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Das Ghetto Izbica war im Zweiten Weltkrieg ab 1942 fur deportierte Juden eine Durchgangsstation auch Transit Ghetto oder Durchgangsghetto genannt in die Vernichtungslager des Holocausts insbesondere zum Vernichtungslager Belzec und Vernichtungslager Sobibor Kommandant war der SS Hauptsturmfuhrer Kurt Engels dessen Stellvertreter war Ludwig Klemm Im sogenannten Schtetl lebten die uberwiegend Jiddisch sprechende Bewohnern zumeist in Holzhausern Besucher beschrifteten Kieselsteine zur Erinnerung an Deportierte aus Konstanz Gleisanlage in Izbica 2013 Der Ort Izbica liegt in Polen sudostlich von Lublin Der Ort war ein Transit Ghetto zwischen Belzec und Sobibor Weitere Orte als Transit Ghetto waren Piaski Rejowiec Krasnystaw Opole Lubelskie Deblin Zamosc Chelm Wlodawa und Miedzyrzec Podlaski Alle ausser Miedzyrzec Podlaski lagen nahe bei oder direkt an den Eisenbahnstrecken die nach Belzec bzw Sobibor fuhrten Miedzyrzec Podlaski lag an der Strecke zum Vernichtungslager Treblinka Durchgangsghetto bedeutete dass die Haftlinge verteilt auf die vorhandenen Wohnungen untergebracht wurden und es keine bewachte Umzaunung gab Das Verbot bei Todesstrafe den Ort zu verlassen und eine weitraumige Uberwachung genugte in dieser abgelegenen Ortschaft um die Gefangenen zu halten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Einsatz judischer Polizei bei Deportationen 3 Die letzten Deportationen 4 Ghetto als Sammellager 5 Erklarung fur die verschiedenen Lagerfunktionen 6 Gedenken 7 Film 8 Literatur Quellen 9 Siehe auch 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenIm Rahmen der Aktion Reinhard wurden Tausende Juden zunachst in kleinen Orten als Zwischenlager bis zur Fertigstellung der Vernichtungslager einquartiert Der vormalige Gauleiter von Wien Odilo Globocnik nun verantwortlicher Leiter der Aktion richtete in Izbica mit den Vorerfahrungen aus Wien 1 einen Judenrat ein welcher gezwungen war im Sinne der SS im Ghetto mitzuwirken Am 3 Januar 1942 hatte der Chef des Amtes des Generalgouverneurs Josef Buhler dem Gouverneur des deutschen Distrikts Lublin Ernst Zorner mitgeteilt dass etwa 14 000 deutsche tschechische und slowakische Juden in die Region Lublin gebracht wurden und dort eine Zeit lang gefangen bleiben sollten Danach wurde Izbica u a als Ort fur ein Durchgangsghetto festgelegt Um seine Aufnahmekapazitat zu verbessern wurden zunachst etwa 1 500 polnische Juden nach Krasniczyn und Gorzkow deportiert SS Hauptsturmfuhrer Richard Turk leitete bis Mai 1941 im Distrikt Lublin die zustandige Abteilung Bevolkerungswesen und Fursorge BuF und plante die Deportationen 2 Sein Nachfolger war bis zum Februar 1943 Georg Hartig Mitglied im Bund Deutscher Osten 3 Die BuF Abteilung in der Verwaltung des Kreises Krastnystaw in dessen Bereich Izbica lag leitete der Justizobersekretar Rudolf Rieger 4 Thomas Blatt 5 ein Uberlebender des Holocaust aus und in dieser Region erlebte als Kind mehrere uberraschende Zusammentreibungen Razzien und Deportationen sein Vater war Mitglied im Judenrat Blatt kam mit Familie schliesslich nach Sobibor wo seine Angehorigen sofort getotet wurden wahrend er als Arbeitsgefangener und als Beteiligter am Aufstand von Sobibor uberlebte Neben den Juden aus dem Generalgouvernement genannten besetzten Teil Polens durchliefen auch Juden aus Westeuropa dieses KZ Bereits am 11 Marz 1942 kam ein Zug mit tausend Juden aus Theresienstadt an 6 Von Marz bis Juni 1942 