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Steinkohlenteer englisch coal tar als Arzneimittel Pix lithanthracis ist ein Nebenprodukt der Koksgewinnung Koksteer aus Steinkohle Die zahflussige schwarze Masse die einen charakteristischen Geruch wie Bitumen verstromt wird aus den in der Kokerei anfallenden Gasen gewonnen Seine Farbe verdankt der Teer hauptsachlich suspendiertem freiem Kohlenstoff hangt von der Produktionsmethode ab und dunklen hochmolekularen Kohlenwasserstoffen 1 Steinkohlenteer besteht aus mehreren tausend meist aromatischen Verbindungen u a Kohlenwasserstoffen stickstoffhaltigen Basen und Sauren Phenolen von denen die meisten nur in winzigen Prozentbruchteilen vorkommen 1820 wurde als erstes Naphthalin isoliert Rutgers Chemicals Anlage zur Steinkohlenteerdestillation Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Herstellung 3 Verarbeitung 4 Zusammensetzung 4 1 Inhaltsstoffe 4 2 Typische Kenndaten 5 Verwendung 6 Gefahren 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenSeit der Entdeckung durch Johann Rudolph Glauber im Jahre 1658 hat sich die Kohleentgasung bei der Steinkohlenverkokung zu einem wichtigen technischen Prozess entwickelt Steinkohlenteer war zunachst ein Abfallprodukt bei der Leuchtgasherstellung fand dann aber im 19 Jahrhundert im Zusammenhang mit der Synthese organischer Farbstoffe aus dessen Inhaltsstoffen ein besonderes Interesse Wissenschaftler wie Friedlieb Ferdinand Runge August Wilhelm Hofmann 2 und William Henry Perkin legten hierbei die Grundlagen fur die Teerfarbenindustrie die mit Namen wie Farbwerke von Meister Lucius und Bruning in Hochst Farbenfabrik von Fr Bayer amp Co in Elberfeld und Badische Anilin und Sodafabrik in Ludwigshafen verbunden war Der Teer war bis 1850 ein lastiges Nebenprodukt der Gasanstalten das als Brennmaterial als Anstrich fur Holz und Stein und zur Herstellung von Russ verwendet wurde Durch Nachfrage nach Schwerolen zum Impragnieren von Eisenbahnschwellen und Grubenholzern und als Rohstoff zur Erzeugung kunstlicher Teerfarben wurde er ein begehrter Handelsartikel 3 Der Steinkohlenteer galt Ende des 19 Jahrhunderts wegen seines hohen Gehalts an aromatischen Verbindungen als Hauptrohstoffquelle der aufstrebenden organisch chemischen Industrie Da jedoch die Ausbeuten nur gering ausfallen 50 kg je Tonne Steinkohle und die Nachfrage stetig anstieg wurde die Kohleindustrie Mitte des 20 Jh von der Petrochemie verdrangt 4 Herstellung BearbeitenDie Steinkohlenteere entstehen aus Gasen die bei der Pyrolyse Trockendestillation Entgasung Verkokung Verschwelung von Steinkohle anfallen Die Gase werden durch Ammoniakwasser gekuhlt auf 80 100 C wodurch ein Teil 60 70 des Steinkohleteers kondensiert Das wassrig teerige Kondensat fliesst gemeinsam mit der Berieselungsflussigkeit in den Dickteerscheider wo sich der kohle und koksstaubhaltige Dickteerschlamm absetzt dieser wird wieder der Einsatzkohle zugefuhrt Oben werden aus dem Scheider das Kondensatwasser und wasserhaltiger Teer abgezogen und der Kondensatteerscheidung zugefuhrt Das die Gassammelleitung verlassende Gas wird in zweiter Stufe in den Gasvorkuhlern weiter gekuhlt auf 20 C und dabei schlagt sich das restliche Teerwasser nieder dieses wird dann ebenfalls der Kondensatteerscheidung zugefuhrt Erhitzt man Steinkohle unter Ausschluss von Luft in geschlossenen Gefassen uber 600 C zersetzt sich die Kohle in folgende Produkte 80 Halbkoks Koks 5 Ammoniak 5 Steinkohlenteer 10 KokereigasEingeteilt werden Teere in Tieftemperaturteere Urteere Schwelteere bilden sich bei der Verschwelung der Steinkohle bei Temperaturen bis 600 C In dunner Schicht stellt der Schwelteer ein dunkelbraunes durchsichtiges Ol mit einem Geruch nach Kohlenstoffdisulfid dar Je nach dem Schwelverfahren unterscheidet man zwischen Heizflachenteeren Schwelofen mit mittelbarer ausserer Warmezufuhr und Spulgasteeren Schwelofen mit unmittelbarer innerer Warmezufuhr Durch Destillation konnen aus ihnen Heiz und Treibole olformiger Kraftstoff