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Proteomik englisch proteomics bezeichnet die Erforschung des Proteoms Das Proteom umfasst die Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem Lebewesen unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt vorliegenden Proteine Das Proteom und auch das Transkriptom sind im Gegensatz zum eher statischen Genom dynamisch und konnen sich daher in ihrer qualitativen und quantitativen Proteinzusammensetzung aufgrund veranderter Bedingungen Umweltfaktoren Temperatur Genexpression Wirkstoffgabe etc verandern Sehr bildlich kann man sich die Dynamik des Proteoms an folgendem Beispiel vor Augen fuhren Eine Raupe und der aus ihr entstehende Schmetterling enthalten das gleiche Genom unterscheiden sich aber trotzdem ausserlich aufgrund eines unterschiedlichen Proteoms Dasselbe gilt auch fur eine Kaulquappe und den daraus entstehenden Frosch Die Veranderungen des Proteoms konnen zum Teil sehr schnell erfolgen beispielsweise durch posttranslationale Modifikationen wie die Phosphorylierungen und Dephosphorylierung von Proteinen die im Rahmen der Signaltransduktion eine sehr wichtige Rolle spielen Struktur des HamoglobinsDie Proteomik versucht samtliche Proteine im Organismus zu katalogisieren und ihre Funktionen zu entschlusseln Die Bauplane der Proteine finden sich in den Erbanlagen Speichert die Erbsubstanz DNA lediglich Informationen so erfullen die aus Aminosauren bestehenden Eiweissmolekule vielfache Aufgaben Sie sind Grundsubstanz des Lebens und wehren z B als Antikorper Krankheiten ab und ermoglichen als Enzyme unter anderem den Metabolismus und sorgen mit Skelett Sehnen und Muskeln fur Bewegung Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Forschungsschwerpunkte HUPO und DGPF 3 Teilgebiete 3 1 Systembiologie 3 2 Palaoproteomik 3 3 Probleme und Trends 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEtymologie BearbeitenDas Wort Proteom stammt vom australischen Forscher Marc Wilkins und wurde auf einem Dia in seinem Vortrag auf dem Kongress 2D Electrophoresis from protein maps to genomes am 5 September 1994 in Siena zum ersten Mal erwahnt Der Wortlaut auf dem Dia lautete Proteome the PROTEin complement expressed by a genOME cell or tissue deutsch Proteom das PROTEinkomplement das vom GenOM einer Zelle oder eines Gewebes exprimiert ist 1 Der Kongress findet immer noch Stand 2012 alle zwei Jahre unter der Leitung von Luca Bini statt und heisst seit dem beruhmten Dia von Marc Wilkins From Genome to Proteome 2 Forschungsschwerpunkte HUPO und DGPF BearbeitenAhnlich wie die Human Genome Organisation HUGO teilen sich die Forscher der Internationalen Humanproteom Organisation HUPO weltweit die anfallende Arbeit Deutschland konzentriert sich dabei auf die Erforschung der Gehirnproteine In Deutschland haben sich seit 2001 fuhrende Protein und Proteomikwissenschaftler zudem in der Deutschen Gesellschaft fur Proteomforschung DGPF zusammengeschlossen um die Forschungskapazitaten optimal zu nutzen Teilgebiete Bearbeiten nbsp Das Proteom im 2D Gel Hauptartikel Proteincharakterisierung Wesentliche Teilgebiete sind die Aufklarung von Protein Protein Interaktionen die vor allem von Tertiar und Quartarstrukturen der Proteine und den Wechselwirkungen ihrer Domanen abhangen Weiterhin gehort auch die Proteinreinigung und die quantitative Analyse der Proteinexpression in den Bereich der Proteomik Sie erganzt somit die Daten die in der Genexpressionsanalyse gewonnen werden und gibt Aufschluss uber die Komponenten von Stoffwechselwegen und molekularen Regelkreisen Das Protein Engineering erlaubt die Veranderung von Funktionen rekombinanter Proteine zur Anpassung seiner Eigenschaften Die Schlusseltechniken der Proteomik unterstutzen also die Aufklarung der Funktion und der 3 D Proteinstruktur und die Identifikation einzelner Proteine in Gemischen Da alle metabolischen Prozesse durch Proteine erfolgen