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Die drei gerechten Kammmacher so im Erstdruck und in den textkritischen Ausgaben Kammacher haufig in spateren Drucken ist eine Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller 1855 in Berlin geschrieben und erstmals 1856 in der Sammlung Die Leute von Seldwyla veroffentlicht gehort sie heute zu den bekannteren Erzahlungen Kellers und gilt als Beispiel einer realistischen Groteske Die Geschichte handelt von drei deutschen Handwerksgesellen die bei einem Seldwyler Meister arbeiten alle drei fleissig sparsam genugsam berechnend und konfliktscheu Trotzdem oder gerade deshalb werden sie zu erbitterten Rivalen jeder mochte die Kammmacherei kaufen und jeder mochte dazu dieselbe vermogende Jungfer ehelichen Es kommt zu einem entscheidenden Wettlauf der fur zwei der Gesellen schlimm ausgeht Doch auch der Sieger endet unruhmlich als Pantoffelheld Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Uber das Werk 2 1 Begriff der Gerechtigkeit 2 2 Entstehung 2 3 Rezeption 2 4 Realismus 2 5 Groteske 3 Literatur 4 Einzelnachweise 5 WeblinksInhalt Bearbeiten nbsp Die drei gerechten Kammmacher Wie die folgenden Illustrationen Holzschnitt von Ernst Wurtenberger 1918 nbsp Der Schlaf der drei Gerechten Jobst der Sachse tut niemandem etwas zuleid und halt es schon jahrelang bei schmaler Kost und eintoniger Arbeit in der Kammmacherei aus stets nur das Ziel vor Augen hier einmal selbst Meister zu werden So geht er allen kostspieligen Vergnugungen der Seldwyler aus dem Weg und verkriecht sich vor ihren politischen Tumulten furchtsam in der Werkstatt Schon hat er ein hubsches Summchen erspart seine Rechnung scheint aufzugehen Da treffen nacheinander zwei neue Gesellen ein der Bayer Fridolin und der Schwabe Dietrich Erst hofft Jobst sie auszusitzen doch dann muss er feststellen dass beide aus dem gleichen Holz geschnitzt sind wie er und auch das gleiche Ziel verfolgen Aus Angst vorzeitig entlassen zu werden schuften die drei wie besessen um die Wette fullen ihrem Meister die Taschen und vermeiden jede Reibung untereinander sie schlafen sogar im selben Bett ohne um den bequemsten Platz zu streiten sodass das Deckbett auf ihnen lag wie ein Papier auf drei Heringen 1 Heimlich aber spaht Jobst die Geldverstecke der andern aus Fridolins Schatz kommt dem seinigen fast gleich was ihn mit Besorgnis und Bewunderung erfullt Dagegen hat sich Dietrich als Jungster und zuletzt Angekommener noch kaum etwas zuruckgelegt nbsp Eine vermogende Jungfer tritt ins Spiel nbsp Zus Bunzlin gibt mit ihrer Bildung an Jobst und Fridolin kommen Dietrich auf die Schliche Dietrich aber bringt in Erfahrung dass die Jungfer Zus Bunzlin die den dreien die Wasche besorgt einen Gultbrief besitzt dessen Wert die Ersparnisse seiner Konkurrenten aufwiegt Zus passt mit ihrer eingebildeten Klugheit gut zu dem Gesellen Ausserdem versteht sie ihre weiblichen Reize zur Geltung zu bringen So beginnt das Schwablein der Jungfer den Hof zu machen redete ihr nach dem Mund so stark er konnte und sie vermochte ein tuchtiges Lob zu ertragen ja sie liebte den Pfeffer desselben umso mehr je starker er war Die beiden alteren Gesellen kommen Dietrich jedoch auf die Schliche und versuchen es ihm nachzutun wobei sie sich mit ungeschickten Komplimenten ofters verhaspeln Zus ist das gerade recht kann sie doch so den vollen Glanz ihrer Bildung entfalten Im Ubrigen halt sie die Gesellen mit Reden uber Entsagung und Uneigennutzigkeit in Zaum Je hochtrabender der Unsinn ist den sie von sich gibt desto demutiger hangen sie an ihren Lippen nbsp Kniefallig bitten die drei den Meister bleiben zu durfen Inzwischen hat der Besitzer der Kammmacherei