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Die Heiratspolitik der Habsburger bezeichnet die Praxis und Tradition dieses Adelshauses seit dem ausgehenden Mittelalter den eigenen Herrschaftsbereich durch Heiraten immer wieder ausserst erfolgreich auszudehnen was uber die generelle Bedeutung dynastischer Politik in der Vormoderne 1 hinausgeht und unter dem Motto Bella gerant alii tu felix Austria nube zur habsburgischen Meistererzahlung 2 wurde Hochzeit von Erzherzog Karl und Zita von Bourbon Parma auf Schloss Schwarzau in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I links Oktober 1911 Inhaltsverzeichnis 1 Identitatsstiftendes Motto 2 Beispiele der Heiratspolitik 2 1 Friedrich III Burgund und Bayern 2 2 Maximilian I und Spanien 2 3 Ferdinand I HRR und Ungarn Bohmen 2 4 Tochter von Ferdinand I und Italien 2 5 Maria Theresia Italien und Frankreich 2 6 Marie Louise von Osterreich und Napoleon Bonaparte 3 Kunstlerische Verarbeitung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseIdentitatsstiftendes Motto BearbeitenSeit der Barockzeit wird diese Vorgehensweise charakterisiert durch und verbunden mit dem genannten Motto einem Distichon das vollstandig folgendermassen lautet Bella gerant alii tu felix Austria nube Nam quae Mars aliis dat tibi diva Venus Kriege fuhren mogen andere du gluckliches Osterreich heirate Denn was Mars den anderen gibt dir die gottliche Venus 3 Das Motto geht zuruck auf die erste Zeile eines Distichons aus Ovids Heroides 13 82 Dort heisst es in Hexameter Vers Bella gerant alii Protesilaos amet Kriege fuhren mogen andere Protesilaos soll lieben Im Vorfeld des Trojanischen Krieges prophezeite ein Orakelspruch den Tod jenes Griechen welcher als erster trojanischen Boden betreten wird Der Held Protesilaos wurde nachdem er nach seiner Hochzeit mit Laodameia nach Troja aufgebrochen war durch die Hand Hektors getotet Die Gotter gewahrten ihm trotz seines Todes eine Ruckkehr zu seiner Gemahlin welche er fur wenige Stunden lieben durfte Aus Liebe folgte Laodameia ihrem Gemahl in den Tod Eine Parallele dazu moglicherweise die alteste Vorlage findet sich in der Ilias 5 428 f als Zeus Aphrodite mit den Worten trostet oὔ toi teknon ἐmon dedotai polemhia ἔrga ἀllὰ sy g ἱmeroenta meterxeo ἔrga gamoio Dir nicht mein Kind sind gegeben die kriegerischen Taten nein sondern du geh aus auf Werke der Liebe und Ehe tu felix Austria nube kann verschieden verstanden werden Zum einen druckt die Phrase das Geschick der Habsburger aus Herrschaftsausbau durch gunstige Eheschliessungen zu erreichen Zum anderen kann sie als Spottvers verstanden werden auf die mangelnde Fahigkeit durch Krieg und Diplomatie erfolgreich zu sein Deshalb wurde die Urheberschaft des Spruchs zum einen im negativen Sinn dem Gegenspieler des habsburgischen Kaisers Friedrich III dem ungarischen Konig Matthias Corvinus zugeschrieben zum anderen im positiven Sinn dem habsburgischen Kaiser Maximilian I selbst Inzwischen ist gesichert dass beide kolportierten Urheberschaften spatere Zuschreibungen sind das Motto findet sich in den Quellen erstmals im 17 Jahrhundert 4 Beispiele der Heiratspolitik BearbeitenFriedrich III Burgund und Bayern Bearbeiten Trotz seiner langen Regierungszeit gilt Friedrich III als kriegsscheuer und politisch eher schwacher Kaiser Mit Karl dem Kuhnen handelte er die Heirat zwischen seinem Sohn Maximilian dem spateren Kaiser Maximilian I und Maria von Burgund aus Durch diese Verbindung von 1477 wurden die Niederlande einer der urbanisierten Modernisierungskerne Europas zu einem Zentrum des habsburgischen Reiches Das Haus Osterreich stieg dadurch zur europaischen Grossmacht auf Der Territorienerwerb sollte das Reich auch gegen die starker werdende Macht der franzosischen Krone starken Die Eheschliessung