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Spiegel das Katzchen Untertitel Ein Marchen ist eine Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller Sie bildet den Schluss des ersten Bandes der 1856 erschienenen Novellensammlung Die Leute von Seldwyla Spiegel und die Eule auf dem Besenstiel der Hexe Kreidezeichnung von Frank Buchser 1869 Mit ihr setzte der Realist Keller die Tradition der Tierfabel und des klassisch romantischen Kunstmarchens fort Sein Kater Spiegel so genannt wegen seines glanzenden Pelzes ist hoflich und weltmannisch wie der gestiefelte Kater neigt wie Kater Murr zur philosophischen Betrachtung und besitzt wie Reineke Fuchs die Gabe durch Lugengeschichten und schlau eingefadelte Intrigen seinen Kopf zu retten Die Novelle gehort zu den bekanntesten Erzahlungen Kellers ist in vielen oft illustrierten Einzelausgaben verbreitet und wurde musikalisch und literarisch mehrfach adaptiert Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Spiegels Erzahlung 1 2 Der Vertrag wird gelost 1 3 Pineiss bekommt eine Hexe zur Frau 2 Uber das Werk 2 1 Entstehung und Hintergrund 2 2 Literatur und Philosophiegeschichtliches 3 Adaptionen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Novelle ist gegliedert in eine Rahmenhandlung und eine Binnenerzahlung Der Kater Spiegel geniesst als echter Gentleman ein anstandiges und sorgenfreies Dasein bei einer unverheirateten alteren Dame Er geht auf die Jagd und geniesst die Liebe Als seine Herrin stirbt werfen ihn die Erben auf die Strasse Seine Schonheit der Glanz seines Fells und auch seine Moral und sein Lebensmut schwinden dahin Halb verhungert lasst er sich mit Menschen ein um die er sonst einen Bogen gemacht hatte so mit dem Stadthexenmeister Dieser versteht sich auf die Kochkunst und bietet dem Kater an ihn mit leckeren Speisen solange zu versorgen bis er wieder rund und fett ist unter der Bedingung dass er mit ihm einen Kaufvertrag abschliesst Spiegel unterschreibt nachdem der noch eine Aufschiebung des Schlachttags uber den Zustand der Wohlbeleibtheit hinaus bis zum nachsten Vollmond ausgehandelt hat Er zieht in das Haus des Hexenmeisters wo ihm ein kleines Schlaraffenland einrichtet wird Durch das gute Futter kehren mit seinen Lebensgeistern auch Verstand und Sinn fur Wurde zuruck so dass er sich fragt ob es die Sache wert ist einen Vertrag abschliessen um sein Leben noch eine Weile fristen zu lassen um es dann um diesen Preis doch zu verlieren Er beschliesst das Schlaraffenland zu meiden sich wieder den Anstrengungen der Jagd zu unterziehen und dabei schlank und geschmeidig zu bleiben Als der Hexenmeister bemerkt dass sein Kater trotz guter Pflege nicht fett werden will stellt er ihn zur Rede und erklart ihn fur schlachtreif Als der Kater auf dem Dach des Hexenmeisterhauses uber seine Zukunft nachdenkt trifft er auf eine schneeweisse Katzin macht ihr den Hof und verwickelt sich in einen Kampf mit einem Nebenbuhler aus dem er zerzaust und abgemagert hervorgeht Ausser sich vor Wut sperrt ihn der Hexenmeister in einen Gansestall um ihn zu masten Im Kafig denkt sich Spiegel einen Plan aus wie er dem Hexenmeister entkommen kann Als der ihn zum Schlachten aus dem Kafig holt gibt er sich reumutig spinnt ihm Lugengeschichten vor erwahnt einen Schatz von zehntausend Goldgulden aus dem Besitz seiner verstorbenen Herrin und malt dem Junggesellen ein Leben im Reichtum mit