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Strahlungen ist ein 1949 erschienenes Tagebuch von Ernst Junger Es umfasste in der ersten Fassung den Zeitraum im Zweiten Weltkrieg vom 18 Februar 1941 bis zum 11 April 1945 und behandelte Jungers Zeit im besetzten Paris seine Reise an die kaukasische Front und seine Zeit im heimatlichen Kirchhorst vor dem Ende des Kriegs Oft stehen in den Eintragungen Berichte von schrecklichen Aspekten des Krieges unvermittelt in bewusst schockierendem Kontrast neben Beschreibungen der Schonheit von Kunstwerken oder der Natur In der ersten Werkausgabe 1962 63 wurden auch die zuvor einzeln veroffentlichten Tagebucher Garten und Strassen 1942 und Jahre der Okkupation 1958 aufgenommen so dass Strahlungen nun insgesamt die Zeit vom 3 April 1939 bis zum 2 Dezember 1948 umfasst Strahlungen war eines der erfolgreichsten Bucher Jungers mit einer Auflage von 20 000 Exemplaren im ersten Jahr und fand eine ausserordentlich breite Beachtung Inhaltsverzeichnis 1 Gliederung des Werkes 2 Inhalt 2 1 Pseudonyme 2 2 Sprache Literatur Dichtung Stil 2 3 Judenverfolgung 2 4 Ostfront 2 5 Landung und Vormarsch der Alliierten 2 6 Luftkrieg 2 7 Der Anschlag 2 8 Erfahrungen als Zivilist im Krieg 2 9 Bibellesung 3 Rezeption 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenGliederung des Werkes BearbeitenGarten und Strassen umfasst die Zeit vom 3 April 1939 bis zum 24 Juli 1940 also unter anderem Jungers Einberufung und seine Teilnahme am Westfeldzug Dieser Teil wurde bereits 1942 einzeln veroffentlicht Naheres findet sich im Artikel Garten und Strassen nbsp Arc de Triomphe ParisDas erste Pariser Tagebuch umfasst die Zeit vom 18 Februar 1941 bis zum 23 Oktober 1942 Damit klafft zum vorangegangenen Teil eine Lucke von nahezu sieben Monaten Die Kaukasischen Aufzeichnungen reichen vom 24 Oktober 1942 bis zum 17 Februar 1943 Das zweite Pariser Tagebuch reicht vom 19 Februar 1943 bis zum 13 August 1944 und setzt im Wesentlichen das erste Pariser Tagebuch fort Die Kirchhorster Blatter reichen vom 14 August 1944 bis zum 11 April 1945 Die Hutte im Weinberg umfasst die Zeit vom 11 April 1945 bis zum 2 Dezember 1948 Dieser Teil beschreibt Jungers Leben in Kirchhorst wahrend der Besatzungszeit Er war 1958 einzeln unter dem Titel Jahre der Okkupation erschienen naheres siehe im Artikel Jahre der Okkupation Inhalt BearbeitenIn Paris arbeitete Junger im Stab des Militarbefehlshabers von Frankreich Die Eintrage handeln von Begegnungen mit anderen Militars oder deutschen und franzosischen Intellektuellen Jungers Arbeit seinen Spaziergangen oder seiner Lekture unter anderem der Bibel Junger bekommt Besuch unter anderem von Carl Schmitt und von Carlo Schmid oder besucht selbst Pablo Picasso Pseudonyme Bearbeiten In verschlusselter Form spiegelt sich in diesem Tagebuch seine Affare mit der verheirateten deutschstammigen Pariser Kinderarztin Sophie Ravoux wider Ihren Namen verbirgt Junger hinter den Chiffren Doctoresse Madame Dankart Madame d Armenonville Charmille oder Camilla Unter ihrem burgerlichen Namen findet sie erst 1972 in Jungers Alterstagebuch Siebzig verweht Eingang 1 Er verwendet auch fur andere Personen selbst erfundene Pseudonyme Wenn er Hitler meint spricht er immer von Kniebolo von seiner Frau spricht er als Perpetua Ohne Namensnennung erwahnt er oft den Oberbefehlshaber und den Prasident im Unterschied dazu auch einen President Auch Oberforster Schinderhannes und Grandgoschier 2 finden Erwahnung z B am 27 Marz 1944 Sprache Literatur Dichtung Stil Bearbeiten Im Vorwort vom November 1946 beschaftigt sich Junger mit dem Tagebuch als Literaturgattung und zwar zunachst von solchen die man bei Toten fand und aus dem Nachlass veroffentlicht habe angefangen bei dem Tagebuch der sieben Matrosen die auf der kleinen Insel des Heiligen Mauritius im nordlichen Eismeer den Winter in der Walfangstation der Groenlandse Compagnie nicht uberlebt hatten 3 Auch Lebende gewahren Einblick in ihre Tagebucher das sei kein Wagnis mehr Auch bleibe es im totalen Staat das letzte mogliche Gesprach Abgesehen von einem ausgedehnten Briefwechsel beschrankte Junger seine Autorschaft im Zweiten Weltkrieg auf die sechs Tagebucher Uber das Verhaltnis von Manuskript zum gedruckten Text fuhrt er folgendes aus Ein Wort noch zur Abgrenzung der privaten Sphare und jener der Autorschaft Es wird hier immer Grenzen geben die umstritten sind Aus diesem Grunde sind die Manuskripte starker als der gedruckte Text Auch handelt es sich um Geschmacksfragen Von einer Reihe von Stellen weiss ich da ich die Kritik von heute kenne dass ihr Stoff zu Angriffen gegeben wird Das gilt besonders fur das Furchterliche und die Versuchung durch Retuschen den Text zu klaren lag auf der Hand Doch sah ich davon ab da ich dem Leser eine Idee des Ganzen vermitteln will In einem Zustand in dem sich der Techniker dem Staat verbundet sind nicht nur die musischen und metaphysischen Exkurse sondern auch die reine Lebensfreude von Konfiskation bedroht Am 24 November 1944 fuhrte Junger mit seinem damals zehnjahrigen Sohn Alexander ein Gesprach zum Thema Tagebuch Gesprach mit Alexander Wie man ein Tagebuch fuhrt Uber das gleiche Thema schrieb ich mit einem Hauptmann Muller der mir Aufzeichnungen zusandte Die Durchsicht meiner Reisetagebucher macht mir den Anteil deutlich in dem die Zeit mitwirkt Sie andert den Inhalt wie die Garung und Reife den Wein der in der Tiefe des Kellers liegt Nun muss man noch einmal vorsichtig umfullen von der Hefe abgiessen Hieruber hatte ich bei Florence ein langes Gesprach mit Leautaud der diese Praxis missbilligt und das Wort wie es im ersten Wurf gefallen ist fur unverletzlich fur sakrosankt erklart Die Vorschrift ist fur mich schon technisch undurchfuhrbar weil ich vieles andeutungsweise gewissermassen als Siegel der Erinnerung einstreue Die beste Erfassung des ersten Eindrucks ist die Frucht wiederholter Anstrengungen Judenverfolgung Bearbeiten Unter dem 30 Marz 1942 treffen Nachrichten und Geruchte von Kriegsverbrechen ein Er erzahlte von einem schauerlichen Burschen fruherem Zeichenlehrer der sich geruhmt hatte in Litauen und anderen Randgebieten ein Mordkommando gefuhrt zu haben das zahllose Menschen schlachtete Man lasst die Opfer nachdem sie zusammengetrieben sind zuerst die Massengraber ausheben dann sich hineinlegen und schiesst sie von oben in Schichten tot Am 7 Juni 1942 In der Rue Royale begegnete ich zum ersten Mal in meinem Leben dem gelben Stern getragen von drei jungen Madchen die Arm in Arm vorbeikamen so genierte es mich sogleich dass ich in Uniform war Am 18 Juli 1942 ist Junger Zeuge von Verhaftungen von Juden Gestern wurden hier Juden verhaftet um deportiert zu werden man trennte die Eltern zunachst von ihren Kindern so dass das Jammern in den Strassen zu horen war Ich darf in keinem Augenblick vergessen dass ich von Unglucklichen von bis in das Tiefste Leidenden umgeben bin Was ware ich sonst auch fur ein Mensch was fur ein Offizier Die Uniform verpflichtet Schutz zu gewahren wo es irgend geht Freilich hat man den Eindruck dass man dazu wie Don Quijote mit Millionen anbinden muss Uber die Rolle