www.wikidata.de-de.nina.az
Tuila auch ṭuila ṭuhila ṭohila und toila ist die einfachste Form einer einsaitigen gezupften Stabzither ohne Bunde Das in landlichen Gegenden des indischen Bundesstaates Odisha selten und nur von Mannern gespielte Begleitinstrument fur Unterhaltungslieder erlaubt Ruckschlusse auf Form und Spielweise der altindischen Stabzither alapini vina Eine tuila liegend hinter einer aufgestellten Kegeloboe mohori Beide werden beim Tanzdrama Chhau in Odisha zur Begleitung gespielt Inhaltsverzeichnis 1 Bauform 2 Spielweise 3 Herkunft 4 Verbreitung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseBauform BearbeitenMit Stabzither oder Musikstab wird ein gerader starrer Saitentrager mit einer oder mehreren zwischen beiden Enden gespannten Saiten bezeichnet Die Saiten konnen meist mit den Fingern auf dem als Griffbrett dienenden Saitentrager verkurzt werden Im Unterschied hierzu besteht ein Musikbogen aus einem gebogenen und biegsamen Saitentrager Beide Grundformen eines Saiteninstruments benotigen zur Klangverstarkung mindestens einen mit dem Saitentrager verbundenen Resonanzkorper Die tuila besteht aus einem knapp einen Meter langen Bambusrohr Mundari pani bansu von etwa 2 5 Zentimetern Durchmesser Im einen Ende steckt ein nach oben ragendes Holzstuck ghoda an dem die aus gedrehtem Baumwollgarn Darm oder Seide bestehende Saite sutha mit einem geringen Abstand zum Saitentrager festgebunden ist Das Material wird ausgewahlt wie es saisonal verfugbar ist Einen zusatzlichen Steg gibt es nicht Vom holzernen Abstandshalter verlauft die Saite nicht parallel sondern in einem spitzen Winkel bis kurz vor das andere Rohrende wo sie mit einer Schlaufe und mehreren Wicklungen direkt am Rohr fixiert ist Jeder Spieler fertigt sein eigenes Instrument Er bemisst die Saitenlange so dass seine Finger bei in einem rechten Winkel zueinander nach vorn gestreckten Unterarmen die Saite an beiden Enden greifen konnen Wenige Zentimeter vor der Schnurwicklung ist die Halbschale einer langlichen Kalebasse tumba unterhalb des Saitentragers mit der Offnung nach unten befestigt Tumba ist das Hindi Wort fur Kalebasse und davon abgeleitet ein regionaler Name der Zupftrommel ektara Der Resonator wird uber ein kurzes rohrenformiges Zwischenglied chimki aus einer anderen Kalebasse mittels einer Schnur aus Pferdehaar die an kurzen Holzstucken im Innern befestigt ist am Saitentrager festgedreht Hierdurch wird die Saite an den Saitentrager herangezogen und fur die Schallubertragung mit dem Resonator verbunden Spielweise BearbeitenDer Spieler halt die tuila im Stehen senkrecht nach unten und diagonal vor seinem Oberkorper mit der Kalebasse gegen den linken oberen Brustbereich gepresst Mit dem Daumen der linken Hand am Zwischenstuck der Kalebasse verkurzt er die Saite mit den ubrigen Fingern auf dem als Griffbrett dandi dienenden Saitentrager Den rechten Arm ausgestreckt nach unten haltend fixiert er mit dem Daumen das Bambusrohr von unten und zupft die Saite mit dem Mittelfinger Die Saite wird nach Belieben gespannt eine festgelegte Tonhohe gibt es nicht Da ein Steg fehlt und somit eine daneben angebrachte Stegverbreiterung jivari produziert die tuila nicht das fur die tanpura und viele andere Saiteninstrumente der indischen Musik charakteristische obertonreiche Klangspektrum Die feine Klangmodulation lasst sich stattdessen erzielen indem die Kalebassenoffnung rhythmisch naher an die Brust herangefuhrt oder gelegentlich aufgesetzt wird Lautstarke Klang und Tonhohe andern sich so