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Vorsatz dolus bezeichnet im Strafrecht den Willen zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatumstande einschliesslich der Kausalitatsbeziehungen Die Rechtsprechung definiert ihn im Strafrecht als Willen zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner Tatumstande Bei Vorsatzdelikten stellt der Vorsatz den wesentlichen Teil des subjektiven Tatbestands dar weitgehend deckungsgleich mit dem Tatentschluss Umgangssprachlich bedeutet Vorsatz auch feste Absicht beziehungsweise Entschluss also etwas was sich jemand bewusst vorgenommen hat 1 Inhaltsverzeichnis 1 Voraussetzungen des Vorsatzes 1 1 Grade des Vorsatzes 1 2 Eventualvorsatz dolus eventualis und bewusste Fahrlassigkeit luxuria 2 Deutschland 2 1 Zivilrecht 2 2 Strafrecht 2 3 Ordnungswidrigkeitenrecht 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVoraussetzungen des Vorsatzes BearbeitenIn einem Teil der Rechtslehre wird der Vorsatz kurz als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung beschrieben 2 Diese Definition greift jedoch moglicherweise zu kurz In der Wissenschaft ist namlich unter anderem strittig ob der Vorsatz nur das Wissen des Taters um seine Tat erfasst nur dessen Willen die Tat zu verwirklichen oder wie in der Rechtsprechung beides Fur eine starkere Betonung des kognitiven Elements Wissen gegenuber dem voluntativen Element Wollen spricht das Argument dass der Wunsch des Taters regelmassig nicht die Verwirklichung von Unrecht sei sondern er dieses nur als notwendiges Ubel in Kauf nehme um ein anderes eventuell sogar ehrhaftes Ziel zu erreichen Fur eine starkere Betonung des voluntativen Elements gegenuber dem des kognitiven Elements spricht dass der Tater niemals alle Umstande seiner Tat kennen kann was ihm nicht zum Vorteil gereichen sollte Das Vorliegen von Vorsatz bei Verwirklichung einer Handlung ist in der Regel ausschlaggebend fur die Rechtsfolgen die den Tater treffen Fur die Anforderungen an den Vorsatz ist weiterhin entscheidend welches Rechtsgebiet betroffen ist Grundsatzlich wird im Strafrecht der Begriff strenger ausgelegt weil die Rechtsfolgen die den Tater treffen konnen z B Freiheitsstrafe zum einen starkere Eingriffe fur diesen darstellen als etwa zivilrechtliche Schadensersatzanspruche Die Vollstreckung strafrechtlicher Rechtsfolgen ist zum anderen ein Akt der offentlichen Gewalt der als solcher weil dadurch Grundrechte des Taters eingeschrankt werden einer Rechtfertigung bedarf Grade des Vorsatzes Bearbeiten Der Dolus Begriff Vorsatz kennt drei Einteilungsstufen Dolus directus 1 Grades Absicht Die Absicht ist der zielgerichtete Wille den tatbestandlichen Erfolg herbeizufuhren Die Tatbestandsverwirklichung ist das Ziel des Handelns des Taters Dolus directus 2 Grades direkter Vorsatz Wissentlichkeit Der Tater hat das Wissen dass das eigene Handeln zur Verwirklichung des Tatbestandes fuhrt Dolus eventualis Eventual oder bedingter Vorsatz Der bedingte Vorsatz ist gegeben wenn der Tater den Taterfolg ernsthaft fur moglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat 3 beziehungsweise sich mit diesem Risiko abfindet Der Eventualvorsatz ist grundsatzlich ausreichend um Vorsatz fur eine Tat zu begrunden Fur den Vorsatz gilt wie fur die ubrigen Tatbestandsmerkmale das Simultanitatsprinzip Das bedeutet dass der Vorsatz bei