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Als Pessimum der Volkerwanderungszeit oder fruhmittelalterliches Pessimum englisch Migration era pessimum 1 Vandal minimum 2 oder Dark ages cold period 3 werden in verschiedenen Periodisierungen der Klimageschichte klimatische Verhaltnisse in Zeitraumen bezeichnet deren Beginn im Bereich 250 450 n Chr und deren Ende meist bei etwa 750 n Chr angesetzt wird Raumlich sind damit in der Regel die Klimaverhaltnisse des Mittelmeerraums und Europas gelegentlich auch Asiens des Nordatlantikraums oder anderer Teile der Welt gemeint 3 Die Bezeichnung nimmt Bezug auf die sogenannte Volkerwanderungszeit die grosstenteils in diese Zeitraume fallt Haufig wird ein Zusammenhang zwischen den tendenziell wechselhaften oder kuhlen klimatischen Bedingungen und geschichtlichen Prozessen jener Zeit wie Migrationsbewegungen Kriegszugen dem Ende der Antike Spatantike und Beginn des Fruhmittelalters sowie dem Untergang bzw der Transformation des Romischen Reiches hergestellt Inhaltsverzeichnis 1 Begriff und Forschungsgeschichte 2 Klimatische Verhaltnisse 2 1 Global und Nordhemisphare 2 2 Europa und Mittelmeerraum 2 3 Late Antique Little Ice Age 2 4 Ursachen 3 Historische Berichte 4 Folgen 4 1 Landwirtschaft 4 2 Seuchen 4 3 Einfluss auf Migration 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Einzelnachweise und AnmerkungenBegriff und Forschungsgeschichte BearbeitenBeginnend in den 1960er Jahren in der Fruhzeit der Historischen Klimatologie schlugen Pioniere dieses Zweiges wie Hubert Lamb oder Emmanuel Le Roy Ladurie Periodisierungen der Klimageschichte vor die sie mit Epochen der traditionellen europaischen Geschichtsschreibung in Verbindung brachten 4 Der Klimatologe Christian Dietrich Schonwiese entwarf 1979 unter Ruckgriff auf Arbeiten von Hubert Lamb und Hermann Flohn eine solche Periodisierung der Klimageschichte des Holozan Darin kennzeichnete er mit dem Begriff Pessimum der Volkerwanderungszeit eine Epoche von 450 bis 700 n Chr als niederschlagsreich und kuhl mit verbreiteten Gletschervorstossen Er zog Parallelen zur sogenannten Volkerwanderung Kriegszugen und der Einnahme Roms 410 Schonwiese wies ausdrucklich darauf hin dass der Begriff Pessimum nicht im Sinn global schlechterer Klimabedingungen bzw als in einem normativen Sinn schlecht fehlinterpretiert werden durfe 5 6 In der Periodisierung wie sie bei Schonwiese zu finden ist ging ein Optimum der Romerzeit dem Pessimum der Volkerwanderungszeit voraus Es folgte eine Mittelalterliche Warmzeit Im Zusammenhang mit einem Klimapessimum in der Spatantike und dem Fruhmittelalter werden haufig Arbeiten Lambs aus den Jahren 1982 und 1995 zitiert Lamb kombinierte Indizien die von damals schon vorhandenen Klimaproxys geliefert wurden und leitete daraus ab dass allgemein eher kuhle und unstete Klimabedingungen vor allem in Europa geherrscht haben mussten die er grob in den Zeitraum 400 900 einordnete 3 Er wies wie vor ihm schon Edward Gibbon im 18 Jahrhundert oder Ellsworth Huntington und Eduard Bruckner zu Beginn des 20 Jahrhunderts auf Anzeichen fur Durren in asiatischen Steppengebieten hin die eine Ursache fur die Migration von als Hunnen bezeichneten nomadischen Gruppen Richtung Westen gewesen sein konnten 7 Anfanglich waren primar historische Dokumente Grundlage der Diskussionen uber Klimaschwankungen und deren Folgen fur das romische Reich 8 Seit Ende des 20 Jahrhunderts sind zunehmend palaoklimatologische Rekonstruktionen erstellt worden die einen genaueren Aufschluss des Klima in der Zeit geben 9 Die Untersuchung der Rolle von Klimaschwankungen in Zusammenhang mit dem Ende des romischen Reiches hat in den letzten Jahren einen Aufschwung genommen wobei Arbeiten aus dem