Ahnlich wird der Klang bei afrikanischen Musikbogen der Kerbstegzither mvet in Kamerun bei einigen afrikanischen Lamellophonen und bei der seltenen Stieltrommel sahfa im Jemen beeinflusst Mit drei Fingern wird der tiefste Tetrachord abgegriffen Die leere Saite produziert den Grundton Tonika nach der Notation der Ragas Sa Mit Zeigefinger Ringfinger und kleinem Finger werden die zweite dritte und vierte Note Ri Ga ma niedergedruckt Fur die nachsthoheren vier Tone verbleiben die Finger in einer ungewohnlichen Spieltechnik in unveranderter Position Anstatt mit den Fingern der linken Hand in eine hohere Lage zu rutschen wird der Zeigefinger der rechten Hand leicht auf die Saite gelegt wahrend der rechte Mittelfinger die Saite zupft Beides geschieht nahezu gleichzeitig Als Resultat erklingt die leere Saite in der funften Note Pa Greifen die drei Finger der linken Hand wie zuvor die Saite ab ergeben sich nun die weiteren Noten Da Ni und Sa Der Tonumfang einer Oktave wird also mit nur drei Fingerpositionen erreicht 1 Die verwendete Tonskala ahnelt dem dorischen Modus Die tuila ist bei der Adivasigruppe der Munda im Mayurbhanj Distrikt im Nordosten Odishas und im angrenzenden Jharkhand verbreitet Grundsatzlich wird sie nur von Mannern gespielt die ihren eigenen Gesang oder einen Chor begleiten der Hochzeitslieder vortragt Zum Repertoire gehoren zwar Tanzlieder die tuila wird jedoch nicht zusammen mit Trommeln zur Begleitung von Tanzen gespielt Als altehrwurdiges Instrument der Munda Tradition wird die tuila geachtet auch wenn sie heute selten geworden ist 2 Liedtexte sprechen von der tuila im Zusammenhang mit der kendra Die Munda verstehen unter kendra eine einsaitige Zupflaute vom Typ der ektara die bei Liedern und Tanzen als Borduninstrument eingesetzt wird 3 Anderswo in Odisha versteht man unter tuila ein solches Lauteninstrument Herkunft Bearbeiten nbsp Eine Kinnara himmlisches Wesen spielt eine einsaitige Stabzither alapini vina mit einem Resonator aus einer Kalebassenhalbschale vor der Brust Felsrelief in Mamallapuram 7 JahrhundertDie in den Veden als vina oder vipanci bezeichneten Saiteninstrumente waren Bogenharfen Die im altindischen Hauptwerk zur Musik dem um die Zeitenwende abgefassten Natyashastra unter mehreren Namen erwahnten Saiteninstrumente durften allesamt Bogenharfen gewesen sein Um diese Zeit zeigen Steinreliefs an buddhistischen Kultorten Harfe spielende Gandharvas und andere himmlische Wesen Im Mahabharata einem der beiden grossen indischen Epen das etwa im 4 Jahrhundert n Chr seine bekannte Form erlangte wird eine tumba vina zusammen mit der Bambusquerflote vamsha erwahnt wobei unklar ist ob hier eine Bogenharfe mit Kalebassenresonator oder eine Stabzither gemeint ist 4 Im 7 Jahrhundert waren die Bogenharfen weitgehend aus Indien verschwunden abgebildet werden stattdessen Stabzithern und Lauteninstrumente Die altesten bekannten Abbildungen von Stabzithern finden sich auf den Wandmalereien der buddhistischen Hohlen von Ajanta In Hohle 7 tragt einer der fliegenden Gandharvas eine Stabzither uber der Schulter in Hohle 16 ist die Stabzither zusammen mit einer Bogenharfe dargestellt 5 Aus dem 7 Jahrhundert stammt die Abbildung einer Stabzither am Relief Herabkunft der Ganga in Mamallapuram oberste Reihe mit Gandharvas und Kinnaras linke Seite ein weiteres Relief einer Stabzither gehort zu einer Steinplatte in der Nahe des dortigen Kustentempels Auf allen genannten Abbildungen halt ein mannlicher Musikant die Stabzither auf dieselbe Weise wie die