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Die Rheinisch Westfalische Kirchenordnung RWKO von 1835 war eine Kirchenordnung die durch ihre Verbindung der presbyterial synodalen Ordnung mit der traditionellen Konsistorialverfassung zum Vorbild fur viele weitere evangelische Kirchenordnungen des 19 und 20 Jahrhunderts wurde Innerhalb des evangelischen Landeskirche im Konigreich Preussen galt sie nur fur die Rheinprovinz und die Provinz Westfalen Rheinisch westfalische Kirchenordnung 1835 Konigliche Kabinettsordre und Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Inhalt 3 Nachgeschichte und Revisionen 4 Quelleneditionen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIn den Herzogtumern Julich Kleve Berg hatte die Reformation zwar Fuss gefasst war aber nicht auf obrigkeitlichem Weg durchgesetzt worden so dass kein landesherrliches Kirchenregiment bestand Die mehrheitlich reformierten Gemeinden hatten sich zunachst an die Organisation der Niederlandisch reformierten Kirche angeschlossen und folgten den beim Weseler Konvent von 1568 festgelegten Prinzipien der presbyterial synodalen Ordnung Auf der Duisburger Generalsynode von 1610 gaben sich die reformierten Gemeinden eine gemeinsame Organisation die durch die Kirchenordnungen von 1662 fur das inzwischen preussische Kleve Mark und 1671 fur das Pfalz Neuburgische Julich Berg abgeschlossen wurde In Kleve Mark gaben sich auch die lutherischen Gemeinden 1687 eine Kirchenordnung in der im Gegensatz zu den anderen lutherischen Kirchen in Deutschland die presbyterial synodale Ordnung durchgesetzt war Als diese Gebiete durch den Wiener Kongress 1815 zu Kerngebieten der neuen preussischen Westprovinzen wurden bestand in den Gemeinden die Erwartung dass die traditionelle Selbstregierung der Kirche zumindest erhalten bleiben vielleicht aber zum Vorbild fur die gesamten Westprovinzen oder gar das gesamte Konigreich werden sollte In diesem Sinne traten viele Theologen aus dem Rheinland und Westfalen z B Wilhelm Baumer Wilhelm Ross aber auch aus Berlin z B Friedrich Schleiermacher in Schriften und Eingaben fur die Einfuhrung einer presbyterial synodalen Kirchenverfassung ein Tatsachlich initiierte Konig Friedrich Wilhelm III 1817 eine Reform der Kirchenverfassung fur die gesamte Monarchie uber die 1819 Provinzialsynoden berieten 1821 beendete der Konig jedoch die Verfassungsdiskussion weil im Zeitalter der Restauration jeder Anklang an demokratische Tendenzen verpont war Selbst in den Westprovinzen sollte die evangelische Kirche konsistorial verfasst sein auch wenn die Synoden als reine Geistlichkeitssynoden weiterhin tagen konnten 1828 wurden zudem in allen Provinzen Generalsuperintendenten eingesetzt und somit ein Element der episkopalen Kirchenverfassung eingefuhrt Weil der Konig aber seine unierte Agende in allen preussischen Provinzen durchsetzen wollte 1 sah er sich im Rheinland und Westfalen zu einer Konzession gezwungen In langeren Verhandlungen wurde der Entwurf einer Kirchenordnung erarbeitet der den Anhangern der presbyterial synodalen Kirchenverfassung entgegenkam am 5 Marz 1835 wurde die Kirchenordnung durch Kabinettsordre in Kraft gesetzt Inhalt BearbeitenDie Kirchenordnung enthielt in 148 Paragraphen die Bestimmungen uber die Organisation des kirchlichen Lebens auf drei Ebenen zuerst auf der Ebene der Ortsgemeinden 1 33 in denen Presbyterien die Leitung innehatten in Gemeinden mit mehr als 200 Mitgliedern gab es zusatzlich grossere Gemeindevertretungen dann auf der Ebene der Kreisgemeinden 34 43 nach heutiger Begrifflichkeit