einer Ehefrau aus Spiegels Erzahlung Bearbeiten Auf diesen Moment hat Spiegel gewartet und beginnt zu erzahlen Seine selige Herrin sei in ihrer Jugend ein schones und wohlhabendes Fraulein gewesen umworben von vielen aber misstrauisch gegen jeden Sie habe sich namlich eingebildet alle begehrten nur ihren Reichtum keiner wolle sie allein wegen ihrer Schonheit und guten Sitten zur Frau Um sich die Qual der Wahl zu erleichtern sei sie darauf verfallen die Uneigennutzigkeit und Selbstlosigkeit ihrer Freier auf die Probe zu stellen etwa indem sie sie zu grossen Spenden fur mildtatige Zwecke veranlasste Doch vergeblich denn nun hatten sich die ehrlichen Bewerber zuruckgezogen und bald sei sie nur noch von durchtriebenen Heiratsspekulanten umgeben gewesen Verzweifelt so Spiegel schloss sie ihr Haus und floh uber den Gotthard nach Mailand wo sie sich zum ersten Mal wirklich verliebte und zwar in einen jungen Landsmann der dort als Seidenhandler tatig war Diesem schonen und reichen Jungling und aufrichtigen Menschen zeigte sie so deutlich ihr Wohlgefallen dass er in tiefer Liebe zu ihr entbrannte Begluckt genoss sie das Gefuhl endlich um ihrer selbst willen geliebt zu werden Doch kaum hatte er seinen Mut zusammengenommen und ihr seine Liebe gestanden uberfiel sie das alte Misstrauen Um seine Selbstlosigkeit zu prufen verbarg sie ihr Herz und stellte sich so als ob sie einen anderen liebe Mit diesem erzahlte sie dem Jungling sei sie verlobt und die Hochzeit schon anberaumt doch gebe es neuerdings ein Hindernis das ihr grossen Kummer bereite Ihr Brautigam sei ein Kaufmann aber so arm wie eine Maus darum hatten sie den Plan gefasst dass er aus den Mitteln der Braut einen Handel begrunden solle Ebendiese Mittel fehlten jetzt da sie wegen eines Gerichtsprozesses nicht auf ihr Vermogen zugreifen konne Auch sei ihr Verlobter bereits Verbindlichkeiten in Hohe von zehntausend Goldgulden eingegangen So stehe seine Kaufmannsehre ihrer beider Heirat und damit ihr ganzes Lebensgluck auf dem Spiel nbsp Ein Reislaufer im seidenen Kriegskleid um 1550 Der junge Mann erbleichte und glaubte ihr jedes Wort Dann eilte er traurig auf den Handelsplatz verkaufte sein eben gegrundetes Geschaft kehrte zu ihr zuruck und bot ihr die erlosten zehntausend Goldgulden an Sie dankte ihm uberschwanglich erklarte aber sie werde das Opfer nur annehmen wenn er ihr bei seiner ewigen Seligkeit schwore als Ehrengast und treuster Freund an ihrer Hochzeit teilzunehmen Er flehte sie an ihm dies zu erlassen doch sie bestand darauf wies sogar sein Gold zuruck sodass er endlich einwilligte Darauf reiste sie hocherfreut heimwarts schmuckte ihr Haus und konnte den Tag an dem ihr Liebster eintreffen sollte kaum erwarten Doch er blieb aus Denn er hatte sich von seinem letzten Stuck Seide ein Kriegskleid machen lassen war unter die Reislaufer gegangen und in der Schlacht bei Pavia todlich verwundet worden Sterbend sandte er ihr die Botschaft Betet nicht etwa fur mich schonstes Fraulein denn ich kann und werde nie selig werden ohne Euch sei es hier oder dort und somit lebt glucklich und seid gegrusst Als sie dies vernahm war sie vor Schmerz viele Tage wie von Sinnen weinte und schrie kusste und liebkoste die Goldstucke als ob der verlorene Geliebte darin zugegen ware Dann raffte sie den Schatz zusammen warf ihn in den Brunnen hinter ihrem Haus und verfluchte ihn damit ihn niemals mehr