www.wikidata.de-de.nina.az
Klassifikation nach ICD 10T66 StrahlenkrankheitICD 10 online WHO Version 2019 Durch massive Rontgenstrahlung hervorgerufene Verbrennungen an einer Hand Die Strahlenkrankheit ist eine mogliche Folge von akuter kurzzeitiger Bestrahlung des Organismus durch ionisierende Strahlung wie beispielsweise Rontgen oder Gammastrahlung zum Beispiel nach Strahlungsunfallen oder Kernwaffenexplosionen Infolge der Strahlen der Hiroshimabombe entstandene NekroseInhaltsverzeichnis 1 Pathologie 2 Symptome 3 Vergleich mit Jahresdosiswerten 4 Vorbeugung 5 Therapie 6 Literatur 7 EinzelnachweisePathologie BearbeitenDer Verlauf der Strahlenkrankheit hangt stark von der empfangenen Strahlendosis ab Ein Teil der Symptome wurden fruher etwa 1909 von Carl Joseph Gauss als Rontgenkater oder auch Strahlenkater beschrieben 1 Sie kann nur geringe Langzeitschaden aber auch den Tod innerhalb von Minuten bedeuten Bei mittleren Dosen zeigen sich Symptome innerhalb von Stunden und Tagen darunter Haut und Schleimhautschaden innere Blutungen sowie Veranderungen des Blutbildes und des Immunsystems Dermatologische Symptome Erythema juckende Hautrotungen Purpura Bullae Blasen Geschwure Haarausfall bei starken Dosen z T dauerhaft Nekrosen sonstige Hautschaden Gastrointestinale Symptome Ubelkeit Erbrechen Diarrhoe Durchfall Appetitlosigkeit Hamatopoetische Symptome Myelosuppression erhohtes Infektionsrisiko aufgrund weniger weisser Blutkorperchen Leukopenie verstarkte Blutungen aufgrund weniger Blutplattchen Thrombozytopenie Blutarmut aufgrund weniger roter Blutkorperchen Anamie Arterielle Hypotonie Neurologische Symptome Schwindel Kopfschmerzen Benommenheit Storungen des Zentralnervensystems Krampfanfalle Tremor Ataxie Sonstige Symptome Fieber Mudigkeit Unfruchtbarkeit temporar bis dauerhaft Menschliches und tierisches Gewebe weist gegenuber ionisierender Strahlung eine je nach Gewebeart unterschiedliche Strahlensensibilitat auf Fruher wurde angenommen das Gewebe wurde umso starker geschadigt je hoher seine Teilungsrate ist Gesetz von Bergonie und Tribondeau 1906 Das ist inzwischen widerlegt Die Empfindlichkeit eines Organs oder Gewebesystems hangt vielmehr von der Lebensdauer der Funktionszellen und von der Grosse der Stammzellfraktion ab denn die Strahlung fuhrt in der Regel nicht zum sofortigen Tod der bestrahlten Zellen sondern zum Verlust ihrer Teilungsfahigkeit 2 Beispielsweise haben Haut und Schleimhaut eine sehr hohe tagliche Zellaustauschrate Geht die Teilungsfahigkeit der Stammzellen durch Strahlung verloren so geht die Haut innerhalb weniger Tage zugrunde Ein langsam ausgetauschtes Gewebe wie beispielsweise Knochen entwickelt Strahlenschaden dagegen erst nach vielen Monaten Diesen Umstand macht man sich bei der Strahlentherapie zunutze da Tumorgewebe normalerweise einen schnelleren Zellaustausch und eine hohere Wachstumsrate aufweist als das umliegende gesunde Gewebe Das Wachstum der Tumorzellen wird unterbunden wobei Schaden von gesundem Gewebe wesentlich spater auftreten Einige Tierarten reagieren wesentlich unempfindlicher auf ionisierende Strahlung als der Mensch So sollen Skorpione hundertfach resistenter gegenuber schadlicher Gamma Strahlung sein was vermutlich auf den geringen DNA Gehalt in den Korperzellen der Skorpione zuruckgeht Ebenfalls ist die Auspragung der Strahlenkrankheit abhangig von der Art und Energie der Strahlung und davon ob die Strahlung nur von aussen auf den Korper wirkt oder ob sie durch