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Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar Bitte hilf uns dabei die Situation in anderen Staaten zu schildern Der Tatbestandsirrtum lateinisch ignorantia facti Unkenntnis der Wahrheit 1 auch Tatumstandsirrtum ist eine der im Strafrecht auftretenden Irrtumsformen Er ist auf der Ebene des strafrechtlichen Tatbestandes angesiedelt Die rechtliche Behandlung seiner Erscheinungsformen wird vorwiegend gegenuber dem Verbotsirrtum abgegrenzt Inhaltsverzeichnis 1 Dogmatik 2 Sonderfall error in persona vel objecto 2 1 Taterschaft 2 2 Teilnahme 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDogmatik BearbeitenVoraussetzung des Tatbestandsirrtums ist die Unkenntnis eines tatsachlich vorhandenen Tatbestandsmerkmals Er behandelt damit das Abweichen der Tatervorstellung von der Realitat Wer bei der Begehung einer Tat einen Umstand nicht kennt der zum gesetzlichen Tatbestand der Strafvorschrift gehort handelt nicht vorsatzlich 16 Abs 1 Satz 1 StGB Hiervon unberuhrt bleibt gegebenenfalls eine Strafbarkeit wegen Fahrlassigkeit Ein Tatbestandsirrtum liegt somit vor wenn der Tater die Tatbestandsmerkmale eines Straftatbestandes objektiv verwirklicht ohne dass sich sein Tatvorsatz darauf erstreckt Der kognitive Taterhorizont lasst sich so beschreiben Er weiss nicht genau was er tut Abgrenzung Genauso wie die Unkenntnis eines vorhandenen Tatbestandsmerkmals kann beim Tater auch die irrige Annahme eines tatsachlich nicht vorhandenen Tatbestandsmerkmals vorliegen Statt sich zu wenig vorzustellen stellt er sich ein Zuviel vor Hierbei handelt es sich um einen sogenannten umgekehrten Tatbestandsirrtum der als untauglicher Versuch der Versuchsstrafbarkeit unterfallt 2 3 Ein Tatbestandsirrtum liegt beispielsweise vor wenn jemand aus dem Gasthaus einen fremden Regenschirm aus dem Schirmstander mitnimmt weil dieser dem eigenen zum Verwechseln gleicht Nach den objektiven Straftatbestandsmerkmalen des 242 StGB liegen damit die Voraussetzungen fur einen vollendeten Diebstahl vor denn der Tater hat eine fremde bewegliche Sache weggenommen Subjektiv glaubte er aber dass der Schirm ihm gehorte er also nicht fremd sei Der Betroffene irrt sich uber einen Umstand auf den sich das Tatbestandsmerkmal fremd bezieht Beim Tatbestandsirrtum weicht der objektive vom subjektiven Tatbestand ab so genannte Inkongruenz Trotz Verwirklichung der objektiven Voraussetzungen einer Strafvorschrift wird der Tater nach 16 Abs 1 Satz 1 StGB nicht wegen vorsatzlicher Begehung der Tat bestraft In der Konsequenz fehlt damit auch die Teilnahmefahigkeit gemass 26 und 27 StGB da eine teilnahmefahige Haupttat nicht vorliegt Verbotsirrtumer nach 17 StGB unterliegen der Prufung ihrer Vermeidbarkeit Darauf kommt es beim Tatbestandsirrtum nicht an Der Grund liegt darin dass der Tater den Sachverhalt hier gerade verkennt ihn die Appellfunktion des Tatbestands somit gar nicht erreicht Ein dahingehender Vorwurf dass er den Sachverhalt hatte erkennen mussen kann allenfalls zur Strafbarkeit wegen eines Fahrlassigkeitsdelikts fuhren wobei Voraussetzung ist dass das Gesetz einen Fahrlassigkeitstatbestand uberhaupt vorsieht Entfallt der Vorsatz nach 16 Abs 1 Satz 2 StGB so