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Heiratspolitik bezeichnet die planmassige Vorgehensweise vieler hochadliger Familien und regierender Monarchen die Herrschaft ihrer Person und Familie durch die gezielte Verheiratung ihrer Nachkommen abzusichern oder auszubauen und so die vorhandenen Humanressourcen der Familie 1 auszunutzen indem moglichst wirkungsvolle Verbindungen mit anderen Herrscherhausern eingegangen werden bis hin zu Allianzen mit gegenseitigem Frauentausch Diese Verbindungen sind oft arrangierte Heiraten und teils Zwangsheiraten die bereits mit einer fruhen Kinderverlobung eingeleitet werden konnen Kaiser Maximilian und seine Familie Bernhard Strigel 1516 Die Ehe Kaiser Maximilians I mit Maria von Burgund verstarkte den Aufstieg der Habsburger und wurde zum Ausgangspunkt ihrer planmassigen Heiratspolitik Im weitesten Sinne wird unter Heiratspolitik auch die strategische Auswahl von Heiratspartnern bei Grossfamilien Abstammungsgruppen Lineages Clans und anderen sozialen Gruppen verstanden siehe auch Heiratsregeln Heiratskreis 2 Inhaltsverzeichnis 1 Europaische Geschichte 2 Ausserhalb Europas 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseEuropaische Geschichte BearbeitenEine besondere politische Bedeutung hatte Heiratspolitik in der europaischen Vormoderne 500 bis 1000 n Chr als der burokratische Machtstaat der Moderne noch nicht ausgebildet war und Herrschaft nur uber personliche Beziehungen ausgeubt werden konnte Heiratspolitik war folglich eng verbunden mit der hauptsachlichen Herrschaftsform der Erbmonarchie und des sie jeweils tragenden Herrscherhauses Dynastie Der deutsche Historiker Heinz Duchhardt ist der Ansicht das Thema mache einen eminent wichtigen Teil der Signatur des vormodernen Europa aus und hebe den Kontinent bis ins 19 Jahrhundert gegenuber den anderen hervor Dynastizismus und Heiratspolitik der Dynastien zielen ins Zentrum des europaischen Mit und Nebeneinanders in die internationale Politik in die Kulturgeschichte des Politischen in die Mentalitats geschichte in die Konfessio nalisierungs geschichte 3 Der Historiker Walter Demel macht bei dieser Praxis zumindest auf der Ebene des Hochadels wahrhaft europaische Verflechtungen aus 4 Auch der Historiker Ronald Asch betont dass derartige Strategien vor allem im Hochadel Bedeutung hatten beim landsassigen Niederadel sei die politische Auswirkung geringer und die Auswahlfreiheit bei Eheverbindungen dadurch grosser gewesen 5 Eheschliessungen konnten Bundnisse zwischen regierenden Hausern begrunden oder stutzen Gerade nach Kriegen diente die Verheiratung von Nachkommen der bisher gegeneinander kampfenden Kriegsparteien dazu die Befriedung auch personell durch die so geschlossene dynastische Allianz abzusichern 6 Tobias Weller konnte 2004 mit seiner breit angelegten Studie Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12 Jahrhundert unterschiedliche Heiratstypen unterscheiden Zwischen den Fursten des Reiches dienten Vermahlungen um einen Vertrag oder eine Ubereinkunft zu bekraftigen 7 sicherten bzw brachten politische Bindungen zum Ausdruck Rekonziliationsheiraten sollten Konflikte zwischen Dynastien beenden 8 Als Erwerbsheirat 9 bezeichnet Weller wiederum Ehen wenn die Mitgift der Braut im Vordergrund stand Liebesheiraten bzw personliche Erwagungen blieben wenn uberhaupt nur Mannern vorbehalten Einzige Ausnahme sei hier nach Weller die Pfalzgrafin Agnes von Staufen gewesen die ihre Liebesheirat Hochzeit von Stahleck mit Heinrich von Braunschweig habe durchsetzen konnen 10 Trennungen haben nach Weller genauso politischen Erwagungen gehorcht Auf der anderen Seite geriet ein herrschendes Haus durch Eheschliessungen zur Konfliktbeilegung in eine mogliche Gefahr da eine bisher konkurrierende Dynastie dadurch Teil der Erbfolge wurde ein Konfliktpotenzial das zu Erbfolgekriegen fuhren konnte insbesondere im fruh neuzeit lichen dynastischen Furstenstaat des 17 und 18 Jahrhunderts wie der deutsche Historiker Johannes Kunisch betonte 11 Bekannt wurde die weit verzweigte und wirksame Heiratspolitik der Habsburger deren beruhmt gewordener Leitspruch Bella gerant alii tu felix Austria nube Kriege mogen andere fuhren du gluckliches Osterreich heirate zum geflugelten Wort wurde Beispielhaft entzundete sich der uber zwei Jahrhunderte andauernde habsburgisch franzosische Gegensatz an der Ehe des Sohnes von Kaiser Friedrich III des