wurden 17 000 auslandische Juden nach Izbica deportiert Zeitweise lebten uber 19 000 Menschen in einem Ort mit Holzhausern dessen Einwohnerzahl vorher lediglich 4 500 betragen hatte 6 Von dem Sammellager gingen Bahntransporte in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor 4 500 Juden wurden von der SS bei verschiedenen Aussiedlungen auf dem ortlichen Friedhof erschossen Das KZ als Transit Ghetto wurde nach dem letzten Deportationszug am 28 April 1943 geschlossen Der polnische Widerstandskampfer und Offizier Jan Karski konnte als ukrainischer Milizionar Trawnik getarnt den Massenmord an Juden in Vernichtungslagern beobachten und der Londoner Exilregierung melden Es wurde aber nach dem Krieg auch von ihm vermutet dass er die grausamen Ereignisse nicht direkt im Lager Belzec sondern im Durchgangsghetto Izbica gesehen hatte Ein in der Geschichte des Nationalsozialismus bislang nur einmal bekanntgewordenes Geschehen wurde im Jahre 2006 enthullt 7 Mit judischen Grabsteinen des ortlichen Friedhofs wurde das Gestapo Gefangnis errichtet heute ein Gebaude des Polizeipostens Die Steine wurden mittlerweile behutsam abgetragen und wurdevoll auf den judischen Friedhof von Izbica zuruckgefuhrt wo sie an den Aussenmauern des Ohel der Begrabnisstatte von Rabbiner Mordechai Josef Leiner angebracht worden sind Einsatz judischer Polizei bei Deportationen BearbeitenDer volksdeutsche Burgermeister von Izbica Jan Szulc Jan Schultz grundete eine eigene Abteilung judischer Polizisten tschechischer Herkunft den judischen Ordnungsdienst Vorteil fur die Besatzer waren deren deutsche Sprachkenntnisse zudem hatten viele den Militardienst geleistet Dies garantierte den Deutschen Ordnung und Disziplin bei den Vorbereitungen der Deportationen Weiter gab es judische Polizisten Ordnungsdienst die dem polnischen Judenrat untergeordnet waren Diese Polizei Abteilungen konnten nach Bedarf gegen die verschiedenen nationalen judischen Bevolkerungsgruppen eingesetzt werden Bei Aussiedlungsaktionen genannten Deportationen beteiligten sich nicht nur SS und Gestapomanner aus Izbica selbst sondern auch SS Manner aus Lublin Zamosc und Krasnystaw Auch die Vertreter der Zivilverwaltung aus Krasnystaw mit dem Burgermeister an der Spitze nahmen daran aktiv teil Zusatzlich wurden Einheiten der KZ Wachmannschaften aus dem SS Ausbildungslager in Trawniki die hauptsachlich aus Ukrainern und Mitgliedern der polnischen Feuerwehr bestanden herangezogen Lange behielten die auslandischen Juden in Izbica die Hoffnung eine Deportation von dort bedeute die Fahrt zu einer Arbeitsstelle die es in Izbica offensichtlich nicht gab Die letzten Deportationen BearbeitenDie vorletzte Deportation des Jahres 1942 erfolgte am 2 November Danach sollten Ort und Region vollstandig judenrein gemacht werden Als der letzte Zug schliesslich abfuhr blieben viele auf der Wiese am Bahnhof zuruck Kurt Engels befahl daraufhin alle verbliebenen Juden in das Kino im Ort zu sperren In diesem Gebaude hielt man sie Tage lang fest bis SS Manner sie schliesslich gruppenweise herausfuhrten um sie auf dem judischen Friedhof zu erschiessen Diese Ermordung von mehr als 1000 Menschen wurde von der einheimischen Bevolkerung beobachtet Offiziell galt Izbica nun als judenrein obwohl in der umliegenden Gegend noch Geflohene oder Versteckte lebten Ghetto als Sammellager BearbeitenDer Hohere SS und Polizeifuhrer Kruger befahl im Dezember 1942 die Errichtung von Ghettos in den einzelnen Distrikten Auch in