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Der Eventualvorsatz lateinisch dolus eventualis der auch bedingter Vorsatz seltener Eventualdolus genannt wird ist eine Form des strafrechtlichen Tatbestandsvorsatzes Er ist stets von der Absicht dolus directus 1 Grades und dem direkten Vorsatz dolus directus 2 Grades auf Vorsatzebene abzugrenzen Beim Eventualvorsatz halt der Tater die Verwirklichung eines Tatbestandes ernsthaft fur moglich findet sich aber mit diesem Risiko ab Der Eventualvorsatz wird auf Vorsatzebene daher gegenuber dem direkten Vorsatz abgegrenzt bei dem der Tater weiss dass das eigene Handeln zur Verwirklichung des Tatbestandes fuhren wird sowie dessen Steigerung der Absicht bei der die Verwirklichung des Tatbestandes geradezu das Ziel des Handelns des Tater ist Inhaltsverzeichnis 1 Abgrenzung zur Fahrlassigkeit 2 Abgrenzung von der bewussten Fahrlassigkeit 3 Rechtsprechung und Lehre 4 Eventualvorsatzlicher Versuch 5 Rechtslage in der Schweiz 6 Literatur 7 EinzelnachweiseAbgrenzung zur Fahrlassigkeit BearbeitenSoweit der Vorsatz vom Willen des Taters zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale einschliesslich der Kausalitatsbeziehungen gepragt ist und der Tater noch beim Eventualvorsatz die billigende Inkaufnahme der Rechtsgutsverletzung vor Augen hat muss er auch gegenuber der Verschuldensform der Fahrlassigkeit abgegrenzt werden was mitunter schwierig sein kann Bei Totungsdelikten zieht die Rechtsprechung dafur die sog Hemmschwellentheorie heran Abgrenzung von der bewussten Fahrlassigkeit BearbeitenBei der bewussten Fahrlassigkeit kennt der Tater zwar die Gefahr er vertraut aber ernsthaft und nicht nur vage darauf dass nichts passieren wird 1 Beim Eventualvorsatz nimmt der Tater die Verwirklichung der Gefahr in Kauf Anders gesagt Bei bewusster Fahrlassigkeit sagt sich der Tater Es wird schon nichts passieren Bei Eventualvorsatz sagt er sich dagegen Ich hoffe zwar dass nichts passiert falls aber doch so geschieht es eben Die Abgrenzung ist schwierig Nebst der sachlichen Abgrenzungsschwierigkeit besteht in der Praxis noch die grundsatzliche Schwierigkeit dass der Unterschied zwischen bewusster Fahrlassigkeit und Eventualvorsatz lediglich in der inneren Haltung des Taters zur moglichen Verwirklichung der Gefahr besteht Diese kann der Richter aber nicht kennen er kann nur versuchen von ausseren Umstanden darauf zu schliessen Dies ist mit Blick auf die Unschuldsvermutung problematisch Wie alle auslegungsbedurftigen Bestimmungen unterliegt auch diese Abgrenzung dem Wertewandel Derzeit Stand 2010 findet eine solche Entwicklung zum Beispiel im Strassenverkehrsrecht statt So wurde fruher bei todlichen Unfallen praktisch immer auf Fahrlassigkeit erkannt auch dann wenn eine extreme Tempouberschreitung die Ursache war er vertraute darauf dass das schon gut gehen wird Es gibt einen Trend in solchen Fallen vermehrt Eventualvorsatz anzunehmen wer so fahrt der muss schlicht damit rechnen dass etwas passiert und kann sich nicht hinterher darauf berufen er hatte nicht damit gerechnet In vielen Rechtsordnungen ist die Fahrlassigkeit nur bei Tatbestanden strafbar fur die dies ausdrucklich festgeschrieben ist so in Deutschland in 15 StGB oder in der Schweiz in Art 12 Ziff 1 StGB 2 Die Problematik besteht darin dass nachgewiesen werden muss ob der Tater einen Umstand billigend in Kauf nahm oder aber ob er trotz entsprechenden Risikobewusstseins darauf vertraute dass nichts passieren wurde Haufig will der Tater den Eintritt des Erfolges gar nicht nimmt ihn aber als moglicherweise sogar unerwunschte mogliche oder recht wahrscheinliche Nebenwirkung seiner Handlung in Kauf Die Inkaufnahme der Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges wird unter den Eventualvorsatz subsumiert Einigkeit herrscht weitestgehend daruber dass fur die Strafbarkeit Eventualvorsatz genugt wenn der betreffende Tatbestand nicht etwas anderes vorsieht Auch fur die zivilrechtliche Verantwortlichkeit genugt regelmassig der bedingte Vorsatz Rechtsprechung und Lehre BearbeitenEventualvorsatz liegt nach herrschender Auffassung in Deutschland vor wenn der Tater den Taterfolg als Folge seines Handelns ernsthaft fur moglich halt und ihn zugleich billigend im Rechtssinne in Kauf nimmt Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in standiger Rechtsprechung bedeutet billigende Inkaufnahme sich mit dem Erfolg abfinden 1 Billigungstheorie siehe Lederriemenfall Andere Auffassungen sehen den bedingten Vorsatz fur gegeben wenn der Tater den Taterfolg fur rein moglich erachtet Moglichkeitstheorie wenn der Tater den Taterfolg nicht nur fur moglich sondern auch fur wahrscheinlich erachtet