des Judentums im 20 Jahrhundert schreibt er im Zusammenhang mit der Genesis Lekture mit einem Genesis Kommentar und einem Buch uber Maimonides am 23 Dezember 1944 Der Jude ist ewig das heisst er hat eine Antwort auf alle Jahrhunderte Von meiner Ansicht dass das 20 Jahrhundert ihm durchaus ungunstig sei beginne ich abzuweichen und glaube dass seine zweite Halfte in dieser Beziehung Uberraschungen bringen wird Gerade die furchterlichen Opfer deuten darauf hin Ostfront Bearbeiten Gerade nach Paris versetzt notierte er am 24 Juni 1941 uber den Krieg im Osten Seit nunmehr drei Tagen stehen wir im Kriege mit Russland seltsam wie wenig diese Nachricht mich ergriff Indessen ist das Vermogen Fakten aufzunehmen in solcher Zeit begrenzt falls wir es nicht mit einer gewissen Hohlheit tun Nach einer fast dreimonatigen Lucke im Tagebuch beschreibt er am 8 Oktober 1941 Auswirkungen des Russlandfeldzugs auf seine Befindlichkeit Meine Versetzung nach Paris liess eine Lucke in diesen Aufzeichnungen entstehen Vielleicht noch mehr sind die Ereignisse in Russland daran schuld die um die gleiche Zeit begannen und wohl nicht nur in mir eine Art von geistiger Lahmung hervorriefen Die Entwicklung des Frontgeschehens ist ihm keine Zeile wert weder Vormarsch noch Ruckzug Hingegen notiert er an zwei Stellen uber den Kriegsausbruch im fernen Osten Heute wurde die Kriegserklarung Japans bekannt Die Japaner greifen mit grosser Entschlossenheit an vielleicht weil fur sie die Zeit am kostbarsten ist Ich uberrasche mich dabei dass ich die Bundnisse verwechsele zuweilen befallt mich die Tauschung dass sie uns den Krieg erklart hatten Die Vereinigten Staaten werden in diesem Zusammenhang nicht erwahnt auch nicht der Umstand dass Deutschland den USA den Krieg erklart hatte Dafur bewegt ihn das Leiden der Soldaten an der Ostfront Auf der Ruckreise von einem Heimaturlaub notiert er am 2 Januar 1942 Im Abteil Gesprach mit einem Leutnant der aus Russland kam Sein Bataillon verlor ein Drittel der Mannschaft durch Erfrierungen die zum Teil zur Abtrennung von Gliedern gefuhrt haben Das Fleisch wird zunachst weiss dann schwarz Gesprache dieser Art sind jetzt ganz allgemein Oberst Gerlach war als Quartiermeister vom Osten nach Paris kommend besonders uber den dortigen Mangel an Winterkleidung unterrichtet Junger zitiert aus einem Bericht der russischen Kriegspropaganda das Detail dass deutschen Gefangenen denen man die Stiefel ausziehen wollte der Fuss mit abgezogen worden sei Aus einem Feldpostbrief zitiert er am 25 Januar 1942 Der Schwager klagt brieflich dass Nase und Ohren ihm am Erfrieren sind Sie schleppen schon junge Kameraden die sich die Fusse erfroren haben mit Die Russen behaupten in ihrem letzten Kommentar dass die Kampfe der Woche uns siebzehntausend Tote und einige hundert Gefangene kosteten Und lieber mochte man bei den Toten sein Am 18 Februar 1942 notiert er Besuch des Ritters von Schramm der aus dem Osten kam Das Massensterben in den furchterlichen Kesseln erweckt die Sehnsucht nach dem alten Tode dem Tode der nich dem Zertreten Werden gleicht Aus den Capriccios des aus dem Osten zuruckgekehrten Gruninger der dort eine Batterie fuhrte hielt er unter anderem am 2 Marz 1942 fest Ein russischer Oberst wurde mit den Resten seines Regiments gefangen das seit Wochen im Kessel gewesen war Gefragt woher er die Verpflegung fur die Truppe genommen hatte antwortete er sie hatten sich von Leichen genahrt Auf Vorhaltungen fugte er hinzu wie um sich zu entschuldigen dass er aber nur von den Lebern gezehrt hatte und am 6 Marz 1942 Man sieht auf den Rollbahnen Leichen liegen uber die Tausende von Panzern fuhren um sie endlich platt zu walzen wie Folien Der Marsch geht uber sie hinweg wie uber Abziehbilder oder wie uber Schemen die man in der blanken eisigen Tiefe der Strasse sich spiegeln sieht Von Russland ist erst wieder am 16 August 1942 die Rede als er fur ein Wochenende als Gast des Oberbefehlshabers im Kloster Les Vaux de Cernay weilte Der General kam auf die russischen Stadte zu sprechen und meinte dass ihre Kenntnis wichtig fur mich sei vor allem fur gewisse Korrekturen an der Gestalt des Arbeiters Ich erwiderte dass ich mir zur Ponitenz seit langem einen Besuch New Yorks verschrieben hatte doch auch mit einem Kommando zur Ostfront einverstanden sei Am 28 August 1942 vermerkte er immer noch keine Nachricht uber die Fahrt in die ostlichen Gegenden zu haben Am 9 Oktober 1942 notiert er Wie Oberst Kossmann mir sagte scheint es mit meinem Kommando nach Russland in diesen Tagen ernst zu werden Ich will versuchen dass Rehm mir als Begleiter zugewiesen wird Rehm begleitet Junger seit Kriegsbeginn als Ordonnanz und er sieht in dem Miteinander mit ihm noch etwas vom alten Verhaltnis zwischen Ritter und Knappen und trennt sich nur schwer von ihm Drei Tage spater erkrankt er und lasst sich vom Oberstabsarzt einen kurzen Aufenthalt im Lazarett Suresnes empfehlen wie er sich vor Eintreffen des Marschbefehls noch absolvieren lasse Am 20 Oktober 1942 notiert er seinen Gemutszustand vor dem zu erwartenden Abmarsch nach Russland Nachts starke Attacken La Frousse Am Mittag wurde ich entlassen mit der Eintragung Anacider Magenkatarrh in meinem Soldbuche Am 23 Oktober 1942 meldete er sich bei Oberst Kossmann und beim Oberbefehlshaber ab Der Militarbefehlshaber in Frankreich Carl Heinrich von Stulpnagel hatte ihn mit einem Marschbefehl an die Kaukasusfront abkommandiert um dort zum einen das Ausmass der Kriegsverbrechen zu dokumentieren zum anderen die Stimmung unter den Offizieren auszuloten Zunachst reiste er am 24 Oktober 1942 zu einem Heimaturlaub nach Kirchhorst und brach dann am 12 November 1942 mit seiner Frau nach Berlin Dahlem auf wo sie bei Carl Schmitt wohnten Am 16 November 1942 abends verabschiedete sie ihn am Schlesischen Bahnhof Morgens kam er in Lotzen an Hier besorgte er sich Ausweise und Fahrscheine Wegen widrigen Wetters verzogerte sich sein Abflug nach Kiew bis zum 21 November 1942 Uber seinen Kurzaufenthalt in der Stadt hielt er folgende Eindrucke fest In Kiew wurde ich im Palacehotel einquartiert Obwohl an den Waschbecken die Handtucher im Schreibzimmer die Tinte auf den Treppen einige Marmorstufen fehlten soll es das beste Hotel in ganz Russland sein Auch gaben die Wasserhahne solange man auch an ihnen drehte weder warmes Wasser noch Wasser uberhaupt Das gleiche galt fur die Spulungen Daher erfullte auch ein boser Duft das ganze Palacehotel Ich nutzte die Stunde die mir noch bis zum Einbruch der Dunkelheit blieb um in der Stadt durch die Strassen zu gehen und kehrte gern nach dieser Frist zuruck Wie es Zauberlander auf dieser Erde gibt so lernen wir andere kennen in denen die Entzauberung ohne nur einen Rest von Wunderbarem zu hinterlassen gelungen ist Das Zimmer teilte er mit einem jungen Artilleriehauptmann Wie er beim Erwachen sah verscheuchte dieser gerade eine grosse Ratte von den bescheidenen Vorraten Jungers In aller Fruhe Weiterflug nach Stalino und Rostow am Don Wegen des unsicheren Wetters und Vereisung der Maschine musste der Pilot hier alle Fluggaste zurucklassen Die Eindrucke die diese Stadt auf ihn machte