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Die Gult auch Gulte oder Gilt ist ein historischer Begriff aus dem mittelalterlichen Finanz und Steuerwesen Sie bezeichnete eine aus einem Grundstuck an den Grundherrn zu zahlende Steuer Abgabe ein Pfand oder eine Geldrente und war vor allem im suddeutschen Raum Osterreich und der Schweiz gebrauchlich Es wurde zwischen der Geldgulte Zahlung in Geld und der Fruchtgulte Zahlung in Naturalien unterschieden 1 Es existierten Abgabenregister als sogenannte Gultbucher Einen zinspflichtigen Bauern nannte man Gultbauer den Glaubiger den Gultherrn Die Gult als Grundpfand bewirkte eine Haftung durch das belastete Grundstuck nicht durch den Schuldner personlich 2 Inhaltsverzeichnis 1 Wortherkunft 2 Deutschland 3 Osterreich 4 Schweiz 4 1 Historische Entwicklung 4 2 Bedeutung 4 3 Abschaffung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseWortherkunft Bearbeiten Gult ist eine Ableitung vom Verb gelten althochdeutsch geltan zuruck zahlen entschadigen opfern wert sein Stammverwandte Worter sind gultig entgelten vergelten und die Interjektion gelt auch gell e 3 Deutschland BearbeitenDie Gult oder Gelt im Sinne einer Grundrente wurde in Deutschland meist als Gefalle oder Grundgefalle bezeichnet 4 5 Ein Gefalle war eine rein vermogensrechtliche Grundlast d h eine Reallast ohne personliche oder dingliche Abhangigkeit 6 Zu den sog Herrschaftsgefallen gehorten an den Landesherrn zu leistende Naturalabgaben etwa Ganse Huhner oder Eier 7 In Frankreich mit der Franzosischen Revolution abgeschafft bestanden die Gefalle in Deutschland noch bis zu den Preussischen Reformen insbesondere dem Gesetz betreffend die Ablosung der Reallasten und die Regulirung der bauerlichen und gutsherrlichen Verhaltnisse vom 2 Marz 1850 8 Osterreich BearbeitenDie Gult oder auch Gilt war im Unterschied zum Stiftgeld eine Abgabe in Naturalien die als Bringschuld jahrlich in gleicher Menge an den Grundherrn geleistet werden musste z B als Getreide oder Kasegilt 9 Sie war ein seit dem 15 Jahrhundert in den Landern Ober und Niederosterreich Steiermark Karnten Krain und in der Grafschaft Gorz aber auch in Bayern z B im Klostergericht Benediktbeuern gebrauchliches System zur Taxierung der steuerpflichtigen Einkunfte der landsassigen Adligen und Pralaten Sie diente nachdem der Landtag dem Kaiser eine Steuer bewilligt hatte zur Umlage der auf Herren Ritter und Pralaten entfallenden Steuerlast auf die einzelnen Mitglieder dieser Stande Man brachte dabei die Zins und Pachteinkunfte der Grundherrschaften in Anrechnung die von den untertanigen Bauern abgefuhrt werden mussten Naturalleistungen der Untertanen wurden dabei weit unter dem Marktwert in Geldbetrage umgerechnet Das von den Grundherren selbst bewirtschaftete Land war steuerfrei Die Ermittlung der Einkunfte erfolgte entweder durch Selbsteinschatzung der einzelnen Adligen und Pralaten oder wurde durch standische Beamte vorgenommen Die habsburgischen Landesherren konnten die Richtigkeit der Gultbetrage nicht kontrollieren Die Schatzungen wurden in von den Standen gefuhrte Gultbucher eingetragen Gulteinlagen Bei der Steuerbewilligung durch die Landtage kamen dann zwei Verfahren zur Anwendung Entweder sagten die Stande dem Landesherren eine feste Summe zu die dann gemass dem Gultbuch auf die einzelnen Adligen und Pralaten verteilt wurde nachdem man vorher den Steueranteil der landesunmittelbaren Stadte und Markte abgezogen hatte oder man bewilligte einen festen Prozentsatz der Gult Die Zahlungsverpflichtungen walzten die Grundherren dann fast zur Ganze auf ihre Untertanen ab So sind in einem Registrum der gueter ze jachnaw von 1494 des Klosters Benediktbeuern 19 Bauernhofe der Jachenau mit der jeweils zu leistenden Kasgult oder Eysngult aufgefuhrt 10 Seit den vierziger Jahren des 16 Jahrhunderts