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Das Rationale Pl Rationalien auch Superhumerale Pl Superhumeralien ist ein mittelalterliches textiles Wurdezeichen welches zum Ornat von Papsten und Bischofen gehorte und heute nur noch selten benutzt wird Krakauer Superhumerale 1384 85 von Konigin Hedwig von Polen gestiftetGrabfigur Papst Clemens II mit Rationale in seiner eigentlichen Form als Brustschild an der nordlichen Chorschranke des Bamberger DomsSkulptur des Willibald von Eichstatt mit Superhumerale im Eichstatter Dom Inhaltsverzeichnis 1 Namensursprung 2 Historische Entwicklung 3 Bedeutung fur die Gegenwart 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenNamensursprung BearbeitenDie Begrifflichkeiten Rationale und Superhumerale hatten ursprunglich unterschiedliche Bedeutungen Die in der Vulgata verwendete Bezeichnung Rationale ruhrt von der lateinischen Ubersetzung des altgriechischen logion logion Aus Spruch Sprichwort Redensart fur das hebraische ח ש ן hoshen den Namen des vom israelitischen Hohenpriester im Alten Testament getragenen Brustschildes durch den hl Hieronymus her Passender ware jedoch die griechische Bezeichnung logeion logeion und dementsprechend lateinisch oraculum 1 Orakel spruch Prophezeiung Weissagung mit Bezug auf die Lostasche welcher der aus zwolf in Gold gefassten Edelsteinen bestehende Brustschild aufgenaht war und welche die beiden Orakelsteine Urim und Thummim enthielt Mit diesen sollte der Hohepriester JHWHs Losspruch bei besonderen Entscheidungen ermitteln Hieronymus fuhrt zur Herleitung der Bezeichnung rationale in einem Brief an die romische Matrona Fabiola die sich mit der Bitte an ihn gewandt hat uber Aarons Gewander zu berichten zum Rationale als Brustschmuck aus Hebraice vocatur hosen sic Graecelogion logion nos rationale possumus appellare ut ex ipso statim nomine scias mysticum esse quod dicitur 2 Hebraisch heisst es hosen griechisch logion logion wir konnen es Rationale nennen damit man am Namen erkennt dass es sich um etwas Mystisches handelt 3 Ferner erklart Hieronymus ratione enim cuncta sunt plena et terrena haerent caelestibus unde et rationale cum ephod fortius stringitur 4 der ratio ist alles teilhaftig und das Irdische hangt am Himmlischen daher wird auch das Rationale fest mit dem Efod verbunden 5 Den Terminus Superhumerale von lat super uber und humeralis m f humerale n zur Schulter gehorig Schulter also etwa Schulteruberwurf hingegen pragte Hieronymus in der Vulgata als Ubersetzung fur das altgriechische ἐpwmidwn epomidion zu hebraisch א פו ד ephod welches das Schultergewand des Hohenpriesters bezeichnet zur genauen Abgrenzung zum Rationale siehe unter Historische Entwicklung In Deutschland wird in der Literatur meist auch der Schulterschmuck mit Rationale bezeichnet wahrend man in Frankreich an der Unterscheidung der Begrifflichkeiten festhalt 6 Historische Entwicklung BearbeitenIn seiner ursprunglichen Form geht das Rationale zuruck auf das Hoshen Teil der Amtstracht der israelitischen Hohepriester im Alten Testament in Gestalt eines prunkvollen Brustschmucks bestehend aus der mit zwolf Edelsteinen besetzten Lostasche Diese Steine symbolisierten die zwolf Stamme Israels Das Rationale kam im 6 Jahrhundert als bischofliches Insigne auf und stand in seiner Gestaltung als mit zwolf Edelsteinen gezierter Brustschild in direkter Tradition des Hoshen wohl auch in Anlehnung an Ex 28 30 EU wonach Aaron den Schiedsspruch fur die Israeliten mit dem Hoshen uber seinem Herzen standig vor dem Herrn tragen sollte 7 Zugleich stellt es hochstwahrscheinlich auch eine Weiterentwicklung des Phylakteriums dar einer altchristlichen als Amulett getragenen Reliquienkapsel 8 Spater haben sich aus dem Rationale das Pektorale und kunstvolle Formen der Chormantelschliesse entwickelt 9 In der Form des Brustschildes ist heute kein Rationale mehr vorhanden Hiervon zu unterscheiden ist das Superhumerale ein dem Efod des Hohepriesters hochstwahrscheinlich nachgebildeter 10 textiler uber der Kasel getragener Schulterschmuck mit Brust und Ruckenteil welcher nachweislich ab Mitte des zehnten Jahrhunderts teils als papstliches