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Als Hochkultur wird in der Geschichtswissenschaft sowie in alterer ethnologischer Fachliteratur eine Gesellschaftsordnung bezeichnet die sich durch besondere Komplexitat auszeichnet Wie dieser Gesellschaftstyp abzugrenzen ist und welche historischen Kulturen dazu zahlen ist teilweise strittig Als Hochkulturen gelten in erster Linie manche Gesellschaften des Alten Orients und des prakolumbischen Amerika die Indus Kultur und die chinesische Erlitou Kultur Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte und Merkmale 2 Ubersicht 3 Entwicklung 4 Oswald Spengler 5 Literatur 6 Weblinks 7 AnmerkungenBegriffsgeschichte und Merkmale BearbeitenDer Begriff Hochkultur wurde in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts gepragt Damals nahm man im Rahmen des Evolutionismus an es gebe eine annahernd gesetzmassige Abfolge kultureller Hervorbringungen wobei die Entwicklung stets vom Einfachen zum Komplexen fuhre In diesem Entwicklungsschema bezeichnete man das hochste Stadium der Komplexitat einer Gesellschaft als Hochkultur Im 20 Jahrhundert wurde die evolutionistische Sicht auf Kulturphanomene jedoch einer Fundamentalkritik unterworfen und erschien nur noch in abgewandelter Gestalt als Neoevolutionismus akzeptabel Die Kritik richtete sich insbesondere gegen die Vorstellung des historischen Voranschreitens zu hoheren Zivilisationsformen Damit wurde das Hochkultur Konzept problematisch und die Unterscheidung zwischen Hochkultur und Randkulturen wurde in der Ethnologie aufgegeben In der Geschichtswissenschaft spricht man zwar weiterhin von Hochkulturen aber ohne den fruheren kulturevolutionistischen Hintergrund und die damit verbundenen Bewertungen im Sinne hoherer und niederer Entwicklungsstufen Da der Ausdruck Hochkultur wegen seiner Geschichte als vorbelastet gilt wird er oft durch Bezeichnungen wie komplexe Gesellschaft stadtische Gesellschaft Zivilisation oder archaischer Staat ersetzt Diese Bezeichnungen wurden im Deutschen aus der Terminologie der englischsprachigen Fachliteratur ubernommen in der civilization ungefahr dem entspricht was im Deutschen gewohnlich mit Hochkultur gemeint ist 1 In der Geschichtswissenschaft dienen Hochkultur und die in neuerer Zeit zunehmend gebrauchlichen Entsprechungen dieses Ausdrucks zur Bezeichnung eines Gesellschaftstypus der sich nach seinem Organisationsgrad und den erreichten zivilisatorischen Errungenschaften grundlegend von weniger komplexen Gesellschaften unterscheidet Die Merkmale dieses Typus die haufig aber nicht immer zusammen auftreten sind eine entwickelte Technik Metalltechnik und Landwirtschaft Pflugbau Uberproduktion Marktwesen und Geldwirtschaft Schriftgebrauch soziale Differenzierung und Arbeitsteilung politische Zentralinstanzen mit institutionalisierter Herrschaft und Verwaltungsapparat eine differenzierte Religion mit Priesterschaft sowie Stadtewesen und Monumentalbauten Allerdings besteht in der Forschung kein Konsens daruber welche dieser Kriterien dafur notwendig und hinreichend sind dass eine Kultur als Hochkultur eingestuft werden kann 2 Die Religionswissenschaftlerin Ulrike Peters weist darauf hin dass es keine allgemeingultig akzeptierte Definition des Begriffs Hochkultur gibt Dennoch finde nach Peters der Begriff nach wie vor in der Wissenschaft Verwendung und sei mit bestimmten Eigenschaften verbunden 3 Ubersicht Bearbeiten nbsp Geographische Verteilung der HochkulturenDie fruhesten Hochkulturen des Bereichs von Eurasien und Afrika entstanden im Nahen Osten Dort entwickelten sich fruhe Hochkulturen in Agypten ab 4000 v Chr Sumer etwa 4 Jahrtausend v Chr bis 2000 v Chr Elam etwa ab 3500 v Chr bis 600 v Chr und Akkad etwa 2340 2200 v Chr sowie in den syrischen Stadten Mari etwa 2900 v Chr bis 1759 v Chr und Ebla etwa spates 3 Jahrtausend v Chr und zwischen 1800 und 1650 v Chr Auf dem indischen Subkontinent entstand um 2800 v Chr die Indus oder Harappa Kultur die bis um 1800 v Chr bluhte in Zentralasien die Oasen oder Oxus Kultur etwa 2200 v Chr bis 1700 v Chr in China die Erlitou Kultur etwa 2000 1500 v Chr Schrift ab etwa 1250 v Chr In Mittel und Sudamerika entstanden mehrere Hochkulturen die Chavin Kultur 1200 200 v Chr 4 die Tiwanaku Kultur 