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Johann Tetzel oder Johannes Tetzel auch Dietze Dietzel Tetzell Detzel Thizell um 1460 oder um 1465 in Pirna oder Leipzig 2 11 August 1519 in Leipzig war ein deutscher Dominikaner und Ablassprediger Seine Ablasspredigten stellten den Anlass fur Luthers gegen den Ablass gerichtete 95 Thesen dar Johann Tetzel fiktives Portrat Stich 1717 Ein nach dem Leben gezeichnetes Bildnis von Johann Tetzel ist nicht uberliefert 1 spatere Bilder wie dieses zum 200 Jahrestag der Reformation stellen ihn ublicherweise in polemischer Absicht dar wohlgenahrt und mit Hinweisen auf seine Einnahmen Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ablasshandel 3 Tetzelkasten 3 1 Braunschweig 3 2 Juterbog 3 3 Elm 3 4 Berlin 3 5 Gorlitz 3 6 Annaberg Buchholz 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenJohann Tetzel war der Sohn des Hans Dietze oder Dietzel eines Goldschmieds oder Betreibers eines Fuhrmanns und Handelsgeschafts 3 in Pirna Sein Geburtshaus befindet sich in der heutigen Schmiedestrasse 4 Im Wintersemester 1482 83 nahm er ein Theologiestudium in Leipzig auf er schrieb sich mit dem lateinischen Namen Johannes Tezelius de Lipsia ein 1487 erwarb Tetzel den Baccalaureus artium 1489 trat er in das Dominikanerkloster St Pauli in Leipzig ein dessen Angehoriger er trotz haufiger Abwesenheit bis zu seinem Tode war In Leipzig wirkte er zunachst als Prediger und als theologischer Lehrer am dortigen Ordensstudium nbsp Das in Pirna als sein Geburtshaus bezeichnete TetzelhausIm Jahr 1504 begann Tetzel seine Tatigkeit im Ablasshandel zunachst fur den Deutschen Ritterorden Nach einer kurzen Amtszeit als Prior in Glogau war er von 1505 bis 1510 als Ablassprediger in Sachsen unterwegs Hier wurde ihm ein unsolider Lebenswandel nachgesagt 5 Danach war er mutmasslich im suddeutschen Raum tatig Anders als von Martin Luther in dessen Propagandaschrift Wider Hans Worst behauptet war Tetzel allerdings nie in Innsbruck und wurde demzufolge dort auch nicht wegen Ehebruchs und Spielbetrugs zum Tode durch Ertranken verurteilt 6 7 Uberhaupt sind viele biografische Angaben zu Tetzel ausserst fraglich da seit Luther und dessen erstem Biografen Johann Mathesius uber den Ablass Prediger zahlreiche frei erfundene Anekdoten im Umlauf sind So soll Tetzel vom Kurfursten Friedrich von Sachsen beim Kaiser Maximilian I nach dem angeblichen Geschlechtsverkehr mit einer verheirateten Frau losgebeten worden sein 5 Moglicherweise hatte Tetzel jedoch mit einer unbekannten Frau zwei Kinder wie in einem zeitgenossischen Brief 1519 von Karl von Miltitz an Degenhard Pfeffinger angedeutet wird 8 Eine zeitweilige Gefangenschaft im Turm zu Leipzig ist ebenso zu den Propaganda Legenden zu rechnen wie eine ewige Klosterhaft in Pirna wo er seinen Gegnern zufolge die Hurerey nicht gelassen und eine Magd geschwangert haben soll 8 Ahnliches gilt fur eine Rom Reise im Jahr 1512 oder 1514 die tatsachlich nicht stattgefunden hat 6 1508 1509 hielt sich Tetzel in Alt Gebhardsdorf No 3 im Queiskreis auf Eine Einreise nach Schlesien wurde ihm versagt Trotzdem liess er aus Dankbarkeit fur die guten Geschafte die Kapellen in Friedeberg und Gebhardsdorf auf seine Kosten renovieren 9 1516 ernannte das Bistum Meissen Tetzel zum Subkommissar beim Ablasshandel fur den Bau der Peterskirche in Rom In gleicher Mission aber nun als Generalsubkommissar war er ab 1517 im Auftrag des Erzbischofs von Mainz Albrecht von Brandenburg in den Bistumern Halberstadt und Magdeburg unterwegs Hier lassen sich Aufenthalte in Eisleben Halle Zerbst Berlin Juterbog und Magdeburg nachweisen Dieses Wirken war auch der Anlass fur den Thesenanschlag Luthers in Wittenberg und den Beginn der Reformation Ab 1518 lebte Tetzel wieder