beschrieb er so Ich bezog im Offiziersheim Quartier So nennt sich eines der oden Hauser in deren Zimmern Reihen von Strohsacken ausgebreitet sind und deren Flure Gestank durchwebt Gang durch die Stadt es wiederholten sich die Bilder der Entzauberung Leider hatte ich mich nicht genugend ausgerustet ich ahnte nicht dass selbst Kleinigkeiten wie Taschenspiegel Messer Nahgarn Bindfaden nicht aufzutreiben sind Glucklicherweise stosse ich immer wieder auf Menschen die mir behilflich sind Nicht selten gehoren sie zu meinen Lesern Geld eingewechselt die russischen Banknoten tragen noch das Bild Lenins Zur Umrechnung bediente sich die Beamtin einer Rechenmaschine mit groben Kugeln die sie behende hin und herspringen liess Wer sie handhaben kann soll schneller zum Resultat gelangen als mit Bleistift und Papier Wieder Strassenstudien und immer wieder der Eindruck des entzauberten Orients Das Auge muss sich an den Anblick des denkbar Unangenehmsten gewohnen In Ordnung sind allein die technischen Dinge die Eisenbahnen die Autos die Flugzeuge die Lautsprecher und selbstverstandlich alles was zur Welt der Waffen gehort Dagegen mangelt es an allem Organischen an Nahrung Kleidung Warme Licht Noch ausgesprochener gilt das fur die hoheren Stufen des Lebens fur Freude Gluck und Heiterkeit Und dies auf einem der reichsten Boden den die Erde tragt Am 23 November 1942 abends nahm Junger den Nachtzug nach Krapotkin und wartete dort auf die Weiterfahrt nach Woroschilowsk wo er nach Dunkelwerden eintraf Hier traf er den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Generaloberst Ewald von Kleist den er aus Hannover kannte und wurde hier auch gegen Fleckfieber geimpft Am 27 November 1942 notierte er Gesprach mit einem Hauptmann Dietloff der vor dem Kriege hier ein grosses Gut geleitet hat uber den Anbau und die Ertragnisse wie sie auf diesem Boden moglich sind Die Fruchtbarkeit ist ungeheuer sie dehnt sich aber wie stets in solchen Fallen auch auf die Plagen aus Es gibt Eiswinde die in Minuten das Getreide in der Blute vernichten und Weizenrost der bei der Ernte in so dichten Wolken aufstaubt dass die Pferde erblinden ferner Legionen von Heuschrecken und Junikafern und Disteln deren Strunk die Dicke eines Mannesarms erreicht Gefurchtet ist auch ein Dornstrauch der ausgewachsen sich zu einer Kugel zusammenschliesst die dann nachdem sie von der Wurzel faulte im Herbstwind samenstreuend uber die Felder rollt Nach einem Besuch des dortigen Pestinstituts blieb er noch bis zum 8 Dezember 1942 abends An diesem letzten Tag klarte der Himmel auf und von einem Kirchturm aus hatte er erstmals einen Blick auf den noch viele Tagesmarsche entfernten Doppelgipfel des Elbrus Ein Kurierzug ein auf Schienen gesetztes Auto mit einem Guterwagen als Anhanger brachte ihn auf dem Weg zur 17 Armee zuruck nach Krapotkin wo er den Tag uber auf den Zug nach Beloretschenskaja wartete der sich um funfzehn Stunden verspatete und der ihn dann am folgenden Morgen dort hinbrachte Am Abend hatte er eine Unterhaltung mit Major K uber die Ermittlung und Bekampfung von Partisanen die zu dessen Aufgaben gehorte und die noch erbarmungsloser erfolge als der Kampf gegen regulare Truppen Ausserhalb jeden Kriegsrechts stehend wurden sie in den Waldern zur regelrechten Ausrottung umstellt Hierzu notierte er tags darauf folgendes Die gestrige Besprechung zeigt mir dass ich zu einer Bestandaufnahme in diesem Lande nicht kommen werde es gibt zuviele Statten die tabu fur mich sind Dazu gehoren alle an denen man sich an Unschuldigen und Wehrlosen vergreift und alle an denen man durch Repressalien und Kollektivmassnahmen zu wirken sucht Ich habe ubrigens keine Hoffnung auf Anderung Die Gegner sehen es voneinander ab Ob es nicht doch vielleicht gut ware die Schreckensstatten aufzusuchen als Zeuge um zu sehen und festzuhalten welcher Art die Tater und Opfer sind Dem steht der Ekel entgegen der mich schon bei der Vorstellung von solchen Schauspielen ergreift Am 12 Dezember 1942 hatte er morgens beim Befehlshaber einen kleinen sachsischen General uber Polizeimassnahmen in Charkow in folgendem Ton sprechen horen Das halte ich fur eine ganz irrige Ansicht dass man die dreizehn vierzehnjahrigen Burschen die mit den Banden aufgegriffen werden nicht liquidieren soll Wer derart ohne Vater und Mutter wild aufgewachsen ist kommt niemals mehr zurecht Da ist die Kugel das einzig Richtige Ubrigens machen s die Russen mit ihnen ebenso Abends die schon fur den Morgen geplante Weiterfahrt zu dem 20 Kilometer entfernten Maikop Am nachsten Morgen am 13 Dezember 1942 ging die Fahrt in aller Fruhe durch die bewaldeten Berge der 142 Kilometer langen Strasse nach dem Schwarzmeerhafen Tuapse folgend zu dem Frontabschnitt der 97 Jager Division im oberen Pschischtal 41 Kilometer vor Tuapse 4 Bis zum 28 Dezember 1942 hielt er sich an Standorten entlang dieser Strasse auf Am weitesten vorgeschoben waren die Stellungen bei Schaumjan zu Fussen des 859 m hohen Indjuk der zusammen mit dem 1035 m hohen Ssemascho in der Hauptwasserscheide des Grossen Kaukasus liegt Der Ssemascho von dem aus das Schwarze Meer zu sehen ist war zeitweise in deutschem Besitz doch war die Versorgung der Stellungen zu verlustreich Ausser in Schaumjan hielt sich Junger auch in Kurinskij Nawaginskij und in Apscheronskaja auf Kurz vor Kurinskij seiner ersten Station war bei Chadyshenskaja eine Brucke durch Hochwasser zerstort Bei der Uberfahrt mit Schlauchbooten uber den reissenden Fluss erzahlte ein junger Infanterist der neben Junger auf seinem Gepack sass Als ich das letzte Mal auf einem solchen Dinge sass fuhr ein Volltreffer hinein der es in zwei Teile zerriss und vier Kameraden totete Nur ich und noch ein anderer kamen mit dem Leben davon Das war auf der Loire So liefert dieser Krieg wohl noch auf Generationen Stoff zu Erzahlungen fur Kind und Kindeskind Und immer wird man horen wie auf den Erzahler einer der guten Treffer in dieser furchterlichen Lotterie gefallen ist Freilich berichten nur die Uberlebenden wie ja auch die Geschichte von ihnen geschrieben wird Nach der Ankunft wurde es dienstlich Im vollig zerstorten Kurinskij meldete ich mich bei dem General de Angelis dem Kommandeur des 44 Jagerkorps einem Osterreicher Er zeigte mir auf der Karte die Stellungen Der Vormarsch auf der Strasse Maikop Tuapse war verlustreich da der Russe sich in den weiten und dichten Waldern eingerichtet hatte und sich mit zahem Geschick verteidigte Nach harten Nahkampfen im Unterholz zerstorten gewaltige Regenfalle die Brucken und machten die Strassen ungangbar Nun liegen die Truppen seit Wochen in feuchten Lochern sowohl durch Kalte und Nasse zermurbt als auch dem Feuer und haufigen Angriffen ausgesetzt Am 16 Dezember 1942 berichtet Junger vom Aufstieg zu einer Hohenstellung oberhalb von Schaumjan Der Kompaniechef ein junger Tiroler aus Kufstein zeigte uns sein Reich Ganz nahe am anderen Hange hatte sich der Russe eingebaut Wie zur Bestatigung peitschte ein Feuerstoss heruber mit grellen Abschussen Von den Geschossen horte man nur die durch das Geast trillernden Querschlager Einer von ihnen riss das Korn von einem Maschinengewehr