basieren Therapieansatze wie neue Wirkstoffe gegen Krebs Infektionen und bestimmte Nervenkrankheiten darauf 3 Leiden wie Sichelzellanamie Alzheimer Krankheit Chorea Huntington oder die Creutzfeldt Jakob Krankheit beruhen auf fehlerhaft geformten und verklumpenden Proteinen Ist also bekannt welches Protein fur eine Fehlfunktion verantwortlich ist so ist es moglich gezielt ein kleines Molekul zu entwickeln welches an dieses Protein andockt und eine weitere Fehlfunktion verhindert In der Industrie werden rekombinante Proteine in Form von Waschmittelenzymen und biologischen Pflanzenschutzmitteln verwendet Biologen erhoffen sich bessere Einblicke in die Funktionsweise von Lebewesen und das Leben als solches Die Biophysiker erwarten eine molekulare Anatomie Systembiologie Bearbeiten Ein neues Forschungsgebiet das auf der Proteomik aufbaut ist die Systembiologie Diese versucht nicht mehr alleine die einzelnen Teile z B einer Zelle zu betrachten sondern versucht das Zusammenwirken aller Einzelteile innerhalb eines Systems und seiner Umgebung zu beschreiben Dazu erforderlich sind neben der Proteomik v a mathematische Modelle die das System in silico d h in Computermodellen simulieren Palaoproteomik Bearbeiten Aus fossilen Knochen konnen neben alter DNA gelegentlich auch fossile Proteine isoliert werden die ebenfalls z B Ruckschlusse auf deren Zugehorigkeit zu einer bestimmten biologischen Art ermoglichen Der hierauf aufbauenden Palaoproteomik von griechisch palaios palaios alt kommt insbesondere zugute dass einige Proteine langere Zeit stabiler sind als DNA So konnte 2016 durch die Arbeitsgruppe von Jean Jacques Hublin vom Max Planck Institut fur evolutionare Anthropologie anhand von rund 40 000 Jahre alten Kollagen Proben geklart werden dass die archaologische Kultur des Chatelperronien mit den Neandertalern verbunden ist und nicht mit dem anatomisch modernen Menschen Homo sapiens 4 5 2019 wurde anhand fossiler Proteine aus Dentin des im Hochland von Tibet in der Baishiya Hohle entdeckten Xiahe Unterkiefers nachgewiesen dass er den Denisova Menschen zuzurechnen ist 6 und einige Monate spater bestatigten 1 9 Millionen Jahre alte Dentin Proben dass die Gattung Gigantopithecus ein ausgestorbenes Schwester Taxon der Orang Utans ist 7 Bereits im Jahr 2015 erbrachten Kollagenanalysen eine nahere Verwandtschaft der Sudamerikanischen Huftiere mit den Unpaarhufern namentlich untersucht wurden Macrauchenia und Toxodon die noch im ausgehenden Pleistozan vorkamen Zuvor waren die genauen Verwandtschaftsverhaltnisse der Sudamerikanischen Huftiere zu anderen Huftiergruppen unklar gewesen und Gegenstand wissenschaftlicher Debatten 8 9 Fur den ausgestorbenen Nashornvertreter Stephanorhinus ergaben sich in den Jahren 2017 und 2019 anhand von rund 200 000 bis 400 000 beziehungsweise 1 8 Millionen Jahre alten Proteomen eine nahere Beziehung zum Wollnashorn und damit zu einem engeren Verwandtschaftskreis um das heutige Sumatra Nashorn 10 11 Die Stellung liess sich auch durch genetische Studien belegen und war zuvor aus anatomischen Grunden angenommen worden 12 Ebenfalls 2019 trugen Studien an Proteinen zur systematischen Neugliederung der fossilen und rezenten Faultiere bei 13 Weltweite mediale Beachtung fand 2015 beispielsweise eine Studie an 80 Millionen Jahre alten Knochen des zur Gruppe der Entenschnabelsaurier gehorigen Brachylophosaurus canadensis in der Peptide nachgewiesen wurden die aufgrund ihrer Ahnlichkeit mit Peptiden heute lebender Huhnervogel und Strausse als Uberreste von Blutgefassen interpretiert wurden 14 Probleme und Trends Bearbeiten Nach zum Teil ernuchternden Erfahrungen mit genetischen Methoden wie der Microarray Analyse herrscht bei einigen Wissenschaftlern auch bezuglich der Proteomforschung eine gewisse Skepsis vor 15 Friedrich Lottspeich vom Max Planck Institut fur Biochemie in Martinsried Prasident der Deutschen Gesellschaft fur