tuila schrag vor seinem Oberkorper Die tuila entspricht in der Handhabung offensichtlich der altindischen alapini vina die in der Sanskritliteratur als vina mit einem Griffbrett danda von annahernd neun Handbreit Lange und einem Kalebassenresonator von etwa 20 Zentimetern Durchmesser beschrieben wird Sie besass eine oder seltener drei Saiten 6 Bis ins 9 Jahrhundert wurden die einfachen Stabzithern mit einer Kalebasse vom Typ der tuila unverandert abgebildet spater nur noch selten Zwischen dem 9 und dem 13 Jahrhundert fand der Ubergang zu der nunmehr gebrauchlichen Form der Stabzithern statt Diese sind durch einen wesentlich dickeren Saitentrager und einen zweiten Resonanzkasten am unteren Ende gekennzeichnet Da der Saitentrager jetzt offenbar ebenfalls als Resonanzkorper fungiert andert sich die Spielhaltung Die obere Kalebasse hangt uber der linken Schulter nach hinten Sie wird immer noch flach abgebildet ist also an der Unterseite offen Allmahlich erhoht sich die Saitenzahl In der Mogulzeit war dieser Stabzithertyp mit funf Saiten als jantar und mit drei Saiten als bin Rudra vina bekannt Die heute in Nordindien in der klassischen Musik gespielte Rudra vina besitzt als Resonanzkorper zwei grosse vollrunde Kalebassen wahrend die jantar mit zwei etwas kleineren Kalebassen noch in der Volksmusik von Rajasthan vorkommt Die ursprungliche Form der Stabzither sank auf ein nahezu verschwundenes regionales Volksmusikinstrument der unteren Bevolkerungsschicht herab In Odisha blieb sie in Gestalt der tuila erhalten gerade in einer Region in der wie in Bhubaneswar und Konarak an besonders vielen mittelalterlichen Hindutempeln Stabzithern abgebildet sind 7 Verbreitung BearbeitenIn Odisha ist unter der Namen sodi burra eine weitere einfache Stabzither der traditionell als Korbmacher tatigen Adivasigruppe Erikala bekannt Die Saite verlauft parallel zwischen zwei Stiften an den Enden des Bambusstabes Eine grosse Kalebasse ist in der Mitte unter dem Saitentrager befestigt und durch eine Schnur mit der Saite verbunden 8 Die Santal von Odisha verwenden die Stabzither buang als Rhythmusinstrument Als mittig angesetzter Resonator dient hier ein aus Bambus geflochtener Korb der mit Papier uberzogen wurde Die weiter vom Trager entfernte Saite ist nicht mit dem Korbresonator verbunden Zwei oder mehr Tanzer halten bei Gruppentanzen buangs in den Handen und produzieren beim Zupfen der Saite ein Schnarrgerausch 9 In Sudindien schlagen ebenfalls zur rhythmischen Begleitung mehrere Musiker in der Volksliedtradition Villu Pattu den Musikbogen villadi vadyam mit Holzstaben auf die Saite und auf den aus einem grossen Tontopf bestehenden Resonator Musikbogen haben sich ansonsten nur noch in wenigen abgelegenen Gebieten in der Volksmusik erhalten Weiter verbreitet sind die zu den ektaras gehorenden regionalen Varianten ein und zweisaitiger Spiesslauten die gezupft oder mit einem Bogen gestrichen werden banam in Odisha tumbi im Punjab ravanahattha in Rajasthan oder die pena in Manipur Zu den der tuila ahnlichen Stabzithern in Sudostasien die wahrscheinlich auf indischen Kultureinfluss zuruckzufuhren sind gehoren in Thailand die phin nam tao mit Kalebasse in Sulawesi dunde santung und falundo auf der ostindonesischen Insel Sumba die jungga und auf Halmahera die sulepe 10 Eine zwei bis funfsaitige Stabzither mit einem Resonator aus einer Kokoshalbschale ist bei den Lanna Sprechern im Norden Thailands als phin phia bekannt 11 die zu den vietnamesischen Bergvolkern gezahlten Jarai in der