Tatbegehung vorliegen muss vergleiche 16 i V m 8 StGB Der Tater muss demnach Kenntnis der vergangenen und gegenwartigen Tatbestandsmerkmale und Voraussicht vom kunftigen Verlauf von Tathandlung und Taterfolg haben Ein nur vor der Tat lat dolus antecedens oder nach der Tat lat dolus subsequens vorliegender Vorsatz genugt fur die Annahme einer Vorsatztat nicht Genauso wenig ist der sogenannte dolus generalis nach dem es ausreichend sein soll dass zu irgendeinem Zeitpunkt der Tatbegehung Vorsatz vorlag ein Fall des Vorsatzes Bei Teilnehmern Anstifter Gehilfen muss sich deren Vorsatz sowohl auf die vorsatzliche und rechtswidrige Tat als auch auf ihren eigenen Tatbeitrag beziehen Hierbei ist fur das Vorliegen des Vorsatzes der Zeitpunkt ihres eigenen Tatbeitrages entscheidend z B bei der Anstiftung Ein Irrtum uber die Umstande einer Tat Tatbestandsirrtum 16 Abs 1 StGB schliesst regelmassig den Vorsatz aus eine Bestrafung wegen der fahrlassigen Begehung eines Delikts bleibt davon unberuhrt Der Vorsatz entfallt im Strafrecht nicht beim sog Verbotsirrtum 17 StGB bei dem sich der Tater lediglich uber die rechtliche Bewertung seiner Handlung irrt Die Straffreiheit tritt beim Verbotsirrtum nur dann ein wenn der Tater diesen Irrtum nicht vermeiden konnte Eventualvorsatz dolus eventualis und bewusste Fahrlassigkeit luxuria Bearbeiten Hauptartikel Eventualvorsatz Problematisch ist die Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlassigkeit Sowohl ein mit Eventualvorsatz als auch ein bewusst fahrlassig handelnder Tater rechnet namlich regelmassig mit der Moglichkeit die im Gesetz benannten Umstande erfullen und durch sein Verhalten den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs bewirken zu konnen Nach herrschender Lehre und standiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt ein Tater nicht vorsatzlich sondern lediglich bewusst fahrlassig wenn dieser ernsthaft auf den Nichteintritt eines tatbestandlichen Erfolgs vertraut 4 Dazu gehoren nach neuerer Ansicht auch psychische Prozesse der Gefahrverdrangung 5 In derartigen Fallkonstellationen unterdruckt der Tater mental seine Vorstellung von der Moglichkeit eines Erfolgseintritts Bei der Prufung sind samtliche Umstande des jeweiligen Einzelfalls zu berucksichtigen Eine bloss vage Vermutung des Taters getreu dem Motto Na wenn schon reicht fur eine Bejahung lediglich fahrlassigen Verhaltens nicht aus Vielmehr wird in jenen Fallen ein Erfolgseintritt als moglich nicht ganz fernliegend erachtet und zumindest billigend in Kauf genommen Billigungstheorie zum Eventualvorsatz Bei Totungsdelikten soll die Hemmschwellentheorie einen schematischen Schluss von der objektiven Gefahrlichkeit einer Handlung auf das Willenselement verhindern Aus Sicht des Bundesgerichtshofs ist Eventualvorsatz selbst dann anzunehmen wenn dem Tater ein Erfolgseintritt an sich zwar unerwunscht sein mag die Kriterien der Billigungstheorie jedoch erfullt sind Deutschland BearbeitenGemass 15 StGB ist grundsatzlich nur vorsatzliches Handeln strafbar wenn das Gesetz nicht ausdrucklich auch fahrlassiges Handeln mit Strafe bedroht Im deutschen Zivilrecht findet der Vorsatzbegriff beispielsweise in 276 BGB Verwendung Dort bezeichnet er das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung im Bewusstsein der durch das Handeln indizierten Rechtswidrigkeit Zivilrecht Bearbeiten