bleibt der vermeidbare Fahrlassigkeitsvorwurf davon unberuhrt Im Ausgangsfall gibt es keinen fahrlassigen Diebstahl anders aber gabe es beispielsweise eine fahrlassige Korperverletzung Die von 16 StGB geforderte Kenntnis der Tatumstande verlangt keine juristische Subsumtion Es genugt dass der Tater den naturlichen Sinngehalt eines Tatbestandsmerkmals erkennt Die blosse Ausserfunktionssetzung einer Sache kommt einer Beschadigung oder Zerstorung nur nahe kann aber eine Sachbeschadigung im Sinne von 303 StGB darstellen wie etwa das Offnen von Autoreifenventilen Die Unkenntnis der rechtlichen Tatbestandsmassigkeit der Handlung fuhrt zur Unbeachtlichkeit wenn die Kenntnis der Tatsachen und des sozialen Bedeutungsgehaltes vorliegen Normative Tatbestandsmerkmale stellen auf eine Parallelwertung in der Laiensphare ab Der Tater braucht die Fremdheit einer Sache Eigentumslage nicht beurteilen zu mussen vorsatzliches Handeln liegt bereits vor wenn der objektive Geschehensablauf im Wesentlichen mit dem ubereinstimmt was der Tater im Zeitpunkt der Tatbegehung erreichen wollte beziehungsweise billigend in Kauf genommen wurde Von strafdogmatischer Bedeutung ist noch der Irrtum uber die Anwendbarkeit eines milderen Gesetzes 16 Abs 2 StGB Qualt z B ein Ausbilder einen 17 jahrigen Auszubildenden korperlich und glaubt dabei dass dieser schon 18 Jahre alt ist wird er nicht wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen bestraft sondern nur wegen Korperverletzung Diese Vorschrift kam auch bei der straferleichterten Kindestotung gemass dem bis 1998 geltenden 217 StGB der nur bei Totung eines nichtehelichen Kindes galt zur Anwendung War die Taterin verheiratet und glaubte dass das Kind im Ehebruch gezeugt wurde obwohl es tatsachlich von ihrem Ehemann stammte erfolgte die Bestrafung nach dem milderen 217 Dagegen erfolgte im umgekehrten Irrtum Bestrafung aus dem Deliktsbereich der allgemeinen Totungsdelikte Mord gemass 211 bzw Totschlag gemass 212 StGB Der Irrtum uber erfolgsqualifizierende Tatbestandsmerkmale fuhrt bei Unkenntnis zur Unbeachtlichkeit bei irriger Annahme zur Versuchsstrafbarkeit bezuglich des erfolgsqualifizierten Delikts Sonderfall error in persona vel objecto BearbeitenTaterschaft Bearbeiten Ein Sonderfall des Tatbestandsirrtums ist der sogenannte error in persona vel objecto Der Taterfolg tritt in diesen Fallen am avisierten Objekt ein dieses ist tatsachlich aber ein anderes als das vorgestellte Der Tater irrt damit uber die Identitat des Handlungsobjektes Allgemein gilt dabei dass bei Gleichwertigkeit des Tatobjektes die Unbeachtlichkeit des Irrtums resultiert In den wesentlichen Zugen stimmt namlich das objektive Geschehen in der strafrechtlichen Wurdigung mit dem uberein was nach Vorstellung des Taters auch geschehen sollte Er irrt letztlich nur im Motiv Motivirrtum Bei Ungleichwertigkeit des Tatobjekts liegt hingegen kein Vorsatz vor sodass auch in diesen Fallen allenfalls Fahrlassigkeit in Betracht kommt Das Abgrenzungskriterium fur die strafrechtliche Beachtlichkeit liegt somit in der Frage der Un gleichwertigkeit der Tatobjekte verborgen Hierzu zwei Beispiele Beispiel 1 T will O erschiessen und lauert ihm nachts auf dem Heimweg auf M geht vorbei und wird