inkorporierte radioaktive Substanzen direkt im Korperinneren wirkt Symptome BearbeitenGenerell gilt fur die Strahlenkrankheit Je hoher die Dosis desto schwerwiegender sind die Auswirkungen desto schneller treten die Symptome auf desto langer dauert die Erholungsphase desto langer bleibt die Krankheit bestehen und desto geringer werden die Uberlebenschancen Uber Verlauf und Uberlebenschancen entscheidet die erhaltene Aquivalentdosis Sie wird in Sievert Sv angegeben Die folgenden Dosisangaben beziehen sich auf akute Bestrahlung des gesamten menschlichen Korpers Akut bedeutet hier kurzdauernd im Vergleich zur Dauer physiologischer Heilungsvorgange Bei protrahierter d h zeitlich uber Stunden oder langer verteilter Aufnahme der gleichen Dosis ist die Schadwirkung geringer ebenso wenn nicht der ganze Korper sondern nur weniger empfindliche Korperteile wie z B Arme oder Beine bestrahlt werden Die Zuordnung Dosiswerte Symptome unterscheidet sich in verschiedenen offentlich zuganglichen Dokumenten etwas da die Werte nicht experimentell am Menschen erprobt sind Die im Folgenden angegebenen Werte beruhen hauptsachlich auf Erfahrungen mit Rontgen oder Gammastrahlen Sie wurden aufgrund der Folgen von Atombombenabwurfen und anderen Ereignissen statistisch ermittelt Auswirkungen kurzfristiger Bestrahlung mit ionisierender Strahlung des gesamten Korpers Aquivalent dosis Sv Be wertung Symptomebis 0 2 Mogliche angenommene Spatfolgen Krebs Erbgutveranderung Diese zahlen nicht zur Strahlenkrankheit im eigentlichen Sinne sie sind stochastische Strahlenschaden siehe Strahlenrisiko 0 2 bis 0 5 Keine Symptome nur labortechnisch feststellbare Reduzierung der roten Blutkorperchen 0 5 bis 1 Leichter Strahlenkater mit Kopfschmerzen und erhohtem Infektionsrisiko Temporare Sterilitat beim Mann ist moglich 1 bis 2 leichteStrahlen krankheit 10 Todesfalle nach 30 Tagen Letale Dosis LD 10 30 Zu den typischen Symptomen zahlen beginnend innerhalb von 3 bis 6 Stunden nach der Bestrahlung einige Stunden bis zu einem Tag andauernd leichte bis mittlere Ubelkeit 50 wahrscheinlich bei 2 Sv mit gelegentlichem Erbrechen Dem folgt eine Erholungsphase in der die Symptome abklingen Leichte Symptome kehren nach 10 bis 14 Tagen zuruck Diese Symptome dauern etwa vier Wochen an und bestehen aus Appetitlosigkeit 50 wahrscheinlich bei 1 5 Sv Unwohlsein und Ermudung 50 wahrscheinlich bei 2 Sv Die Genesung von anderen Verletzungen ist beeintrachtigt und es besteht ein erhohtes Infektionsrisiko Temporare Unfruchtbarkeit beim Mann ist die Regel 2 bis 3 schwereStrahlen krankheit 35 Todesfalle nach 30 Tagen LD 35 30 Erkrankungen nehmen stark zu und eine signifikante Sterblichkeit setzt ein Ubelkeit ist die Regel 100 bei 3 Sv das Auftreten von Erbrechen erreicht 50 bei 2 8 Sv Die Anfangssymptome beginnen innerhalb von einer bis sechs Stunden und dauern ein bis zwei Tage an Danach setzt eine 7 bis 14 tagige Erholungsphase ein Wenn diese voruber ist treten folgende Symptome auf Haarausfall am ganzen Korper 50 wahrscheinlich bei 3 Sv Unwohlsein und Ermudung Der Verlust von weissen Blutkorperchen ist massiv und das Infektionsrisiko steigt rapide an Bei Frauen kann es zu dauerhafter Sterilitat kommen Die Genesung dauert einen bis mehrere Monate 3 bis 4 50 Todesfalle nach 30 Tagen LD 50 30 Nach der Erholungsphase treten zusatzlich folgende Symptome auf Durchfall 50 wahrscheinlich bei 3 5 Sv und unkontrollierte Blutungen im Mund unter der Haut und in den Nieren 50 wahrscheinlich