Kirchenkreise in denen Kreissynoden bestanden und der Provinzial Gemeinde 44 52 fur die es jeweils eine rheinische und westfalische Provinzialsynode gab Weitere Abschnitte behandelten die Wahl und die Aufgaben der Pfarrer 53 74 den Gottesdienst und die Amtshandlungen 75 116 und Fragen der Aufsicht und Visitation 117 147 Mit 148 ist allerdings klargestellt dass die Synoden nur beratende Funktionen hatten die eigentliche Kirchengewalt sowie die ausserliche Kirchenhoheit aber bei den staatlichen Behorden blieb Die Provinzialkonsistorien in Koblenz und Munster ubten in Verbindung mit den vom Konig eingesetzten Generalsuperintendenten die Disziplinargewalt aus Damit waren zwar drei der vier Forderungen der presbyterial synodalen Bewegung durchgesetzt die Wahl der Pfarrer durch die Gemeinden die Zusammensetzung aller Gremien durch Pfarrer und gewahlte Reprasentanten und die Leitung der Synode durch dazu auf Zeit gewahlte Amtstrager die entscheidende Forderung namlich die Ausubung der Kirchengewalt durch die Synoden blieb aber unerfullt Daher ist die RWKO oft als Mischsystem 2 charakterisiert worden oder als ein Kompromiss der die beiden an sich entgegengesetzten Prinzipien einer Konsistorialverfassung und einer Synodalverfassung miteinander verbindet 3 Zeitgenossen sprachen jedoch vom kirchlichen Konstitutionalismus weil das Modell dem politischen Konstitutionalismus mit seiner Verbindung von reprasentativen und obrigkeitlichen Elementen verwandt war Nachgeschichte und Revisionen BearbeitenSeit der Einfuhrung der RWKO gab es Bestrebungen nach ihrem Vorbild auch anderswo in Preussen und Deutschland die Kirchenverfassung umzubauen und so den kirchlichen Konstitutionalismus zu verwirklichen Auf Anregung von Kultusminister Friedrich Eichhorn liess Konig Friedrich Wilhelm IV deshalb ab 1843 Kreis und Provinzialsynoden in ganz Preussen uber eine Reform der Kirchenverfassung beraten Als Ergebnis beantragte die Preussische Generalsynode 1846 im gesamten Konigreich Presbyterien und Synoden einzurichten und so in noch einmal abgeschwachter Form Elemente der Rheinisch Westfalischen Kirchenordnung zu ubernehmen Dies wurde jedoch vom Konig zuruckgewiesen weil er die presbyterial synodale Ordnung ablehnte Der in Folge der Marzrevolution 1848 eingesetzte Kultusminister Maximilian von Schwerin Putzar betrieb die Einfuhrung einer presbyterial synodalen Verfassung fur die gesamte Landeskirche konnte sie aber in seiner kurzen Amtszeit nicht erreichen So wurde erst unter Kultusminister Adalbert Falk 1873 durch die Kirchengemeinden und Synodalordnung und 1876 durch die Generalsynodalordnung die Konsistorialverfassung nach dem Vorbild der RWKO durch konsultative Synoden erganzt Zuvor waren schon in einigen anderen Territorien z B Herzogtum Oldenburg 1853 Grossherzogtum Baden 1861 Konigreich Hannover 1864 ahnliche Mischverfassungen eingefuhrt worden fast alle anderen folgten bis zum Beginn des 20 Jahrhunderts Das Vorhandensein von Synoden war eine entscheidende Voraussetzung dafur dass die Selbstorganisation der evangelischen Kirchen nach dem Ende der Monarchien 1918 mit dem auch das landesherrliche Kirchenregiment endete relativ reibungslos gelang In den Westprovinzen waren jedoch die Anhanger der presbyterial synodalen Ordnung mit dem erreichten Kompromiss nicht zufrieden und versuchten schon bald nach dem Erlass der Kirchenordnung auf eine Revision hinzuarbeiten Zwischen 1848 und 1853 wurde eine Neufassung erarbeitet die eine Starkung der presbyterial synodalen Elemente bedeutet hatte vom Konig aber ebenfalls nicht bestatigt