von T fur O gehalten T erschiesst M Beispiel 2 T will O erschiessen und lauert ihm nachts auf dem Heimweg auf Ms riesige Dogge lauft vorbei Da ihm Busche die Sicht verstellen halt T den Hund fur O T erschiesst Ms Dogge Im ersten Fall sind die Tatobjekte gleichwertig Es handelt sich also um einen unwesentlichen Irrtum uber Tatumstande denn T wollte einen Menschen toten und hat einen Menschen getotet und zwar den auf den er gezielt hat Abgrenzung zur regelmassig strafbewehrten aberratio ictus T kann also wegen vorsatzlicher vollendeter Tat bestraft werden Im zweiten Fall handelt es sich um einen wesentlichen Irrtum uber Tatumstande denn die Tatobjekte sind nicht gleichwertig T wollte einen Menschen toten und hat einen Hund getotet Er handelte also nicht vorsatzlich Bei ungleichwertigen Tatobjekten ist der Versuch hinsichtlich des beabsichtigten und Fahrlassigkeit hinsichtlich des getroffenen Tatobjekts zu prufen Eine Sonderform des Tatbestandsirrtums stellt je nach vertretener Auffassung der Erlaubnistatumstandsirrtum dar Dieser bezieht sich in gleicher Weise wie der Tatumstandsirrtum auf Umstande den Sachverhalt nur eben auf solche eines Rechtfertigungssatzes z B Notwehr 32 StGB und Notstand 34 StGB In Fallen der mittelbaren Taterschaft vertritt die herrschende Meinung die Auffassung dass sich der error in persona des Taters als Aberratio ictus darstellt insbesondere dann wenn der Hintermann dem ausubenden Vordermann keinen Auswahlspielraum uberlasst Ist die Tathandlung des Hintermanns andererseits dadurch gepragt dass er dem ausubenden Vordermann die Individualisierung des Opfers uberlasst wird davon ausgegangen dass der Irrtum des Vordermannes in der Motivwahl ebenfalls unbeachtlich ist Teilnahme Bearbeiten Uneinheitlich wird die Frage beantwortet wie sich der error in persona des Taters bei Anstiftung zu einer Tat auswirkt Hierzu wird uberwiegend die Auffassung vertreten dass dies auch fur den Anstifter unbeachtlich sei wohingegen andere danach differenzieren ob eine wesentliche oder eine unwesentliche Abweichung des tatsachlichen vom vorgestellten Tatgeschehen vorliegt Die Konsequenz ist dabei die dass eine wesentliche Abweichung zu einer Aberratio ictus des Anstifters fuhrt Streitig dabei ist ob eine Anstiftung zur Versuchsstrafbarkeit oder eine versuchte Anstiftung zu bejahen ist Eine unbeachtliche Abweichung des tatsachlichen vom vorgestellten Tatgeschehen wird hingegen fur unbeachtlich gehalten 4 Siehe auch BearbeitenIgnorantia legis non excusat lat Verbotsirrtum entschuldigt nicht Subsumtionsirrtum fehlerhafte Tatbestandsauslegung Literatur BearbeitenClaus Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1 3 Auflage Beck Verlag Munchen 1997 ISBN 3 406 42507 0 S 404 430 Weblinks BearbeitenIrrtumer im Strafrecht Kleiner Online Crashkurs deutsches Recht Einzelnachweise Bearbeiten Rudolph Rengier Strafrecht Besonderer Teil I Vermogensdelikte 23 Aufl Munchen 2021 13 49 S 256 BGHZ 4 254 Karl Lackner Kristian Kuhl Strafgesetzbuch Kommentar 25 Auflage Munchen 2004 ISBN 3 406 52295 5 22 Rn 12 Dreher Trondle Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 1995 16 Rnr 6 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tatbestandsirrtum amp oldid 233504883