bei 4 Sv 4 bis 6 schwersteStrahlen krankheit 60 Todesfalle nach 30 Tagen LD 60 30 Die Sterblichkeit erhoht sich schrittweise von ca 50 bei 4 5 Sv bis zu 90 bei 6 Sv ausser bei massiver medizinischer Intensivversorgung Das Auftreten der Anfangssymptome beginnt innerhalb von 30 bis 120 Minuten und dauert bis zu zwei Tage an Danach setzt eine 7 bis 14 tagige Erholungsphase ein Wenn diese voruber ist treten im Allgemeinen die gleichen Symptome wie bei 3 bis 4 Sv verstarkt auf Die Genesung dauert mehrere Monate bis 1 Jahr Der Tod tritt in der Regel 2 bis 12 Wochen nach der Bestrahlung durch Infektionen und Blutungen ein 6 bis 10 100 Todesfalle nach 14 Tagen LD 100 14 Die Uberlebenschance hangt von der Gute und dem moglichst fruhen Beginn der intensivmedizinischen Versorgung ab Das Knochenmark ist nahezu oder vollstandig zerstort und eine Knochenmarktransplantation ist erforderlich Das Magen und Darmgewebe ist schwer geschadigt Die Anfangssymptome treten innerhalb von 15 bis 30 Minuten auf und dauern bis zu zwei Tage an Danach setzt eine 5 bis 10 tagige Erholungsphase ein die als Walking Ghost Phase bezeichnet wird Die Endphase endet mit dem Tod durch Infektionen und innere Blutungen Falls eine Genesung eintritt dauert sie mehrere Jahre und ist wahrscheinlich nie vollstandig 10 bis 20 100 Todesfalle nach 7 Tagen LD 100 7 Diese hohe Dosis fuhrt zu spontanen Symptomen innerhalb von 5 bis 30 Minuten Nach der sofortigen Ubelkeit durch die direkte Aktivierung der Chemorezeptoren im Gehirn und grosser Schwache folgt eine mehrtagige Phase des Wohlbefindens Walking Ghost Phase Danach folgt die Sterbephase mit raschem Zelltod im Magen Darm Trakt der zu massivem Durchfall Darmblutungen und Wasserverlust sowie der Storung des Elektrolythaushalts fuhrt Der Tod tritt mit Fieberdelirien und Koma durch Kreislaufversagen ein Behandlung kann nur noch palliativ erfolgen 20 bis 50 100 Todesfalle nach 3 Tagen LD 100 3 im Ubrigen wie bei 10 bis 20 Sv 50 bis 80 Sofortige Desorientierung und Koma innerhalb von Sekunden oder Minuten Der Tod tritt in wenigen Stunden durch volliges Versagen des Nervensystems ein uber 80 Die US Streitkrafte rechnen bei einer Dosis von 80 Sv schneller Neutronenstrahlung mit einem sofortigen Eintritt des Todes Vergleich mit Jahresdosiswerten BearbeitenIm Folgenden sind die normalerweise auftretenden und die nach der deutschen Strahlenschutzverordnung zulassigen Jahresdosen angegeben mSv a bedeutet Millisievert pro Jahr Beschreibung Jahresdosis mSv a ubliche Expositiondurch Umgebung 3 FINO Nordsee 0 3Hamburg 0 6Gottingen 1 0Oberpfalz Niedermurach 1 6Schweiz 0 7 3 5Innenraumatemluft 15 300 Bq m Radon 0 3 6medizinische Untersuchung Rontgenaufnahme 0 01 1Computer Tomographie 2 2010 h Flug in geringen hohen Breitengraden Kosmische Strahlung 0 03 0 09nach derzeitiger Gesetzeslage noch erlaubte zusatzliche berufliche Expo sition fur Uberwachungskategorie B zusatzlich 1 6A seit 2001 zusatzlich 6 20ICRP Empfehlung aus dem Jahr 1991 0 50 pro Jahr100 pro 5 Jahre400 uber die LebenszeitVorbeugung BearbeitenIm Fall radioaktiver Kontamination des Patienten erfolgt zuerst eine Dekontamination Entfernung der radioaktiven Verunreinigung um die Einwirkzeit der Strahlung zu unterbrechen und damit die Dosis zu verringern Bei Kernreaktorunfallen ist die Gabe von Iod sinnvoll um die Schilddruse mit nicht radioaktivem Iod zu sattigen damit moglichst wenig freigesetztes 131I sich hier anlagert Wirkungsvoll ist diese Massnahme