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Dieser Artikel behandelt die Heiratsregel zur TV Serie siehe Frauentausch Fernsehsendung Frauentausch bezeichnet in der Ethnologie Volkerkunde eine Heiratsregel nach der Frauen im empfangnisfahigen Alter zwischen grossen Gruppen ausgetauscht und wechselseitig geheiratet oder verheiratet werden die Gruppen konnen Grossfamilien Abstammungsgruppen Lineages oder Clans sein Derartige Regelungen finden sich vorwiegend bei indigenen Volkern und Ethnien die Ackerbau treiben in gleichrangige Segmente aufgeteilt sind ihre Abstammung nach der Vaterlinie patrilinear organisieren und bei denen Ehepaare am Ort des Mannes wohnen patrilokal Bei diesem exogamen Austausch spielen die Wunsche der Frauen nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle vergleiche Zwangsheirat Beispiele sind der Berdel Madchentausch in den kurdischen Gebieten im Osten und Sudosten der Turkei siehe Kurden in der Turkei bei dem mit einer Doppelhochzeit zwischen zwei Familien uber Kreuz geheiratet wird sowie die fruher bei den Usbeken in Zentralasien verbreitete Qarch Quda bei der eine Familie die keinen Brautpreis aufbringen konnte mit einer anderen Familie eine Frau austauschte Der franzosische Ethnologe Claude Levi Strauss zeigte 1948 in seiner Theorie der Allianz von Abstammungsgruppen dass der koordinierte wechselseitige Tausch von Frauen der Festigung des gemeinsamen Bundnisses dient vor allem durch Kreuzcousinenheiraten 1 Inhaltsverzeichnis 1 Ursprunge 2 Regeln des Frauentausches 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseUrsprunge BearbeitenDer franzosische neomarxistische Wirtschaftsethnologe Claude Meillassoux nahm 1975 an dass sich die Praxis des Frauentausches aus einem System des Brautraubs entwickelt habe vergleichbar dem romischen Raub der Sabinerinnen Ursprunglich waren seiner Meinung nach die Ackerbau treibenden segmentaren Gesellschaften matrilinear und matrilokal organisiert Es konnte relativ haufig vorkommen dass in einer Familie zu wenig Frauen geboren wurden um diese Produktionszelle in der nachsten Generation fortbestehen zu lassen Folglich mussten Frauen von ausserhalb in die Gruppe eingegliedert werden Unter den Bedingungen der Matrilokalitat die Ehefrau bleibt bei ihrer Familie wohnen kann eine solche Eingliederung anderer Frauen nur durch deren Raub von anderen Familien vorgenommen werden Allein durch diese Praxis geraten die Frauen in eine untergeordnete Position sowohl gegenuber den Mannern der eigenen Gruppe die sie beschutzen wie auch gegenuber den Mannern der anderen Gruppe die sie rauben Erst diese standigen Raubzuge fuhren dazu dass die Stellung der Frauen selbst in matrilinearen Gesellschaften sinkt und diejenige des Mannes steigt Moglicherweise werden erst innerhalb dieser Entwicklung die Frauen formlich von allen Tatigkeiten der Jagd und der Kriegsfuhrung ausgeschlossen was bei Gesellschaften der Jager und Sammler so nicht der Fall war ist Ein Resultat dieser Unterwerfung der Frauen unter die Manner ist dass sie jetzt unter mannlichem Schutz an die Arbeit gestellt werden und mit den undankbarsten verdriesslichsten und unbefriedigendsten Aufgaben der Landwirtschaft und der Kuche betraut werden 2 Wird der Ackerbau fur das Uberleben der Gruppe wichtiger und sind die Manner in starkerem Masse gezwungen sich daran zu beteiligen dann bedrohen die standigen Raubzuge die Produktionsbedingungen durch die Todesfalle und Abwesenheiten die sie verursachen Dies macht es sinnvoll die Heiratsbeziehungen moglichst auf eine andere Art und Weise als durch Gewalt zu regeln Aus dem kriegerischen Raub der Frauen entsteht ein geregelter gegenseitiger Frauentausch die matri lokale Form der Zirkulation wird durch die patri lokale ersetzt 3 Regeln des Frauentausches BearbeitenNach Claude Meillassoux erfolgt die Zirkulation der Frauen zwischen den Familien in der Regel auf der Grundlage der absoluten Gegenseitigkeit denn eine geschlechtsreife Frau hat keine andere funktionelle Entsprechung als eine andere geschlechtsreife Frau Daher kann jede Gemeinschaft von den anderen nur so viele Gattinnen erhalten wie sie Frauen weggegeben hat Andererseits soll die Zahl der gebarfahigen Frauen in den einzelnen Familien moglichst gleichmassig verteilt sein So kann zum Beispiel eine Frau einer bestimmten Gemeinschaft ubergeben werden die gerade keine geschlechtsreifen jungen Frauen zur Verfugung hat die sie anderen Gemeinschaften ubergeben konnte Diese Gemeinschaft kann zu einem spateren Zeitpunkt der anderen Gemeinschaft eine Frau zuruckerstatten sodass die Schuld ausgeglichen ist Dabei kann es sich beispielsweise auch um die Tochter der zuerst ubergebenen Frau handeln