an den Gesellen ein Heidengeld verdient Er schnallte sich den Gurt um einige Locher weiter und spielte eine grosse Rolle in der Stadt wahrend die torichten Arbeiter in der dunklen Werkstatt Tag und Nacht sich abmuhten und sich gegenseitig hinausarbeiten wollten Da er als Seldwyler naturlich uber seine Verhaltnisse lebt lasten auf der Goldgrube bald doppelt so viel Schulden wie sie abwirft Endlich bewirkt die Uberproduktion von Kammen einen Geschaftsruckgang Der Meister sieht sich gezwungen zwei Gesellen zu entlassen Fur die drei Gerechten bricht eine Welt zusammen jeder bittet kniefallig darum bleiben zu durfen Doch der Meister errat sehr wohl ihre Absichten nimmt sie ubel und beschliesst seine moglichen Geschaftsnachfolger noch zum Narren zu halten indem er sie miteinander um die Wette laufen lasst Er stellt sich als ob die Wahl ihm schwer falle und kundigt allen dreien Am folgenden Sonntagmorgen mussen sie ihre Sachen packen und eine halbe Stunde weit aus dem Stadtchen hinauswandern Welcher danach als erster wieder bei ihm Anstellung sucht den wird er behalten die andern konnen sehen wo sie bleiben Verzweifelt rennen die Gesellen zu Zus und flehen sie an sich fur einen von ihnen zu entscheiden Doch die Jungfer befiehlt ihnen den Wettlauf als eine vom Himmel auferlegte Probe zu betrachten und will erst dem Sieger ihre Hand reichen nbsp Zus Bunzlin halt ihre Abschiedspredigt nbsp Zus und Dietrich werden ein Liebespaar Am Sonntagmorgen begleitet sie das wanderfertige Trio vors Stadttor auf eine Anhohe und bereitet es mit kleinen Erfrischungen gedorrten Birnen und Pflaumen und durch eine salbungsvolle Predigt auf die absurde Prufung vor So ziehet denn dahin und kehret die Torheit der Schlechten um in die Weisheit der Gerechten Was sie zum Mutwillen ausgesonnen das verwandelt in ein erbauliches Werk der Prufung und der Selbstbeherrschung in eine sinnreiche Schlusshandlung eines langjahrigen Wohlverhaltens und Wettlaufes in der Tugend Insgeheim mochte sie aber erreichen dass Dietrich das Rennen verliert denn wegen seiner geringen Ersparnisse kommt er fur sie als Ehemann nicht in Frage Als die beiden andern loslaufen tut sie daher verliebt und hilfsbedurftig und klammert sich an ihn Dietrich der wohl merkt was gespielt wird disponiert um nimmt sich vor sein Heil hier oben zu versuchen und lasst sich von der falschen Freundin auf einen schattigen Waldpfad locken Zus aber als ein Wesen dessen Gedanken am Ende doch so kurz sind als seine Sinne erliegt dort seinen feurigen Worten und Liebkosungen Ihr Herz krabbelte so angstlich und wehrlos wie ein Kafer der auf dem Rucken liegt und Dietrich besiegte es in jeder Weise nbsp Jobst und Fridolin prugeln sich vor den Augen der Seldwyler Wahrenddessen artet der Wettlauf von Jobst und Fridolin zu einer wusten Rauferei aus Angefeuert von den Seldwyler Herren und Damen denen das grausame Schauspiel als sonntagliche Nachmittagsunterhaltung gelegen kommt vergessen die beiden ihr Ziel und walzen sich umringt von johlendem Volk im Strassenstaub zum einen Stadttor hinein an der Kammfabrik vorbei und zum andern wieder hinaus Der Meister wartet vergeblich auf den Sieger bis ein Stundchen spater Dietrich und Zus bei ihm eintreten und ihm einen Vorschlag machen Zus kauft sein Haus und Geschaft ihr Brautigam Dietrich mietet sich bei ihr ein und betreibt die Werkstatt Erfreut nimmt der Meister an kommt er doch auf diese Weise hinter dem Rucken seiner Glaubiger schnell noch zu barem Geld Halbtot vor Scham Mattigkeit und Arger lagen Jobst und Fridolin in der Herberge wohin man sie gefuhrt hatte nachdem sie auf dem freien Feld endlich umgefallen waren ganz ineinander verbissen Am nachsten Tag