im Paulinerkloster in Leipzig Im gleichen Jahr wurde er aufgrund einer Ermachtigung durch Papst Leo X zum Doktor der Theologie ernannt 1519 starb er in Leipzig an der Pest Er wurde im Chor der Paulinerkirche begraben der 1546 wegen des Ausbaus der stadtischen Befestigungsanlagen fur den Schmalkaldischen Krieg zum Teil abgetragen wurde 10 Ablasshandel Bearbeiten nbsp Die Tetzelsaule an der Elbe nahe Pirna Hier soll Tetzel gepredigt haben Bis zum Ende des 15 Jahrhunderts war der Ablasshandel streng geregelt nur bestimmte Sundenstrafen konnten durch Geld und keinesfalls ohne tatige Reue erlassen werden Tetzel ubertrieb den Umfang des Ablasses Mit seinen Parolen Sobald der Gulden im Becken klingt im huy die Seel im Himmel springt oder Wenn ihr mir euer Geld gebt dann werden eure toten Verwandten auch nicht mehr in der Holle schmoren sondern in den Himmel kommen soll Johann Tetzel in der Art eines Marktschreiers den Ablasshandel eroffnet haben Ins heutige Deutsch ubertragen ist jedoch heute der Ausruf Sobald das Geld im Kasten klingt die Seele in den Himmel springt der Allgemeinheit gelaufiger ein Satz der wahrscheinlich einer Auseinandersetzung an der Pariser Sorbonne im Jahre 1484 durch Jean Laillier entstammte 11 Der Magister der freien Kunste und Professor fur Theologie der nicht nur den Vorrang der romischen Kirche in Frage stellte sondern auch die Absichten eines Monches verurteilte der den Ablass zu Stiftungszwecken einforderte verkurzt in Deutsch Wenn das Geld im Kasten klingt die Seele aus dem Feuer springt 12 13 ein Satz mit dem man auch das Handeln des Ablasspredigers Johann Tetzel paraphrasieren konnte Die eine Halfte der Einnahmen diente dem Bau des Petersdoms in Rom wahrend die andere sich der Erzbischof Albrecht von Brandenburg und der jeweilige Ablassprediger teilten Der Bischof benotigte die Einkunfte um seine gegenuber den Fuggern aufgelaufenen Schulden abzuzahlen Um den Anteil des Bankhauses zu sichern begleiteten Vertreter der Fugger Tetzel und zogen bei Verkaufsaktionen die Tilgungssummen ein Ein Teil dieser Schulden war durch Gebuhren entstanden die der Papst dafur verlangte dass er Albrecht von den Vorschriften gegen Amterhaufung dispensiert hatte Somit konnte Albrecht zusatzlich zu den Bischofssitzen von Magdeburg und Halberstadt den wichtigsten deutschen Erzbischofsstuhl von Mainz lateinisch Sancta sedes Moguntia der mit dem Erzkanzleramt uber den deutschen Teil des Reiches verbunden war erwerben Tetzel wirkte zwar im Gebiet des Erzbistums Magdeburg doch kamen zu ihm auch die Wittenberger Burger um sich statt durch echte Busse durch Geld von ihren Sunden zu befreien Martin Luther Beichtvater vieler Wittenberger bemerkte dies mit Bitterkeit Er prangerte den seiner Meinung nach schandlichen Ablasshandel an da dieser seine Vorstellung von einem sundigen Menschen der sich wegen schlimmer Taten einem Leben der Demut unterwirft geradezu verhohnte Die 95 Thesen die er als Reaktion darauf in Wittenberg veroffentlicht haben soll stehen fur den Ausdruck einer tiefgreifenden Enttauschung und gelten als Ausloser der Reformation Kurz vor Tetzels Tod schickte Luther ihm einen Trostbrief Auch an andern Orten wurde Tetzel kritisch gesehen Der Pfarrer am Ulmer Munster Konrad Krafft etwa hielt 1517 eine Predigt gegen Johann Tetzels Ablasspraxis Tetzel soll seine Ablassbriefe auch in Kublingen in der dortigen Wallfahrtskirche St Marien verkauft haben Im nahegelegenen Elm einem Hohenzug knapp 20 Kilometer ostlich von Braunschweig soll 1518 laut einer Sage unter dem Tetzelstein ein Ablassprediger begraben worden sein Tetzelkasten BearbeitenDer Tetzelkasten war der Kasten zum Sammeln der Erlose aus dem Ablassverkauf Um die Menschen zum Kauf zu bewegen liess Tetzel einen Teufel auf