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Ein Tetrachord 1 altgriechisch fur Viersaiter ist eine Viertonfolge mit dem Rahmenintervall einer reinen Quarte Der Begriff ist aus der Musiktheorie im antiken Griechenland ubernommen und wird gelegentlich zur Beschreibung des Baus von Tonleitern herangezogen 2 Von den verschiedenen im alten Griechenland ublichen Formen hat nur das sogenannte diatonische Tetrachord in die westliche Musiktheorie Eingang gefunden Dieses Tetrachord setzt sich aus zwei Ganztonen und einem Halbton zusammen wobei folgende Varianten moglich sind Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Halbton Ganzton und Halbton Ganzton Ganzton Die klassischen 3 diatonischen Tonleitern Dur Moll Kirchentone lassen sich unter Hinzufugung eines weiteren Ganztons aus zwei gleichartig strukturierten Tetrachorden zusammensetzen vorausgesetzt man wendet die gleichen Verhaltnisse an die den altgriechischen Tonleitern zugrunde lagen Dabei sind zwei Falle zu unterscheiden Die beiden Tetrachorde sind unverbunden und der zusatzliche Ganzton liegt mittig zwischen ihnen Die beiden Tetrachorde sind durch einen gemeinsamen Ton miteinander verbunden und der zusatzliche Ganzton wird oben oder unten angefugt 4 BeispieleBei der C Dur Tonleiter c d e f g a h c haben die beiden unverbundenen Tetrachorde die Intervallstruktur Ganzton Ganzton Halbton Zwischen dem ersten Tetrachord c d e f und dem zweiten g a h c liegt der Ganztonschritt f g Bei der naturlichen a Moll Tonleiter a h c d e f g a haben die beiden Tetrachorde die Struktur Ganzton Halbton Ganzton Das erste Tetrachord a h c d ist mit dem zweiten d e f g durch den gemeinsamen Ton d verbunden und oben wird ein zusatzlicher Ganztonschritt g a angefugt Inhaltsverzeichnis 1 Heutiger Sprachgebrauch 2 Geschichte 2 1 Antikes Griechenland 2 2 Mittelalter 2 3 20 Jahrhundert 3 AnmerkungenHeutiger Sprachgebrauch BearbeitenWenn in der heutigen musikdidaktischen Literatur Tetrachorde zur Beschreibung von Tonleitern herangezogen werden so ist oft ausschliesslich von unverbundenen Tetrachorden die Rede Eine Allgemeine Musiklehre zum Beispiel beschreibt die Molltonleiter als aus zwei unverbundenen Tetrachorden zusammengesetzt Im Gegensatz zur Durtonleiter sind deshalb die beiden Tetrachorde der Molltonleiter voneinander abweichend gebaut 5 Reinhard Amon schreibt Fast alle siebentonigen Skalen Dur Moll Ungarische Tonleitern Bluesskala sind aus zwei ubereinandergestellten Tetrachorden aufgebaut Der unterste Ton des ersten bildet dabei mit dem obersten Ton des zweiten eine Oktav als Rahmen 6 Diese Betrachtungsweise ist nicht unproblematisch Wahrend das Arbeiten mit verschiedenartigen unverbundenen Tetrachorden etwa bei der naturlichen Molltonleiter noch reibungslos funktioniert tritt z B bei der lydischen Tonleiter die Schwierigkeit auf dass der untere Tetrachord eine ubermassige Quart Tritonus umspannen wurde Dies stunde in krassem Widerspruch zum altgriechischen Tetrachordbegriff bei dem ein konsonantes Rahmenintervall Quarte durch variable Zwischentone ausgefullt wird Im altgriechischen Sinne kann die lydische Tonleiter nur verstanden werden als verbundene Kombination der beiden gleichartigen Tetrachorde g a h c und c d e f mit unten angefugtem f Um ungarische Tonleitern Zigeunermoll und dur zu erklaren mussen neben den oben erwahnten diatonischen auch chromatische Tetrachorde herangezogen werden die aus zwei Halbtonschritten und einer kleinen Terz bzw ubermassigen Sekunde Hiatus bestehen Das Zigeuner Dur c des e f g as h c lasst sich danach leicht erklaren als aus den beiden Tetrachorden c des e f und g as h c zusammengesetzt die beide nach dem gleichen Muster Halbton Hiatus Halbton gebaut sind Beim Zigeuner Moll c d es fis g as h c funktioniert eine analoge Erklarung jedoch nicht mehr befriedigend Der untere Tetrachord hatte eine andere Struktur als der obere und als Rahmenintervall einen verbotenen Tritonus Solche Probleme die in der Literatur gerne durch die Beschrankung auf unproblematische Beispiele und diskretes Verschweigen kritischer Falle gelost werden lassen sich leicht vermeiden wenn man sich auf das altgriechische Prinzip besinnt nach dem die Tetrachorde im Regelfalle durch einen gemeinsamen Ton verbunden sind und nur ausnahmsweise zur Vermeidung des Tritonus durch einen zwischengeschobenen Ganzton getrennt werden In diesem Sinne wurde sich das Zigeuner Moll problemlos erklaren als bestehend aus den verbundenen und gleich