naturwissenschaftlichen Bereich die geschichtswissenschaftlichen klar uberwiegen 10 Dennoch sind die Verhaltnisse im Vergleich zum Zeitraum ab ca 800 relativ ungenau verstanden Eine 2017 veroffentlichte Auswertung von 114 Arbeiten die auf den englischen Begriff Dark Ages Cold Period zuruckgreifen ergab ein heterogenes Bild Zwar befasste sich etwas mehr als die Halfte mit kuhlerem Klima andere charakterisierten mit dem Begriff auch feuchtere oder trockenere Bedingungen Windverhaltnisse sonstige Umweltanderungen in Einzelfallen zum Beispiel auch Gletschervorstosse oder warmere Temperaturen Die untersuchten Zeitraume reichten vom 1 Jahrhundert v Chr bis in das 11 Jahrhundert n Chr mit einem Kernzeitraum zwischen ca 400 und 800 Eine einheitliche klar definierte Bedeutung hat sich bislang nicht etabliert 3 Der Historiker John Haldon und andere merkten 2018 an dass eine derartige Einteilung der Klimageschichte und ihrer Folgen zwar rhetorischen Wert habe aber der Komplexitat des vorliegenden Materials nicht gerecht werde Eine solche Epochenbildung werde in der Forschung allmahlich aufgegeben 4 Klimatische Verhaltnisse BearbeitenGlobal und Nordhemisphare Bearbeiten nbsp Der rekonstruierte globale Temperaturverlauf der letzten zweitausend Jahre gibt keine Hinweise auf ein weltweit zeitgleiches mindestens mehrere Jahrzehnte anhaltendes Klimapessimum in der Spatantike oder dem Fruhmittelalter 11 12 Vor etwa 5000 Jahren begann besonders in den mittleren und hohen Breiten der nordlichen Hemisphare ein langfristiger Abkuhlungstrend von etwas mehr als 0 1 C pro Jahrtausend der bis in das 19 Jahrhundert anhielt und durch die gegenwartige anthropogene globale Erwarmung beendet wurde Ursache des Abkuhlungstrends sind Anderungen der Erdbewegung relativ zur Sonne orbitaler Strahlungsantrieb siehe Milankovic Zyklen 13 die zu verminderter Sonneneinstrahlung im Norden gefuhrt haben Wachsende Schnee und Eisbedeckung sowie Anderungen der Vegetation lassen durch Ruckkopplungen wie etwa eine Eis Albedo Ruckkopplung den langfristigen Abkuhlungstrend besonders im Norden sichtbar werden 14 Schwankungen der Sonnenaktivitat und Vulkaneruptionen die das Klima vorubergehend kuhlen sowie interne Variabilitat des Klimasystems uberlagern diesen langfristigen Trend und fuhren zu regional unterschiedlich ausgepragten Klimaschwankungen im Zeitraum von Jahren und Jahrzehnten Die sparlich vorhandenen globalen Rekonstruktionen lassen zwar auf eine Storung der relativ warmen Verhaltnisse vom Ende des 5 Jahrhunderts n Chr bis ca 700 n Chr schliessen eine klar ausgepragt kuhlere Periode ist global aber nicht erkennbar 15 Eine Rekonstruktion der Temperaturen der letzten 2000 Jahre nordlich 30 N zeigt eine kuhlere Periode im Zeitraum 300 800 n Chr die Abkuhlung reicht aber nicht an die der Kleinen Eiszeit im 17 Jahrhundert heran Uber das Ausmass der Schwankungen gibt es betrachtliche Unsicherheit 16 Das Pessimum wurde mit dem Bond Ereignis 1 vor etwa 1400 Jahren in Verbindung gebracht Zu dieser Zeit transportierten im Nordatlantik Eisberge vermehrt Gesteinsmaterial nach Suden das in Sedimenten des Ozeanbodens nachgewiesen werden konnte 3 Europa und Mittelmeerraum Bearbeiten nbsp Anomalien der Sommertemperaturen in Europa 138 v Chr 2003 n Chr 17 In Europa lasst sich eine Periode tendenziell kuhlerer Sommertemperaturen zwischen dem 4 und 7 Jahrhundert rekonstruieren 17 Kalte Fruhjahrs und Sommertemperaturen sind in den auf 536 folgenden Jahrzehnten deutlich ausgepragt siehe Abschnitt Late Antique Little Ice Age Um 800 gab es noch einmal uber mehrere Jahrzehnte kuhle Fruhlinge und Sommer 18 Insgesamt wurde das Klima feuchter die Winter wurden kuhler In Nord West und Mitteleuropa sowie im nordlichen Mittelmeergebiet war auch