haftungsformen werden nicht dieselben Voraussetzungen wie bei der Verschuldenshaftung gefordert. So haftet gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG der Hersteller oder gemäß § 7 Abs. 1 StVG der Fahrzeughalter, ohne dass sie der Verschuldensvorwurf trifft.
Rechtsfragen Bearbeiten
Voraussetzungen Bearbeiten
Der Schuldner hat gemäß § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Danach muss er die Haftung für Schäden übernehmen, die sein fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten verursacht. Neben dieser subjektiven Vorwerfbarkeit der Verwirklichung des Tatbestandes muss noch dessen objektive Rechtswidrigkeit vorliegen. Weiter vorausgesetzt wird die Verschuldensfähigkeit, wobei § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Leistungsstörungen auf die deliktsrechtlichen §§ 827 BGB und § 828 BGB verweist, weshalb in der gesamten Verschuldenshaftung eine Verschuldensfähigkeit beim Haftenden vorliegen muss. Der Schuldner haftet nach § 278 BGB auch für das Verschulden Dritter, so dass er auch für Erfüllungsgehilfen und gesetzliche Vertreter einstehen muss.
Tatbestände der Verschuldenshaftung sind Tatbestandsmäßigkeit (im engeren Sinne), Rechtswidrigkeit und Verschulden. Ist ein Schaden entstanden, muss die adäquat kausale Rechtshandlung/Unterlassung rechtswidrig sein und den Schädiger ein Verschulden treffen. Bei Leistungsstörungen ist das Ausbleiben der Pflichterfüllung, also die Pflichtverletzung, tatbestandsmäßig. Bei unerlaubten Handlungen besteht diese Tatbestandsmäßigkeit aus einer schädigenden Rechtsguts- oder Schutzgesetzverletzung oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.
Arten Bearbeiten
Die zur Verschuldenshaftung führenden Verschuldensformen Vorsatz und Fahrlässigkeit lassen sich einteilen in die Haftung wegen der Verletzung von Pflichten aus Sonderverbindung (Vertragshaftung wegen Leistungsstörungen) und wegen unerlaubter Handlung (Delikt):
- Unerlaubte Handlung (außervertragliche Haftung aus dem Deliktsrecht):
- Leistungsstörungen (vertragliche Haftung):
- Spezialgesetze: Wer beispielsweise nach § 97 Abs. 2 UrhG das Urheberrecht vorsätzlich oder fahrlässig und widerrechtlich verletzt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Wer eine geschützte Marke vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet (§ 14 Abs. 4 MarkenG). Hat ein Beschäftigter durch rechtswidrige Datenverarbeitung personenbezogener Daten einer betroffenen Person einen Schaden zugefügt, ist er oder sein Rechtsträger der betroffenen Person zum Schadensersatz verpflichtet (§ 83 Abs. 1 BDSG).
Die Aufzählung enthält nur die wesentlichen Rechtsquellen der Verschuldenshaftung.
Rechtsfolgen Bearbeiten
Erfüllt jemand die Voraussetzungen der Verschuldenshaftung, so muss er für den entstandenen Schaden Schadensersatz leisten. Der Rechtsbegriff Schadensersatz macht deutlich, dass mit der Haftung das Schadensrisiko auf den schuldhaft Handelnden übergewälzt wird. Schadensersatz kann ein Geschädigter nur verlangen, wenn der Schaden Folge einer Rechtsgutsverletzung ist, die der Schädiger durch eine widerrechtliche und schuldhafte Handlung begangen hat. So ordnet als Rechtsfolge § 823 Abs. 1 BGB bei der unerlaubten Handlung den Ersatz des aus der Rechtsgutsverletzung entstandenen Schadens an; zu ersetzen sind alle Vermögensschäden gemäß §§ 249 ff. BGB. Danach hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Abweichend von § 253 BGB sieht das Deliktsrecht auch den Ersatz des immateriellen Schadens vor.
International Bearbeiten
Die österreichische Verschuldenshaftung ist allgemein in § 1295 Abs. 1 ABGB kodifiziert. Hinzu kommen weitere Erfordernisse, die Kausalität („zugefügt“) und die Rechtswidrigkeit (§ 1294 ABGB). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ergibt sich aus § 1295 Abs. 1 ABGB. Danach entspringt der Schaden entweder aus einer widerrechtlichen Handlung oder Unterlassung eines Anderen oder aus einem Zufall. Gibt es Zweifel über das Verschulden, gilt die Vermutung, dass der Schaden ohne Verschulden entstanden ist (§ 1296 ABGB). Ein Sachverständiger haftet gemäß § 1300 ABGB, wenn er fahrlässig einen falschen Rat erteilt.
In der Schweiz regelt Art. 41 OR die Grundform der außervertraglichen Verschuldenshaftung, wonach der Schädiger Schadensersatz zu leisten hat, wenn er einem anderen fahrlässig oder vorsätzlich widerrechtlichen Schaden zufügt. Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht die gebotene Sorgfalt angewendet hat (Art. 55 OR). Die Tierhalterhaftung ergibt sich aus Art. 56 OR, die Werkeigentümerhaftung aus Art. 58 OR. Nach Art. 333 ZGB haftet das Familienoberhaupt für Personen, die seiner Aufsicht unterstehen.
In Frankreich setzt die deliktische Verschuldenshaftung (französisch responsabilité delictuelle pour faute) nach Art. 1382 Code civil (CC) und Art. 1383 CC den Eintritt eines Schadens (französisch faute) und die Kausalität zwischen Verhalten und Schaden voraus. Italien kennt eine Verschuldenshaftung nach dem Recht der unerlaubten Handlung aus Art. 2043 Codice civile, die eine Entschädigung für Fehlverhalten (italienisch risarcimento per fatto illecito) vorsieht. In Spanien gibt es ohne Verschulden des Schädigers grundsätzlich keine außervertragliche Verschuldenshaftung (spanisch responsibilidad extracontractual). Nach Art. 1902 Código civil ist der Schädiger, der durch schuldhafte oder fahrlässige Handlung oder Unterlassung einem anderen Schaden zufügt, verpflichtet, den verursachten Schaden zu beheben.
Literatur Bearbeiten
- Literatur über Verschuldenshaftung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Andreas Riedler: Studienkonzept Zivilrecht IV - Schuldrecht Besonderer Teil - Gesetzliche Schuldverhältnisse. 5. Auflage. LexisNexis, Wien 2018, ISBN 978-3-7007-7471-6.
- Christian Rabl, Andreas Riedler: Bürgerliches Recht III - Schuldrecht Besonderer Teil. 6. Auflage. Verlag Österreich, Wien 2017, ISBN 978-3-7046-7799-0.
Einzelnachweise Bearbeiten
- Hans-Bernd Schäfer/Claus Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 1986, S. 96
- Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Schuldrecht II 2, 1994, S. 352
- Peter Hommelhoff, Produkthaftung im Konzern, 1990, S. 770
- Stefan Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2004, § 276, Rn. 16, 20
- Lutz Haertlein, Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 317
- Justus Meyer, Wirtschaftsprivatrecht, 2017, S. 228
- Erwin Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 1976, S. 69
- Maximilian Fuchs/Werner Pauker, Delikts- und Schadensersatzrecht, 2012, S. 11
- Maximilian Fuchs, Deliktsrecht, 1997, S. 68
- Franz Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 1963, S. 169 f.
- Lucien Gehrig/Thomas Hirt/Christa Müller, Recht für technische Kaufleute und HWD, 2009, S. 48 ff.