Wir sprangen in die Deckungslocher und liessen den Sturm vorubergehen An solchen Lagen fallt mir jetzt das halb Komische halb Argerliche auf Das Alter oder vielmehr der Zustand in dem man solche Dinge reizvoll findet und sich sogleich bemuht sie noch zu uberbieten liegt eben hinter mir Die Mannschaft lag nach der durchwachten Nacht zumeist im Schlafe Ich unterhielt mich mit ihnen die hier so fern ans Ende der Welt verschlagen sind Sie haben die schweren Angriffskampfe mitgemacht und sich in diesen Bergen schrittweise vorgefochten um sich hier einzugraben als die Wucht des Stosses ermattete Sie stehen seit langem im Feuer und halten ohne Ablosung Verwundungen todliche Teffer Krankheiten wie sie die Erschopfung und die Nasse mit sich bringen vermindern taglich ihre von Anbeginn geringe Zahl So fuhren sie ein Leben an den Grenzen des Seins Schaumjan war stark zerschossen taglich liegt Feuer auf dem Ort Ein Treffer genugt die Hutten wie Kartenhauser zu zerlegen so dass man ihren Bau studieren kann Aus dem mit Schutt bedeckten Grundriss ragen zwei Stucke der Einrichtung heraus der grosse steinerne Ofen und das eiserne Bettgestell Im Ort ist der Wagenhalteplatz Bis hierher werden die Verwundeten durch Trager aus den Bergen herabgeschleppt Ein Friedhof mit zum Teil schon wieder umgeschossenen Kreuzen zeigt dass bereits diese erste Station ihren todlichen Zoll behalt Der Platz ist nicht gezeichnet das Rote Kreuz hat keinen Kurs Am 19 Dezember 1942 halt er in Nawaginskij folgendes schriftlich fest Am Mittag Aufbruch zum Gefechtsstand der 97 Division Ihr Fuhrer General Rupp erwartete mich an der gesprengten Pschischbrucke Wir setzten auf einer Flosssackfahre uber den lehmgelben Fluss Der Stab wohnt im Bahnwarterhaus Ich sass neben dem General der liebenswurdig scheu ein wenig melancholisch schien Man hatte das Gefuhl dass er trotz mancher Sonderlichkeiten von seinen Offizieren geliebt wurde fahre ich hier bei den Generalen herum und beobachte auch deren Verwandlung zum Arbeiter Die Hoffnung dass dieser Schicht sullanische oder auch nur napoleonische Erscheinungen entwachsen konnten muss man aufgeben Sie sind Arbeiter auf dem Gebiete der Befehlstechnik und wie der nachste beste an der Maschine ersetzbar und auswechselbar Am 21 Dezember 1942 suchte er die Stellungen eines Pionierbataillons oberhalb des Pschischtals auf Hier fand ich die Verhaltnisse ein wenig besser als in den anderen Abschnitten So zog sich ein bescheidenes Drahtgitter von den Postenstanden am steilen Hang zwischen den Baumen entlang Davor war eine dreifache Kette von Minen ausgelegt Das Minenlegen besonders bei Nacht ist ein gefahrliches Geschaft Die Minen werden damit man sie wiederfindet nach einer Schablone eingebaut Man muss sie gut verstecken denn es ist vorgekommen dass die Russen sie ausbauten und vor den eigenen Stellungen eingruben Hier wird vor allem die Springmine angewandt die bei der Beruhrung mannshoch in die Luft fahrt und dann zerschellt Die Sperre wird mit grosser Vorsicht abgeschritten besonders im Dunkeln trotzdem kommt haufig was vor So prufte kurzlich an dieser Stelle ein Fahnrich mit einem Unteroffizier und einem Gefreiten die Minen nach Sie hielten zwar den Spanndraht im Auge Der Unteroffizier rief plotzlich Da raucht s ja warf sich hin und kam davon wahrend die Explosion seine Begleiter zerriss Ehe die Mine hochspringt ertont fur einige Sekunden ein zischendes Gerausch dann ist zum Niederwerfen noch Zeit Die Zundung wird auch zuweilen durch Hasen oder Fuchse ausgelost Vor einigen Wochen flog ein starker Hirsch der lange im Tale zwischen den Stellungen gebrunftet hatte dort in die Luft Die Stellung war also besser trotzdem war die Besatzung sehr erschopft ohne Ablosung seit Ende Oktober in der stark beschossenen Stellung deren Ausbau lange und schwere Kampfe vorausgingen Besuch bei Hauptmann Sperling dem Bataillonskommandeur ermudet unrasiert wie jemand der sich die Nacht und nicht nur diese um die Ohren geschlagen hat Ein Toter ein Verwundeter So Nacht fur Nacht Auch hatte die eigene Artillerie Treffer hinter seine Hangstellung gesetzt Die Leute schimpfen nicht mehr Werden apathisch Das macht mir Sorge Wir sind in einer der ganz grossen Knochenmuhlen wie man sie erst seit Sebastopol kennt Abstieg gegen zwolf Uhr Die Artillerie begann um Essenholer zu erwischen die Schluchten mit schweren Granaten zu beschiessen Durch das Pschischtal zuruck Am Rande des Flusses eine Schlammfigur ein toter Russe der auf dem Gesicht lag wie eine angeschwemmte Katze ein Skandalon Im Ural in Moskau oder in Sibirien warten Frau und Kinder noch jahrelang auf ihn Im Anschluss daran Unterhaltung uber das Thema bei welcher Gelegenheit mich wieder die allgemeine Abstumpfung auch der Gebildeten in moralischen Dingen verwunderte Der Mensch hat das Gefuhl in einer grossen Maschine zu stecken in der es nur passive Teilnahme gibt Am 22 Dezember 1942 auf dem Ruckweg nach Kurinskij Schilderung einer Szene auf dem Steig uber einen gesprengten Sporntunnel Wieder uber die Tunnelhohe Omar ein gutmutiger Aserbeidschaner der in diesen Tagen fur mich gesorgt hatte trug mir dabei die Sachen nach Immer noch lag der tote Trager dort im Schlamme obwohl taglich viele Hunderte an ihm voruberziehen Ein wenig hoher sah ich zwei neue Tote Daran voruber hasteten Gebirgsjager mit schweren Rucksacken und Ketten von Tragern beladen mit Balken Drahtrollen Verpflegung Munition Alle seit langem unrasiert von Lehm verkrustet den Dunst von Menschen ausstromend denen seit Wochen Wasser und Seife fremd geblieben sind Ihr Blick streift kaum die Toten doch fahren sie zusammen wenn im Grunde der Abschuss eines schweren Morsers wie der Stoss aus einem grossen Kessel fahrt Dazwischen Tragtiere die sich im Schlamm gewalzt haben wie grosse Ratten mit verklebtem Fell Verwundete mit leuchtenden Verbanden werden uber den Fluss geflosst und dann in Bahren zu den Krankenwagen geschleppt die zahlreich aufgefahren sind Die roten Kreuze sind getarnt Mit Ubermenschenstimme fullen dabei Melodien von Weihnachtsliedern den ungeheuren Kessel aus der Lautsprecherzug einer Propagandakompanie spielt Stille Nacht heilige Nacht Und dabei immer wieder die schweren Morserstosse von denen das Gebirge widerhallt Am 23 Dezember 1942 trifft Post aus der Heimat ein von seiner Frau seiner Mutter und von Carl Schmitt Seine Frau hat ihm ein Festbrot gebacken mit Haselnussen aus dem Pfarrhausgarten Lekture der Werwolf von Lons den ich seit meiner Kindheit nicht mehr las Ich fand ihn hier in einer Bunkerbibliothek Doch bin ich ganz befangen da die Handlung ganz in der Nahe eigentlich rund um Kirchhorst spielt Dann weiter im Hesekiel Bei knappem Gepack ist die Dunndruckausgabe der Bibel das geeigneteste Buch dass sich mitfuhren lasst Es gleicht einer unerschopfliche Buchse voll Tee oder einem Weihrauch von dem man immer ein Kornchen brennen kann Auch kann man sich zur letzten Wegzehrung ein Kapitel daraus lesen lassen und das ist eine Eignung die weder ein Stuck des Zarathustra noch ein Gedicht von Holderlin besitzt Wahrend Junger den Kampf um Stalingrad bislang nur selten und wie nebenbei unter seinen