Die 21. Mille Miglia (italienisch für „Tausend Meilen“), auch 21. edizione Mille Miglia, fand am 1. und 2. Mai 1954 statt und war der dritte Wertungslauf der Sportwagen-Weltmeisterschaft dieses Jahres.
Vor dem Rennen Bearbeiten
Wie 1953 zählte auch 1954 die Mille Miglia zur Sportwagen-Weltmeisterschaft. Die Saison begann am 24. Januar mit dem 1000-km-Rennen von Buenos Aires. Auf dem Autódromo Juan y Oscar Alfredo Gálvez siegten Giuseppe Farina und Umberto Maglioli auf einem Ferrari 375 Plus für die Scuderia Ferrari. Das folgende 12-Stunden-Rennen von Sebring gewannen Bill Lloyd und Stirling Moss in einem von Briggs Cunningham gemeldeten OSCA MT4 1450.
Das Rennen Bearbeiten
Die Route Bearbeiten
Brescia – Verona – Venedig – Padua – Rovigo – Ferrara – Ravenna – Forlì – Rimini – Pesaro – Ancona – Pescara – L’Aquila – Rieti – Rom – Viterbo – Radicofani – Siena – Florenz – Futapass – Raticosapass – Bologna – Modena – Reggio nell’Emilia – Parma – Piacenza – Cremona – Mantua – Montichiari – Brescia
Neue Streckenführung Bearbeiten
Die letzten vier Jahre betrug die Distanz der Mille Miglia exakt 1000 Meilen. Die Modifikation von 1954 war eine Hommage an Tazio Nuvolari. Der populäre Rennfahrer, der seine großen Erfolge im Motorsport in den 1930er-Jahren gefeiert hatte, war im August des Vorjahres in seiner Heimatstadt Mantua gestorben. Auf dem Weg zurück zum Start- und Zielort Brescia bog die Strecke in Cremona nun nach Mantua ab und kam bei Montichiari wieder auf die ursprüngliche Strecke zurück. Dadurch verlängerte sich die Distanz von 1512 auf 1597 Kilometer.
Als weiterer Respekt vor dem großen Rennfahrer Nuvolari, der die Mille Miglia zweimal, 1930 und 1933 für sich entscheiden konnte, wurde der Gran Primo Nuvolari erstmals ausgetragen. Die daraus hervorgehende Trophäe erhielt jener Fahrer, der das Teilstück von Cremona nach Brescia am schnellsten durchfuhr.
Teams und Hersteller Bearbeiten
Vor dem Rennen verblüffte das Organisationskomitee viele Fahrer mit der Ankündigung, dass es nunmehr gestattet sei, als Fahrer die gesamte Renndistanz ohne Fahrerwechsel durchzufahren. Kaum einer der Spitzenpiloten, die die lange Renndistanz obligatorisch ohne Wechsel bestritten, wusste von einer Regel, die dies bisher untersagt hätte. Viele Beifahrer hatten auch andere Funktionen als Fahren zu erfüllen. Der Fotograf Louis Klemantaski, 1953 der Beifahrer von Reg Parnell im Aston Martin DB3, sollte während der Fahrt Fotos machen. Die Aufgabe von Alfonso Rolfo, dem Beifahrer von Giovanni Bracco bei dessen Siegesfahrt 1952, beschränkte sich darauf, dem Meister während der Fahrt die Zigaretten anzuzünden und ihm hin wieder ein Glas Brandy zu reichen. Um die Verwirrung zu beenden, präzisierte das Komitee die Reglementänderung. Es war jetzt erlaubt, das gesamte Rennen ohne Beifahrer als Solist zu bestreiten.
Durch die Abwesenheit der Werksteams von Alfa Romeo und Jaguar wurde ein Duell zwischen Lancia und der Scuderia Ferrari prognostiziert. Jaguar hatte nach der Enttäuschung des Vorjahres, als alle Werkswagen ausfielen, auf eine weitere werksseitige Teilnahme bei der Mille Miglia verzichtet. Alfa Romeo war im Vorjahr noch in der Spitze mitgefahren. Juan Manuel Fangio im Alfa Romeo 6C30 musste sich im Finish nur dem neuen Liebling des italienischen Sports, Gianni Marzotto im Werks-Ferrari 340 MM Vignale, geschlagen geben. Ende 1953 hatte man bei Alfa das Werksengagement eingestellt, dennoch war eine Fülle an Alfa-Romeo-Fahrzeugen gemeldet. Das Gros waren Alfa Romeo 1900, gefahren vor allem von Privatfahrern.
In der Klasse der Sportwagen über 2 Liter Hubraum, in der sich die Anwärter auf den Gesamtsieg befanden, meldete Lancia unter der Führung von Vittorio Jano vier D24. Nach dem D20 und dem D23 war der D24 der dritte Sportwagen in einer Reihe von Entwürfen der Lancia-Konstrukteursabteilung von Jano. Für den D24 wurde das Chassis des D23 1953 überarbeitet, dieses war jetzt kürzer und leichter. Der V6-Motor wurde auf 3,3 Liter aufgebohrt und leistete 265 PS oder 198 kW. Verpflichtet wurden vier italienische Spitzenpiloten dieser Zeit. Angeführt von Luigi Villoresi, gehörten zu dieser Vierermannschaft Piero Taruffi, Luigi Valenzano und der junge Eugenio Castellotti. Alberto Ascari, der vertraglich an Lancia gebunden war, hatte einen Start abgelehnt. Seine tiefe Abneigung gegenüber dem 1000-Meilen-Rennen war allseits bekannt. Nach einem schweren Trainingsunfall Villoresis musste Ascari allerdings dessen Platz einnehmen.