gebauten Tetrachorden d es fis g und g as h c die durch den unten angefugten Ton c zur Oktave vervollstandigt werden Geschichte BearbeitenAntikes Griechenland Bearbeiten Hauptbeitrag Das Tonsystem des antiken Griechenlands In der Musik des antiken Griechenlands traten als Tongeschlechter neben der Diatonik auch die Chromatik und die Enharmonik auf Diese sind jedoch nicht mit unseren heutigen Begriffen von Diatonik Chromatik und Enharmonik gleichzusetzen Das Tetrachord spielte in der Musiktheorie der griechischen Antike eine wichtige Rolle Im diatonischen Tetrachord erfolgte vom Anfangston aus ein Ganztonschritt ein weiterer Ganztonschritt und schliesslich ein Halbtonschritt abwarts Der Halbtonschritt befand sich immer am unteren Ende des Tetrachordes 7 Auf den weissen Tasten des modernen Klaviers finden sich zwei solche altgriechischen Tetrachorde e d c h und a g f e Zusammengefugt ergeben diese beiden Tetrachorde eine absteigende diatonische Leiter Das Zusammenfugen von Tetrachorden war ein grundlegender Gedanke in der Musiktheorie des antiken Griechenlands Neben dem diatonischen Tetrachord gab es auch ein chromatisches Tetrachord mit der Schrittfolge kleine Terz Halbton Halbton und ein enharmonisches Tetrachord mit der Schrittfolge grosse Terz Viertelton Viertelton 8 Einige der altesten Quellen uber die Tetrachorde gehen auf griechische Philosophen und Mathematiker zuruck Mehr Aufschluss findet man bei den Beschreibungen der Griechischen Philosophen und Mathematiker Philolaos Abschnitt Musiktheorie Archytas Abschnitt Musik Aristoxenos Abschnitt Harmonik Euklid Abschnitt Musiktheorie Mittelalter Bearbeiten Siehe auch Musik des MittelaltersMusiktheoretiker des Mittelalters namentlich der einflussreiche Hucbald von Saint Amand griffen das altgriechische Tetrachord Konzept auf aber in veranderter Form Nun stellte man sich die Viertonfolgen nicht mehr absteigend vor sondern aufsteigend 9 beschrankte sich auf diatonische Verhaltnisse und platzierte die Halbtonschritte nicht ausschliesslich unten sondern wahlweise unten in der Mitte oder oben Die gewonnenen Tetrachorde wurden zu Hexachorden erweitert oder wie in der griechischen Antike zu modalen Leitern zusammengefugt den so genannten Kirchentonleitern So bestand die Kirchentonart Dorisch aus zwei Tetrachorden mit der Schrittfolge Ganzton Halbton Ganzton auf den weissen Tasten des Klaviers d e f g und a h c d 20 Jahrhundert Bearbeiten Im 20 Jahrhundert ubernahmen Musikethnologen den Begriff Sie nannten Ausschnitte aus pentatonischen Leitern mit dem Rahmenintervall einer Quarte Tetrachorde obwohl diese Ausschnitte nicht aus vier sondern nur aus drei Tonen bestanden Zwei dreitonige Tetrachorde bildeten eine pentatonische Tonleiter auf den schwarzen Tasten des Klaviers zum Beispiel cis dis fis und gis ais cis In dieser Bedeutung wurde der Tetrachordbegriff insbesondere zur Erklarung japanischer Tonsysteme verwendet etwa von Fumio Koizumi Auch die melodische Analyse orientalischer Modi wie etwa des iranischen Dastgah Systems beruhen grosstenteils auf tetrachordischer Sichtweise Anmerkungen Bearbeiten Laut Duden ist sowohl der als auch das Tetrachord moglich Hierbei wird allerdings oft der Begriff Tetrachord in grosszugiger Erweiterung der altgriechischen Definition auch auf Viertonfolgen angewendet die als Rahmenintervall keine reine Quarte haben z B f g a h oder cis d e f Neben den klassischen gibt auch neuere Tonleiterbildungen die der ublichen Definition von Diatonik genugen sich aber nicht aus Tetrachorden im traditionellen Sinne zusammensetzen lassen Hierzu gehort etwa die alterierte Skala deren oberer Tetrachord zwei Halbtone enthielte wahrend der untere Tetrachord nur aus Ganztontonschritten bestunde Willibald Gurlitt Hans Heinrich Eggebrecht Hrsg Riemann Musik Lexikon Sachteil B Schott s Sohne Mainz 1967 S 930 Wieland Ziegenrucker Allgemeine Musiklehre 1 Auflage B Schott s Sohne Mainz 1979 ISBN 3 442 33003 3 S 88 Reinhard Amon Lexikon der Harmonielehre 2 Auflage Doblinger Wien 2015 ISBN 978 3 902667 56 4 S 305 Harvard Dictionary of Music 2 Auflage Heinemann London 1976 Stichwort Tetrachord The New Grove Dictionary of Music and Musicians Macmillan London 1980 Stichwort Tetrachord Die jeweilige Bewegungsrichtung in der griechischen Antike abwarts im Mittelalter aufwarts wird nur im Harvard Dictionary of Music thematisiert nicht im Riemann oder New Grove Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tetrachord amp oldid 218908760