vielen Exkursen erwahnt hat schreibt er am 24 Dezember 1942 Nachmittags Weihnachtsfeier wir gedachten dabei der 6 Armee Wenn sie der Einschliessung erliegen sollte so wurde der ganze Sudteil der Front ins Wanken kommen und das entsprache genau dem was Speidel mir im Fruhjahr als eine wahrscheinliche Folge einer Kaukasus Offensive voraussagte Es gab Gansebraten und dazu sussen Schwarzmeersekt Ich entfernte mich bald um mich in meiner Kosakenhutte dem Studium der umfangreichen Briefpost hinzugeben die de Marteau mir wahrend der Feier gebracht hatte Einen ersten Hinweis auf Stalingrad notierte er am 23 November 1942 in Rostow am Don just einen Tag vor seiner Ankunft bei der Heeresgruppe A in Woroschilowsk Am Nachmittag wurden Urlauber die auf ihre Zuge warteten angehalten und in fluchtig zusammengestellten Marscheinheiten zur Front geschickt Es heisst dass die Russen nordlich von Stalingrad durchgebrochen sind und erst wieder am 21 Dezember 1942 eine zweite Notiz Am Abend las ich die seltsame Wendung im Heeresbericht in dem von der Gefahr der Flankenbedrohung gesprochen wird Sie spielt wohl auf die Gefahrdung von Rostow an denn ohne Zweifel liegt hier das strategische Ziel der russischen Angriffe Am 25 Dezember 1942 folgt die Einschatzung der personlichen Betroffenheit anlasslich eines Vier Augen Gesprachs Bei unserer Unterhaltung die sich an die Lage der 6 Armee anschloss wurde mir ein Verhaltnis deutlich dessen ich mir so klar noch nicht bewusst gewesen war ein jeder von uns wird in diesen Kesseln mit umgeschmolzen auch wenn er korperlich nicht gegenwartig ist Uber den Aufenthalt in Apscheronskaja das 57 Strassenkilometer von der Front bei Schaumjan entfernt liegt schreibt er am 27 Dezember 1942 Fur zwei drei Tage in Apscheronskaja um hier zu baden und die Sachen ausbessern zu lassen die durch die Berggange stark mitgenommen sind Der Ort ist von Versorgungs und Nachschubtruppen belegt und auch mit Lazaretten um die sich ein Kranz schnell anwachsender Friedhofe schliesst Wir saen die Toten reichlich aus Viele der hier Begrabenen mussen Seuchen erlegen sein was ich schon daraus schliesse dass auf den Kreuzen die Namen von Arzten nicht selten sind Am 29 Dezember 1942 ging es von Apscheronskaja nach dem 30 Kilometer westlich gelegenen Kutais wo er bis zum Jahreswechsel blieb Den Ort beschreibt er am 30 Dezember so Der Ort gleicht einem Schlammloch Auch in das Innere der Gebaude dringt die Schlammflut ein Ich war am Morgen in einem Lazarett das sich inmitten eines gelbbraunen Sumpfes erhob Unter solchen Umstanden muss man versuchen wenigsten die drei untersten Bedingungen des Wohlbefindens zu sichern warm trocken satt Das war gelungen man sah die Kranken in ihren geheizten Verschlagen in apathischen Gruppen dahindammern Erkaltungskrankheiten wiegen vor und zwar in ihren schwersten Formen wie Nieren und Lungenentzundungen fehlt es den Korpern auch vollig an Reserven so kann ein Streifschuss zum Tode fuhren weil selbst fur ihn die Heilkraft nicht mehr genugt Auch gibt es Durchfalle mit todlichem Ausgange Im Ort liegen noch zahlreiche Minen und bringen Verluste ein Am 31 Dezember 1942 verschaffte er sich von Kutais aus einen Eindruck von der Erdolforderung in den dortigen Olfeldern die ja ein Hauptgrund fur den Vormarsch zum Kaukasus waren Vormittags besuchte ich Herrn Maiweg der in Schirokaja Balka eine Einheit der Mineralolbrigade fuhrt So nennt sich ein halb militarischer halb technischer Verband dessen Aufgabe die Erkundung Sicherung und Neuerschliessung der eroberten Olgebiete ist Vor ihrem Abzug zerstorten die Russen in ausserordenlich grundlicher Weise alle Sonden und Anlagen Sie gossen in die Bohrlocher Zement den sie mit Eisenstucken Spiralen Schrauben und alten Bohrern futterten Auch versenkten sie eiserne Pilze die wenn man sie anbohrt und hochzuziehen sucht sich spreizen und das Gestange mitreissen Nach langerer Unterhaltung setzten wir uns zu Pferde und ritten das Gelande ab Verrostete verbogene zerstuckte Teile lagen wirr umher dazwischen standen die gesprengten Maschinen Kessel Tanks In diesem Chaos anzufangen mochte entmutigen Der Anblick von Minensuchtrupps die mit spitzen Eisengabeln sorgfaltig das Erdreich durchstachen erweckte das beklemmende Gefuhl von dem man ergriffen wird wenn man der Erde nicht mehr trauen darf Doch war ja das brave Pferd noch unter mir Mittags folgte ein Gesprach uber das grosse Thema der Kriegsdauer Der Olingenieur hielt ein Totlaufen des Krieges an einer Art Limes fur wahrscheinlich Dagegen Junger Der unentschiedene Ausgang ware ja auch das Schlimmste was man sich denken kann Die weitverbreitete Prognose der endlosen Dauer beruht im wesentlichen auf einem Mangel an Phantasie sie liegt den Menschen nahe die keinen Ausweg sehen Detail russische Gefangene die Maiweg fur seinen Wiederaufbau aus allen Lagern hatte herauslesen lassen Bohrmeister Geologen ortsansassige Olarbeiter wurden auf einem Bahnhof durch eine fechtende Truppe als Trager requiriert Es waren funfhundert Mann von denen dreihundertundfunfzig an den Wegrandern umkamen Von den ubrigen starben nach der Ruckkunft noch einhundertundzwanzig an Erschopfung so dass nur dreissig zuruckblieben Uber die abendliche Silvesterfeier im Stabsquartier halt er fest dass reine Festfreude in diesen Jahren nich moglich ist So erzahlte der General Muller von den ungeheuerlichen Schandtaten des Sicherheitsdienstes nach der Eroberung von Kiew Wenn man in solche Einzelschicksale hineingeblickt hat und dann die Ziffern ahnt in denen die Ermordung in den Schinderhutten sich vollzieht eroffnet sich die Aussicht auf eine Potenzierung des Leidens vor der man die Arme sinken lasst Ein Ekel ergreift mich dann vor den Uniformen den Schulterstucken den Orden den Waffen deren Glanz ich so geliebt habe Das alte Rittertum ist tot wie es noch in den Kriegen Napoleons ja noch im Weltkrieg der Macht den Adel gab Der Mensch sieht seinesgleichen als Ungeziefer an Gerade davor muss er sich huten wenn er nicht in die Insektensphare hineingeraten will Am Neujahrstag 1943 ging es zuruck nach Apscheronskaja wo in der folgenden Nacht funfzig Bomben fielen Am 2 Januar 1943 ging es morgens weiter nach Maikop wo ihn nachmittags Rudolf Konrad empfing Kommandierender General des XXXXIX Gebirgs Korps Aus dieser Begegnung halt er Folgendes fest Nachmittags empfing mich General Konrad der Fuhrer der Hochkaukasusfront Er zeigte mir die grosse Lagekarte und sagte dass der Ruckzug in Vorbereitung sei Die Schlage auf die 6 Armee erschuttern den gesamten Sudflugel Er meinte dass unsere Krafte im letzten Jahr verpufft worden seien von Leuten die sich auf alles andere verstunden als auf die Kriegfuhrung Besonders dilettantisch sei die Vernachlassigung der Schwerpunktbildung Clausewitz wurde sich im Grabe umdrehen Man folge jeder Begierde jeder zeitlichen Idee und Propagandaziele verdrangten die strategischen Man konne den Kaukasus Agypten Leningrad und Stalingrad angreifen doch nicht zu gleicher Zeit und dabei noch mit einigen Nebenplanen beschaftigt sein Am nachsten Morgen liess ihn der General mit einem zweisitzigen Fieseler Storch zu dem 165 Kilometer