die kalte Jahreszeit mit mehr Feuchtigkeit verbunden Die Gletscher wuchsen im 5 Jahrhundert 19 Der Untere Grindelwaldgletscher und andere Schweizer Gletscher erreichten Ausmasse wie spater am Ende der Kleinen Eiszeit Die Romerstrasse durch das Val de Bagnes wurde unpassierbar 7 Das Vorrucken der Gletscher dauerte bis in das 8 Jahrhundert an 19 Fur das westliche und mittlere Europa in etwa das Gebiet des heutigen Nordfrankreichs Deutschlands und der britischen Inseln zeigte eine Synthese verschiedener Klimaproxys zwischen den Jahren 250 und 470 eine Tendenz zu niedrigeren Sommertemperaturen und zwischen 650 und 800 eine gegenlaufige Tendenz Fur die Wintertemperaturen waren die Ergebnisse widerspruchlich Die Rekonstruktion aus Proxies die Ganzjahrestemperaturen anzeigen stimmte eher mit der der Sommertemperaturen uberein wobei aber erheblich Unsicherheiten in der Datierung bestanden Ein klares Signal des Late Antique Little Ice Age war ebenso wenig erkennbar wie ein einheitlicher Trend in den jahrlichen Niederschlagen 20 Im 6 Jahrhundert traten in Zentraleuropa trockenere Bedingungen ein 18 In den Regionen rund um das Mittelmeer entwickelte sich das Klima sehr uneinheitlich Fur die iberische Halbinsel deutet eine Rekonstruktion anhand von Speleothemen auf steigende Temperaturen im 6 und 8 Jahrhundert hin wahrend die Haufigkeit und Zusammensetzung von Goldalgen in einem in den Pyrenaen gelegenen See eher kalte Winter zwischen 500 und 900 anzeigt Nach 500 scheint es im Norden Iberiens und Italiens feuchter geworden zu sein Der Suden der iberischen und italienischen Halbinseln der Norden Griechenlands und der Balkan erfuhren einen entgegengesetzten Wechsel von feuchten zu trockeneren Bedingungen Fur den Sudwesten Anatoliens gibt es Indizien fur uberwiegend warme Winter im 4 5 Jahrhundert und in der ersten Halfte des 7 Jahrhunderts fur das Zentrum Anatoliens hingegen eher bis zum 3 und wieder im 9 Jahrhundert In Anatolien und der nordliche Levante herrschten zum Ende des 4 und Beginn des 5 Jahrhunderts sowie kurzzeitig im 8 Jahrhundert wahrscheinlich trockene Bedingungen in der sudlichen Levante war der Zeitraum 450 550 recht feucht danach gab es einen Trend zu mehr Trockenheit 18 Late Antique Little Ice Age Bearbeiten Ab etwa 536 sind in Temperaturrekonstruktionen der Nordhalbkugel der Erde und auch global ungewohnlich kalte Temperaturen erkennbar Etwa Mitte des 6 Jahrhunderts endete dieser deutliche Kalteeinbruch Ursache waren sehr wahrscheinlich mehrere Vulkanausbruche Klimaanomalie 536 550 Fur den eurasischen Raum identifizierte eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Klimahistoriker Ulf Buntgen 2016 anhand einer Baumringreihe aus dem Altai die sie mit einer aus den europaischen Alpen und weiteren Indizien kombinierte eine langere kuhle Epoche von 535 bis etwa 660 n Chr Sie tauften diese Epoche Kleine Eiszeit der Spatantike englisch Late Antique Little Ice Age LALIA 21 3 Mit der so definierten klimatischen Periode strebte die Gruppe an das vage Konzept einer Dark Ages Cold Period zu scharfen und statt der wertgeladenen Bezeichnung Dunkle Jahrhunderte eine moglichst wertfreie Bezeichnung zu etablieren 22 Mehrere seit 2012 veroffentlichte Arbeiten deuten darauf hin dass die vulkanischen Eruptionen um 540 durch Ruckkopplungseffekte wie der Eis Albedo Ruckkopplung zu mehrere Jahrzehnte anhaltenden besonders kuhlen Klimaverhaltnissen wesentlich beigetragen haben konnten 21 23 Die Gruppe erwahnte gesellschaftliche Ereignisse und Prozesse im Europa und Asien der Zeit fur die sie einen klimatischen Einfluss fur moglich hielten war sich aber mit Kritikern einig dass hier reduktionistische und deterministische Fallstricke lauern 24 22 Ursachen Bearbeiten Neben