verlasst der Sachse die Stadt und erhangt sich an einem Baum unweit der Stelle an der Zus von den dreien Abschied genommen hat Als der Bayer wenig spater dort vorbeikommt und den Leichnam sieht packt ihn das Entsetzen Er rennt wie wahnsinnig davon verliert jeden Halt im Leben und endet als verwahrloster Mensch Dietrich der Schwabe allein blieb ein Gerechter und hielt sich oben im dem Stadtchen aber er hatte nicht viel Freude davon denn Zus liess ihm gar nicht den Ruhm regierte und unterdruckte ihn und betrachtete sich als die alleinige Quelle alles Guten Uber das Werk BearbeitenBegriff der Gerechtigkeit Bearbeiten Die Leute von Seldwyla haben bewiesen dass eine ganze Stadt von Ungerechten oder Leichtsinnigen zur Not fortbestehen kann im Wechsel der Zeiten und des Verkehrs die drei Kammmacher aber dass nicht drei Gerechte lang unter einem Dach leben konnen ohne sich in die Haare zu geraten Nach dieser haufig zitierten Einleitung erlautert der Erzahler was er unter gerecht versteht Es ist hier nicht die himmlische Gerechtigkeit gemeint oder die naturliche Gerechtigkeit des menschlichen Gewissens sondern jene blutlose Gerechtigkeit welche aus dem Vaterunser die Bitte gestrichen hat Und vergib uns unsere Schulden wie auch wir vergeben unsern Schuldnern weil sie keine Schulden macht und auch keine ausstehen hat welche niemand zu Leid lebt aber auch niemandem zu Gefallen wohl arbeiten und erwerben aber nichts ausgeben will und an der Arbeitstreue nur einen Nutzen aber keine Freude findet Solche Gerechte werfen keine Laternen ein aber sie zunden auch keine an und kein Licht geht von ihnen aus sie treiben allerlei Hantierungen und eine ist ihnen sogut wie die andere wenn sie nur mit keiner Fahrlichkeit Gefahr verbunden ist am liebsten siedeln sie dort wo recht viele Ungerechte in ihrem Sinne sind denn sie untereinander wenn keine solchen zwischen ihnen waren wurden sich bald abreiben wie Muhlsteine zwischen denen kein Korn liegt Wenn diese ein Ungluck betrifft so sind sie hochst verwundert und jammern als ob sie am Spiesse staken da sie doch niemand etwas zuleide getan haben denn sie betrachten die Welt als eine grosse wohlgesicherte Polizeianstalt wo keiner eine Kontraventionsbusse Geldstrafe zu furchten braucht wenn er vor seiner Tur fleissig kehrt keine Blumentopfe unverwahrt vor das Fenster stellt und kein Wasser aus demselben giesst Entstehung Bearbeiten 1851 notierte sich Keller in Berlin Geschichte von den drei Schreinergesellen welche alle recht thaten und desnahen deswegen nicht neben einander existieren konnten Costum des 18 Jahrhunderts 2 Die Idee dass eine Gesellschaft aus lauter Tugendsamen nicht zusammenhalt und blosses Rechttun die Ausubung von Sekundartugenden nach heutigem Sprachgebrauch zerstorerisch wirkt lasst sich bis zu den Schriften des Fruhaufklarers Pierre Bayle zuruckverfolgen mit denen Keller wahrend seiner Heidelberger Studienzeit durch Ludwig Feuerbach in Beruhrung kam 3 Bei der Ausarbeitung der Erzahlung wahlte Keller das Kostum des zeitlich naherliegenden Biedermeier und ersetzte die Schreinergesellen durch Kammmacher wohl nicht zuletzt dem dreimal dreifach gezackten Schriftbild zuliebe Beide Anderungen hangen mit der Einfuhrung der vierten Hauptfigur Zus Bunzlin zusammen Denn deutlicher als andere Gewerke stehen die Hersteller von Kammen im Dienste der weiblichen Eitelkeit Zudem gab es fur das moralische Salbadern der Jungfer ein Modell das Keller satirisch treffen wollte die Erzahlungen des biedermeierlichen Geistlichen und Schriftstellers Christoph von Schmid Dieser vielgelesenen Jugendbuchautor wird im Text als eine der Weisheitsquellen der Zus erwahnt Auch besass sie einige der hubschen