allerdings nur wenn sie vor oder innerhalb von zwei Stunden nach der moglichen Aufnahme von 131I durchgefuhrt wird Durch spatere Einnahme kann immerhin noch die Verweildauer des Radioiods im Korper verkurzt werden Therapie BearbeitenDie hamatologischen Schaden Schaden im Blut werden mit Bluttransfusionen oder Stammzelltransplantationen bzw Knochenmarktransplantation behandelt Die Einnahme von Vitaminpraparaten kann die Blutregeneration beschleunigen Weiterhin muss ein Ausgleich des Flussigkeits und Elektrolytverlustes stattfinden Wichtig ist auch das Beheben von Hautschaden da der Korper nach der Bestrahlung besonders infektionsanfallig ist Deshalb findet oft eine Begleittherapie mit Antibiotika statt Durch starke Strahlung wird die Darmschleimhaut soweit geschadigt oder zerstort dass Darmbakterien in die Blutbahn gelangen Dadurch wird die korpereigene Immunabwehr so stark aktiviert dass es zu schweren Entzundungsreaktionen kommt Wenn sich die Bakterien aufgrund des geschwachten Immunsystems vermehren kommt es zu einer Sepsis die intensivmedizinisch behandelt werden muss und oft die Ursache fur einen todlichen Verlauf der Strahlenkrankheit ist Die medikamentose Behandlung der Strahlenkrankheit ist daher Teil der Forschung bei der bereits erste Erfolge gemeldet wurden So ist es einem Forscherteam aus Boston gelungen eine medikamentose Therapie zu entwickeln die in Tierversuchen bereits deutliche Erfolge zeigte Dabei wurde stark bestrahlten Mausen BPI in Kombination mit einem Breitbandantibiotikum verabreicht BPI ist ein korpereigenes Protein das nicht nur bei der Bekampfung der Bakterien hilft sondern auch eine Entzundungsreaktion verhindert 4 Vorbeugend wirken Radioprotektoren wie beispielsweise Amifostin 5 6 Literatur BearbeitenKauffmann u a Radiologie 3 Auflage Urban amp Fischer Munchen Jena 2006 ISBN 3 437 44415 8 Igor A Gusev Medical management of radiation accidents CRC Press Boca Raton 2001 ISBN 0 8493 7004 3 Klaus Gerosa Schutz bei Atomunfallen Vorbereitet sein auf den Notfall Gustav Lubbe Verlag Bergisch Gladbach 1986 ISBN 3 404 60171 8 Robert Peter Gale Alexander Baranov If the unlikely becomes likely Medical response to nuclear accidents In Bulletin of the Atomic Scientist Band 67 2011 Nr 2 S 10 18 Einzelnachweise Bearbeiten Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 58 Hans Peter Beck Bornholdt Hans Hermann Dubben H Willers Proliferationsrate und Strahlenempfindlichkeit Der Irrtum von Bergonie und Tribondeau In Strahlentherapie und Onkologie Band 173 Nr 6 1997 S 335 337 doi 10 1007 BF03038917 PMID 9235641 ODL Info Karte der ODL Messstellen in Deutschland Bundesamt fur Strahlenschutz abgerufen am 8 Juni 2023 Forschung Aktuell Mit Antibiotika gegen die Strahlenkrankheit auf Deutschlandradio 24 November 2011 C R Culy C M Spencer Amifostine an update on its clinical status as a cytoprotectant in patients with cancer receiving chemotherapy or radiotherapy and its potential therapeutic application in myelodysplastic syndrome In Drugs Band 61 Nummer 5 2001 S 641 684 ISSN 0012 6667 PMID 11368288 Review C M Spencer K L Goa Amifostine A review of its pharmacodynamic and pharmacokinetic properties and therapeutic potential as a radioprotector and cytotoxic chemoprotector In Drugs Band 50 Nummer 6 Dezember 1995 S 1001 1031 ISSN 0012 6667 PMID 8612469 Review Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4183506 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Strahlenkrankheit amp oldid 235664348