der vulkanischen Aktivitat besonders in den Jahren 535 und 536 trug moglicherweise eine etwas schwachere Einstrahlung der Sonne zwischen 400 und 700 zu Klimaschwankungen bei Rekonstruktionen der Sonnenaktivitat deuten auf ein ausgepragtes Minimum im 7 Jahrhundert hin 3 Anderungen der Nordatlantischen Oszillation NAO Anderungen von 164 bis 180 um 400 und von 500 bis 600 n Chr konnten zudem vermehrt Durren an der Peripherie des Romischen Reiches hervorgerufen haben 25 Die vorhandenen Rekonstruktionen der NAO liefern aber kein einheitliches Bild 3 Historische Berichte BearbeitenWein und Getreide gediehen in nordlichen Gebieten und in Hohenlagen nicht mehr gut Missernten und die Anfalligkeit fur Krankheiten die Sauglingssterblichkeit und die Sterberate von Kleinkindern und alten Menschen nahmen zu Sturme und Uberflutungen fuhrten zu Landverlusten an der Nordseekuste und in Sudengland In Italien kam es im 6 Jahrhundert zu vielen Uberflutungen Der Bischof Gregor von Tours berichtet aus den 580er Jahren aus dem Frankenreich von standigen starken Regenfallen Gewittern Uberschwemmungen Hungersnoten Missernten und spaten Kalteeinbruchen denen Vogel zum Opfer fielen In Norwegen wurden im 6 Jahrhundert 40 der Hofe verlassen 26 Der franzosische Historiker Pierre Riche gibt fur die Zeit von 793 bis 880 13 Jahre mit Hungersnoten und Uberschwemmungen sowie neun Jahre mit extrem kalten Wintern und Seuchen an Folgen Bearbeiten nbsp Aufstieg und Niedergang des Romischen Reiches Das Einsetzen des Pessimums wird oft zwischen 250 und 450 n Chr datiert GIF Animation der Territorien der Jahre 510 v Chr bis 530 n Chr Romische Republik 509 v Chr bis 27 v Chr Romische Kaiserzeit 27 v Chr bis 395 Westromisches Reich 395 bis 476 480 Ostromisches Reich 395 bis 1453 In die vorgeschlagenen Zeitraume eines Klimapessimums fallen Migrationsbewegungen und Kriegszuge von etwa 375 76 bis 568 n Chr die oft als Volkerwanderung bezeichnet werden in der modernen historischen und archaologischen Forschung gilt die Vorstellung von wandernden Volkern als widerlegt 27 28 und das Ende bzw die Transformation des Westromischen Reichs einhergehend mit einer demografischen Krise Im 6 Jahrhundert ging die Bevolkerungszahl der Gebiete die vorher zum Westromischen Reich gehort hatten zuruck Neben Kriegen zahlten Missernten und Seuchen zu den Ursachen Viele Dorfer wurden aufgegeben ehemals genutzte Flachen bewaldeten wieder Durch Pollenanalyse lasst sich ein allgemeiner Ruckgang der Landwirtschaft feststellen 29 Neue im 7 Jahrhundert angelegte Siedlungen weisen eine neue Siedlungsstruktur auf und belegen einen Kulturbruch 30 nbsp Rekonstruktion menschlicher Korpergrosse vom 1 bis in das 18 Jh 31 Fur die einfache Bevolkerung muss diese Phase nicht durchweg mit schlechteren Lebensbedingungen verbunden gewesen sein 27 Zum Beispiel spricht eine Zunahme der Korpergrosse bis in das 6 Jahrhundert fur eine bessere Proteinversorgung in Nord und Zentraleuropa 9 31 Die regionalen Auswirkungen waren dabei jedoch stark unterschiedlich ausgepragt So konnte fur die Oderregion eine nahezu vollstandige Entsiedlung ab der Mitte des 6 bis einschliesslich des 7 Jahrhunderts festgestellt werden die dort mit allgemein schwierig zu bearbeitenden Ackerstandorten und dem stark kontinental ausgepragten Klimaverhaltnissen mit besonders drastischen Klimafluktuationen in Verbindung stand 32 Dahingegen ist in den ehemals romischen Grenzregionen unmittelbar nordostlich des Limes z B am mittleren Main eine deutliche Bevolkerungszunahme durch phasenweise Immigration in demselben Zeitraum anhand der Zunahme entsprechender archaologischer Befunde dokumentiert Einige Klimaforscher und Historiker sehen die Klimaverhaltnisse als einen moglichen partiellen