spateren Kaisers Maximilian I mit Maria von Burgund 12 13 Ausserhalb Europas BearbeitenDass Heiraten auch in vormodernen Gesellschaften ausserhalb Europas politischen Planen unterlagen aber auch dort kulturell spezifische und meist engergefasste Muster auspragten zeigt etwa die Heiratspolitik im fruhislamischen Arabien 14 Siehe auch BearbeitenHeiratspraxis der altagyptischen KonigshauserLiteratur BearbeitenHeinz Duchhardt Hrsg Dynastizismus und dynastische Heiratspolitik als Faktoren europaischer Verflechtung Jahrbuch fur Europaische Geschichte Band 8 Oldenbourg Munchen 2007 ISBN 978 3 486 58205 5 Alfred Kohler Tu felix Austria nube Vom Klischee zur Neubewertung dynastischer Politik in der neueren Geschichte Europas In Zeitschrift fur historische Forschung Band 21 1994 S 461 482 Karl Heinz Spiess Europa heiratet Kommunikation und Kulturtransfer im Kontext europaischer Konigsheiraten des Spatmittelalters In Rainer Christoph Schwinges Christian Hesse Peter Moraw Hrsg Europa im spaten Mittelalter Politik Gesellschaft Kultur Historische Zeitschrift Beihefte Band 40 Oldenbourg Munchen 2006 ISBN 978 3 486 64440 1 S 435 464 Hermann Weber Die Bedeutung der Dynastien fur die europaische Geschichte der fruhen Neuzeit In Zeitschrift fur bayerische Landesgeschichte Band 44 1981 S 5 32 online Wolfgang E J Weber Dynastiesicherung und Staatsbildung Die Entfaltung des modernen Furstenstaates In derselbe Hrsg Der Furst Ideen und Wirklichkeiten in der europaischen Geschichte Bohlau Koln u a 1998 ISBN 978 3 412 11996 6 S 91 136 Tobias Weller Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12 Jahrhundert Koln Weimar Wien Bohlau 2004 Rheinisches Archiv 149 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Heiratspolitik Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Jan Paul Niederkorn Die dynastische Politik der Habsburger im 16 und fruhen 17 Jahrhundert In Jahrbuch fur Europaische Geschichte Band 8 2007 S 29 50 hier S 31 Vergleiche beispielsweise zu Jager und Sammlergesellschaften Monika Oberhuber Geschlechtsegalitare Gesellschaften Oder Same same but different Fakultat fur Sozialwissenschaften Universitat Wien 2009 S 159 160 und 170 Diplomarbeit online auf univie ac at mit PDF Download Heinz Duchhardt Dynastizismus und dynastische Heiratspolitik als Faktoren europaischer Verflechtung In Jahrbuch fur Europaische Geschichte Band 8 2007 S 1 Walter Demel Der europaische Adel Vom Mittelalter bis zur Gegenwart Beck Munchen 2005 ISBN 978 3 406 50879 0 S 19 Ronald G Asch Europaischer Adel in der Fruhen Neuzeit Bohlau Koln u a 2008 ISBN 978 3 8252 3086 9 S 106 Martin Peters Konnen Ehen Frieden stiften Europaische Friedens und Heiratsvertrage der Vormoderne In Jahrbuch fur Europaische Geschichte Band 8 2007 S 121 134 hier S 121 Vgl Tobias Weller Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12 Jahrhundert Koln Weimar Wien Bohlau 2004 Rheinisches Archiv 149 S 798 Vgl Tobias Weller Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12 Jahrhundert Koln Weimar Wien Bohlau 2004 Rheinisches Archiv 149 S 801 Vgl Tobias Weller Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12 Jahrhundert Koln Weimar Wien Bohlau 2004 Rheinisches Archiv 149 S 805 Vgl Tobias Weller Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12 Jahrhundert Koln Weimar Wien Bohlau 2004 Rheinisches Archiv 149 S 798 Johannes Kunisch Hrsg Der dynastische Furstenstaat Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen fur die Entstehung des fruhmodernen Staates Duncker amp Humblot Berlin 1982 ISBN 3 428 05106 8 Jan Paul Niederkorn Die dynastische Politik der Habsburger im 16 und fruhen 17 Jahrhundert In Jahrbuch fur Europaische Geschichte Band 8 2007 S 29 50 hier S 29 Beatrix Bastl Habsburgische Heiratspolitik 1000 Jahre Hochzeit In L Homme Europaische Zeitschrift fur Feministische Geschichtswissenschaft Band 7 1996 S 75 89 Gabriele vom Bruck Heiratspolitik der Prophetennachfahren In Saeculum Band 40 Nr 3 4 1989 S 272 295 zu den spezifischen Konventionen knapp auch Michael Mitterauer Warum Europa Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs 4 Auflage Beck Munchen 2004 ISBN 3 406 50222 9 Kapitel 3 Gattenzentrierte Familie und bilaterale Verwandtschaft Gesellschaftliche Flexibilitat durch gelockerte Abstammungsbeziehungen S 70 108 hier S 102 Seitenansicht in der Google Buchsuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heiratspolitik amp oldid 229382973