den Kasten malen der die armen Seelen im Fegefeuer qualt Daruber stand geschrieben Wenn das Geld im Kasten klingt die Seele aus dem Feuer springt 14 Braunschweig Bearbeiten nbsp Tetzelkasten in Juterbog um 1510Einer der bisher gefundenen Tetzelkasten auch Ablasslade genannt in denen die Bussgelder verwahrt wurden befindet sich im Stadtischen Museum Braunschweig im Altstadtrathaus Er entstammt der Peterskapelle der Burg Supplingenburg in der Tetzel gepredigt und diesen Kasten verwendet haben soll Dieser ist mit breiten Eisenblechen beschlagen und besitzt seitlich zwei Tragegriffe Auf der Vorderseite waren drei Schlosser angebracht deren Offnung wahrscheinlich nur der romischen Kurie den Fuggern und Erzbischof Albrecht vorbehalten war Seine Abmessungen sind 40 6 82 5 47 5 cm Juterbog Bearbeiten Auch die Nikolaikirche in Juterbog besitzt einen Tetzelkasten Hans von Hake 1472 1541 aus Stulpe ubergab Juterbog diese Lade nachdem er Tetzel den Kasten abgenommen hatte Den Ablasszettel dafur hatte er zuvor schon von ihm erworben und winkte damit als Tetzel ihm mit den Qualen des Fegefeuers drohte Diese Geschichte beschreibt Theodor Fontane im ersten Band seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg 15 siehe auch Uberfall in der Golmheide Elm Bearbeiten Auf der Hohe des Elms zwischen Konigslutter und Schoppenstedt soll Tetzel der Legende nach von einem Ritter von Hagen uberfallen worden sein als er von Konigslutter kam Es wird erzahlt dieser Ritter habe bei Tetzel zuvor einen Ablassbrief fur noch zu begehende Sunden gekauft ihm diesen nun unter die Nase gehalten und dann unter Hinweis darauf die Ablasskasse geraubt 16 Die mutmassliche Stelle des Uberfalls ist mit dem sogenannten Tetzelstein markiert Berlin Bearbeiten Auch aus Berlin ist eine ahnliche Geschichte uberliefert Tetzel verkaufte beispielsweise vor der Nikolaikirche die schriftliche Vergebung der Sunden an gut Zahlende Gegen Geld erwarb auch ein anonymer Wohlhabender eine Ablassurkunde fur eine Sunde die er erst am Folgetag begehen wollte Als Tetzel am nachsten Tag weiterreiste wurde er in der Nahe von Trebbin uberfallen und die Ablasslade mit den eingenommenen Geldern wurde ihm geraubt von dem Mann der sich schon von der Strafe Gottes freigekauft hatte 17 Gorlitz Bearbeiten Ein Tetzelkasten soll auch die metallbeschlagene Lade in der Pfarrkirche St Peter und Paul in Gorlitz sein Annaberg Buchholz Bearbeiten Auch in der St Annenkirche vorher in der alten Sakristei von Annaberg Buchholz ist ein Tetzelkasten ausgestellt in dem heute Spenden fur die Erneuerung der Kirche und der Orgel gesammelt werden Tetzel hat sich in Annaberg von 1502 bis 1504 1508 und noch einmal von 1510 bis 1512 aufgehalten Literatur BearbeitenHeinrich Kielmann Tetzelocramia Das ist eine lustige Comoedie von Johan Tetzels Ablass Kram Johan Dubern Stettin 1617 Volldigitalisat in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg Vorpommern Friedrich Gottlob Hofmann Lebensbeschreibung des Ablasspredigers D Johann Tezel Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Kirchenreformation im sechszehnten Jahrhundert Schwickert Leipzig 1844 Digitalisat Adolf Brecher Tetzel Johann In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 37 Duncker amp Humblot Leipzig 1894 S 605 609 Enno Bunz Tetzel Johann In Neue Deutsche Biographie NDB Band 26 Duncker amp Humblot Berlin 2016 ISBN 978 3 428 11207 4 S 52 Digitalisat Nikolaus Paulus Johann Tetzel Der Ablassprediger Kirchheim Mainz 1899 J Jurgen Seidel Tetzel Tezel Diez Diezel Johannes In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 11 Bautz Herzberg 1996 ISBN 3 88309 064 6 Sp 725 726 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Dieter Lent Tetzel Johannes In Horst Rudiger Jarck Dieter Lent