jemand anderes besitzen solle Ob das schone Geld noch in dem Brunnen liege mochte der Hexenmeister an dieser Stelle wissen Spiegel bejaht denn nur ich kann es herausbringen und habe es bis zur Stunde noch nicht getan Ei ja so richtig sagte Pineiss ich habe es ganz vergessen uber deiner Geschichte Du kannst nicht ubel erzahlen du Sapperloter Und es ist mir ganz gelustig worden nach einem Weibchen die so fur mich eingenommen ware aber sehr schon musste sie sein Doch erzahle jetzt schnell noch wie die Sache eigentlich zusammenhangt Spiegel kommt zum Schluss Auf ihrem Sterbebett habe das Fraulein den Fluch bereut und angeordnet dass das Gold einer schonen sittsamen aber unbemittelten Jungfrau gehoren solle der es wegen ihrer Armut an Aussicht fehle einen verstandigen rechtlichen und hubschen Mann zu bekommen der sie aus reiner Liebe heirate Ihn Spiegel habe sie beauftragt ein solches Paar zusammenzubringen damit die Braut den Brautigam am Hochzeitsmorgen mit einer Mitgift von zehntausend Goldgulden uberraschen konne Der Vertrag wird gelost Bearbeiten Unverzuglich lasst sich Pineiss nun von Spiegel zum Brunnen fuhren legt ihm dabei aber eine Schlinge um den Hals damit er nicht entwischen kann Und wirklich im Schein einer Laterne funkelt unten das Gold Er solle bloss nicht meinen es einfach heraufholen zu konnen warnt Spiegel den Hexenmeister man wurde Euch unfehlbar das Genick umdrehen denn es ist nicht ganz geheuer in dem Brunnen Doch diesen lockt inzwischen das in Aussicht stehende Weibchen fast noch mehr als das Gold Da ware nun der Schatz sagte Pineiss indem er sich hinter den Ohren kratzte und hier ware auch der Mann dazu fehlt nur noch das bildschone Weib Wie sagte Spiegel Ich meine es fehlt nur noch diejenige welche die Zehntausend als Mitgift bekommen soll um mich damit zu uberraschen am Hochzeitsmorgen Er irre sich meint Spiegel das Weib habe er bereits ausgekundschaftet nur an Freiern fehle es denn heutzutage muss die Schonheit obenein vergoldet sein wie die Weihnachtsnusse Dann schildert er beredt und kundig den Luxus welchen Mitgiftjager mit erheiratetem Weibergut treiben Pineiss wassert jetzt der Mund so sehr dass er kaum noch an sich halten kann Wutend zerrt er an der Schlinge Genug du Plappermaul Sag jetzt unverzuglich wo sie ist von der du weisst Spiegel gibt ihm kaltblutig zu verstehen dass der Handel allein durch seine Hand geht Ich merke du willst unseren Kontrakt aufheben und deinen Kopf salvieren Schiene Euch das so uneben und unnaturlich Du betrugst mich am Ende und belugst mich wie ein Schelm Dies ist auch moglich sagte Spiegel Ich sage dir betruge mich nicht rief Pineiss gebieterisch Gut so betruge ich Euch nicht sagte Spiegel Wenn du s tust So tu ichs Quale mich nicht Spiegelchen sprach Pineiss beinahe weinerlich Es bedarf keiner langen Uberredung mehr bis der Hexenmeister tut wie von Spiegel geheissen Er lost die Schlinge zieht den Vertrag hervor und legt ihn auf den Brunnenrand Kaum lag das Papier dort so schnappte es Spiegel auf und verschlang es und obgleich er heftig daran zu wurgen hatte so dunkte es ihn doch die beste und gedeihlichste Speise die er je genossen Dann verabschiedet er sich Pineiss werde von ihm horen und solle sich einstweilen bereit machen recht verliebt zu sein Beim Weggehen freut Spiegel sich uber die Dummheit des Hexenmeisters welcher glaubte sich selbst und alle Welt betrugen zu konnen