fur Dieselmotoren und durch Hydrierung hochwertige Dieselole und Vergaserkraftstoffe gewonnen werden Mitteltemperaturteere fallen bei der Verkokung bei 800 C an Sie sind schon weitgehend gecrackt und ahneln deshalb bereits stark den Hochtemperaturteeren von denen sie sich jedoch durch einen hoheren Gehalt an Benzol Phenol und Homologen und einen niedrigeren Pechgehalt unterscheiden Diese beiden Verfahren haben aber wenig Bedeutung Hochtemperaturteere sind die wichtigste Gruppe fur die technische Weiterverarbeitung Sie sind olige bis zahe dunkelbraune bis schwarze glanzende Flussigkeiten von kreosotartigem Geruch Hochtemperaturteere entstehen bei der Verkokung der Steinkohle bei Temperaturen ab 1000 C wobei ihre Bildung durch eine starke sekundare Zersetzung des primar abgespaltenen Urteers zu erklaren ist Die bei der Verkokung anfallende Teermenge schwankt je nach Kohleart zwischen 3 und 4 bezogen auf trockene Kohle Diese Teere enthalten mehr Aromaten es entsteht mehr Gas und weniger Teer Mit steigendem Sauerstoffgehalt der Kohle steigt auch die Teerausbeute 5 6 7 8 Verarbeitung Bearbeiten Hauptartikel SteinkohlenteerdestillationZusammensetzung BearbeitenQuelle 9 Inhaltsstoffe Bearbeiten Verbindung durchschnittlicher Gehalt KohlenwasserstoffeNaphthalin 10Phenanthren 4 5Fluoranthen 3Pyren 2Acenaphthylen 2 5Fluoren 1 8Chrysen 1Anthracen 1 3Inden 12 Methylnaphthalin 1 51 Methylnaphthalin 0 7Diphenyl 0 4Acenaphthen 0 2HeterocyclenCarbazol 0 9Diphenylenoxid 1 3Acridin 0 1Chinolin 0 3Diphenylensulfid 0 4Thionaphthen 0 3Isochinolin 0 1Chinaldin 0 1Phenanthridin 0 17 8 Benzochinolin 0 22 3 Benzodiphenylenoxid 0 2Indol 0 2Pyridin 0 032 Methylpyridin 0 02PhenolePhenol 0 5m Kresol 0 4o Kresol 0 2p Kresol 0 23 5 Dimethylphenol 0 12 4 Dimethylphenol 0 1Typische Kenndaten Bearbeiten Dichte 1 175 g cm 3Wasser 2 5 Toluol Unlosliches 5 50 Chinolin Unlosliches 2 0 Verkokungsruckstand 10 nach Muck 14 6 Kohlenstoff waf 11 91 39 Wasserstoff waf 5 25 Stickstoff waf 0 86 Sauerstoff waf 1 75 Schwefel 0 75 Chlor 0 03 Asche 0 15 Zink 0 04 Naphthalin 10 0 Siedeanalyse DIN 1995 bis 180 C Wasser 2 5 Leichtol 0 9 Siedeschnitt 180 230 C 7 5 Siedeschnitt 230 270 C 9 8 Siedeschnitt 270 300 C 4 3 Siedeschnitt 300 C bis Pech 20 1 Pech 12 54 5 Destillationsverlust 0 5 Verwendung BearbeitenAus Steinkohlenteer werden Naphtha und Solvent Naphtha hergestellt sowie als Holzschutzmittel Kreosot und Carbolineum z B fur Eisenbahnschwellen und fur Dachpappe Er war fruher Ausgangsmaterial fur die Herstellung verschiedener chemischer Substanzen unter anderem Teerfarbstoffe und Phenol und Phenolderivate wie Kresole und Xylenole diese werden zu grossen Teilen auch heute noch aus Steinkohlenteer gewonnen Es werden grosse Mengen an Aromaten Naphthalin Anthracen Inden Cumaron Heterocyclen Carbazol Indol Chinolin Pyridin Phenolen Phenol Xylenol Kresol und Harze gewonnen Auch wird eine betrachtliche Menge Russ aus Teerolen gewonnen Gereinigte Extrakte aus Steinkohlenteer konnen fur die Behandlung von Schuppenflechte z B Psoriasis vulgaris chronischen Ekzemen und bei Neurodermitis eingesetzt werden sind aber in Deutschland wegen ihrer karzinogenen Eigenschaften als Inhaltsstoff in Kosmetika verboten dieses Verbot gilt nicht fur Rezepturen auf arztliche Verschreibung Da sich Steinkohlenteer wegen seiner hohen Viskositat schlecht verarbeiten lasst verwendet man eine nach DAC als Liquor Carbonis detergens bezeichnete 20 ige Losung von Steinkohlenteer in Seifenspiritus Steinkohlenteer hemmt den Juckreiz Antipruriginosum und wirkt wegen seiner Inhaltsstoffe wie Kresolen bakterizid fungizid und insektizid Aus dem im Steinkohlenteer enthaltenen Pech lasst sich durch thermische Behandlung ein synthetisches Graphit gewinnen das als Elektrodenmaterial zur elektrochemischen Gewinnung von Aluminium zur Gewinnung von Elektrostahl bei der Chloralkali Elektrolyse und fur Kohlenstofffasern Verwendung findet Gefahren BearbeitenSicherheitshinweiseCAS Nummer 8007 45 2 65996 93 2EG Nummer 266 028 2ECHA