der Tochter Friedrichs III Kunigunde von Osterreich und dem Herzog Albrecht von Bayern diente wiederum dazu einen Krieg zu vermeiden Albrecht hatte sich widerrechtlich Reichslehen angeeignet und hielt mit der Massgabe um Kunigundes Hand an dass Friedrich III dieses Reichslehen Kunigunde als Mitgift mit in die Ehe gebe Um einem Krieg aus dem Wege zu gehen stimmte Friedrich III diesem Vorschlag zu Maximilian I und Spanien Bearbeiten nbsp Bernhard Strigel Kaiser Maximilian und seine Familie Maximilian I pragte die Heiratspolitik seiner Dynastie massgebend Paradigmatisch fur die Sichtweise die Heiraten als besonderes Geschick der Habsburger zu verstehen ist die Politik Kaiser Maximilians I Sohn Friedrichs III 5 Aus der Ehe mit Maria von Burgund gingen zwei Kinder hervor Philipp der Schone und Margarethe von Osterreich Durch die antifranzosische Allianz mit Spanien wurde die Doppelhochzeit zwischen Philipp und Johanna von Spanien und zwischen Margarethe und Johann von Spanien arrangiert 6 Diese Doppelhochzeit sollte beiden Machten als enges Bundnis gegen Frankreich dienen Durch eine Verkettung von Todesfallen aller Thronfolger fiel das Erbe der spanischen Konige nach dem Tod Ferdinands II von Aragon auf Johannas und Philipps Sohn Karl V den spateren Kaiser Dadurch stieg das Haus Osterreich zur europaischen Hegemonialmacht auf Zugleich entzundete sich an seiner Heirats und Bundnispolitik der uber 200 Jahre wahrende habsburgisch franzosische Gegensatz Ferdinand I HRR und Ungarn Bohmen Bearbeiten siehe Hauptartikel Wiener DoppelhochzeitMit der Doppelhochzeit von 1515 erhielten die Habsburger im weiteren Verlauf der Geschichte den Zugriff auf Bohmen und Ungarn Tochter von Ferdinand I und Italien Bearbeiten Auch die Heiratspolitik wahrend der Renaissance war auf territoriale Ausdehnung gerichtet wie die Hochzeiten der drei Tochter von Kaiser Ferdinand I 1503 1564 und der jagiellonischen Prinzessin Anna 1503 1547 zeigen 7 Damals hatte Oberitalien mit seinen reichen Stadten politisch wirtschaftlich und kulturell einen besonderen Stellenwert Erzherzogin Eleonore musste 1534 den an einer Wirbelsaulenverkrummung leidenden Guglielmo Gonzaga heiraten die Ehe galt jedoch fur die damalige Zeit als relativ glucklich Ihre Schwester Erzherzogin Barbara musste Alfonso II d Este heiraten die Ehe blieb jedoch kinderlos und Barbara starb mit 33 Jahren an Tuberkulose Die dritte Schwester Erzherzogin Johanna wurde an Francesco de Medici verheiratet der jedoch die Affaire mit seiner Matresse Bianca Cappello weiter aufrechterhielt Nach Johannas Tod heiratete er Bianca als zweite Ehefrau Das Kunsthistorische Museum zeigte anhand des Beispiels dieser italienischen Heiraten im Herbst 2010 eine Ausstellung im Schloss Ambras uber die Heiratspolitik der Habsburger 8 Maria Theresia Italien und Frankreich Bearbeiten nbsp Konigin Marie Antoinette und ihre Kinder Portrat von Elisabeth Vigee Lebrun Auch Maria Theresia versuchte durch gunstige Eheschliessungen ihrer Kinder den politischen Einfluss an fremden oder weit entfernten Hofen auszuweiten 9 Die Heiraten sollten den habsburgischen Erblanden Bundnisse mit anderen Dynastien zum Beistand gegen das Preussen Friedrichs II schaffen Hier seien zwei Beispiele herausgegriffen Maria Theresias Tochter Maria Karolina wurde 1768 mit Konig Ferdinand I von Neapel Sizilien verheiratet Durch die Verbindung mit dem Bourbonen erhoffte sich Maria Theresia nicht nur Machtzuwachs fur das Haus Osterreich sondern auch eine bessere Kommunikation zwischen den beiden Dynastien Zu dieser Zeit herrschte das Haus der Bourbonen uber Frankreich Spanien Neapel Sizilien und Parma Maria Theresia wies ihren Tochtern die Rolle einer Herrschergattin zu was Reprasentation Unterhaltung und Zuruckhaltung einschloss