ostlich gelegenen Tscherkessk fliegen um von dort aus entlang von Kuban und seinem linken Nebenfluss Teberda den 101 Strassenkilometer weiter sudlich gelegenen Hohenkurort Teberda auf 1350 m zu erreichen Dieser Ort liegt 57 Kilometer westlich des Elbrus und 20 Kilometer vor dem Talschluss an der Hauptwasserscheide des Grossen Kaukasus bei Dombai Junger wurde in Teberda von dem ihm aus fruheren Zeiten bekannten Oberst Le Suire begrusst der dort mit dem Gebirgsjagerregiment 99 eine aus Gebirgsjagern gebildete Kampfgruppe fuhrte Zu dem Gefechtsstand in dem auf 1650 m gelegenen Dombai macht Junger sich am 4 Januar 1943 auf den Weg Dies war sein weitestes Vordringen im Hochkaukasus Folgendes sei aus seinen Aufzeichnungen zitiert Weiter hinauf in das Teberdatal bis zum Gefechtsstand des Hauptmanns Schmidt der oben mit Hochgebirgsjagern zwei Passe sperrt Dazu bediente ich mich des Kettenkraftrades eines Fahrzeugs fur unwegsame Anstiege Hoch oben im Amanauskessel stehen die holzernen Gebaude einer Heilstatte Hier empfing mich der Hauptmann Schmidt auf seinem Gefechtsstand uber dem sich die Eisriesen aufrecken links das Massiv des Dombai Ulgen dann die Belaja Kaja Im gewaltigen Amanausgletscher mit seinen Flachen von grunem Blankeis mit seinen tiefen Spalten und funkelnden Abrissen liegen die Posten die die Passe sichern sie steigen noch sieben Stunden zu ihren Eis und Schneehutten russische Spahtrupps hatten sich oben in Schneelochern eingegraben ein Feuergefecht war im Gang Diese Schneelocher werden mit einer Zeitung tapeziert ud mit einer Kerze geheizt das ist der ganze Komfort Hier oben gedachte ich solange wie moglich zu bleiben und hin und wieder aufzusteigen in die Gletscherwelt Doch kam aus Teberda der Funkspruch dass unverzuglich der Ruckzug notwendig geworden sei Das heisst wohl dass die Lage bei Stalingrad sich noch verschlechtert hat So musste ich den ersten Punkt an dem ich mich wirklich wohl fuhlte verlassen kaum dass ich ihn erblickt hatte Auch wurde das Wetter das hier seit Wochen heiter gewesen war plotzlich drohend Auch in Teberda fand ich alles aufgestort Die 1 Panzerarmee links raumt ihre Stellungen die Hochkaukasusfront wird von der Bewegung erfasst In Tagen werden Positionen aufgegeben deren Erringung mehr Blut und Muhe kostete als je ein Hirn ermisst Infolge der Ubersturzung wird viel zuruckbleiben Der Oberst hat Befehl die Munition zu sprengen und die Vorrate zu vernichten auch werden die Kreuze von den Grabern genommen und ihre Spuren verwischt beide Madchen die bei Tisch aufwarteten weinten und meinten dass die Russen ihnen die Halse abschneiden wurden worauf der Oberst ihnen einen Platz beim Tross einraumte Am 5 Januar 1943 war Junger noch einmal im Teberdatal unterwegs Wer weiss wann wieder einmal das Auge eines Deutschen auf diesen Waldern ruht Ich furchte dass nach dem Kriege grosse Teile des Planeten sich hermetisch abschliessen Am 6 Januar 1943 ging es auf einer von ruckflutenden Kolonnen uberfullten Strasse zuruck nach Tscherkessk Auch viele Karatschaier waren zu sehen Sie hatten die Deutschen als Befreier begrusst und mussten nun fluchten um der Abschlachtung zu entgehen Hinter Tscherkessk begann eine Irrfahrt durch eine weglose Schneewuste in der das Fahrzeug Jungers mehrfach festsass und die Insassen nur mit Hilfe der einheimischen Bevolkerung schliesslich spat nachts durch aufkommenden Schneesturm hindurch Woroschilowsk erreichten Junger beschreibt die in ihm aufgekommenen Emotionen wie folgt Die Irrfahrt gab mir eine Ahnung von der Gewalt mit der der Raum den Geist angreift Der Widerspruch den dieser Angriff weckt wird als ein dumpfes lahmendes Unbehagen deutlich wie ich es nie auf dem Meer empfand Am 7 Januar 1943 fand Junger den Stab der Heeresgruppe A in gedruckter Stimmung vor er beschreibt einen Gemutszustand der Erstarrung verbunden mit der Erkenntnis dass sich das Netz um die Kaukasusfront zuziehen wolle Auch die Bevolkerung fand er unruhig ein Teil bereitete sich vor den deutschen Ruckzug zu begleiten Ahnliches habe sich schon beim Ruckzug der 1 Panzerarmee im mittleren Frontabschnitt abgespielt und am zweiten oder dritten Tag seien viele bedauernswerte Fluchtlinge liegen geblieben Am nachsten Tag war Junger zu Mittag beim Oberbefehlshaber dem Generaloberst Ewald von Kleist den er sorgenvoll vor seiner Karte fand Im Vorzimmer ereilte ihn die Telegrammnachricht dass sein Vater schwer erkrankt sei Und es verbreiteten sich Geruchte dass die Bahnlinie nach Rostow unterbrochen sei Jedoch war schon in der Kuriermaschine die am nachsten morgen in dem 65 Kilometer weiter westlich gelegenen Armavir aufsteigen sollte ein Platz fur ihn reserviert Zwei Stunden spater fuhr ein Wagen dorthin ab Wahrend der Nachtfahrt nach Armavir dachte er lebhaft an seinen Vater Ernst Georg Junger und schreibt am 9 Januar 1943 Nun in der Ermudung der ersten Morgenstunde sah ich am dunklen Himmel seine Augen strahlen gross und in tieferem lebendigerem Blau als je zuvor Nun sah ich sie voll Liebe auf mir ruhen Um zwei Uhr Ankunft in Armavir wo ich ein wenig auf den gefullten Postsacken schlief Um sechs Uhr Abflug in einer grunlackierten Maschine die den Namen Globetrotter trug und die ein Prinz von Coburg Gotha steuerte 5 Zwei Stunden spater uberflogen wir den Don der grun mit weissem Schollenbruch gefroren war Auf den Strassen sah man starke Kolonnen zuruckfluten In Rostow landeten wir fur einen Augenblick auf einem Flugplatz auf dem Schwarme von Bombern ungeheure Projektile aufluden In Kiew stieg ich im alten Hotel ab das mir jetzt sehr komfortabel schien Ich teilte mein Zimmer mit einem Offizier des ersten Weltkriegs der aus dem Stalingrader Kessel kam Es scheint dass dort schon die Flugplatze unter gezieltem Beschuss liegen Sie fullen sich mit zerstorten Maschinen an Am 10 Januar 1943 einem Sonntag traf er mittags in Lotzen ein und meldete sogleich Ferngesprache nach Kirchhorst und Leisnig an Um sieben Uhr erfuhr ich von Perpetua dass mein guter Vater gestorben ist wie ich es schon deutlich geahnt hatte Am Mittwoch soll er in Leisnig beerdigt werden ich komme also noch zurecht was mich doch sehr beruhigt Wie in den letzten Tagen oftmals sann ich lange uber ihn nach uber sein Los seinen Charakter sein Menschtum Nach Besorgungen in Lotzen nahm er am Montagabend den Schlafwagen nach Berlin Dann setzen seine taglichen Aufzeichnungen aus bis er am 21 Januar 1943 ruckblickend festhalt Fahrt nach Leisnig am 12 Januar In Leisnig suchte ich nach kurzer Begrussung der Geschwister sogleich den Friedhof auf wo mir die Heimburgerin den Schlussel zur Totenkapelle gab Es war schon dammerig als ich ihr Tor aufschloss Im offenen Sarge hoch aufgebahrt im Frack der Vater in hoher Entfernung feierlich Ich naherte mich langsam entzundete die Kerzen rechts und links von seinem Haupt Sah lange in das Gesicht das mir sehr fremd geworden war Er wurde am ersten Weihnachtsfeiertage krank und legte sich zu Bett nachdem er einige Tage auf dem Sofa geblieben war Jetzt musst ihr eben sehen wie ihr allein fertig werdet sagte er bald darauf Der Zustand verschlimmerte sich dann schnell so dass ihn der Arzt in