InfoCard 100 060 007GHS Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung EG Nr 1272 2008 CLP 14 ggf erweitert 13 nbsp GefahrH und P Satze H 350 340 360FDP Zulassungs verfahren unter REACH besonders besorgnis erregend krebs erzeugend CMR persistent bio akkumulativ und toxisch PBT sehr persistent und sehr bio akkumulativ vPvB 15 Toxikologische Daten 0 9 mg l 1 LC50 Fisch 96 Stunden Medianwert 16 0 11 mg l 1 EC50 Krustentiere 48 Stunden Medianwert 16 Steinkohlenteer enthalt verschiedene Substanzen von denen einige giftig krebserregend oder umweltschadlich sind Aus diesen Grunden wurde die Herstellung die Verwendung und das Inverkehrbringen in Deutschland seit 1991 durch die Teerolverordnung stark eingeschrankt und unter Ausnahmen unter Strafe gestellt seit 2009 gelten in der Europaischen Union Verbote fur Teerole und teerolbehandelte Holzer die in den Mitgliedsstaaten unmittelbar wirken 17 Siehe auch BearbeitenBitumen Pech Stoff TeerfarbenLiteratur BearbeitenGerd Collin Maximilian Zander Aspekte moderner Steinkohlenteerchemie In Chemie in unserer Zeit 17 Jahrg 1983 Nr 6 S 181 189 doi 10 1002 ciuz 19830170603 Fritz Schreiber Die Industrie der Steinkohlenveredelung Vieweg amp Teubner 1923 ISBN 978 3 663 03908 2 Reprint Weblinks Bearbeiten 1 2 Vorlage Toter Link www wiener gasometer at Entteerung am Beispiel des Gaswerks Wien Simmering Seite nicht mehr abrufbar Suche in Webarchiven Anlagenbeschreibung der Teerdestillation Sterkrade in OberhausenEinzelnachweise Bearbeiten W Bleyberg G Meyerheim W Bachmann J Davidsohn F Frank F Fritz J Herzenberg L Jablonski H Kantorowicz H P Kaufmann E L Lederer P Levy I Lifschutz H Lindemann H Mallison Kohlenwasserstoffole und Fette sowie die ihnen chemisch und technisch nahestehenden Stoffe 7 Auflage Springer Verlag 1933 ISBN 978 3 642 89045 1 S 555 A W Hofmann Chemische Untersuchung der organischen Basen im Steinkohlen theerol In Liebigs Ann 47 S 37 87 1843 H Winter Warmelehre und Chemie fur Kokerei und Grubenbeamte Springer Verlag 1922 ISBN 978 3 642 98135 7 S 102 Andreas von Usedom Organische Chemie Biochemie chemische Industrie Mentor 2003 ISBN 978 3 580 64134 4 S 50 Manfred Baerns Arno Behr Axel Brehm Jurgen Gmehling Kai Olaf Hinrichsen Hanns Hofmann Ulfert Onken Regina Palkovits Albert Renken Technische Chemie John Wiley amp Sons 2013 ISBN 978 3 527 67409 1 S 531 Heinz Gerhard Franck Gerd Collin Steinkohlenteer Chemie Technologie und Verwendung Springer Verlag 1968 ISBN 978 3 642 88258 6 Walter Fuchs Untersuchungen uber die Zusammensetzung und Verwendbarkeit von Schwelteerfraktionen In Forschungsberichte des Wirtschaft und Verkehrsministeriums Nordrhein Westfalen Westdeutscher Verlag 1952 ISBN 978 3 663 03223 6 Teer auf spektrum de abgerufen am 4 August 2016 Heinz Gerhard Franck Jurgen W Stadelhofer Industrielle Aromatenchemie Rohstoffe Verfahren Produkte Springer 1987 ISBN 978 3 662 07875 4 urn nbn de 1111 201301221589 Tabelle 3 1 und Tabelle 3 3 C Zerbe Mineralole und verwandte Produkte Ein Handbuch fur Laboratorium und Betrieb Zweiter Teil 2 Auflage Springer 1969 ISBN 978 3 642 87510 6 S 482 f waf wasser und aschefrei Erweichungspunkt K S 67 C Eintrag zu Pech Kohlenteer Hochtemperatur in der GESTIS Stoffdatenbank des IFA abgerufen am 3 Januar 2023 JavaScript erforderlich Eintrag zu Pitch coal tar high temp im Classification and Labelling Inventory der Europaischen Chemikalienagentur ECHA abgerufen am 1 August 2016 Hersteller bzw Inverkehrbringer konnen die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern Eintrag in der SVHC Liste der Europaischen Chemikalienagentur abgerufen am 17 August 2014 a b Eintrag zu CAS Nr 65996 93 2 in der GESTIS Stoffdatenbank des IFA abgerufen am 17 August 2014 JavaScript erforderlich Artikel 67 der Verordnung EG Nr 1907 2006 des Europaischen Parlaments sogen REACH VO mit ihrem Anhang XVII Eintrag 31 fur die dort in Spalte 1 gelisteten Stoffe Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt 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