u a Hrsg Braunschweigisches Biographisches Lexikon 8 bis 18 Jahrhundert Appelhans Verlag Braunschweig 2006 ISBN 3 937664 46 7 S 694f Enno Bunz Hartmut Kuhne Peter Wiegand Hg Johann Tetzel und der Ablass Begleitband zur Ausstellung Tetzel Ablass Fegefeuer in Monchenkloster und Nikolaikirche Juterbog Lukas Verlag fur Kunst und Geistesgeschichte Berlin 2017 ISBN 978 3 86732 262 1 D Dibelius Johann Tetzel In Franz Dibelius Theodor Brieger Hrsg Beitrage zur sachsischen Kirchengeschichte Band 17 Johann Ambrosius Barth Leipzig 1904 S 1 archive org Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Johann Tetzel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Johann Tetzel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Tetzel Tetzelhaus In tetzelhaus de Abgerufen am 17 August 2021 Der Tetzel Mythos In Der Luther Tetzel Weg Abgerufen am 21 April 2015 Tetzel Ablassthesen Uni Illinois 1901 online englisch Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Enno Bunz der grosse Schreihals Johann Tetzel Vortrag im Leibnizforum Leipzig 27 September 2016 In der Literatur sind beide Angaben zu finden Auch das Handwerk des Weissbackers konnte er zeitweise ausgeubt haben Johann Tetzel um 1465 1519 Stadtverwaltung Pirna Archivierte Kopie Memento des Originals vom 20 August 2018 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www pirna de a b Adolf Brecher Tetzel Johann In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 37 Duncker amp Humblot Leipzig 1894 S 605 609 a b Valentin Grone Tetzel und Luther oder Lebensgeschichte und Rechtfertigung des Ablasspredigers und Inquisitors Dr Johann Tetzel Soest 1860 S 202 Enno Bunz Hartmut Kuhne Peter Wiegand Hrsg Johann Tetzel und der Ablass Begleitband zur Ausstellung Tetzel Ablass Fegefeuer in Juterbog 2017 S 87 a b Enno Bunz Hartmut Kuhne Peter Wiegand Hrsg Johann Tetzel und der Ablass Begleitband zur Ausstellung Tetzel Ablass Fegefeuer in Juterbog 2017 S 88 Karl Pellegrini Kurze Geschichte der Gemeinde Gebhardsdorf Arthur Dresler Friedeberg am Queis 1927 S 10 Birk Engmann Eine Reise durch die Jahrhunderte Die bauliche Entwicklung der Universitat im Stadtzentrum In Vivat Crescat Floreat Sonderedition der Leipziger Blatter zum 600 Grundungstag der Universitat Leipzig Passage Leipzig 2009 ISBN 978 3 938543 53 5 S 54 61 Heinrich Boehmer Der junge Luther Martin Luther und die Reformation Mit 39 Abbildungen nach Holzschnitten und Kupferstichen des 16 Jahrhunderts Diplomica Verlag Hamburg 2018 ISBN 978 3 96337 026 7 S 165 toute ame du purgatoire s envole immediatement au ciel dans les troncs pour la reparation de l eglise de Cathedrale Saint Pierre de Beauvais In Plessis d Argentre Collectio Judiciorum de Novis Erroribus Luise Schorn Schutte Die Reformation Vorgeschichte Verlauf Wirkung C H Beck Munchen 2006 S 32 Carl Eduard Vehse Die Weltgeschichte aus dem Standpunkte der Cultur und der nationalen Charakteristik 2 Bande Walther Dresden 1842 Bd 2 S 56 Theodor Fontane Wanderungen durch die Mark Brandenburg Bd 1 Die Grafschaft Ruppin Der Barnim Der Teltow Berlin 1862 S 387 Tetzel Konigslutter und der Tetzelstein PDF 174 kB Website Luther in Braunschweig Archiviert vom Original am 27 September 2013 abgerufen am 16 November 2017 Der Stralauer Fischzug Sagen Geschichten und Brauche aus dem alten Berlin Neues Leben Berlin 1987 ISBN 3 355 00326 3 S 34 f Normdaten Person GND 118801708 lobid OGND AKS LCCN no2012147420 VIAF 27867835 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tetzel JohannKURZBESCHREIBUNG deutscher Dominikanerbruder Ablassprediger und Gegenspieler LuthersGEBURTSDATUM um 1460GEBURTSORT Pirna oder LeipzigSTERBEDATUM 11 August 1519STERBEORT Leipzig Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Johann Tetzel amp oldid 236086379