das Krankenhaus uberfuhren liess wo sein Leiden als doppelseitige Lungenentzundung erkannt wurde Friedrich Georg sah ihn noch am Freitag nachmittag In der Nacht Sonnabend um ein Uhr soll er dann nach Aussage der Krankenschwester gestorben sein Das ware also um die gleiche Stunde zu der ich auf der Fahrt nach Armavir seine Augen erscheinen sah Auch wurde ich betroffen als ich jetzt beim Blattern in meinen Tagebuchern entdeckte dass ich genau ein Jahr zuvor traurig erwacht war weil ich von seinem Tode getraumt hatte Am nachsten Tage war die Beerdigung an der wie er gewunscht nur die Familie sich beteiligte Am Sonnabend fuhr ich fur etliche Tage nach Kirchhorst Landung und Vormarsch der Alliierten Bearbeiten Unter dem 8 und 10 Mai 1944 findet erstmals die Gefahr einer Landung der Alliierten in Frankreich Niederschlag in den Aufzeichnungen Die Landung beschaftigt alle Sinne sowohl die deutsche Fuhrung wie die Franzosen glauben dass es in diesen Tagen dazu kommen wird Agenten hatten den Beginn der Landung auf vier Uhr morgens vorausgesagt Am 14 Mai 1944 zitiert er General Hans Speidel mit den Worten Im Herbst ist in Europa der Krieg vorbei Am 6 Juni 1944 schreibt er uber die Landung der Alliierten Sie wurde am Morgen in Paris bekannt und uberraschte viele insbesondere auch Rommel da er nach Deutschland zum Geburtstag seiner Frau gefahren war Das ist ein Schonheitsfehler fur die Ouverture einer so grossen Schlacht Es handelt sich ohne Zweifel um den Beginn des grossen Angriffes der diesen Tag historisch machen wird Uber ein Treffen bei Speidel in La Roche Guyon am 16 Juli 1944 schreibt er Er musste haufig telefonieren daKniebolo der eine neue Landung furchtet uber zwei Panzerkorps nach eigenem Ermessen und anders als die Lage es erfordert verfugen will Gesprache auch daruber wie lange Zeit der Deutsche sich diese Schiessbudenfigur vom Halse zu schaffen noch brauchen wird Nun schlagt ihm das Schicksal den Takt dazu Der General dagegen schien guten Mutes denn er tat den Ausspruch dass die Friedensschrift nun bald erscheinen wird Nach der lapidaren Feststellung vom 5 August 1944 dass die Amerikaner bei Rennes Mayenne und Laval stunden und die Bretagne abschnitten machte sich Junger auf einen Abschied aus Paris gefasst der dann auch am 13 August 1944 erfolgte zwolf Tage vor dem Einmarsch der Alliierten Luftkrieg Bearbeiten Junger geht sparsam mit Verwendung des Wortes Bombe um Oft spricht er von Uberfliegungen Angriffen und Abwurfen und Die bekannteste und am heftigsten kritisierte Stelle findet sich unter dem 27 Mai 1944 bei einer Bombardierung von Paris Beim zweiten Mal bei Sonnenuntergang hielt ich ein Glas Burgunder in dem Erdbeeren schwammen in der Hand Die Stadt mit ihren roten Kuppeln und Turmen lag in gewaltiger Schonheit gleich einem Kelche der zu todlicher Befruchtung uberflogen wird Alles war Schauspiel war reine vom Schmerz bejahte und uberhohte Macht 6 Diese Stelle ist oft als Beispiel fur einen unmoralischen Asthetizismus Jungers angefuhrt worden Allerdings gibt es ahnliche Passagen unter anderem bei Marcel Proust Oscar Wilde oder Erich Kastner 7 Am 3 November 1944 schreibt er in Kirchhorst Nachmittags kam Hanne die neulich in der hannoverschen Altstadt von einem Tagesangriff uberrascht wurde Sie erzahlte von den Szenen die sich in den Bunkern abspielen Die Bomben heulten in der Nahe herunter Staub und Qualm drangen durch ein kleines Fenster ein und machten die Gesichter unkenntlich Der Raum war von Seufzen Schreien und Stohnen erfullt die Frauen wurden ohnmachtig Den Kindern hatte man weil sie sich vor Angst ubergaben Tucher vor das Gesicht geknupft Eine Frau drohte niederzukommen Keiner der Insassen war mehr fahig zu stehen sie lagen zitternd mit Schaum vor dem Munde am Boden ausgestreckt Selbst die robuste Hanne meinte Eck was fertig as es to Enne was Am Tag darauf folgende Schilderung Gegen mittag gewaltige Uberfliegung Zunachst kam ein Geschwader von vierzig Flugzeugen die heftig beschossen wurden zwei sah man Rauchfahnen nach sich ziehen eines flog brennend eine Haarnadelkurve und verschwand in einer weissen Wolke aus der dann die Trummer rieselten Grosse Mengen von Bombern folgten sie leuchteten weisssilbern im Sonnenschein Das Abwehrfeuer schwoll zu voller Starke und zuweilen erfullte das Pfeifen sausender Bomben die Luft Ich beobachtete die Vorgange im Garten wahrend der Hohepunkte in den Bunker eintretend Das Brausen der den Himmel bedeckenden Geschwader ist so stark dass es das Geschutzfeuer und selbst den Einschlag der Bomben ubertont Auch wirkt der Eindruck der Geschwader die unbeirrbar weiterziehen selbst wenn in ihrer Mitte Maschinen zerspringen oder aufflammen noch machtiger als die Bombenwurfe selbst Man sieht den Willen zu vernichten auch um der eigenen Vernichtung Preis Das ist ein damonischer Zug Am Abend ein weiterer Angriff mit zahlreichen Christbaumen Am Rande des Moorwaldes ist eine Batterie aufgestellt jeder ihrer Schusse versetzt dem Haus einen Stoss und ruttelt an seinen Grundfesten Uber den Tagesangriff vom 26 November 1944 schrieb er Folgendes Sonntagvormittag zur Nacht schon zweimal uberflogen Dann Meldung dass sich starke Geschwader naherten Ich zog den Mantel an um in den Garten zu gehen von dem aus man zunachst im Norden eine grosse Anzahl von Flugzeugen die Luft durchqueren sah Dann flogen uber funfhundert Maschinen aus der Richtung von Celle an gestaffelt in Geschwadern zu etwa vierzig Stuck Zwei oder drei Geschwader schwenkten auf das Haus in gerader Richtung ein und klinkten uber ihm ab so dass der Wurf nach meiner Schatzung in der Nahe von Bothfeld niederging Die Abwehr war starker als zuvor Das Fuhrerflugzeug wurde voll getroffen und eine lange hellrot lodernde Flamme heftete sich ihm an Es sturzte in der Nahe ab Die Rauchwolken umhullten bald das Haus Es hatte den Anschein als ob einer der Teile ein grosser silbriger Flugel an dem ein Motor hing und der sich langsam drehte auf uns herabfallen wurde doch trudelte er unter fauchendem Gerausch uber das Lehrerhaus hinweg hinter dem er verschwand Auch zwei Fallschirme trieben uber den Garten der eine ganz niedrig so dass man den Menschen daran hangen sah als ob man ihm auf der Strasse begegnete Das Schauspiel war stark berauschend es zerrte an der Vernunft Bei diesen Vorgangen gibt es einen Grad an dem die eigene Sicherheit nebensachlich zu werden beginnt die anschaulichen Elemente steigern sich derart dass fur die reflektierenden kein Platz mehr bleibt nicht einmal fur die Furcht Tags darauf Ohne Licht ohne Wasser ohne Strom da auch das Kraftwerk in Ahlten getroffen ist Wir sollen gestern von sechzehnhundert Maschinen uberflogen worden sein Der Flugel schlug auf einer nahen Wiese auf das Flugzeug beruhrte dicht hinter Bothfeld den Boden und brannte aus Bei Grosshorst fand man einen Kopf und eine Hand Auch lagen zwei zerschmetterte Leichen in der Nahe man sah dass die Fallschirme sich ineinander verwickelt und deshalb nicht gespannt hatten Einer der Piloten war in Stelle gelandet es heisst dass einer der Bewohner des Ortes und zwar ein gefluchteter Hollander sich auf ihn sturzte und ihm zwei Schlage