Geschichten von Christoph Schmid und dessen kleine Erzahlung mit den artigen Spruchversen am Ende 4 Rezeption Bearbeiten Viel besprochen und bewundert wird in der Keller Literatur seit jeher die Weise wie der Erzahler Charakter und Vergangenheit seiner Figuren anschaulich macht Er breitet dazu die Dinge aus die sie verwahren und erzahlt deren Herkunft Ekphrasis Die Beschreibung der Kostbarkeiten Bucher und Pfander in Zus lackierter Lade erstreckt sich uber mehrere Druckseiten Ohne den Leser zu ermuden beginnt sie beim Gultbrief fuhrt uber diverse Nippes etwa die beruhmte Bonbonbuchse aus Zitronenschale auf deren Deckel eine Erdbeere gemalt war und endet bei einem chinesischen Tempelchen aus Pappe liebevoll verfertigt von einem Buchbindergesellen Dessen Freundschaft und Werbung genoss die Jungfer uber ein Jahr gab ihm seiner Jugend und Armut wegen jedoch den Laufpass wenn auch mit ausgesucht wohltonenden Reden Der Verabschiedete der bei ihr nie zu Wort gekommen war hinterliess ihr dafur in einem doppelten Boden des Kunstwerkchens den allerschonsten Brief von Tranen benetzt worin er seine unsagliche Betrubnis Liebe Verehrung und ewige Treue aussprach und in so hubschen und unbefangenen Worten wie sie nur das wahre Gefuhl findet welches sich in eine Vexiergasse verrannt hat Da sie aber keine Ahnung hatte von dem verborgenen Schatze so geschah es hier dass das Schicksal gerecht war und eine falsche Schone das nicht zu Gesicht bekam was sie nicht zu sehen verdiente Als weiterer Hohepunkt der Novelle gilt nicht seit jeher die Schilderung des verzweifelten Wettlaufs von Jobst und Fridolin im Kontrast zur grausamen Lustigkeit die er bei den Seldwylern erregt Beide waren von Schweiss und Staub bedeckt sie sperrten den Mund auf und lechzten nach Atem sahen und horten nichts was um sie her vorging und dicke Tranen rollten den armen Mannern uber die Gesichter welche sie abzuwischen nicht Zeit hatten Sie liefen sich dicht auf den Fersen doch war der Bayer voraus um eine Spanne Ein entsetzliches Geschrei und Gelachter erhob sich und drohnte soweit das Ohr reichte Die Herren in den Garten standen auf den Tischen und wollten sich ausschutten vor Lachen Ihr Gelachter drohnte aber donnernd und fest uber den haltlosen Larm der Menge weg die auf der Strasse lagerte und gab das Signal zu einem unerhorten Freudentage Die Buben und das Gesindel stromten hinter den zwei armen Gesellen zusammen und ein wilder Haufen eine furchtbare Wolke erregend walzte sich mit ihnen dem Tore zu alle Fenster waren von der Damenwelt besetzt welche ihr silbernes Gelachter in die tosende Brandung warf und seit langer Zeit war man nicht mehr so frohlich gestimmt gewesen in dieser Stadt Mit dem Epitheton donnernd und fest spielt der Erzahler auf das homerische Gelachter an stimmt aber nicht mit ein Tatsachlich behandelt Keller an keiner anderen Stelle des Zyklus die Seldwyler Gemutlichkeit mit grosserer Kalte und Distanz ob Pobel ob Stadtgotter und gottinnen sie treiben mit Entsetzen Scherz Prompt wurde ihm die Grausamkeit seiner Schilderung und das schlimme Ende der Geschichte zum Vorwurf gemacht In den Grenzboten bedauerte ein Kritiker wenige Jahre nach Kellers Tod Nirgends eine Heilung nirgends eine Versohnung und so kommt uns nun erst zum Bewusstsein dass diese Novelle durchweg herbe ist wie ihr Schluss Die Ursache dafur sah er in dem auffallenden Mangel an Gemut bei Keller 5 als ob der Satiriker das Schlechte und Niedrige das er anprangert selbst erfunden und in die Welt gesetzt hatte nbsp Bildnis des frommen Junglings aber ungerechten Kammmachers Gottfr Keller ca 1870Jakob Baechtold Kellers Erstbiograph berichtet Die liebsten unter seinen Seldwyler