indem er ja die gehoffte Braut nicht uneigennutzig aus blosser Liebe zur Schonheit ehelichen wollte sondern den Umstand mit den zehntausend Goldgulden vorher wusste Pineiss bekommt eine Hexe zur Frau Bearbeiten Gegenuber dem Hexenmeisterhaus wohnt hinter sauber geweisster Fassade eine alte Beghine Weiss sind auch ihre Fenstervorhange ihr Brusttuch und ihre Haube unter welcher eine lange scharfe Nase und ein spitzes Kinn hervorsticht Wenn sie sich auf der Gasse zeigt laufen die Kinder furchtsam davon Da sie taglich dreimal zur Kirche geht steht sie im Ruf grosser Frommigkeit aber selbst die Pfaffen verkehrten lieber schriftlich mit ihr als mundlich und wenn sie beichtete so schoss der Pfarrer jedesmal so schweisstriefend aus dem Beichtstuhl heraus als ob er aus einem Backofen kame Ansonsten lasst sie die Leute in Ruhe nur dem Hexenmeister wirft sie manchmal bose Blicke zu dieser furchtet sie wie das Feuer Auf der finstern Ruckseite ihres Hauses die nur Katzen und Vogel zu Gesicht bekommen ragt unheimlich ein grosser russiger Schornstein aus dem bisweilen nachts eine Hexe in die Luft fahrt jung und schon und splitternackt wie Gott die Weiber geschaffen und der Teufel sie gern sieht Dorthin begibt sich nun Spiegel um eine alte Bekannte aufzusuchen eine Eule die der Luftfahrerin den Wach und Wetterdienst macht Er erzahlt der Eule was geschehen ist und was er beabsichtigt Der Mann muss seine Frau und seine Goldgulden haben Seid ihr von Sinnen dem Schelm auch noch wohlzutun der Euch das Fell abziehen wollte Das Wohltun werde sich in Grenzen halten erwidert Spiegel denn das Gold sei ein ererbtes ungerechtes Gut welches seine fruhere Herrin eine schlichte Person und niemals in ihrem Leben verliebt aus Furcht vor Ungluck im Brunnen versenkt und verflucht habe Was aber die Ehefrau betreffe so wolle er Pineiss mit der Hexe verkuppeln Ob die Eule nie daran gedacht habe sich aus deren Bann zu losen und wieder frei zu sein nbsp Ein Schnepfengarn Vogelfalle um 1500 Die Eule hat sehr wohl daran gedacht und kennt bereits das Mittel um die Hexe zu fangen Es liegt im nahen Wald ein Schnepfengarn das bestimmte zauberkraftige Bedingungen erfullt Gleich fliegt sie hin wahrend Spiegel fur sie Wache halt Sie kehrt mit dem Garn zuruck und die Tiere spannen es uber die Offnung des Schlots Ihr sollt sehen flusterte die Eule wie geschickt sie durch den Schornstein heraufzusauseln versteht ohne sich die blanken Schultern schwarz zu machen Ob die Luft rein sei fragt von unten jetzt eine Stimme Ganz rein ruft die Eule und schon fahrt die Hexe herauf mitten hinein ins Netz Sie tobt und zappelt darin und gibt erst Ruhe als Spiegel sie vor die Wahl stellt Wollt Ihr lieber unter dem Vorsitze des Herrn Pineiss gebraten werden oder ihn braten indem Ihr ihn heiratet Sie entscheidet sich fur das zweite und schwort es mit den starksten Eidesformeln die eine Hexe binden konnen Dann setzt sich die Eule auf den Besenstiel und Spiegel auf das Reisigbundel und die Hexe fahrt mit ihnen zum Brunnen um das Gold heraufzuholen Am Morgen fuhrt Spiegel den als Brautigam ausstaffierten Herrn Pineiss vors Stadttor wo unter einem Baum eine weinende Schone sitzt Ihr Gewand war so durftig und zerrissen dass sie mochte sich auch schamhaft gebarden wie sie wollte immer da oder dort der schneeweisse Leib ein bisschen durchschimmerte Hingerissen bringt Pineiss seine Werbung vor worauf sie