Die großen Gegner von Lancia waren die Ferrari-Werkswagen der Scuderia. Giuseppe Farina und Umberto Maglioli bekamen jeweils einen Ferrari 375 Plus anvertraut. Einen weiteren 375 Plus pilotierte Vorjahressieger Gianni Marzotto. Seine beiden Brüder Paolo und Vittorio waren auf einem 375MM bzw. einem 500 Mondial gemeldet. Seine letzte Mille Miglia bestritt Rekordsieger Clemente Biondetti. Der 1898 in Buddusò geborene Sarde war 1938, 1947, 1948 und 1949 Sieger und meldete einen Ferrari 250 MM Vignale. Biondetti starb im Februar des folgenden Jahres an Krebs.
Tief in der Menge der Privatfahrer verbargen sich sieben Iso Isettas. Der Schnellste von ihnen kam an der 176. Stelle der Gesamtwertung ins Ziel. Die Fahrzeit von 22:04:52,000 Stunden hätte bei der ersten Mille Miglia 1927 zum siebten Gesamtrang gereicht.
Der Rennverlauf Bearbeiten
Vom Start in Brescia weg dominierten die Lancia D24 das Rennen. Piero Taruffi führte in der Anfangsphase vor den Teamkollegen Ascari und Castellotti. Taruffi war zur Zeit des Rennens bereits 48 Jahre alt und hatte für viele Beobachter den Zenit seiner Karriere hinter sich. Schnelle Runden aus dem Stand waren nie seine Sache gewesen, bei Langstreckenrennen kamen jedoch sein technisches Verständnis und sein eleganter, souveräner Fahrstil zur Geltung. Vor allem bei der Mille Miglia war Taruffi immer sehr entschlossen. Sein großes Ziel war es, einmal dieses Rennen zu gewinnen. Auf dem Weg nach Pescara fuhr Taruffi Rekordzeiten, um seine Führung kontinuierlich auszubauen. Ferrari musste kurz nach dem Start einen ersten Ausfall hinnehmen. Giuseppe Farina verunfallte schwer. Der Automobil-Weltmeister von 1950 brach sich dabei den Arm. An einen Rücktritt dachte er jedoch nicht. Wenige Wochen später bestritt er mit einem Gipsverband an der Hand den Großen Preis von Belgien.
Knapp vor Rom fiel Castellotti mit einem Defekt an der Kraftübertragung aus und am Wendepunkt in der italienischen Hauptstadt lag Taruffi mit 4 Minuten vor Ascari in Führung. Ascari, der sich so gegen einen Start gewehrt hatte, war bisher ein umsichtiges Rennen gefahren. Mit geringstem Risiko agierend schonte er wie immer das ihm anvertraute Material, ließ sich jedoch nicht wirklich abschütteln. Hinter Ascari lagen die Werks-Ferrari von Umberto Maglioli und Paolo Marzotto, gefolgt von Peter Collins Werks-Aston Martin DB3S.
Taruffi fuhr auch auf dem Weg zurück in den Norden völlig problemlos und sah schon wie der sichere Sieger aus. Auf halber Strecke zwischen Rom und dem Zielort verschätzte er sich beim Überholen eines langsameren Konkurrenten, kam von der Strecke ab und musste aufgeben. Wieder war eine Chance auf den Sieg dahin und mit Ascari gewann ein Fahrer, der eigentlich gar nicht starten wollte. Hinter ihm entbrannte in den letzten Stunden eines der heftigsten Duelle der Mille-Miglia-Geschichte. Vittorio Marzotto und Luigi Musso im Maserati A6GCS lieferten sich einen Kampf auf Biegen und Brechen, den Vittorio Marzotto, der das beste Rennen seines Lebens fuhr, mit neun Sekunden Vorsprung nach 12 Stunden Fahrzeit für sich entschied.
Hans Herrmann und die Bahnschranken Bearbeiten
Die beiden Deutschen Hans Herrmann und Herbert Linge erreichten im Porsche 550 Spyder einen beeindruckenden sechsten Gesamtrang, der gleichbedeutend mit einem Klassensieg war. Während das Ergebnis bald unwichtig wurde, blieb ein anderes Erlebnis der beiden Piloten viele Jahrzehnte präsent. Als direkt vor dem Porsche die Bahnschranken für den herannahenden Schnellzug nach Rom im letzten Moment geschlossen wurden, konnte Herrmann nicht mehr bremsen. Er und sein Beifahrer Herbert Linge duckten sich in das Cockpit des flachen Porsche Spyder, und der Wagen fuhr unter den Schranken gerade noch vor dem Zug hindurch.