Privileg mit Urkunde zahlreichen Bischofen und ihren Nachfolgern verliehen wurde Per Dekret wurde Bischof Bernhard von Halberstadt durch Papst Agapitus II erstmals das Superhumerale zugestanden 11 Fur Paderborn besteht eine papstliche Privilegierungsurkunde vom 5 Juni 1133 der Paderborner Bischof durfte allerdings nur an bestimmten Festtagen beim Gottesdienst das Superhumerale tragen 12 Jedoch scheint die Verleihung dieses Insigne durch den Papst eher die Ausnahme gewesen zu sein in vielen Bistumern wurde das Superhumerale getragen ohne dass papstliche Verleihungen bekannt sind 13 Zudem wird bereits im Jahre 581 auf der Synode von Macon betont kein Bischof durfe die Eucharistie ohne Pallium zelebrieren Dass es sich hierbei jedoch in Wirklichkeit um ein fruhes Superhumerale handeln muss ergibt sich aus dem liturgischen Werk Kurze Erklarung der alten gallischen Liturgie aus dem 7 Jahrhundert welche ein vom Hals zur Brust reichendes im Alten Testament mit Rationale bezeichnetes Pallium erwahnt 14 Im zwolften Jahrhundert scheint das Superhumerale dann zumindest in den Gebieten des heutigen Deutschland und Frankreich offensichtlich zur ublichen Pontifikalkleidung gehort zu haben 15 Die gelegentlich kolportierte Behauptung das Superhumerale sei der Eitelkeit der Suffraganbischofe wegen als Ersatz fur das den Erzbischofen vorbehaltene Pallium eingefuhrt worden vermag einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht standzuhalten Samtliche erhaltenen Exemplare weisen eine Form auf welche der des biblischen Ephods entspricht und sind aus kostbaren Materialien gefertigt Daruber hinaus ist anhand schriftlicher Quellen und kunstlerischer Darstellungen vornehmlich der Skulpturen an der Kathedrale zu Reims erwiesen dass Papste und Erzbischofe ausser dem Pallium auch das Rationale und oder Superhumerale getragen haben 16 Bedeutung fur die Gegenwart BearbeitenObwohl das Superhumerale im Mittelalter weit verbreitet war tragen es heute bei liturgischen Feiern nur noch die Erzbischofe von Paderborn und Krakau aufgrund der Stellung als Metropolitansitze zusammen mit dem Pallium sowie die Bischofe von Eichstatt und Nancy Toul hier als einem Recht des ehemaligen Bistums Toul Die Formen variieren durchaus innerhalb dieser Diozesen Heute existieren ausser an den genannten Orten lediglich noch ein Exemplar aus dem 11 Jahrhundert im Bamberger Domschatz 17 sowie eines aus dem ersten Viertel des 14 Jahrhunderts in Regensburg 18 Daruber hinaus finden sich im Bayerischen Nationalmuseum in Munchen eine Nachbildung des Regensburger Superhumerale sowie in Wurzburg die 1965 bei Grabungen im Dom entdeckten Endstucke eines weiteren textilen Rationale um 1200 in Form von getriebenen Metallplatten mit den Symbolen der vier Evangelisten In der Vatikanischen Bibliothek existiert zudem eine aus dem Jahre 1666 stammende Zeichnung des alten Paderborner Superhumerale von 1133 dem Jahr der papstlichen Genehmigung Wesentlich haufiger als erhaltene Orginialstucke finden sich dagegen Darstellungen von Bischofen mit Rationalien in beiderlei Gestalt auf Siegeln Skulpturen oder Grabsteinen Besonders eindrucksvoll belegt dies das Eichstatter Gundekarianum ein von Bischof Gundekar II in Auftrag gegebenes Werk u a mit Abbildungen der Eichstatter Oberhirten welche seit Ende des 12 Jahrhunderts bis heute stets das Superhumerale getragen haben 19 Weitere bedeutsame Zeitzeugnisse sind die Skulpturen von Bischofen der Kathedralen zu Reims Chartres und Paris Auch wurden heilige Patrone mit dem Superhumerale dargestellt In der Eichstatter Tradition wird der Bistumsgrunder der Benediktinermonch Willibald von Eichstatt mit dem Superhumerale in unterschiedlicher Form ahistorisch dargestellt auch bei Lambert von Luttich findet sich dieses Heiligenattribut Drei Modelle im Vergleich nbsp Superhumerale in einer hochmittelalterlichen Form mit einem Brust Rucken hier nicht sichtbar und zwei Schulterstreifen nbsp Krakauer Superhumerale spates 14 Jahrhundert mit jeweils zwei auf Brust und Rucken uberkreuzten Streifen und mittig je einer Zierscheibe nbsp Eichstatter Superhumerale spates 15 Jahrhundert mit je zwei