ihre Tranen trocknet ihm mit susser Stimme fur seine Grossmut dankt und ewige Treue gelobt Die Trauung vollzieht ein Einsiedler zum Hochzeitsmahl sind nur Spiegel und die Eule geladen denn Pineiss von Neid und Eifersucht erfullt gonnt den Anblick seiner schonen jungen Frau keinem Menschen Auf der Hochzeitstafel steht ein Gefass mit den Goldstucken Pineiss wuhlt darin dann wieder versucht er die Braut zu kussen Lachelnd wehrt sie ab nicht vor Zeugen und nur in der Nacht wolle sie es tun Als es dunkelt verabschieden sich die Gaste Pineiss leuchtet ihnen zur Haustur dankt Spiegel und nennt ihn einen trefflichen und hoflichen Mann Doch als er ins Zimmer zuruckkehrt sitzt dort seine Nachbarin am Tisch die alte Begine und empfangt ihn mit bosem Blick Entsetzen ergreift ihn zitternd lehnt er sich an die Wand Diese aber stand auf naherte sich ihm und trieb ihn vor sich her in die Hochzeitskammer wo sie mit hollischen Kunsten ihn auf die Folter spannte wie noch kein Sterblicher erlebt Zum Spott der Seldwyler hinzu muss der Hexenmeister von nun an noch eine Gattin ertragen die alle seine Geheimnisse erkundet und ihn vollstandig beherrscht Er musste hexen vom Morgen bis zum Abend was das Zeug halten wollte und wenn Spiegel voruberging und es sah sagte er freundlich Immer fleissig fleissig Herr Pineiss Uber das Werk BearbeitenEntstehung und Hintergrund Bearbeiten Wie sich das herrenlos gewordene Katzchen Spiegel in seiner argen Not auf einen lebensgefahrlichen Vertrag mit dem Seldwyler Stadthexenmeister Pineiss einlasst so hatte sich der dreissigjahrige bis dahin lediglich mit einem Gedichtband hervorgetretene Poet Gottfried Keller aus Zurich im Fruhjahr 1850 in ein hochst riskantes vertragliches Abenteuer gesturzt Um sich zur Ausfuhrung seines lange geplanten aber fast nur im Kopfe ausgesponnenen Romans Der grune Heinrich zu zwingen und dafur auch einige Mittel zu erhalten hatte er das Buch einem Braunschweiger Verlag als im Grund bereits fertige Arbeit zum Kauf angeboten Der Verleger hatte rasch zugegriffen und nun fand sich Keller in der unglucklichen fur beide Vertragspartner fatalen Lage seines spater erfundenen Katzenhelden Spiegel Er sollte etwas hergeben was er selbst nicht besass Hans Richter 1 Dem Verleger Eduard Vieweg kommt das Verdienst zu den autobiographischen Roman aus seinem Autor unter nervenaufreibender Muhe herausgepresst zu haben Keller bewahrte sich als Mensch und Schriftsteller indem er dem Druck standhielt Welche Schinderei ihm bevorstand hatte er 1850 nicht ahnen konnen Der Grune Heinrich wuchs wahrend der Arbeit weit uber den geplanten Umfang hinaus Im selben Verhaltnis wuchsen Kellers Anspruche an die Qualitat seines Schreibens und seine Unzufriedenheit mit dem bereits Geschriebenen Zur schmerzhaften Beschaftigung mit dem eigenen Ich kam die aussere Misere Die mageren Honorarvorschusse die er bezog zwangen ihn Schulden zu machen obwohl er in der teuren Stadt alles andere als ein Schlaraffenleben fuhrte Trotzdem erfullte er seine Vertragspflicht voll und lieferte dem Verleger gegen dessen misstrauische Erwartung die 1700 Seiten des Romans allerdings in langen Abstanden und unter haufiger Nichteinhaltung gemachter Zusagen was dem erfolgsgewohnten Grossverleger Vieweg als Wortbruchigkeit erschien Vieweg hielt die Lebensgeschichte des grunen Heinrich fur ein Meisterwerk Gleichwohl speiste er Keller mit Anfangerhonoraren