5 6 300 v Chr bis etwa 1000 n Chr und Wari Kultur von etwa 600 bis 1100 n Chr die Moche Kultur 100 bis 700 n Chr 7 Caral in Peru um 3000 bis etwa 2500 v Chr Olmeken etwa 1500 bis etwa 400 v Chr die Maya Zivilisation um 3000 v Chr bis etwa 900 n Chr Teotihuacan um 100 bis ca 650 n Chr Tolteken um 800 bis ca 1200 n Chr die Chimu Kultur 8 900 1480 n Chr das Inka Reich um 1200 bis ca 1550 und das Aztekenreich ca 1350 bis ca 1550 Jungere Hochkulturen waren im Nahen Osten Assyrien Babylonien das Perserreich und die Kulturen der Meder und der Hethiter im Mittelmeerraum die Minoische Kultur die Mykenische Kultur sowie die Kulturen der Phonizier Karthager und der Etrusker in Zentralasien die Kultur der Gokturken in Sudostasien das Khmer Reich und in Afrika das Aksumitische Reich Entwicklung Bearbeiten nbsp Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Die ersten Hochkulturen waren die sogenannte hydraulischen Kulturen die sich an Flussen entwickelten Die mesopotamischen Reiche Sumer Babylon und Assyrien entstanden an Euphrat und Tigris das agyptische Reich am Nil die Harappa Kultur am Indus und die chinesischen Reiche am Gelben Fluss Flusse sind aber keine zwingende Voraussetzung denn die amerikanischen Hochkulturen entwickelten sich wenn auch wesentlich spater ohne Flusssysteme Der Fluss fordert durch Transport und friedlichen Tauschhandel eine dezentrale Zivilisation Kultur und Warenaustausch Er liefert Proteine durch Fischfang und Muschelbanke und ausreichend Trink und Brauchwasser So wurden nomadisierende Sammler und Wildbeuter zu eher sesshaften Fischern Viehzuchtern Ackerbauern und schliesslich Hoch Kulturschaffenden Die periodischen Uberschwemmungen machten das Land fruchtbar wodurch intensivere Landwirtschaft betrieben werden konnte Fur den Bau von Bewasserung und Staudammen ist eine gesellschaftliche Organisation notwendig Die Verteilung des knappen fruchtbaren Landes und die Zuteilung der Wassernutzung in zentralisierten Kulturen erfordert eine Verwaltung und Rechtsprechung Eine Bevorratung von Getreide ist fur die Jahre schlechterer Ernte erforderlich Auch die Bevorratung erfordert Organisation und Planung Zur Berechnung der Flut wird ein Kalender benutzt der Kenntnisse in Mathematik und Astronomie voraussetzt Mathematik wurde auch fur den Bau der Stadte benotigt Hochkulturen konnten sich nach Herbert Wilhelmy entwickeln wenn durch Arbeit regelmassig Nahrungsuberschusse produziert wurden sodass ausreichende Mengen an lagerfahigen kohlenhydrathaltigen Grundnahrungsmitteln verfugbar waren Weizen im Orient Reis in Ost Asien Mais in Mittelamerika Kartoffeln in den Anden Wichtig waren daneben aber auch der organisierte Handel und Transport und die tradierte Uberschussproduktion von haltbaren Proteinquellen wie beispielsweise Gerauchertem Gepokeltem Kase und allgemein fermentiertem Milcherzeugnis und Wein sowie Tonwaren Salz Feuerstein und Metall In den Hochkulturen wurden gesellschaftliche Normen als Gesetze kodifiziert Parallel zur politischen Organisationsbildung entstand in fast allen staatlich hierarchisch organisierten patriarchischen Gesellschaften eine Kriegerkaste und eine religiose Hierarchie die den Herrscher als von den Gottern eingesetzt stutzt Zwischen den Mesopotamiern und den Agyptern gab es verhaltnismassig fruh einen Austausch Auch die Harappa Kultur trieb wohl mit den Mesopotamiern Handel Klarungen konnten auch zu neuen Erkenntnissen in Bezug auf die Erfindung der Schrift fuhren denn man muss davon ausgehen dass die Schrift mehrmals erfunden wurde So ist widerlegt dass die chinesische Schrift sich aus den sumerischen und agyptischen Zeichen entwickelt hat Oswald Spengler BearbeitenDer Kulturhistoriker Oswald Spengler legte in seinem Hauptwerk Der Untergang des Abendlandes 1918 1922 eine Theorie der Hochkulturen vor die in der Folgezeit grosses Aufsehen erregte Nach Spenglers Auffassung haben sich im Lauf der Menschheitsgeschichte bisher acht Hochkulturen entwickelt die agyptische die babylonische die indische die chinesische die antike die fruhchristlich byzantinisch arabische die mexikanische und die westeuropaische abendlandische Spengler wandte sich gegen die damals gangige eurozentrische Perspektive in der Geschichtswissenschaft Er