Geschopfen blieben dem Dichter Die drei gerechten Kammmacher deren Wertschatzung er auch jederzeit zum Prufstein seiner Beurteiler machte 6 An eine Berliner Freundin schrieb Keller ironisch Ihren Dr Horwitz kenne ich nicht da er aber fur die Kammmacher eingenommen ist so ist er jedenfalls ein sehr gebildeter Mann und viel gescheiter als Prutz und Gutzkow welche jene Schnurre fur schlechte Spasse erklart haben 7 Richard Wagner der wahrend seiner Zurcher Jahre mit Keller verkehrte bestand den Test Wagner schreibt Baechtold nicht ohne Verwunderung liebte vor allem Die drei gerechten Kammmacher 8 Einer Wiener Freundin Marie von Frisch verehrte Keller seine Fotografie mit der Widmung Bildnis des frommen Junglings aber ungerechten Kammmachers Gottfried Keller Realismus Bearbeiten Der Roman soll das deutsche Volk dort suchen wo es in seiner Tuchtigkeit zu finden ist namlich bei seiner Arbeit So lautete das Motto des 1855 erschienenen Romans Soll und Haben von Gustav Freytag Ob Keller als er im selben Jahr Die drei gerechten Kammmacher schrieb dieses Motto im Auge hatte lasst sich nicht nachweisen Trotzdem ist die literaturgeschichtliche Koinzidenz bemerkenswert Keller zeigt am Beispiel der drei Gerechten die andere Seite von Arbeitsethik und Tuchtigkeit nicht nur der deutschen Ohne Kenntnis der marxistischen politischen Okonomie schrieb der ostdeutsche Literaturwissenschaftler Hans Richter 1961 und zweifellos auch ohne eigentliche Absicht demonstriert der Realist Keller hier am konkreten Beispiel den unaufloslichen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit Es gibt wohl in der gesamten deutschen Literatur zur Zeit Kellers kaum eine annahernd vergleichbare Gestaltung dieses Grundwiderspruchs der kapitalistischen Gesellschaft dass sie sich gerade bei Keller findet der nach der immer noch landlaufigen Meinung burgerlich idyllische Schnurren erzahlt durfte den vorurteilsfreien und grundlichen Leser dieses Dichters nicht uberraschen 9 Groteske Bearbeiten Im Westen vollzog sich die Neubewertung der Kammmacher Novelle zur selben Zeit unter dem Aspekt des grotesken Humors auf den bereits Walter Benjamin aufmerksam gemacht hatte 10 Wolfgang Kayser leitet seine Schrift Das Groteske in Malerei und Dichtung mit einer Zusammenfassung der Kammmacher Novelle ein und kommt danach mehrfach auf Die Leute von Seldwyla zu sprechen Keller entwickelt eine eigene Stilform des Grotesken Man mag bei ihm von Realismus sprechen aber dann darf man nicht verkennen dass zu der Realitat seiner Welt die unheimlichen unfassbaren dunklen Machte gehoren und dass dem Erzahler so tief sein klarer Blick dringt und so sehr er es liebt heiter zu lacheln und Lacheln zu erwecken das Grauen vor dem Abgrundigen nicht fremd ist Fur Kayser ist die Gestaltung des Grotesken der Versuch das Damonische in der Welt zu bannen und zu beschworen 11 Realist oder Poet Was die Absichtslosigkeit bei der Gestaltung betrifft hatte Keller wohl Richter zugestimmt In seiner fiktiven Stadt Seldwyla brachte er Figuren zusammen die wie ihn die Beobachtung lehrte in der Welt wirklich vorkamen und liess sie miteinander in ebenso weltlaufige soziale Beziehungen treten Konkurrenz Liebe Streben nach Besitz und Geltung Seine Geschichten ahneln Gedankenexperimenten oder Modellrechnungen Oft wunderte er sich selbst uber die Ergebnisse Was dagegen das unfassbar Dunkle betrifft ware er wohl mit Kaysers Definition des Grotesken nicht einverstanden gewesen Keller glaubte nicht an ubernaturliche Wesen Zus Bunzlin ist kein Damon sondern eine Person bei der die naturliche Selbstliebe so ubermassig stark entwickelt ist dass sie zur Geltungs und Herrschsucht wird und das Bedurfnis hervortreibt