ab 2 Funf Jahre dauerte der Kampf um Ablieferungstermine Vorschusse und Honorarberechnungen In dieser Zeit entstanden als Nebenprodukte des Grunen Heinrich auch mehrere Novellen zunachst nur in Kellers Kopf denn der Verleger hatte ihm das Ehrenwort abgenommen vor Abschluss des Romans nichts anderes zu schreiben 3 Ich habe aber meinem Vieweg doch einen Possen gespielt und ohne etwas anderes zu schreiben mir eine wohlgeordnete und organisierte Produktionsreihe ausgeheckt teilte Keller 1854 einem Freund mit 4 Als der Roman im Fruhjahr 1855 endlich fertig war brachte er das gedanklich Ausgearbeitete in wenigen Monaten zu Papier den ersten Teil der Leute von Seldwyla erschienen Anfang 1856 in Braunschweig bei Vieweg Kellers Marchen von Spiegel und der Eule ist eine Eulenspiegelei Der Schalksnarr Till schlug seinen Mitburgern Schnippchen indem er ihre Redensarten wortlich nahm Eulen und Meerkatzen buk der Dichter Gottfried spielte seinem Verleger einen Streich indem er eine Geschichte ausheckte vorgeblich nur um die Herkunft einer Redensart zu erklaren Doch mit hintergrundigem typisch Kellerschem Humor munzte er darin ein Gleichnis auf den Antagonismus von Autor und Verleger Wie der ausgehungerte Kater dem Hexenmeister sein Leben so verkauft der bettelarme Autor dem Verleger seine Lebensgeschichte Dieser spielt im Gleichnis die unruhmliche Rolle des genarrten Narren Pineiss Das raffinierte Tier ist dem Hexenmeister haushoch uberlegen Es kennt ihn besser als er sich selbst und erzahlt ihm die Geschichte vom grossen Ungluck das seine Herrin durch Geiz mit ihrer Person und ihrem Reichtum angeblich angerichtet hat Doch wie erwartet erblickt der Geizige in dem vorgehaltenen Sittenspiegel nicht sein Ebenbild sondern allein das Gold und die Jungfrau und will beides unverzuglich besitzen Er erhalt das Gewunschte nur dass die Jungfrau sich in der Hochzeitsnacht als alte Hexe entpuppt Keller handelte mit Spiegel das Katzchen nach althergebrachter Dichter und Kunstlersitte indem er einen Auftraggeber von dem er sich schnode behandelt fuhlte satirisierte 5 In Erwagung dass Vieweg ihn nicht offentlich blossgestellt hatte etwa wie angedroht durch einen Prozess 6 tat er dies privat und so diskret dass es keinem zeitgenossischen Leser auffallen konnte Eher schien der Spott auf den Autor selbst zuruckzufallen als Richard Wagner dem die Erzahlung ausnehmend gut gefiel einen Brief augenzwinkernd an Herrn Gottfried Keller Stadthexenmeister in Hottingen adressierte 7 Ob Vieweg verstand wer mit Pineiss gemeint war ist nicht uberliefert Zwar ging er auf Kellers Anregung einen illustrierten Separatdruck des Marchens herauszubringen 8 nie ein doch schloss er 1856 mit ihm erneut einen Kontrakt uber den zweiten Teil der Leute von Seldwyla Diesen loste Keller 1873 gegen Ruckzahlung des erhaltenen Vorschusses samt Zinsen Die Neufassung des Grunen Heinrich erschien 1879 80 im Goeschen Verlag nachdem Keller von Viewegs Nachfolger die restlichen Exemplare der Erstfassung zuruckgekauft und im Ofen seines Arbeitszimmers verheizt hatte Literatur und Philosophiegeschichtliches Bearbeiten Spiegel das Katzchen lasst sich auch ohne Kenntnis des biographischen Hintergrunds als poetische Erfindung verstehen als sei jede Ahnlichkeit mit realen Personen rein zufallig Das war gemeint als Keller an Friedrich Theodor Vischer schrieb Dieses Marchen ist stofflich ganz erfunden und