Diese Pflichten ubte Maria Karolina nur teilweise aus Sie engagierte sich soweit moglich politisch und forderte die Eigenstandigkeit Neapel Siziliens das sehr von Spanien abhing Der Briefwechsel zwischen ihr und Maria Karolina zeigt die Unzufriedenheit Maria Theresias uber das Verhalten ihrer Tochter das nicht Maria Theresias Planen entsprach Ahnlich entwickelte sich Marie Antoinette am franzosischen Hof 1770 wurde die jungste Tochter Maria Theresias vierzehnjahrig mit dem franzosischen Dauphin dem spateren Ludwig XVI verheiratet Dahinter stand die Absicht Einfluss auf die franzosische Politik des Konigs Ludwig XV und spater auf die Ludwigs XVI zu nehmen und Beistand gegen den Erzfeind aus Preussen zu erhalten Der Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter macht auch hier deutlich dass Marie Antoinette die Erwartungen nicht erfullte 10 Maria Theresia kritisiert den Lebensstil ihrer Tochter und die mangelnde Ausubung ihrer Pflichten Sie ermahnt Marie Antoinette ihr luxurioses Leben einzuschranken ihre Gebete sorgsam zu sprechen und ihren Aufgaben als Tochter Osterreichs am franzosischen Hof nachzukommen Marie Louise von Osterreich und Napoleon Bonaparte Bearbeiten nbsp Kaiserin Marie Louise und ihr Sohn Napoleon Franz Konig von Rom Portrat von Francois Gerard Fur die Eheschliessung mit Marie Louise von Osterreich liess der franzosische Kaiser Napoleon Bonaparte die Ehe mit seiner bisherigen Gemahlin Josephine im Jahr 1810 wegen Kinderlosigkeit scheiden Am 11 Marz 1810 fand eine Ferntrauung zwischen der damals 18 jahrigen Erzherzogin und dem Kaiser der Franzosen statt Die offizielle Hochzeit wurde am 1 April in der Kapelle des Louvre vollzogen An diese Heirat waren grosse Erwartungen geknupft Auf der einen Seite beabsichtigte Franz I Kaiser von Osterreich und Marie Louises Vater eine Festigung des franzosisch osterreichischen Bundnisses Napoleon hingegen erhoffte sich durch diese Verbindung die Legitimation seines franzosischen Kaiserreiches und den langersehnten Thronerben In Osterreich waren die Meinungen uber diese Heirat geteilt Wahrend die Unterschichten auf einen lang anhaltenden Frieden hofften empfand der Adel die Heirat als nationale Demutigung Marie Louise war mit ihrem Schicksal als Kaiserin der Franzosen an Napoleons Seite weniger zufrieden Sie verabscheute Napoleon und bezeichnete ihn als Antichristen Dennoch fugte sie sich in diese Entscheidung und betrachtete sie als personliches Opfer fur das Haus Habsburg Staatskanzler Metternich bemerkte hierzu Kann man zwischen dem Untergang einer ganzen Monarchie und dem personlichen Ungluck einer Prinzessin wahlen Kunstlerische Verarbeitung BearbeitenDie besondere Bedeutung der habsburgischen Heiratspolitik fur die Dynastie hob ein Gemalde von Vaclav Brozik Wenzel von Brosik von 1896 hervor Im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I portratierte der Historienmaler zum Anlass des funfzigjahrigen Thronjubilaums die Doppelhochzeit der Enkel Maximilians I 1515 im Wiener Stephansdom 11 Das Bild mit dem Titel Tu felix Austria nube findet sich im Wiener Kunsthistorischen Museum 12 Literatur BearbeitenBeatrix Bastl Habsburgische Heiratspolitik 1000 Jahre Hochzeit In L Homme Europaische Zeitschrift fur feministische Geschichtswissenschaft Band 7 1996 S 75 89 Problematik der fur viele Frauen unglucklichen Verbindungen am Beispiel der Schwestern Karls V Cyrille Debris Tu felix Austria nube La dynastie de Habsbourg et sa politique matrimoniale a la fin du Moyen Age XIIIe XVIe siecles Histoires de famille Band 2 Brepols Turnhout 2005 Besprechung Heinz Dieter Heimann Die Habsburger Dynastie und Kaiserreiche Beck Munchen 2004 Walter Hoflechner Zur Heiratspolitik der Habsburger bis zum Jahre 1526 In Festschrift Hermann Wiesflecker zum