Provinz Gia Lai spielen die mit zwei Metallsaiten und vier oder sechs Bunden bestuckte Stabzither brŏ Ihre Kalebassenhalbschale wird ebenfalls zur Klangmodulation an die Brust gehalten 12 In Kambodscha blieb mit der zweisaitigen sadiu 13 eine Stabzither mit einer Resonatorhalbschale erhalten die wie die tuila und die afrikanischen Musikbogen zur Klangmodulation an die Brust gedruckt wird In Form und Spielhaltung mit der tuila am meisten verwandt ist die einsaitige kambodschanische kse diev auch sadiev sadiu 14 die mit zwei Fingern gezupft wie ein afrikanisches Lamellophon klingt Fruhe Darstellungen dieser Stabzithern finden sich auf einem Flachrelief am Angkor Wat vom Anfang des 12 Jahrhunderts 15 und auf Reliefs am Bayon der Anfang des 13 Jahrhunderts erbaut wurde 16 Uber Sudostasien erstreckt sich der indische Kultureinfluss bis nach Ostafrika wohin mutmasslich malaiische Seefahrer aus Indonesien der tuila in Form und Spielweise ahnliche Plattstabzithern brachten die dort als zeze bekannt sind Literatur BearbeitenCarol M Babiracki Ṭuila In Stanley Sadie Hrsg The New Grove Dictionary of Musical Instruments Band 3 Macmillan Press London 1984 ISBN 0 943818 05 2 S 673 Bigamudre Chaitanya Deva Musical Instruments National Book Trust Neu Delhi 1977 S 87f 1987 Musical Instruments of India ISBN 81 215 0048 6 Ferdinand J de Hen A Case of Gesunkenes Kulturgut The Toila In The Galpin Society Journal Band 29 Mai 1976 S 84 90 Monika Zin Die altindischen viṇas In Ellen Hickmann Ricardo Eichmann Hrsg Studien zur Musikarchaologie IV Musikarchaologische Quellengruppen Bodenurkunden mundliche Uberlieferung Aufzeichnung Vortrage des 3 Symposiums der Internationalen Studiengruppe Musikarchaologie im Kloster Michaelstein 9 16 Juni 2002 S 321 362 Weblinks BearbeitenMunḍari songs Durang kahani and Is a tuila Linguistic Survey of India Schallarchiv der British Library Wachswalzenaufnahme von 1914 mit einem auf Mundari gesungenen Lied und anschliessend einer tuila 4to40 com images Zeichnung Gift Siromoney Musical Instruments from Pallava Sculpture In Kalakshetra Quarterly Vol 2 No 4 1979 S 11 20 Reliefdarstellungen von Stabzithern an Pallava Tempeln Einzelnachweise Bearbeiten Bigamudre Chaitanya Deva Musical Instruments of India Kalkutta 1978 S 156 158 zit in Monika Zin 2002 S 334f Carol M Babiracki 1984 S 673 Genevieve Dournon Carol M Babiracki Kendra In Stanley Sadie Hrsg The New Grove Dictionary of Musical Instruments Vol 2 Macmillan Press London 1984 S 375 Walter Kaufmann Altindien Musikgeschichte in Bildern Band II Musik des Altertums Lieferung 8 Hrsg Werner Bachmann VEB Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1981 S 180 Monika Zin 2002 S 333 Bigamudre Chaitanya Deva 1977 S 88 Monika Zin 2002 S 335 Ferdinand J de Hen 1976 S 89 Ferdinand J de Hen 1976 S 86f Bigamudre Chaitanya Deva 1977 S 75 Ferdinand J de Hen 1976 S 88 Andrew McGraw The Pia s Subtle Sustain Contemporary Ethnic Identity and the Revitalization of the Lanna Heart Harp In Asian Music Bd 38 Nr 2 University of Texas Press Sommer Herbst 2007 S 115 142 Music and song of the Jorai Produktion Patrick Kersale PEO CD 1051 Paris 2001 Titel 15 16 Sadiu The Metropolitan Museum of Art Abbildung matthewwakem photoshelter com Abbildung einer kse diev Terry E Miller Say diev In Grove Music Online 28 Mai 2015 Roger Blench Musical instruments of South Asian origin depicted on the reliefs at Angkor Cambodia EURASEAA Bougon 26 September 2006 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tuila amp oldid 229075103