Proteomforschung DGPF warnt vor uberzogenen Hoffnungen Fur den Humanbereich ist die Forschung derzeit eigentlich sowieso noch zu komplex Aber fur eine Analyse der Hefe die ein gutes Modellsystem ware will naturlich wieder keiner Geld ausgeben Die Komplexitat ergibt sich aus den vielen Moglichkeiten Laut Friedrich Lottspeich hat der Mensch schatzungsweise mehrere hunderttausend bis Millionen verschiedene Proteine Ein einzelnes Gen produziert im Schnitt funf bis zehn Proteine in manchen Fallen mehrere hundert Diese Komplexitat vollstandig zu erfassen ist eine Herausforderung der die derzeitigen Methoden noch nicht gewachsen sind Auf der anderen Seite entwickelt sich die Proteomforschung rasant weiter Das ist insbesondere auf eine standige Verbesserung der Massenspektrometer zuruckzufuhren die immer praziser sensitiver und schneller werden Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Entwicklung quantitativer Methoden 16 wie die auf dem Einsatz stabiler Isotope basierenden SILAC iTRAQ TMT oder ICAT 17 Verfahren oder der MeCAT Metallkodierung bei der unterschiedlich schwere Metalle zur Markierung von Proteinen und Peptiden aus verschiedenen Proteinproben eingesetzt werden Letztere erlaubt erstmals im Multiplexansatz den proteomweiten Einsatz der ultrasensitiven Elementmassenspektrometrie ICP MS Nachweisgrenze im ppt bis unteren ppq Bereich die eine uber 2 bis 5 Grossenordnungen hohere Sensitivitat bei der Proteinquantifizierung erlaubt und einen linearen dynamischen Messbereich von mindestens 6 bis 8 Grossenordnungen aufweist MeCAT erlaubt im Gegensatz zu den anderen Verfahren die auf Peptidebene nur relativ quantifizieren vorteilhafterweise eine relative und sogar absolute Quantifizierung auf Proteinebene wodurch Proteinspezies wie posttranslational modifizierte Proteine einer Quantifizierung besser zuganglich werden Die Kalibrierung der ICP MS erfolgt mit protein peptidunabhangigen Metallstandards Die Notwendigkeit proteinspezifischer Standardpeptide entfallt somit Kombiniert man quantitative Proteomanalyse mit anderen biologischen Methoden so kann man auch Aussagen uber die Funktion von Proteinen treffen z B Protein Protein Interaktion oder Posttranslationale Modifikationen Die moderne Proteomforschung geht daher inzwischen weit uber das blosse Katalogisieren von Proteinen hinaus und versucht komplexe Mechanismen zu verstehen Siehe auch Bearbeiten omik Bioinformatik UniProtLiteratur BearbeitenDavid P Clark Nanette J Pazdernik Molekulare Biotechnologie Grundlagen und Anwendungen Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2009 ISBN 3 8274 2128 4 S 263 294 Hubert Rehm Proteinbiochemie Proteomics Der Experimentator 5 Auflage Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2006 ISBN 3 8274 1726 0 Hans Gerd Nothwang Steven E Pfeiffer Proteomics of the Nervous System Wiley VCH Weinheim 2008 ISBN 978 3 527 31716 5 Jorg von Hagen Proteomics Sample Preparation VCH Wiley Weinheim 2008 ISBN 978 3 527 31796 7 Sabine Fischer Hrsg Funktionelle Proteomik Krankheitsursachen fruhzeitig erkennen und gezielt behandeln Elsevier Munchen 2008 ISBN 978 3 437 57920 2 Friedrich Lottspeich Haralabos Zorbas Bioanalytik Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1998 ISBN 978 3 8274 0041 3 Scott D Patterson Ruedi H Aebersold Proteomics the first decade and beyond In Nature Genetics Band 33 Marz 2003 S 311 323 doi 10 1038 ng1106 Review freier Volltext Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Proteomik Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Proteomiks Proteine verstehen lernen scinexx Wissensmagazin 16 Mai 2003 Proteomik Durchblick im Dickicht Memento vom 3 August 2014 im Internet Archive PDF 381 kB Human Protein Organisation Deutsche Gesellschaft fur ProteomforschungEinzelnachweise Bearbeiten Definition Proteom Webseite zum Kongress in Siena Rolf Apweiler Charalampos Aslanidis Thomas Deufel Andreas Gerstner Jens