Nach den Massgaben des Zivilrechts wird das Vertretenmussen gemass 276 Abs 1 BGB an den subjektiven Merkmalen des Vorsatzes und der Fahrlassigkeit gemessen Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit Damit entspricht der Begriff bis auf das erforderliche Bewusstsein der Rechtswidrigkeit dem des Strafrechts Ein Tatbestandsirrtum lasst somit den Vorsatz entfallen Die vorsatzliche Handlung kann eine verscharfte Haftung auslosen so beispielsweise bei der sittenwidrigen vorsatzlichen Schadigung im Sinne des 826 BGB Bei deliktischer Haftung aufgrund eines strafrechtlichen Schutzgesetzes im Sinne des 823 Abs 2 BGB ist allerdings wie im Strafrecht das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fur Vorsatz nicht erforderlich 6 7 8 Insbesondere fur den Bereich der Haftpflichtversicherung ist wichtig dass der Vorsatz nicht nur das Schadensereignis umfassen muss sondern auch dessen Folgen 9 10 Strafrecht Bearbeiten Im Strafrecht ist der Vorsatz zwingendes Tatbestandsmerkmal 15 StGB der Verwirklichung einer Straftat Sofern nichts anderes bestimmt ist bedarf es daher immer des Vorsatzes ausser bei den explizit genannten Fahrlassigkeitsdelikten beispielsweise 222 229 306d StGB Ist kein bestimmter Grad des Vorsatzes gefordert z B absichtlich genugt immer die schwachste Vorsatzform des dolus eventualis bedingter Vorsatz Der Vorsatz ist nach dem Umkehrschluss aus 16 Abs 1 StGB vgl Tatumstandsirrtum die Kenntnis samtlicher Tatumstande die zum gesetzlichen Tatbestand gehoren also der Tatbestandsmerkmale Der uberwiegenden Ansicht nach genugt die blosse Kenntnis der Tatbestandsmerkmale jedoch nicht da zum einen grammatikalisch der Wille in der Begriffsbedeutung des Wortes Vorsatz mitschwingt und zum anderen stets ein Wille vorhanden sein muss wenn jemand eine Tat in Kenntnis der Tatbestandsmerkmale begeht 11 Aus diesem Grund lautet die Kurzformel fur die Beschreibung des Vorsatzes Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung 2 Diese Kurzformel wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur jedoch ob ihrer Kurze und Ungenauigkeit kritisiert Schon das Reichsgericht definierte Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen samtlicher Tatbestandsmerkmale 12 Als genauere Definition wird daher der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner Tatumstande 13 d h objektiven Tatbestandsmerkmale vorgeschlagen 14 Auch diese etwas langere Formel wird in der Literatur lediglich als erste Annaherung angesehen 15 Zudem wird an der Kurzformel kritisiert dass nach der Wissenstheorie gerade kein Wille mehr erforderlich sei 16 Der Vorsatz muss die wesentlichen Elemente des eingetretenen Kausalverlaufs umfassen zumindest in bedingter Form atypischer Kausalverlauf objektive Zurechnung Keine Bezugspunkte des Vorsatzes im Strafrecht sind objektive Strafbarkeitsbedingungen sowie im Allgemeinen die Rechtswidrigkeit 17 Ordnungswidrigkeitenrecht Bearbeiten Ahnlich wie im Strafrecht ist gemass 10 Ordnungswidrigkeitengesetz grundsatzlich nur vorsatzliches Handeln sanktionsbewehrt es sei denn dass auch fahrlassiges Handeln ausdrucklich mit Geldbusse bedroht ist Knupft eine Ordnungswidrigkeit an fahrlassigen Handeln an und die Tat wird vorsatzlich begangen sieht 3 der Bussgeldkatalogverordnung vor dass das Regelbussgeld zu verdoppeln ist Siehe auch BearbeitenDolus alternativus