Einflussfaktor bei den geschichtlichen Ereignissen und Prozessen jener Zeit an 33 34 Verschiedene Wege eines Einflusses sind vorgeschlagen worden 35 36 Verwundbarkeit der agrarisch gepragten Gesellschaften gegenuber Klimaschwankungen das Auftreten und eine grossere Verbreitung von Seuchen klimainduzierte Wanderungsbewegungen Die geringe zeitliche Auflosung und raumliche Abdeckung besonders der hydrologischen Rekonstruktionen erschwert es Klimaverhaltnisse als Erklarung fur das geschichtliche Geschehen heranzuziehen Die uber grossere Regionen und Zeitraume wahrscheinlich gegenlaufigen Klimaanderungen im Romischen Reich lassen kaum Generalisierungen zu 18 Landwirtschaft Bearbeiten Henry Diaz und Valerie Trouet weisen auf eine moglicherweise starke Variabilitat des Klimas zwischen 250 und 550 n Chr hin Klimarekonstruktionen aus Baumringen im Gebiet des heutigen Deutschlands Frankreichs und der osterreichischen Alpen lassen starke hydroklimatische Schwankungen im Zeitraum von Jahrzehnten erkennen Solchen raschen Schwankungen konnten die Gesellschaften nur schwer mit sozialen und technischen Innovationen begegnen Die damals verbreiteten Getreidearten Weizen und Gerste waren anfallig fur Durren Zudem waren sie vom Anbau von Oliven und Wein auf weniger ertragreiche Boden verdrangt worden Insgesamt konnten Schwankungen der Regenmengen und anderer Faktoren die landwirtschaftliche Produktivitat stark beeintrachtigt haben 35 Ab 300 n Chr nahm der Anbau von Roggen in den ehemaligen romischen Provinzen Galliens und Norditaliens zu Als Erklarung wurden oft Klimaveranderungen angefuhrt Zwar ist Roggen kalte und durresistenter sein Anbau verbesserte die Resilienz der in postromischer Zeit zunehmend Subsistenz Anbau betreibenden Bauern Jedoch passen die Muster der Ausbreitung des Roggenanbaus nicht gut zu denen der bekannten Klimaschwankungen In Summe wichtiger waren andere Faktoren so der Umwelthistoriker Paolo Squatriti die einfache Handhabung des Roggen die fruhere Ernte geringere Anspruche an Boden und die Vielseitigkeit seines Mehls in der Kuche 37 Seuchen Bearbeiten Der Wechsel zwischen trockenen und sehr feuchten Dekaden konnte in Verbindung mit Entwaldung und der Erschliessung von Sumpfen die Verbreitung von Malaria begunstigt haben Die Krankheit trat gehauft in der Erntezeit im Spatsommer und Fruhherbst auf Erkrankten gehauft Landarbeiter verringerte dies die landwirtschaftliche Produktivitat zusatzlich 35 36 Die Lepra breitete sich in dieser Zeit in Mitteleuropa aus 36 Kuhleres feuchteres Klima kann dazu fuhren dass Menschen sich eher mit Krankheiten anstecken die durch Tropfcheninfektion ubertragen werden zu diesen Krankheiten gehoren Tuberkulose Lepra und Pocken Ein historisch signifikanter Zusammenhang gilt aber nicht als gut gesichert 38 Der US amerikanische Historiker Kyle Harper stellte Zusammenhange zwischen der Antoninischen Pest 165 180 der Cyprianischen Pest 250 271 beides wahrscheinlich Pockenausbruche und besonders der Justinianischen Pest wahrscheinlich Lungenpest Klimaschwankungen und den geschichtlichen Entwicklungen her Die Justinianische Pest erreichte von Nordostafrika her im Jahr 541 den agyptischen Kustenort Pelusium und ein Jahr spater Konstantinopel wenige Jahre nach den Vulkanausbruchen in der zweiten Halfte der 530er Jahre Kuhles feuchtes Klima des Late Antique Little Ice Age konnte die Ausbreitung von Rattenflohen Ubertrager der Pest und Ratten ermoglicht haben 39 Diese Pandemien konnte nicht nur zum Ausfall von Arbeitskraften und zu Wirtschaftsruckgangen gefuhrt 35 sondern auch das romische Militar wesentlich geschwacht haben 36 Einfluss auf Migration Bearbeiten Schon Edward Gibbon sah in seinem 1776 1789 veroffentlichten einflussreichen aber als