Die 20. Mille Miglia fand am 25. und 26. April 1953 statt und war der zweite Wertungslauf der Sportwagen-Weltmeisterschaft dieses Jahres.
Das Rennen Bearbeiten
Die Route Bearbeiten
Brescia – Verona – Venedig – Padua – Rovigo – Ferrara – Ravenna – Forlì – Rimini – Pesaro – Ancona – Pescara – L’Aquila – Rieti – Rom – Viterbo – Radicofani – Siena – Florenz – Futapass – Raticosapass – Bologna – Modena – Reggio nell’Emilia – Parma – Piacenza – Cremona – Brescia
Sportwagen-Weltmeisterschaft Bearbeiten
Nach der Einführung der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953 gehörte auch die seit 1927 ausgefahrene Mille Miglia zu diesem Championat. Diese Entscheidung war nicht ganz unumstritten, da sich die Veranstaltung als Straßenrennen fundamental von den Rundstreckenrennen unterschied. Allerdings zählte in diesem Jahr ein weiteres Straßenrennen, die Carrera Panamericana, ebenfalls zu der Meisterschaft.
In Italien war die Mille Anfang der 1950er Jahre eines der wichtigsten Ereignisse für die breiten Massen und hatte längst den Rahmen des reinen Motorsports gesprengt. Für die italienischen Automobilunternehmen war es daher eine Verpflichtung, an dem Rennen teilzunehmen. Dazu kam, dass in der 1950 neu geschaffenen Formel-1-Weltmeisterschaft Alfa Romeo und Ferrari die Siegerfahrzeuge der drei bis 1953 ausgefahrenen Meisterschaften stellten. 1952 und 1953 wurde die Automobilmeisterschaft der Fahrer mit Formel-2-Fahrzeugen ausgetragen und Ferrari stieg zur alles dominierenden Marke auf.
Hersteller, Teams und Fahrer Bearbeiten
Zur Mille Miglia kam die Scuderia mit einer wahren Armada an Fahrzeugen. Es waren bis auf eine Ausnahme allesamt Coupés. Luigi Villoresi, der US-Amerikaner Tom Cole und Gianni Marzotto fuhren die 340MM Vignale mit einem 3,5-Liter-V12-Motor. Der Wagen von Marzotto war das einzige Cabriolet der Scuderia. Der 340MM von Giuseppe Farina hatte den 4,1-Liter-V12-Motor aus dem Formel-1-Ferrari 340F1. Gianni Marzottos Bruder Paolo pilotierte einen 250MM mit einer Pininfarina-Karosserie. Die Marzotto-Brüder – der dritte, Umberto, war Copilot von Gino Bronzoni auf einem Werks-Lancia Aurelia – waren in Italien sehr populär. Alle drei fuhren nur Berg- und Straßenrennen und galten als absolut unerschrocken. Gianni hatte das 1000-Meilen-Rennen bereits 1950 für Ferrari gewinnen können. Der britische Ferrari-Werkspilot Mike Hawthorn fuhr einen 250MM Vignale und der Vorjahressieger Giovanni Bracco saß wie Paolo Marzotto in einem 250MM Pininfarina.
Alfa Romeo hatte sich nach dem Gewinn von zwei Formel-1-Fahrerweltmeisterschaften Ende 1951 zwar aus dem Monopostosport zurückgezogen, bei den Sportwagen war das Mailänder Unternehmen aber noch immer aktiv. Drei 6C30 wurden gemeldet. Allerdings verzichtete man bei Alfa Romeo auf die Disco-Volante-Karosserien und stattete die 3-Liter-Fahrzeuge als Coupés aus. Für das 1000-Meilen-Rennen kehrte der argentinische Formel-1-Weltmeister von 1951, Juan Manuel Fangio, zu seinem damaligen Weltmeisterteam zurück. Den zweiten 6C30 fuhr der Italiener Consalvo Sanesi, schon seit den 1940er-Jahren Alfa-Romeo-Werkspilot. Für das dritte Fahrzeug wurde der deutsche Rennfahrer Karl Kling verpflichtet, sein Landsmann Hans Klenk war Beifahrer.
Die Scuderia Lancia brachte die D20-Rennsportwagen nach Brescia. Gefahren wurden die 3-Liter-V8-Boliden von Felice Bonetto, Piero Taruffi und Mille-Miglia-Rekordsieger Clemente Biondetti. Biondetti hatte das Rennen bereits 1938, 1947, 1948 und 1949 für sich entschieden. Die Werks-Aurelias wurden nach einem Streit mit dem Veranstalter von den Lancia-Verantwortlichen kurzfristig zurückzogen. Aufgebauscht hatte sich der Konflikt an der Homologation der Alfa Romeo 1900TI, die aus der Sicht von Lancia nicht regelkonform zustande kam. Schließlich gingen die Aurelias aber doch an den Start.
Bei Maserati fehlte ein adäquates Rennfahrzeug. Neben einigen Privatwagen wurde nur die A6GCS Fantuzzi von Sergio Mantovani und Luigi Musso vom Werk unterstützt.
Große Aufmerksamkeit erregte Fiat und deren erster 8-Zylinder-Sportwagen, der 8V. Den Werkswagen steuerte der Vorkriegs-Veteran Franco Cortese und einen der Privatwagen das Brüderpaar Leto di Priolo.