Rubikonmodell der HandlungsphasenLiteratur BearbeitenFrank Bleckmann Strafrechtsdogmatik wissenschaftstheoretisch soziologisch historisch das Beispiel des strafrechtlichen Vorsatzes Freiburg im Breisgau Ed Iuscrim Max Planck Inst fur Auslandisches und Internat Strafrecht 2002 ISBN 3 86113 049 1 Theodor Gessler Ueber den Begriff und die Arten des Dolus Laupp Tubingen 1860 Digitalisat Walter Kargl Der strafrechtliche Vorsatz auf der Basis der kognitiven Handlungstheorie Frankfurt am Main Lang 1993 ISBN 3 631 45818 5 Claus Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1 3 Auflage Beck Verlag Munchen 1997 ISBN 3 406 42507 0 S 363 403 Zeitschrift fur Schadensrecht Der Vorsatzvorwurf bei Geschwindigkeitsordnungswidrigkeiten in der amtsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis zfs 06 2023 S 303 313Weblinks Bearbeiten Wikiquote Vorsatz Zitate Ubersicht Die juristische Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlassigkeit Gunnar Duttge Ein neuer Vorsatzbegriff Besprechung zu BGH Urteil v 08 September 2011 1 StR 38 11 BGH HRRS 2011 Nr 1139 In Onlinezeitschrift fur Hochstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht HRRS S 359 abgerufen am 20 Juli 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Vergleiche die Eintrage Vorsatz und vorsatzlich im Online Duden besonders jeweils die Abschnitte uber die Wortbedeutung und die Synonyme Abgerufen am 16 Januar 2018 a b Jorg Eisele Bernd Heinrich Strafrecht Allgemeiner Teil fur Studienanfanger 2 Auflage Kohlhammer Stuttgart 2020 ISBN 978 3 17 038966 3 Kapitel 6 Subjektiver Tatbestand III Der Begriff des Vorsatzes Bundesgerichtshof NStZ Rechtsprechungsreport Jahr 2013 2013 S 91 BGH Urteil vom 18 Oktober 2007 Az 3 StR 226 07 Volltext Rn 11 Detlev Sternberg Lieben In Schonke Schroder Kommentar zum deutschen Strafgesetzbuch 27 Aufl Munchen 2006 15 Rn 75 Christian Forster BGB 823 Schadensersatzpflicht In Wolfgang Hau Roman Poseck Hrsg BeckOK BGB 66 Edition Stand 1 Mai 2023 C H BECK Munchen Rn 285 Beck Online BGH Urteil vom 26 Februar 1962 Az II ZR 22 61 Wolfgang Fikentscher Schuldrecht 7 Auflage De Gruyter 2019 ISBN 978 3 11 134499 7 53 IV 1 c cc S 323 f OLG Hamm Urteil vom 6 November 1996 Memento des Originals vom 3 Dezember 2015 im Internet Archive Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www versicherungspfalz de Az 20 U 28 96 Ohrfeigen fur Partygast Kurzinformation OLG Koblenz Urteil vom 6 Juli 2007 Az 10 U 1748 06 Kristian Kuhl Strafrecht Allgemeiner Teil Munchen Verlag Franz Vahlen 8 Aufl 2017 5 Rn 11 f RG Urteil vom 4 Dezember 1917 Az IV 622 17 RGSt 51 305 BGH Urteil vom 5 Mai 1964 Az 1 StR 26 64 BGHSt 19 295 Vergleiche Onlinekommentar zum StGB A Begriff und Definition des Vorsatzes Detlev Sternberg Lieben Irene Sternberg Lieben Vorsatz im Strafrecht In Juristische Schulung 2012 S 884 Joachim Vogel Jens Bulte Vorbemerkungen zu den 15 ff In Gabriele Cirener Henning Radtke Ruth Rissing van Saan Thomas Ronnau Wilhelm Schluckebier Hrsg Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar 13 Auflage Band 1 De Gruyter Berlin Boston 2020 ISBN 978 3 11 030025 3 Rn 56 Detlev Sternberg Lieben Irene Sternberg Lieben Vorsatz im Strafrecht In Juristische Schulung 2012 S 884 887 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4130196 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vorsatz Recht amp oldid 235664684