uberholt geltenden Geschichtswerk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire Klimaanderungen als Mitausloser von Migration in Richtung der romischen Grenzen 40 Der deutsche Geograf und Klimatologe Eduard Bruckner vermutete nachdem er in Zentralasien Indizien fur eine Trockenperiode im 3 Jh gefunden hatte in den 1910er Jahren dass diese eine Migrationsbewegung Richtung Europa verursacht haben konnte 41 Anhaltende Durren werden nach wie vor als mogliche Grunde fur die Vorstosse von Hunnen Richtung Europa diskutiert Diese nomadisch in zentralasiatischen Steppenregionen lebenden Gruppen waren wahrscheinlich verwundbar gegenuber langanhaltenden Durren und konnten von fruchtbareren Weiden im Westen angezogen worden sein 35 Auch Kalteeinbruche und damit verbundene Hungersnote konnten zu der Migration beigetragen haben Allerdings zog sich die Volkerwanderung uber zwei Jahrhunderte hin und begann zur Zeit eines klimatischen Optimums 30 Der Schweizer Klimatologe Heinz Wanner nennt unter Ruckgriff auf die Terminologie des Push Pull Modells der Migration als moglichen zusatzlichen Push Faktor Bevolkerungsdruck zu dem zunachst klimatisch gunstige Phasen beigetragen haben konnten oder als moglichen Pull Faktor die Kunde von gunstigeren Klima und Lebensbedingungen andernorts Ob Klimaveranderungen entscheidend fur die massiven Wanderungen verschiedener Volkergruppen waren lasse sich nicht schlussig beantworten 42 nbsp Karte der ungefahren Bevolkerungsbewegungen im 4 und 5 Jahrhundert n Chr und den zugehorigen Gruppen und Ethnien Siehe auch BearbeitenKlimageschichte Die aktuelle Warmzeit Optimum der RomerzeitLiteratur BearbeitenMichael McCormick Ulf Buntgen Mark A Cane Edward R Cook Kyle Harper Peter Huybers Thomas Litt Sturt W Manning Paul Andrew Mayewski Alexander F M More Kurt Nicolussi Willy Tegel Climate Change during and after the Roman Empire Reconstructing the Past from Scientific and Historical Evidence In Journal of Interdisciplinary History 2012 doi 10 1162 JINH a 00379 mitpressjournals org PDF 1000 kB Kyle Harper Climate Disease and the Fate of Rome Princeton University Press 2017 ISBN 978 0 691 16683 4 siehe dazu auch die kritischen Kommentare von John Haldon u a Plagues climate change and the end of an empire A response to Kyle Harper s The Fate of Rome 1 3 In History Compass 2018 Bibliografien zur Klimageschichte der Spatantike im Mittelmeerraum Lucas McMahon Abigail Sargent The Environmental History of the Late Antique Eastern Mediterranean a Bibliographic Essay In Adam Izdebski Michael Mulryan Hrsg Environment and Society in the Long Late Antiquity Brill 2019 ISBN 978 90 04 39208 3 Abschnitt Climate S 27 30 Merle Eisenberg David J Patterson Jamie Kreiner Ellen F Arnold Timothy P Newfield The Environmental History of the Late Antique West a Bibliographic Essay In Adam Izdebski Michael Mulryan Hrsg Environment and Society in the Long Late Antiquity Brill 2019 ISBN 978 90 04 39208 3 Abschnitt Climate and Food Shortages S 48 50 Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Michael J Decker Approaches to the environmental history of Late Antiquity part II Climate Change and the End of the Roman Empire In History Compass doi 10 1111 hic3 12425 Ahnlich Pessimum of the migration time in Jorg F W Negendank The Holocene Considerations with Regard to its Climate and Climate Archives In Hubertus Fischer u a 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Geographischen Gesellschaft in Wien Heinz Wanner Klima und Mensch Eine 12 000 jahrige Geschichte Haupt 2016 ISBN 978 3 258 07879 3 Die europaische Volkerwanderung hat das Klima mitgespielt S 219 222 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pessimum der Volkerwanderungszeit amp oldid 237978640