Brust und Ruckenstreifen und Schellen daran Zierscheiben an den SchulternLiteratur BearbeitenFranz Bock Geschichte der liturgischen Gewander des Mittelalters 3 Bande Bonn 1859 71 Nachdruck Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1964 Die Westfalischen Siegel des Mittelalters hrsg vom Verein fur Geschichte und Altertumskunde Westfalens Heft 2 1 Abt Die Siegel der Bischofe bearbeitet von G Tumbult Munster 1885 Ludwig Eisenhofer Das bischofliche Rationale seine Entstehung und seine Entwicklung Munchen 1904 Joseph Braun Das Rationale in Zeitschrift fur christliche Kunst Bd 16 1903 Sp 97 124 Joseph Braun Die liturgische Gewandung im Occident und Orient nach Ursprung und Entwicklung Verwendung und Symbolik Herder Freiburg i Br 1907 Joseph Braun Liturgisches Handlexikon Regensburg 1922 Joseph Braun Die liturgischen Paramente in Gegenwart und Vergangenheit Freiburg 1924 Joseph Braun Missdeutete Darstellungen im Patrokli Dom in Westfalen Bd 25 1940 S 17f Darstellung Aarons mit Rationale Joseph Braun Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst Stuttgart 1943 Joseph Braun Die Liturgischen Paramente in Gegenwart und Vergangenheit Reprographischer Nachdruck der zweiten verbesserten Auflage Verlag nova amp vetera Bonn 2005 ISBN 3 936741 07 7 S 151 153 Beda Kleinschmidt Das Rationale von Toul in Zeitschrift fur christliche Kunst Bd 16 1903 Sp 273 280 Beda Kleinschmidt Das Rationale in der abendlandischen Kirche in Archiv fur christliche Kunst Jg 1904 S 9 11 22 27 39 42 52 56 64 68 78 80 88 92 Beda Kleinschmidt Das Rationale im Domschatz zu Regensburg in Kirchenschmuck Graz 1904 Beda Kleinschmidt Das Rationale zu Paderborn in Zeitschrift fur christliche Kunst Bd 18 1905 Sp 235 252 Beda Kleinschmidt Das Rationale Ein liturgischer Ehrenschmuck des Bischofs von Paderborn in Der katholische Seelsorger Bd 20 1908 S 131 136 Gertrud Luke Kostbare Stickerei des Mittelalters Das Paderborner Rationale von 1133 in Die Warte Jg 1975 H 2 S 24 26 Otto Schmidt Brustschild Rationale in Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte Bd 2 1947 Sp 1324 1326 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe Verein fur Geschichte und Altertumskunde Westfalens Abteilung Paderborn Paderborn 1975 Klemens Honselmann Das Paderborner Rationale des 12 Jahrhunderts in Festgabe fur Alois Fuchs zum 70 Geburtstag hrsg von W Tack Paderborn 1950 S 53 68 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Rationale Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Eichstatter Rationale auf den Seiten des Bistums Eichstatt Eichstatter Rationale aus dem 15 Jahrhundert auf den Seiten des Diozesanmuseums Eichstatt Regensburger Rationale auf den Seiten des Diozesanmuseums Regensburg Rationale in Das grosse Kunstlexikon von P W Hartmann Anmerkungen Bearbeiten Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 11 Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum CSEL 54 1910 S 600 ff Ep 64 cap 16 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 20 21 CSEL 54 1910 S 600 ff Ep 64 cap 18 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 21 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 64 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 11 12 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 30 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 37 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 12 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 26 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 119 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 28 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 14 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 28 Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 14 15 Renate Baumgartel Fleischmann Das Bamberger Rationale in Sabine Martius Sibylle Russ Hrsg Historische Textilien Germanisches Nationalmuseum Nurnberg 2002 S 207 222 Regensburger Rationale auf den Seiten des Diozesanmuseums Regensburg Klemens Honselmann Das Rationale der Bischofe S 12 Normdaten Sachbegriff GND 4177001 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rationale Insigne amp oldid 237521885