Der Tausch der Frauen kann auf zwei verschiedene Arten stattfinden bilateraler beschrankter AustauschIn dieser Form des Frauentausches erwirbt Gruppe A eine Frau von Gruppe B spater erstattet Gruppe A eine Frau an Gruppe B zuruck der Frauentausch wird ausschliesslich zwischen zwei Gemeinschaften praktiziert multilateraler verallgemeinerter AustauschDie Manner der Gruppe A heiraten eine Frau der Gruppe B diese eine Frau der Gruppe C diese wiederum eine Frau der Gruppe A der Frauentausch wird ringformig zwischen drei oder mehr Gemeinschaften praktiziert Die an diesem komplizierten Kreislauf multilateraler Tauschaktionen beteiligten Gemeinschaften mussen jederzeit uber den Stand der ehelichen Transaktionen sowie uber die Zirkulation der Aussenstande an Frauen unterrichtet sein damit keine mehr Frauen erhalt als sie geliefert hat Meillassoux folgerte dass bei einer grossen Anzahl dieser Tauschaktionen nicht mehr alle im Gedachtnis behalten werden konnen Aus diesem Grund findet haufig vertragsgemass eine umgekehrte Zirkulation stellvertretender Gegenstande statt die als Gedachtnisstutze des Heiratsaustauschs dienen Diejenige Gemeinschaft die eine Frau abtritt erhalt von der die Frau empfangenden Gemeinschaft bestimmte Guter die als Heiratsguter bezeichnet werden Dabei handelt es sich meistens um relativ dauerhafte Konsumguter weniger um Nahrung oder Gegenstande des taglichen Bedarfs Das Heiratsgut unterscheidet sich von der Mitgift die personliche Gegenstande umfasst welche die Braut zu ihrem Gatten mitnimmt und die in ihrem Besitz bleiben Die gleichzeitige Existenz von Heiratsgut und Mitgift schliesst sich demnach nicht aus Unter bestimmten Umstanden verwandeln sich die Heiratsguter von einem Pfand der den zukunftigen Anspruch auf eine heiratsfahige Frau der empfangenden Gruppe symbolisiert in eine Ware mit der Frauen mehr oder weniger gekauft werden konnen Dies geschieht dann wenn sich im Rahmen des multilateralen Tausches untereinander der Kreislauf der Heiratstransaktionen so weit ausdehnt dass trotz der Existenz der Heiratsguter nicht mehr genau festgestellt werden kann welche Gemeinschaft der anderen wie viel Frauen schuldet und die Heiratsguter auch um ihrer selbst willen begehrt werden Hinzu kommt dass die Anzahl der Heiratsguter moglicherweise nicht mehr mit derjenigen der ausgetauschten Frauen ubereinstimmt Denn da die Heiratsguter aus relativ dauerhaften Gegenstanden bestehen konnen sie immer wieder in Umlauf gebracht werden selbst wenn die ursprungliche Schuldforderung die sie reprasentieren also diejenige eine heiratsfahige Frau zu liefern langst eingelost ist Das Heiratsgut wird zum Ausdruck eines festen Wertes der dem einer geschlechtsreifen Frau entspricht Es erwirbt somit im Rahmen der matrimonialen Zirkulation einen Tauschwert das Heiratsgut wird zum Brautpreis 4 Literatur BearbeitenClaude Levi Strauss Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft Aus dem Franzosischen von Eva Moldenhauer 3 Auflage Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2009 ISBN 3 518 28644 7 franzosische Erstausgabe 1948 Levi Strauss 1908 2009 war Ethnologe Begrunder des ethnologischen Strukturalismus und fruher Vertreter einer Ethnosoziologie Claude Meillassoux Die wilden Fruchte der Frau Uber hausliche Produktion und kapitalistische Wirtschaft Syndikat Frankfurt am Main 1976 ISBN 3 8108 0010 4 die 2 deutsche Auflage von 1978 ist durchsuchbar in der Google Buchsuche franzosische Erstausgabe 1975 Meillassoux 1925 2005 war neomarxistischer Wirtschaftsethnologe Weblinks BearbeitenHelmut Lukas Vera Schindler Johann Stockinger restringierter Austausch von Frauen In Interaktives Online Glossar Ehe Heirat und Familie Institut fur Kultur und Sozialanthropologie Universitat Wien 1997 abgerufen am 1 Oktober 2018 der Eintrag enthalt vertiefende Anmerkungen zum Austausch von Frauen Einzelnachweise Bearbeiten Helmut Lukas Vera Schindler Johann Stockinger Allianzsystem In Interaktives Online Glossar Ehe Heirat und Familie Institut fur Kultur und Sozialanthropologie Universitat Wien 1997 abgerufen am 1 Oktober 2018 vertiefende Anmerkungen mit Quellenangaben Claude Meillassoux Die wilden Fruchte der Frau Uber hausliche Produktion und kapitalistische Wirtschaft Syndikat Frankfurt am Main 1976 ISBN 3 8108 0010 4 S 42 Claude Meillassoux Die wilden Fruchte der Frau Uber hausliche Produktion und kapitalistische Wirtschaft Syndikat Frankfurt am Main 1976 ISBN 3 8108 0010 4 S 44 Claude Meillassoux Die wilden Fruchte der Frau Uber hausliche Produktion und kapitalistische Wirtschaft Syndikat Frankfurt am Main 1976 ISBN 3 8108 0010 4 S 86 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frauentausch amp oldid 237918471