mit der Axt zufugte Der Nachbar Rehbock der gerade mit einem Ackerwagen voruberfuhr entriss ihm den Verletzten und brachte ihn unter Lebensgefahr in Sicherheit Die beiden Amerikaner deren Fallschirme sich verstrickt hatten wurden auf einem kleinen Friedhof bestattet Der Anschlag Bearbeiten Das Attentat auf Hitler fand in seinen Aufzeichnungen vom 21 und 22 Juli 1944 folgenden Niederschlag Gestern abend wurde der Anschlag bekannt Die hochst gefahrliche Lage gewinnt damit noch eine besondere Zuspitzung Der Attentater soll ein Graf Stauffenberg sein Ich horte den Namen bereits von Hofacker Das wurde meine Meinung bestatigen dass an solchen Wenden die alteste Aristokratie ins Treffen tritt Auch wird es immer schwieriger die Maske zu bewahren so geriet ich heute vormittag in einen Wortwechsel mit W der das Ereignis als unerhorte Schweinerei bezeichnete Dabei bin ich seit langem der Uberzeugung dass durch Attentate wenig geandert und vor allem nichts gebessert wird Nachmittags verbreitete sich im engsten Kreis die Nachricht dass der Oberbefehlshaber seines Amtes enthoben und nach Berlin befohlen sei Er hatte nachdem die Nachricht aus der Bendlerstrasse eingelaufen war die gesamte SS und den Sicherheitsdienst verhaften lassen um sie dann wieder in Freiheit zu setzen als er bei Kluge in La Roche Guyon Vortrag gehalten hatte und als kein Zweifel mehr daruber walten konnte dass das Attentat misslungen war Die Riesenschlange im Sack gehabt und wieder herausgelassen wie derPrasidentsagte als wir in hochster Erregung bei geschlossenen Turen verhandelten Dazu kommt der Unfall Rommels vom 17 Juli mit dem der einzige Pfeiler abgebrochen wurde auf dem ein solches Unternehmen moglich war am nachsten Tag erfuhr ich vom Neuhaus die Schreckensnachricht dass Heinrich von Stulpnagel gestern auf der Fahrt nach Berlin die Pistole auf sich richtete doch dass er am Leben blieb und das Augenlicht verlor Welche Opfer hier wieder fallen und gerade in den kleinen Kreisen der letzten ritterlichen Menschen der freien Geister der jenseits der dumpfen Massenleidenschaften Fuhlenden und Denkenden Und dennoch sind diese Opfer wichtig weil sie verhuten dass die Nation als Ganzes als Block in die entsetzlichen Tiefen des Schicksals fallt In Kirchhorst schrieb er am 5 November 1944 uber einen Besuch von Paul Wilhelm Loehning Zum Kaffee kam General Lohning Dieser hat Einblicke besonderer Art in die politische Unterwelt hat insbesondere Kenntnis von der Entstehung der Staatspolizei die er ja grundete Ich horte von ihm schaurige Einzelheiten uber die Passion von Freunden und Bekannten vor ihrer Hinrichtung Erfahrungen als Zivilist im Krieg Bearbeiten Mit dem Vorrucken der Alliierten siedelt Junger von Paris wieder nach Kirchhorst bei Hannover uber Es werden unter anderem etliche Luftangriffe geschildert Dieser Teil endet mit dem Eintreffen amerikanischer Truppen Bibellesung Bearbeiten Am Pfingstsonntag 28 Mai 1944 schloss Junger seine erste Gesamtlesung der Bibel ab die er am 3 September 1941 begonnen hatte Hierzu hielt er fest Meine Erziehung lief in entgegengesetzter Richtung von fruher Jugend auf war mein Denken durch den exakten Realismus und Positivismus meines Vaters bestimmt Dem leistete auch jeder bedeutendere Lehrer auf den ich stiess Beihilfe Die Religionslehrer waren meist langweilig bei manchen hatte man das Gefuhl als geniere sie der Stoff Am 14 Dezember 1944 entschloss er sich zu einer zweiten vollstandigen Bibellesung Rezeption BearbeitenStrahlungen war eines der erfolgreichsten Bucher Jungers mit einer Auflage von 20 000 Exemplaren im ersten Jahr Es fand eine umfangreiche und sehr kontroverse zeitgenossische Kritik Beispielsweise kritisierte Erich Kuby es als unergiebig und erstarrt wahrend Alfred Andersch es als Logbuch lobte 8 Peter de Mendelssohn bemangelte einerseits verschiedene Formen von Kitsch lobte andererseits die Dokumentation deutscher Kriegsverbrechen 9 Die Zeit nahm das Buch 2012 in einen Kanon Europas Weltliteratur auf als einen der zehn besten und international wirkmachtigsten europaischen Romane der vierziger Jahre 10 Literatur BearbeitenAusgabenStrahlungen Heliopolis Verlag Ewald Katzmann Tubingen 1949 Samtliche Werke Band 2 Tagebucher II Strahlungen I Klett Cotta Verlag Stuttgart 1979 ISBN 978 3 608 93472 4 Samtliche Werke Band 3 Tagebucher III Strahlungen II Klett Cotta Verlag Stuttgart 1979 ISBN 978 3 608 93473 1 Strahlungen I Garten und Strassen Das erste Pariser Tagebuch Kaukasische Aufzeichnungen dtv Taschenbuch Munchen 1995 ISBN 3 423 10984 X Strahlungen II Das zweite Pariser Tagebuch Kirchhorster Blatter Die Hutte im Weinberg dtv Taschenbuch Munchen 1995 ISBN 3 423 10985 8SekundarliteraturHelmuth Kiesel Ernst Junger Die Biographie Siedler 2007 ISBN 3 88680 852 1 Steffen Martus Ernst Junger Stuttgart Weimar 2001 ISBN 3 476 10333 1 Peter de Mendelssohn Gegenstrahlungen Ein Tagebuch zu Ernst Jungers Tagebuch Der Monat 2 1949 S 149 174Weblinks BearbeitenRezensionAnmerkungen Bearbeiten Tobias Wimbauer Personenregister der Tagebucher Ernst Jungers Edition Antaios 1999 2 Auflage erweitert und erganzt 2003 ISBN 3 935063 51 2 vgl Protagonist der Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung Ein Tagebuch gefuhrt von sieben Seeleuten welche auf der Insel St Maurice Jan Mayen bei Gronland in den Jahren 1633 bis 1634 uberwinterten und sammtlich auf dieser Insel starben Anlage II in Die Osterreichische Arktische Beobachtungsstation auf Jan Mayen 1882 1883 Verlag von Gerold amp Co Wien 1882 Seite 69 bis 87 der Datei Strasse Maikop Tuapse auf Google maps Hubertus von Sachsen Coburg und Gotha Dieser letzte Satz fehlt in der Vierten durchgesehenen Auflage 24 bis 55 Tausend 1955 Kiesel Ernst Junger S 519 Alfred Andersch Strahlungen Frankfurter Hefte 5 1950 S 209 211 und Erich Kuby Strahlungen Frankfurter Hefte 5 1950 S 205 209 Peter de Mendelssohn Gegenstrahlungen Der Monat 2 1949 S 149 174 Die Zeit Nr 29 12 Juli 2012 S 45 ff VWerke von Ernst JungerRomane Auf den Marmorklippen Heliopolis Ruckblick auf eine Stadt Glaserne Bienen Die Zwille Eumeswil Eine gefahrliche BegegnungErzahlungen Sturm Afrikanische Spiele Die Eberjagd Besuch auf Godenholm Aladins ProblemTagebucher Kriegstagebuch 1914 1918 In Stahlgewittern Das Waldchen 125 Eine Chronik aus den Grabenkampfen Feuer und Blut Garten und Strassen Myrdun Briefe aus Norwegen Atlantische Fahrt Ein Inselfruhling Strahlungen Am Sarazenenturm Jahre der Okkupation Siebzig verweht I Siebzig verweht II Siebzig verweht III Siebzig verweht IV Siebzig verweht VEssays Der Kampf als inneres Erlebnis Das abenteuerliche Herz Aufzeichnungen bei Tag und Nacht Der Kampf um das Reich Die totale Mobilmachung Der Arbeiter Herrschaft und Gestalt Blatter und Steine Das abenteuerliche Herz Der Friede Ein Wort an die Jugend Europas und an die Jugend der Welt Sprache und Korperbau Am Kieselstrand Uber die Linie Der Waldgang Der gordische Knoten Das Sanduhrbuch Rivarol An der Zeitmauer Der Weltstaat Sgraffiti Typus Name Gestalt Dezember Bois de Noel Grenzgange Essays Reden Traume Subtile Jagden Ad hoc Annaherungen Drogen 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