wurde mit Gult jedoch nicht mehr nur das Renteneinkommen des adligen und kirchlichen Grundbesitzes verstanden sondern sie wurde allgemein zum Massstab der standischen Steuerbewilligungen die in einem Vielfachen der Gult ausgedruckt wurde Bewilligt wurden nun die halbe einfache oder doppelte Gult Entstanden war dieses System durch die Notwendigkeit die in gemeinsamen Ausschusslandtagen von mehreren Landern bewilligten Steuern auf diese umzulegen Diese Aufteilung der Steuerquote pro Land orientierte sich nicht mehr an den tatsachlichen Gulteinkommen als Mass fur die Finanzkraft sondern stellte einen politischen Kompromiss dar Seit 1544 hatte sich der Proporz zwischen den Landern eingespielt Steiermark und Niederosterreich zahlten etwa gleich viel Oberosterreich und Karnten erlegten zwischen 35 und 40 Prozent dessen was die beiden grossten Lander aufbrachten Krain etwas weniger als 25 Prozent Diese alten Gulteinlagen enthalten im Wesentlichen die Besitz und Einkommensverhaltnisse der einzelnen Herrschaften zwecks Berechnung der Gultsteuer sowie Aufzeichnungen uber Besitzveranderungen fur die Zeit von 1530 bis 1750 Die Gultsteuer ist eine Landsteuer und wird spater auch so bezeichnet Sie ist ein Vorlaufer der heutigen Grundsteuer Heutzutage sind die alten Gulteinlagen fur viele Gebiete die ersten statistisch verwertbaren Angaben uber die Untertanenhauser Feuerstatten An die Gulteinlagen schliesst der Theresianische Kataster auch Theresianische Fassion oder Theresianisches Gultbuch genannt an und ab 1785 der Josephinische Kataster welche beide noch die Besitzstande der jeweiligen Grundherrschaften als Steuerbasis heranzogen Letzterer musste 1790 aufgehoben werden wurde aber bis zum zwischen 1817 und 1861 erstellten Franziszeischen Kataster noch als Grundsteuerprovisorium benutzt Schweiz BearbeitenDie Gult mhd fur Schuld bzw Rente ist eine im Schweizerischen Zivilrecht nicht langer begrundbare Form des Grundpfandes ehemals Art 847 ff ZGB Im liechtensteinischen Sachenrechtes Art 325 ff SR besteht sie bis heute Die im ZGB am 1 Januar 1912 bzw SR am 11 Februar 1923 moderne und vereinheitlichte Form der Gult hat historische Vorbilder etwa im Zedel Historische Entwicklung Bearbeiten Die Gult entwickelte sich im Spatmittelalter Der Glaubiger kaufte von einem Grundstuckinhaber eine Rente fur die ausschliesslich mit dem belasteten Grundstuck nicht aber mit anderweitigem Privatvermogen gehaftet wurde In der Regel konnte eine Gult nur vom Schuldner gekundigt werden durch Ruckzahlung des ursprunglichen Kaufbetrags Man spricht von einer sogenannten ewigen Gult Die Gult selbst konnte aber verkauft und vererbt werden Da dies nicht als Darlehen angesehen wurde konnte so das kirchliche Zinsverbot umgangen werden Beidseitige ablosbare Gulten kamen spater auch in Gebrauch mit notwendigerweise entsprechend langen Kundigungsfristen In Deutschland kamen sie ausser Gebrauch und wurden von der Hypothek abgelost Bedeutung Bearbeiten Obschon Gulten gegenuber anderen Grundpfandern gewisse Vorteile boten insbesondere fur den Schuldner der nur mit dem Grundstuck und nicht mit seinem ganzen Vermogen haftet gelten sie als veraltet und sind seit der Einfuhrung des ZGB im Jahre 1912 toter Buchstabe geblieben 11 Seit der einheitlichen nationalen Regelung wurden in der ganzen Schweiz kaum mehr als zwei Dutzend neue Gulten errichtet Die wenigen noch bestehenden Gulten werden zunehmend durch Schuldbriefe abgelost Da Grundpfander nach Schweizer Recht nicht verjahren verbleibt noch eine historische Bedeutung in den Appenzeller Kantonen Zedel und in der Innerschweiz Der Wortlaut von Art 847 ZGB vor der entsprechenden Teilrevision des ZGB bzw Art 325 SR Zweck und Gestalt 1 Durch die Gult wird eine Forderung als Grundlast auf ein Grundstuck gelegt 2 Sie kann nur auf landwirtschaftliche