hat keine andere Unterlage als das Sprichwort Der Katze den Schmer abkaufen welches meine Mutter von einem unvorteilhaften Einkaufe auf dem Markte zu brauchen pflegte Wo das Spruchlein herkam wusste weder sie noch ich und ich habe die Komposition daruber ohne alles Vorgelesene oder Vorgehorte gemacht 9 Die Bemerkung ohne alles Vorgelesene ist cum grano salis zu nehmen Denn offensichtlich verdankt Spiegel seine rettende Idee jener Lugengeschichte mit der Reineke sich vom Galgen rettet im vierten Gesang von Goethes Reineke Fuchs Die Stellung der Erzahlung am Ende des Bandes kann als Hommage an Goethe verstanden werden der seine Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten ebenfalls mit einem Marchen abschloss Daruber hinaus enthalt die Erzahlung weitere literarische Bezuge Kellers Berliner Lekture umfasste ein breites Spektrum der europaischen Erzahlliteratur Welch genaue Stilstudien er am Decamerone unternahm bezeugt die strenge altitalienische Novellenform die er der Binnenerzahlung zu geben wusste 10 Spiegel ist als honnete homme nach dem Ideal der Aufklarung stilisiert die ganze Erzahlung atmet den Geist dieser Epoche Verachtung des Aberglaubens Spott uber Hexerei und Zauberwesen am witzigsten bei der Beschreibung der betrugerischen Umstande durch die das Schnepfengarn seine Kraft erhalt Der Autor bedient sich der Form und Stoffelemente von Zaubermarchen und romantischer Erzahlung zum Zweck der Persiflage Ganz im Sinne der Materialisten des 18 Jahrhunderts und seines Heidelberger Lehrers Ludwig Feuerbach ist auch das fabula docet Nimm einem vernunftbegabten Lebewesen die Grundlagen seiner Ernahrung so verliert es seine Wurde und seinen Verstand gib sie ihm wieder und zwar ausreichend so gewinnt es sie zuruck Die Geschichte des Katers ist eine amusant formulierte philosophische Lektion uber die materielle Bedingtheit alles Geistigen ein hochst hintersinniges und unromantisches Marchen also 11 Adaptionen BearbeitenPaul Burkhard Spiegel das Katzchen Spieloper nach Kellers Novelle Urauffuhrung 1956 im Theater am Gartnerplatz Munchen Neufassung von Mathias Spohr 1990 im Opernhaus Zurich Ludwig Detsinyi unter dem Pseudonym David Martin Spiegel the cat A story poem Based on a tale by Gottfried Keller 1961 Cassell London 1969 ISBN 0 304 93495 X UK Lizenzausgabe Walter Moers Der Schrecksenmeister Ein kulinarisches Marchen aus Zamonien von Gofid Letterkerl Neu erzahlt von Hildegunst von Mythenmetz Piper Verlag Munchen 2007 ISBN 978 3 492 04937 5 Doris Lecher Spiegel das Katzchen Nach der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller Illustriert und neu erzahlt von Doris Lecher NordSud Verlag Zurich 2015 ISBN 978 3 314 10287 5 Frank Klaffke Katzchen Schnute interaktives Kindertheater nach Kellers Novelle Urauffuhrung Theater Sturmvogel Reutlingen 2005 1 Preis Kindertheaterwoche Rechberghausen 2015Literatur BearbeitenTextausgaben Auswahl Spiegel das Katzchen Ein Marchen Mit 8 Orig Radierungen von Otto Pless Leipzig Baustein Verlag 1924 Spiegel das Katzchen Mit funf farbigen Handlithographien von Victor Surbek Scherz Bern um 1950 Spiegel das Katzchen Ein Marchen Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1961 Mit einem Nachwort von Hans Richter Illustriert von Peter Schnurpel Spiegel das Katzchen Anmerkungen und Nachwort Alexander Honold Reclam Ditzingen 1986 ISBN 978 3 15 007709 2 Spiegel das Katzchen Ein