Gegen diese italienische Übermacht traten die britischen Werksteams von Jaguar und Aston Martin an. Die Rennmannschaft von Aston Martin hatte eine besonders ermüdende Anreise. Die Engländer waren bereits Anfang März beim ersten Weltmeisterschaftslauf, den 12 Stunden von Sebring, am Start gewesen und mussten Rennwagen und Ersatzteile erst wieder aus den USA nach Europa bringen. Trainieren mussten die Fahrer daher mit Ersatzwagen. Die DB3s wurden von Reg Parnell, dessen Beifahrer der britische Motorsport-Fotograf Louis Klemantaski war, Peter Collins, George Abecassis und Tommy Wisdom gefahren. Jaguar vertraute seine Werks-C-Types Stirling Moss, Tony Rolt und Leslie Johnson an. Auch ein deutsches Werksteam fand den Weg nach Oberitalien. Porsche bereitete in Untertürkheim vier 356 für das Rennen vor. Neben dem jungen Hans Herrmann und Helmut Polensky fuhren die beiden Adeligen Wittigo von Einsiedel und Paul Alfons von Metternich-Winneburg die Werks-Porsche 356 1500 Super.
Neben den Werkswagen gab es eine Fülle von professionell eingesetzten Privatwagen in den unterschiedlichsten Klassen. Gino Munaron fuhr in der Tourenwagenklasse bis 1,3 Liter einen Peugeot 203, Paul Frère einen Chrysler Saratoga, John Fitch einen Nash-Healey und die belgische Ecurie Francorchamps von Jacques Swaters meldete für ihn einen Ferrari 225S Vignale. In den kleinen Tourenwagenklassen gab es eine Fülle an Renault 4CVs und Fiat 1100, die teilweise Werksunterstützung hatten. Der spätere Gründer von Alpine, Jean Rédélé, fuhr einen Werks-4CV und der Italiener Nello Pagani ging mit einem der 1100er-Fiats ins Rennen.
Für Jet-Set-Glamour sorgten der Filmregisseur Roberto Rossellini, der mit einem privaten Ferrari 250MM Vignale das Rennen bestritt, und der dritte Aga Khan, dessen Alfa Romeo 1900C52 von Goffredo Zehender gefahren wurde. Am Start war auch Mario Tadini, der in den 1920er-Jahren Enzo Ferrari bei der Gründung der Scuderia finanziell unterstützt hatte.
Der Rennverlauf Bearbeiten
576 Fahrzeuge waren gemeldet, 487 nahmen das Rennen auf. Durch das Startintervall von einer Minute zwischen den abgelassenen Fahrzeugen herrschte in Brescia die ganze Nacht Volksfeststimmung. Um 21 Uhr am Abend des Samstags ging das erste Fahrzeug ins Rennen. Als John Fitch mit seinem Nash-Healey startete, war es bereits 5:30 Uhr am Sonntag in der Früh, und als Tony Rolt mit seinem Jaguar über die Startrampe rollte, ging über Brescia die Sonne auf. Als die letzten Fahrzeuge, die Werks-Ferrari, sich auf den Weg nach Verona machten, begann es leicht zu regnen. Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Rennwagen schon am Wendepunkt Rom angekommen.
Wie immer wurde das Rennen live im Radio übertragen und die Zuhörer mussten immer lange warten, bis die letzten schnellen Wagen durch die jeweiligen Etappenziele kamen. Consalvo Sanesi fuhr auf seinem Alfa Romeo bis Verona die schnellste Zeit, und das bei inzwischen strömenden Regen. Knapp hinter ihm lagen Piero Taruffi im Lancia sowie sein Teamkollege Giuseppe Farina. Auf der glatten Straße kam es zu einigen Unfällen. Stirling Moss und Leslie Johnson fielen durch technische Defekte aus. In Ravenna führte noch immer Sanesi. Zweiter war jetzt Farina vor Karl Kling, einem 2,3-Liter-Gordini sowie Fangio und Bracco.
Entlang der Adria-Küste fuhr Sanesi eine Bestzeit nach der anderen. Auf den bergigen Straßen Richtung Rom stoppte ihn aber ein Motorschaden. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Favoriten längst ausgeschieden. Paul Metternich hatte einen Unfall und verletzte dabei einen Zuschauer. Taruffi und Hawthorn hatten Motorschäden. Tony Rolt fiel nach einer Reparatur an der Benzinpumpe weit zurück. Als er wieder ins Rennen gehen konnte, waren die Straßen bereits für den normalen Verkehr geöffnet und Rolt musste in halsbrecherischer Fahrt sein Rennen fortsetzen.
In Rom führte Karl Kling vor Fangio, Gianni Marzotto und Bracco. Aber wie alle Piloten vor ihm, die in Rom geführt hatten, konnte Kling die Mille Miglia nicht gewinnen. Zurück in den Norden entwickelte sich das Rennen zu einem Zweikampf zwischen Fangio und Marzotto. In Florenz hatte der Argentinier einen Vorsprung von 1 Minute und 49 Sekunden. Bis nach Brescia machte Marzotto aber nicht nur den Rückstand wett, sondern siegte am Ende mit einem Vorsprung von 2 Minuten und 57 Sekunden auf den Alfa-Romeo-Piloten. Paolo Marzotto verlor seinen dritten Gesamtrang 30 Kilometer vor dem Ziel, als eine defekte Benzinleitung seinen Ferrari in Flammen aufgehen ließ.