Hansen Dennis Hochstrasser Roland Kellner Markus Kubicek Friedrich Lottspeich Edmund Maser Hans Werner Mewes Helmut E Meyer Stefan Mullner Wolfgang Mutter Michael Neumaier Peter Nollau Hans G Nothwang Fredrik Ponten Andreas Radbruch Knut Reinert Gregor Rothe Hannes Stockinger Attila Tarnok Mike J Taussig Andreas Thiel Joachim Thiery Marius Ueffing Gunther Valet Joel Vandekerckhove Christoph Wagener Oswald Wagner Gerd Schmitz Approaching clinical proteomics Current state and future fields of application in cellular proteomics In Cytometry Part A Band 75 Nr 10 Oktober 2009 S 816 832 doi 10 1002 cyto a 20779 PMID 19739086 Review Frido Welker Mateja Hajdinjak Sahra Talamo und Jean Jacques Hublin Palaeoproteomic evidence identifies archaic hominins associated with the Chatelperronian at the Grotte du Renne In PNAS Band 113 Nr 40 2016 S 11162 11167 doi 10 1073 pnas 1605834113 Palaoproteomik hilft bei der Unterscheidung zwischen modernem Mensch und Neandertaler Auf mpg de vom 16 September 2016 Aug und Aug mit dem Neandertaler In Max Plack Forschung Nr 2 2017 S 18 25 Fahu Chen et al A late Middle Pleistocene Denisovan mandible from the Tibetan Plateau In Nature Online Vorabveroffentlichung vom 1 Mai 2019 doi 10 1038 s41586 019 1139 x Frido Welker et al Enamel proteome shows that Gigantopithecus was an early diverging pongine In Nature Online Vorabveroffentlichung vom 13 November 2019 doi 10 1038 s41586 019 1728 8 Oldest molecular information to date illuminates the history of extinct Gigantopithecus Auf eurekalert org vom 13 November 2019 Frido Welker et al Ancient proteins resolve the evolutionary history of Darwin s South American ungulates In Nature Band 522 2015 S 81 84 doi 10 1038 nature14249 Michael Buckley Ancient collagen reveals evolutionary history of the endemic South American ungulates In Proceedings of the Royal Society B Band 282 2015 S 20142671 doi 10 1098 rspb 2014 2671 Frido Welker et al Middle Pleistocene protein sequences from the rhinoceros genus Stephanorhinus and the phylogeny of extant and extinct Middle Late Pleistocene Rhinocerotidae In PeerJ Band 5 2017 S e3033 doi 10 7717 peerj 3033 Enrico Cappellini et al Early Pleistocene enamel proteome from Dmanisi resolves Stephanorhinus phylogeny In Nature Band 574 2019 S 103 107 doi 10 1038 s41586 019 1555 y Irina V Kirillovaet al Discovery of the skull of Stephanorhinus kirchbergensis Jager 1839 above the Arctic Circle In Quaternary Research Band 88 2017 S 537 550 doi 10 1017 qua 2017 53 Samantha Presslee et al Palaeoproteomics resolves sloth relationships In Nature Ecology amp Evolution Band 3 2019 S 1121 1130 doi 10 1038 s41559 019 0909 z Timothy P Cleland et al Mass Spectrometry and Antibody Based Characterization of Blood Vessels from Brachylophosaurus canadensis In Journal of Proteome Reseaarch Band 14 Nr 12 2015 S 5252 5262 doi 10 1021 acs jproteome 5b00675 Knochensplitter Forscher entdecken Blutgefasse von Dinosauriern Auf spiegel de vom 2 Dezember 2015 Friedrich Lottspeich Introduction to proteomics In Jorg Reinders Albert Sickmann Hrsg Proteomics Methods and Protocols Methods in Molecular Biology Band 564 Humana Press Totowa 2009 ISBN 978 1 60761 156 1 S 3 10 doi 10 1007 978 1 60761 157 8 1 PMID 19544014 Review Pier Giorgio Righetti Natascia Campostrini Jennifer Pascali Mahmoud Hamdan Hubert Astner Quantitative proteomics A review of different methodologies In European Journal of Mass Spectrometry Band 10 Nr 3 Chichester England 2004 S 335 348 doi 10 1255 ejms 600 PMID 15187293 Review Friedrich Lottspeich Josef Kellermann ICPL labeling strategies for proteome research In Kris Gevaert Joel Vandekerckhove Hrsg Gel Free Proteomics Methods and Protocols Methods in Molecular Biology Band 753 Humana Press Totowa 2011 ISBN 978 1 61779 147 5 S 55 64 doi 10 1007 978 1 61779 148 2 4 PMID 21604115 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Proteomik amp oldid 227443593