wurde Nur eine Praambel mit Aussagen uber den Bekenntnisstand die in der Kirchenordnung von 1835 gefehlt hatten wurde 1855 eingefugt und unverandert auch in die nachfolgende Kirchenordnung von 1923 ubernommen Erst 1893 kam es zu einer wichtigen Erganzung als fur die nur jahrlich bzw alle drei Jahre tagenden Kreis und Provinzialsynoden Vorstande als permanent agierende Organe geschaffen wurden 4 Als sich nach dem Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments die Evangelische Kirche der altpreussischen Union neu konstituiert hatte wurde am 6 November 1923 eine umfassend revidierte Kirchenordnung fur die Kirchenprovinzen Rheinland und Westfalen verabschiedet Die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verselbstandigten Landeskirchen von Westfalen und dem Rheinland gaben sich 1952 bzw 1953 Kirchenordnungen in denen der Einfluss der RWKO von 1835 noch deutlich sichtbar blieb Quelleneditionen BearbeitenAmtliche Erstveroffentlichung Amts Blatt der Konigl Regierung zu Munster Nr 14 29 Marz 1835 Kirchen Ordnung fur die evangelischen Gemeinen der Provinz Westphalen und der Rhein Provinz Munster Regensberg 1844 Walter Gobell Die Rheinisch Westfalische Kirchenordnung vom 5 Marz 1835 Bd 2 Urkunden Sammlung zur Rechtsgeschichte der Rheinisch Westfalischen Kirchenordnung Dusseldorf 1954 Ernst Rudolf Huber Wolfgang Huber Hrsg Staat und Kirche im 19 und 20 Jahrhundert Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts Band 1 Berlin 1973 Martin Greschat Hrsg Vom Konfessionalismus zur Moderne 3 Aufl Neukirchen Vluyn 2010 Auszuge Jorg van Norden Hrsg Thron und Altar Quellen zur Genese der Rheinisch Westfalischen Kirchenordnung 1817 1842 Materialien fur den Dienst in der Evangelischen Kirche von Westfalen Reihe G Heft 29 Bielefeld 1993 Literatur BearbeitenWalter Gobell Die Rheinisch Westfalische Kirchenordnung vom 5 Marz 1835 Bd 1 Ihre geschichtliche Entwicklung und ihr theologischer Gehalt Dusseldorf 1954 Jorg van Norden Kirche und Staat im preussischen Rheinland 1815 1838 Die Genese der rheinisch westfalischen Kirchenordnung vom 5 3 1835 Rheinland Verlag Koln 1991 Ernst Bammel Die Rheinisch Westfalische Kirchenordnung und ihr Einfluss auf die preussische Landeskirche In Rheinische Vierteljahrsblatter 55 1991 S 232 251 Wilhelm H Neuser Die Entstehung der Rheinisch Westfalischen Kirchenordnung In J F Gerhard Goeters Rudolf Mau Hrsg Geschichte der Evangelischen Kirche der Union Band 1 Die Anfange der Union unter landesherrlichem Kirchenregiment 1817 1850 Leipzig 1992 S 241 256 Einzelnachweise Bearbeiten vgl 81 Georg Ris Der kirchliche Konstitutionalismus Hauptlinien der Verfassungsbildung in der Evangelisch Lutherischen Kirche Deutschlands im 19 Jahrhundert Mohr Siebeck Tubingen 1988 S 69 Joachim Mehlhausen Kirche zwischen Staat und Gesellschaft Zur Geschichte des evangelischen Kirchenverfassungsrechts in Deutschland 19 Jahrhundert In Vestigia Verbi Aufsatze zur Geschichte der evangelischen Theologie de Gruyter Berlin 1999 S 157 Wilhelm H Neuser Die Revision der Rheinisch Westfalischen Kirchenordnung In Joachim Rogge Gerhard Ruhbach Hrsg Geschichte der Evangelischen Kirche der Union Band 2 Die Verselbstandigung der Kirche unter dem koniglichen Summepiskopat 1850 1918 Leipzig 1994 S 78 97 Jorg van Norden Kirche zwischen Reaktion und Revolution Die Revision der Rheinisch Westfalischen Kirchenordnung 1843 1853 In Zeitschrift fur Kirchengeschichte 114 2003 S 1 20 Normdaten Werk GND 4263872 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rheinisch Westfalische Kirchenordnung amp oldid 187057190