kritisierte das Geschichtsbild in dem die abendlandische Geschichte im Mittelpunkt steht und deren traditionelle Einteilung in Altertum Mittelalter und Neuzeit das chronologische Gerust bildet Fur Spengler stehen die acht Hochkulturen gleichberechtigt nebeneinander jede ist eine in sich abgeschlossene Erscheinung Sie durchlaufen die gleichen Entwicklungsschritte und Lebensphasen wie ein einzelnes Individuum etwa eine Pflanze und sind somit wie lebende Organismen zu betrachten Kulturgeschichte wird nicht von menschlichen Willensakten gesteuert sondern verlauft wie ein biologischer Prozess Somit ist die Lebensdauer der Hochkulturen begrenzt ihr Verfall und Tod unvermeidlich Die Lebenszeit einer Hochkultur betragt so Spengler normalerweise etwa ein Jahrtausend Den Niedergang kennzeichnet der Ubergang von der Kultur zur Zivilisation Dabei ist mit Zivilisation ein unnaturlicher Zustand gemeint die Endphase der Kulturentwicklung die nach Spenglers Einschatzung fur die abendlandische Hochkultur im fruhen 19 Jahrhundert begonnen hat Spengler beschrankte somit die Bezeichnung Hochkultur nicht wie der gangige geschichtswissenschaftliche und allgemeinsprachliche Wortgebrauch auf fruhe Kulturen des Altertums Vielmehr bezog er seine eigene Gegenwart als spates Stadium der abendlandischen Hochkultur mit ein und rechnete mit der kunftigen Entstehung neuer Hochkulturen 9 Literatur BearbeitenPaul G Bahn Der neue Bildatlas der Hochkulturen Chronik Verlag Gutersloh 2003 ISBN 3 577 14622 2 Rainer Albertz Fruhe Hochkulturen Agypter Sumerer Assyrer Babylonier Hethiter Minoer Phoniker Perser Theiss Stuttgart 2003 ISBN 3 8062 1756 4 Jurgen Bar Fruhe Hochkulturen an Euphrat und Tigris Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2009 ISBN 978 3 8062 2139 8 Jan Assmann Das kulturelle Gedachtnis Schrift Erinnerung und politische Identitat in fruhen Hochkulturen Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 56844 2 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Hochkultur Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenAnmerkungen Bearbeiten Manfred Eggert Kultur und Materielle Kultur In Stefanie Samida u a Hrsg Handbuch Materielle Kultur Stuttgart 2014 S 22 31 hier 23 Manfred Eggert Kultur und Materielle Kultur In Stefanie Samida u a Hrsg Handbuch Materielle Kultur Stuttgart 2014 S 22 31 hier 23 f Ulrike Peters Die Inka Aufstieg Untergang Erbe Ulrike Peters Die Inka Aufstieg Untergang Erbe Alexei Vranich Charles Stanish Visions of Tiwanaku Cotsen Institute of Archaeology Press Los Angeles 2013 S 44 Alexei Vranich Charles Stanish Visions of Tiwanaku Cotsen Institute of Archaeology Press Los Angeles 2013 S 151 Die Tiwanaku Kultur reprasentiert eine der grossen Zivilisationen der antiken Welt Sie ist in Grosse Komplexitat und Raffinesse leicht mit den bekannteren Zivilisationen des Nahen Ostens des Mittelmeerraums und Asiens vergleichbar Tatsachlich stellt Tiwanaku viele andere beruhmte Zivilisationen der klassischen Welt in vielen interessanten Aspekten in den Schatten physische Grosse und architektonische Komplexitat der Hauptstadt Bevolkerungszahl regionale Dominanz wirtschaftliche Produktion Fernaustausch und die Komplexitat ihrer soziopolitischen Organisation Originalzitat The culture of Tiwanaku represents one of the great civilizations of the ancient world It is easily on par in size complexity and sophistication with the more well known civilizations of the Near East Mediterranean and Asia In fact Tiwanaku eclipses many other famous civilizations of the classical world in many aspects of interest herephysical size and architectural complexity of the capital population size regional dominance economic production long distance exchange and the complexity of its sociopolitical organization Ulrike Peters Die Inka Aufstieg Untergang Erbe Gerhard Gerold Zusammenbruch der Tiwanaku Kultur im 11 Jh In Klimawandel und der Untergang von Hochkulturen Springer Berlin Heidelberg 2021 S 189 Rebecca Krug Kulturpessimistische Variationen Berlin 2019 S 22 25 Henning Ottmann Geschichte des politischen Denkens Band 4 1 Stuttgart 2010 S 168 172 Normdaten Sachbegriff GND 4139946 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hochkultur Geschichtswissenschaft amp oldid 239678511