sechzigsten Geburtstag Graz 1973 S 115 121 Alfred Kohler Tu felix Austria nube Vom Klischee zur Neubewertung dynastischer Politik in der neueren Geschichte Europas In Zeitschrift fur historische Forschung Band 21 1994 S 461 482 Jan Paul Niederkorn Die dynastische Politik der Habsburger im 16 und fruhen 17 Jahrhundert In Heinz Duchhardt Hrsg Jahrbuch fur Europaische Geschichte Band 8 Oldenbourg Munchen 2007 ISBN 978 3 486 58205 5 S 29 50 Joseph F Patrouch Bella gerant alii Laodamia s Sisters Habsburg Brides Leaving Home for the Sake of the House In Anne J Cruz Hrsg Early Modern Habsburg Women Transnational Contexts Cultural Conflicts Dynastic Continuities Ashgate Aldershot 2013 ISBN 978 1 4724 1164 8 S 25 40 Andrea Sommer Mathis Tu felix Austria nube Hochzeitsfeste der Habsburger im 18 Jahrhundert Musikwissenschaftlicher Verlag Wien 1994 Hermann Weber Zur Heiratspolitik Karls V In Heinrich Lutz Hrsg Das romisch deutsche Reich im politischen System Karls V Munchen Wien 1982 S 129 160 Weblinks BearbeitenAusstellung Nozze Italiane Osterreichische Erzherzoginnen im Italien des 16 Jahrhunderts Kunsthistorisches Museum Wien 2010 archiviert vom Original am 25 November 2010 abgerufen am 26 Januar 2014 Einzelnachweise Bearbeiten Hermann Weber Die Bedeutung der Dynastien fur die europaische Geschichte der fruhen Neuzeit In Zeitschrift fur bayerische Landesgeschichte Bd 44 1981 S 5 32 Michael Hochedlinger Stiefkinder der Forschung Verfassungs Verwaltungs und Behordengeschichte der fruhneuzeitlichen Habsburgermonarchie Probleme Leistungen Desiderate In ders Thomas Winkelbauer Hrsg Herrschaftsverdichtung Staatsbildung Burokratisierung Verfassungs Verwaltungs und Behordengeschichte der Fruhen Neuzeit Bohlau Oldenbourg Wien Munchen 2010 S 293 394 Kapitel 2 2 Tu felix Austria nube Die osterreichische Meistererzahlung S 317 Eine das Metrum imitierende Ubersetzung lautet Kriege lass andere fuhren du gluckliches Osterreich heirat Denn was den anderen Mars Venus die Gottin gibt s dir Elisabeth Klecker Bella gerant alii Tu felix Austria nube Eine Spurensuche In Osterreich in Geschichte und Literatur 41 1997 S 30 44 Der Hinweis auf einen unbekannten Autor aus der Barockzeit auch schon bei Alphons Lhotsky Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Osterreichs Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichte Erganzungsband 19 Graz 1963 S 71 Eva Maria Roschitz Das System der habsburgischen Heiraten zur Zeit Maximilians I Graz 1972 Hermann Wiesflecker Maximilian I und die habsburgisch spanischen Heirats und Bundnisvertrage von 1495 96 In Mitteilungen des Instituts fur osterreichische Geschichtsforschung 67 1959 S 1 52 Alfred Kohler Die Doppelhochzeit von 1496 97 Planung Durchfuhrung und dynastische Folgen In Kunst um 1492 Hispania Austria Die Katholischen Konige Maximilian I und die Anfange der Casa de Austria in Spanien Mailand 1992 S 59 86 Brigitte Grohs Italienische Hochzeiten Die Vermahlung der Erzherzoginnen Barbara und Johanna von Habsburg im Jahre 1565 In Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung 96 1988 S 331 381 Edith Schlocker Schloss Ambras Des Kaisers ungluckliche Tochter Die Presse 25 Juli 2010 abgerufen am 26 Juli 2010 Die Ausstellung Nozze italiane illustriert die Heiratspolitik der Habsburger Im Zentrum stehen drei nach Italien verheiratete Tochter Ferdinands I Adam Wandruszka Maria Theresia Die grosse Kaiserin Gottingen 1980 Alfred von Arneth Hrsg Maria Theresia und Marie Antoinette Ihr Briefwechsel K F Kohler Leipzig 1866 Werner Telesko Geschichtsraum Osterreich Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19 Jahrhunderts Bohlau Wien 2006 S 348 Abbildung bei Europeana Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heiratspolitik der Habsburger amp oldid 231671964