jederzeit zu dominieren Vorbilder fur solche Personen entdeckte Keller vor allem im Milieu der Hochgebildeten Nach der Lekture eines Buches das ihm Erinnerungen an die Berliner Salons weckte wunderte er sich Erst jetzt weiss ich recht was mir bei den Reden der Zus Bunzlin namentlich beim Abschied auf der Hohe fur ein Ideal vorgeschwebt hat Ich hatte beim Schreiben auch hochstehende Weiber im Auge glaubte aber nicht dass es so hoch hinauf ginge 12 Literatur BearbeitenText Gottfried Keller Die drei gerechten Kammacher Novelle Reclam Stuttgart 1998 ISBN 3 15 006173 3Darstellungen Hans Richter Gottfried Kellers fruhe Novellen Rutten und Loening Berlin 1960 Klaus Dieter Metz Gottfried Keller die drei gerechten Kammmacher Interpretation Oldenbourg Verlag Munchen 1990 ISBN 3 486 88640 1Einzelnachweise Bearbeiten In Schragschrift wortliche Zitate nach dem Text von Gottfried Keller Samtliche Werke hrsg von Jonas Frankel Zurich und Munchen 1927 Bd 7 S 257 319 Zitiert nach Frankels editorischem Kommentar Samtliche Werke Bd 7 S 400 Nach einer mundlichen Mitteilung Kellers an Conrad Ferdinand Meyer wurde die Kammmacher Novelle von der These Bayles im Dictionnaire historique et critique angeregt ein Staat von lauter Gerechten konnte nicht bestehen Die genaue Stelle hat sich nie nachweisen lassen vgl Frankels Kommentar S 400 Hans Richter fand jedoch in einer Feuerbachschen Schrift uber Bayle Zitate die einen ahnlichen Sinn ergeben vgl Gottfried Kellers fruhe Novellen Berlin 1960 S 144 f Als Digitalisat verfugbar sind Schmids Lehrreiche kleine Erzahlungen fur Kinder Auch die Vornamen der Kammmacher sind einer Schmidschen Erzahlung entnommen Der gute Fridolin und der bose Dietrich Eine lehrreiche Geschichte fur Altern und Kinder in der auch ein Jost bei Keller Jobst vorkommt Die Ironie mit der von Schmids Erzahlungen als von hubschen Geschichten die Rede ist wurde in der Keller Literatur erst von Hans Richter bemerkt vgl Gottfried Kellers fruhe Novellen S 146 ff Die Grenzboten Leipzig 1897 Jg 56 Bd 1 S 537 zitiert nach Hans Richter Gottfried Kellers fruhe Novellen S 142 wo weitere verstandnislos abwertende Reaktionen besprochen sind Jakob Baechtold Gottfried Kellers Leben seine Briefe und Tagebucher 3 Bande Berlin 1894 97 Bd 2 S 96 An Lina Duncker Ende Juni oder Anfang Juli 1858 Carl Helbling Hrsg Gottfried Keller Gesammelte Briefe 4 Bande Benteli Bern 1950 54 Bd 2 S 171 Gottfried Kellers Leben Bd 2 S 309 Gottfried Kellers fruhe Novellen S 153 f Vgl Die Leute von Seldwyla Humor Das Groteske in Malerei und Dichtung rowohlts deutsche enzyklopadie hrsg von Ernesto Grassi Stuttgart 1960 S 86 und S 139 An Emil Kuh 9 Juni 1875 Gesammelte Briefe Bd 3 1 S 193 Weblinks BearbeitenFrei verfugbarer Text Zeno orgWerke von Gottfried Keller RomaneDer grune Heinrich Martin SalanderNovellenzyklenDie Leute von Seldwyla Teil IPankraz der Schmoller Romeo und Julia auf dem Dorfe Frau Regel Amrain und ihr Jungster Die drei gerechten Kammmacher Spiegel das KatzchenDie Leute von Seldwyla Teil IIKleider machen Leute Der Schmied seines Gluckes Die missbrauchten Liebesbriefe Dietegen Das verlorene LachenSieben LegendenZuricher NovellenHadlaub Der Narr auf Manegg Der Landvogt von Greifensee Das Fahnlein der sieben Aufrechten UrsulaDas SinngedichtVon einer torichten Jungfrau Regine Die arme Baronin Die Geisterseher Don Correa Die BerlockenGedichte Neuere Gedichte Melancholie Gesammelte Gedichte Die offentlichen Verleumder Prolog zur Feier von Beethovens hundertstem Geburtstag in ZurichGemaldeHeroische Landschaft Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die drei gerechten Kammmacher amp oldid 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