Marchen Ill Joelle Tourlonias Insel Verl Frankfurt 2001 Insel Bucherei Nr 2768 ISBN 978 3 458 34468 1 Spiegel das Katzchen Ein Marchen aus Seldwyla Books on Demand Norderstedt 2007 ISBN 978 3 8370 0243 0DarstellungenFranz Leppmann Spiegel das Katzchen In Franz Leppmann Hrsg Kater Murr und seine Sippe Beck Munchen 1908 S 78 86 Hans Richter Gottfried Kellers fruhe Novellen Rutten und Loening Berlin 1960 Therese Muller Nussmuller Spiegel das Katzchen Interpretation Dissertation Basel 1972 Hans Poser Spiegel das Katzchen Burgerliche Welt im Spiegel des Marchens in Amsterdamer Beitrage zur neueren Germanistik Jg 9 1979 S 33 43 Gunter H Hertling Gottfried Kellers poetische Eugenspiegeleien Spiegel das Katzchen in Gunter H Hertling Beibende Lebensinhalte Essays zu Adalbert Stifter und Gottfried Keller Berlin Lang 2003 German Studies in America 7 ISBN 978 3 90677037 6 Edita Jurcakova Marchenmotive in Kellers Novelle Spiegel das Katzchen in Brunner Hefte zu Deutsch als Fremdsprache Jg 5 Nr 1 2012 S 29 38 Weblinks BearbeitenSpiegel das Katzchen Keller Gottfried Die Leute von Seldwyla Braunschweig 1856 Volltext Deutsches TextarchivEinzelnachweise Bearbeiten Richter im Nachwort zu seiner Textausgabe von Spiegel das Katzchen Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1966 S 79 Vgl auch Walter Muschg Umriss eines Gottfried Keller Portrats in Gestalten und Figuren Bern und Munchen 1968 S 171 Vgl Jonas Frankel Gottfried Kellers Briefe an Vieweg Corona Verlag Zurich und Leipzig 1938 S 15 und 116 Die Briefe Viewegs an Keller sind teilweise veroffentlicht in Carl Helbling Gottfried Keller Gesammelte Briefe Bern 1950 54 Band 3 2 S 9 164 Vier unveroffentlichte Briefe Viewegs sind in der Auswahl zu finden die Walter Morgentaler bietet siehe unter Gottfried Keller Briefe Keller an Vieweg 14 Februar 1852 Gesammelte Briefe Band 3 2 S 54 Keller an Ferdinand Freiligrath Ende 1954 Gesammelte Briefe Band 1 S 257 Ahnlich hatte der Maler Wilhelm von Kaulbach dessen Illustrationen zu Goethes Reineke Fuchs Keller bewunderte seinen politisch wenig wagemutigen Verleger mit Spott bedacht In der Schlussvignette zur Cottaschen Prachtausgabe von 1846 veralberte dessen Verlagsemblem den Greifen vgl Reineke Fuchs Der Reineke Zyklus Wilhelm von Kaulbachs Vieweg an Keller 23 Oktober 1854 Gesammelte Briefe Band 3 2 S 92 Jakob Baechtold Gottfried Kellers Leben seine Briefe und Tagebucher 3 Bande Berlin 1894 97 Band 2 S 400 Anm 1 Keller an Vieweg 16 Februar 1856 Gesammelte Briefe Band 3 2 S 131 29 Juni 1875 Gesammelte Briefe Band 3 1 S 139 Hans Richter Gottfried Kellers fruhe Novellen Rutten und Loening Berlin 1960 S 182 f Hans Richter im Nachwort zu Textausgabe des Aufbau Verlags S 81 Ausfuhrlich behandelt Richter Kellers Verhaltnis zum philosophischen Materialismus in seiner Schrift uber die fruhen Novellen S 176 180 Werke von Gottfried Keller RomaneDer grune Heinrich Martin SalanderNovellenzyklenDie Leute von Seldwyla Teil IPankraz der Schmoller Romeo und Julia auf dem Dorfe Frau Regel Amrain und ihr Jungster Die drei gerechten Kammmacher Spiegel das KatzchenDie Leute von Seldwyla Teil IIKleider machen Leute Der Schmied seines Gluckes Die missbrauchten Liebesbriefe Dietegen Das verlorene LachenSieben LegendenZuricher NovellenHadlaub Der Narr auf Manegg Der Landvogt von Greifensee Das Fahnlein der sieben Aufrechten 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