Wahrscheinlichkeitstheorie wenn der Tater sich uber das erlaubte Risiko hinaus zur Handlung entschliesst Risikotheorie oder eine unabgeschirmte Gefahr fur ein Rechtsgut schafft Lehre von der unabgeschirmten Gefahr wenn der Tater den Erfolg gleichgultig hinnimmt Gleichgultigkeitstheorie wenn der Tater den Taterfolg fur moglich halt und nicht vermeiden will Vermeidungstheorie wenn der Tater den Taterfolg ernst nimmt und sich damit abfindet Ernstnahmetheorie h L bzgl Deutschland vertreten u a von Kuhl wenn der Tater den Taterfolg ernstlich fur moglich halt und sich damit abfindet osterreichische Legaldefinition vgl 5 Abs 1 oStGB Vorsatzlich handelt wer einen Sachverhalt verwirklichen will der einem gesetzlichen Tatbild entspricht dazu genugt es dass der Tater diese Verwirklichung ernstlich fur moglich halt und sich mit ihr abfindet Hervorhebung nicht im Original Eventualvorsatzlicher Versuch BearbeitenBegrifflich ist auch ein eventualvorsatzlicher Versuch moglich und in der Praxis wird tatsachlich oft darauf erkannt So kann z B eine ungezielte Schussabgabe als eventualvorsatzlicher Totungsversuch gewertet werden da der Tater in Kauf nehmen musste dass das Projektil zufallig jemanden treffen wurde Das Gericht hat bei dieser Bewertung einen sehr grossen Interpretationsspielraum und eine Grenze ist kaum festzulegen So konnte gerade bei Delikten gegen Leib und Leben so gut wie immer argumentiert werden dass der Tater auch einen schlimmeren Ausgang in Kauf genommen habe der nur rein zufallig nicht eingetreten sei Wie weit diese Argumentation gehen kann zeigt der folgende Fall aus Zurich 3 Ein mit dem Hepatitis C Virus angesteckter Mann hatte mit seiner Freundin zwischen Februar und April 2008 regelmassig ungeschutzten Geschlechtsverkehr Sogar die Anklagebehorde ging davon aus dass eine Infizierung durch vaginalen Geschlechtsverkehr gar nicht hatte erfolgen konnen da Hepatitis C ausschliesslich uber Blut oder Analverkehr ubertragen werde Dennoch wurde der Angeklagte im November 2008 zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt und zwar wegen mehrfachen untauglichen Versuches zur eventualvorsatzlichen Verbreitung menschlicher Krankheiten Die Argumentation der Staatsanwaltschaft war dass der Angeklagte als Laie eben nicht wusste dass seine Handlungsweise ungefahrlich war und er somit subjektiv eine Ansteckung in Kauf nahm Da eine solche nicht erfolgte blieb es beim Versuch und da sie durch den Geschlechtsverkehr auch gar nicht erfolgen konnte war der Versuch untauglich Das Urteil wurde per Strafbefehl gefallt Da der Verurteilte auf eine Appellation verzichtete wurde der Strafbefehl rechtskraftig Es bleibt also offen wie hohere Gerichtsinstanzen den Fall bewertet hatten 4 Rechtslage in der Schweiz BearbeitenIn der Schweiz ist seit dem 1 Januar 2007 der Eventualvorsatz im Strafgesetzbuch definiert und seine Strafbarkeit ausdrucklich festgehalten 5 Vorsatzlich handelt bereits wer die Verwirklichung der Tat fur moglich halt und in Kauf nimmt Bereits fruher war dieser Grundsatz in Lehre und Praxis unbestritten er ist aber erst seit 2007 im Gesetz festgeschrieben Literatur BearbeitenWolfgang Frisch Offene Fragen des dolus eventualis In NStZ 1991 23 ff Thomas Hillenkamp 32 Probleme aus dem Strafrecht Allgemeiner Teil Heidelberg 1999 1 Problem Kristian Kuhl Strafrecht Allgemeiner Teil Munchen 2002 5 Rn 43 ff Dan W Morkel Abgrenzung zwischen vorsatzlicher und fahrlassiger Straftat In NStZ 1981 176 ff Ingeborg Puppe Begriffskonzeptionen des dolus eventualis In GA 153 Jg 2006 65 ff Claus Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1 3 Auflage Beck Verlag Munchen 1997 ISBN 3 406 42507 0 S 372 403 Eberhard Schmidhauser Die Grenze zwischen vorsatzlicher und fahrlassiger Straftat In JuS 1980 241 ff Johannes Wessels Werner Beulke Strafrecht Allgemeiner Teil Heidelberg 2007 Rn 214 230 Einzelnachweise Bearbeiten a b BGH Urteil vom 18 Juni 2020 4 StR 482 19 Rn 22 NJW 2020 S 2900 beck online sogenannter Berliner Raserfall Zitat Bedingter Totungsvorsatz ist gegeben wenn der Tater den Tod als mogliche nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt Wissenselement und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgultig oder an sich unerwunscht sein Willenselement Bewusste Fahrlassigkeit liegt dagegen vor wenn der Tater mit der als moglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten Art 12 Ziff 1 StGB Das angefuhrte Beispiel beruht auf dem Schweizer Strafrecht aber das Grundproblem besteht unabhangig von landerspezifischen Details Artikel in 20 Minuten Online vom 19 Marz 2009 Art 12 StGB der Schweiz Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eventualvorsatz amp oldid 234962143