Grundstucke Wohnhauser und Baugebiet errichtet werden 3 Die Forderung besteht ohne jede personliche Haftbarkeit des Schuldners und ein Schuldgrund wird nicht angefuhrt Abschaffung Bearbeiten Der Bundesrat hat im Sommer 2005 das Eidgenossische Justiz und Polizeidepartement beauftragt eine Teilrevision des Immobiliarsachen und Grundbuchrechts auszuarbeiten welche unter anderem die Gult abschaffen sollte Die Referendumsfrist hierfur ist am 1 April 2010 unbenutzt abgelaufen die Anderung auf den 1 Januar 2012 in Kraft getreten 12 13 Die wenigen bestehenden Gulten werden hierdurch nicht tangiert 11 aber es konnen nicht langer neue geschaffen werden Unter Juristen existierte das Bonmot dass es im ZGB mehr Artikel zu Gulten als Gulten uberhaupt gebe Literatur BearbeitenFranz Freiherr von Mensi Geschichte der direkten Steuern in Steiermark bis zum Regierungsantritt Maria Theresias 3 Bande 6 Teile Styria Graz u a 1910 1936 Forschungen zur Verfassungs und Verwaltungsgeschichte der Steiermark 7 und 9 und 10 1 2 und 11 2 ZDB ID 501107 3 Bernhard Hackl Die Gulteinlagen und die Theresianischen sowie Josephinischen Steuerfassionen in den Osterreichischen Landern In Josef Pauser Hrsg Quellenkunde der Habsburgermonarchie 16 18 Jahrhundert Ein exemplarisches Handbuch Oldenbourg Munchen u a 2004 Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung Erganzungsband 44 S 365 377 Weblinks BearbeitenRudolf Ihde Amt Schwerin Geschichte seiner Steuern Abgaben und Verwaltung bis 1655 Jahrbucher des Vereins fur mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde Beiheft Schwerin 1913 Hans Joachim Behr Revolution auf dem Lande Bauern und landliche Unterschichten 1848 49 ohne Jahr Anne Marie Dubler Gult In Historisches Lexikon der Schweiz Das Sachenrecht In Liechtensteinische Gesetzessammlung 1 Oktober 2008 abgerufen am 31 Mai 2022 Einzelnachweise Bearbeiten Johann Christoph Adelung Die Gulte Grammatisch kritisches Worterbuch der Hochdeutschen Mundart S 845 846 Anne Marie Dubler Gult In Historisches Lexikon der Schweiz 13 Marz 2007 abgerufen am 20 Juli 2017 Gult In Wolfgang Pfeifer et al Etymologisches Worterbuch des Deutschen 1993 Digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer uberarbeitete Version im Digitalen Worterbuch der deutschen Sprache abgerufen am 21 Juli 2022 Gefalle in Meyers Konversationslexikon Leipzig und Wien 4 Aufl 1885 1892 Rudolph Friedrich von Moser Die bauerlichen Lasten der Wurtemberger insbesondere die Grundgefalle Stuttgart 1832 Google E Book Ignacio Czeguhn Grundrente in Albrecht Cordes Heiner Luck Dieter Werkmuller Ruth Schmidt Wiegand Hrsg Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage Band I Berlin 2008 ISBN 978 3 503 07912 4 Abgaben Memento des Originals vom 3 Mai 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www heimatpfleger bsl ag de in Braunschweigische Landschaft e V Online Lexikon Glossar Gesetzsammlung fur die Koniglich Preussischen Staaten Nr 10 ausgegeben zu Berlin den 13 Marz 1850 Internet Portal Westfalische Geschichte abgerufen am 2 Marz 2016 Reinhard Riepl Worterbuch zur Familien und Heimatforschung in Bayern und Osterreich Pfarrkirchen 2003 S 148 ISBN 3 00 012700 3 BHStA KL Benediktbeuern 39 Bl 3 a b Bericht zum Vorentwurf der Teilrevision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches Immobiliarsachen und Grundbuchrecht PDF 474 kB Marz 2004 S 9 archiviert vom Original am 17 Dezember 2013 abgerufen am 17 April 2012 Schweizerisches Zivilgesetzbuch Register Schuldbrief und weitere Anderungen im Sachenrecht PDF 168 kB In Amtliche Sammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 11 Dezember 2009 abgerufen am 17 April 2012 Exkurs Gult altrechtliches Grundpfandrecht grundpfandrecht ch abgerufen am 2 Mai 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gult amp oldid 230889426