Izbica entstand ein Ghetto welches bis zu seiner endgultigen Liquidation im April 1943 existierte Einige hundert polnische Juden die in dem Ghetto gelebt hatten wurden in Sobibor ermordet 8 Erklarung fur die verschiedenen Lagerfunktionen BearbeitenRobert Kuwalek nennt zwei Erklarungsansatze fur die verschiedenen Lagerfunktionen a als Tauschungsmanover das erinnert an die Funktion der Zwischenanstalten bei der Euthanasie Aktion T4 im Reich und b als Reservekapazitat bis zum Ausbau der Vernichtungslager Beide Erklarungsansatze mussen einander nicht widersprechen und konnen durchaus bewusst nebeneinander als Begrundung gedient haben Es kann aber auch sein dass es der SS nur um die Reservekapazitat ging Bereits in der ersten Marzhalfte 1942 also noch vor dem eigentlichen Beginn der Aktion Reinhardt kamen Transporte mit auslandischen Juden im Distrikt Lublin an und wurden uberwiegend nach Izbica gebracht Die Existenz von Izbica und auch der anderen Durchgangsghettos stellt die Historiker vor die grundsatzliche Frage warum in der ersten Halfte des Jahres 1942 Tausende auslandischer Juden in die Lubliner Gegend und insbesondere in diese Kleinstadte gebracht wurden Darauf gibt es zwei hypothetische Antworten Die Deportationen nach Izbica konnten schlicht der Propaganda gedient haben Es ging darum dass die Nationalsozialisten den in Deutschland Tschechien oder der Slowakei verbliebenen Juden demonstrieren wollten dass sie tatsachlich nur zur Arbeit in den Osten umgesiedelt wurden Deshalb hatte man anfangs noch die Moglichkeit Nachrichten zu verschicken wenn auch in den meisten Fallen stark zensiert Der zweite Grund konnte darin begrundet liegen dass die Vernichtungslager in dieser Zeit noch nicht uber ausreichende Kapazitaten verfugten um so viele Transporte aufzunehmen Erst ihr Ausbau im Mai und Juni 1942 mit den vergrosserten Gaskammern machte es moglich eine so grosse Anzahl von Menschen zu toten 8 Die Abtransporte im Oktober und November nutzten also die nun vorhandenen Totungskapazitaten Gedenken Bearbeiten nbsp In Hetzerath erinnert eine Gedenkstele an die Deportation von 36 Menschen aus Erkelenz nach Izbica In vielen Stadten liegen Stolpersteine die in ihrer Inschrift den Deportationsort Izbica nennen Mehrere Denkmaler erinnern an die Ermordeten Auf dem judischen Friedhof von Izbica wurde am 16 November 2006 eine Gedenktafel eingeweiht An der Zeremonie nahmen unter anderen der polnische Oberrabbiner Michael Schudrich und der deutsche Botschafter Reinhard Schweppe teil Die Tafel vermittelt die Geschichte des ehemaligen judischen Friedhofs Auf einem kleinen Platz im Ort wurde am 10 Mai 2007 durch mainfrankische Kommunen ein Gedenkstein fur die deportierten Juden aus den frankischen Regierungsbezirken errichtet Es handelt sich um einen Muschelkalkblock aus Frickenhausen 9 In Hetzerath Erkelenz steht eine Stele In Stuttgart mahnt die Gedenkstatte am Nordbahnhof Zeichen der Erinnerung an die Deportation vom 26 April 1942 nach Izbica Am Bahnhof Wuppertal Steinbeck erinnert ein Obelisk an die Deportierten und deren Deportationsorte Das Mahnmal fur die osterreichischen judischen Opfer der Schoah nennt auch Izbica Film BearbeitenWolfgang Schoen Frank Gutermuth Autoren Izbica Drehkreuz des Todes TV Dokumentation D 2006 Film auch uber die vermauerten Grabsteine Literatur Quellen BearbeitenSteffen Hanschen Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust Metropol Verlag Berlin 2018 ISBN 978 3 86331 381 4 Ingrid Schupetta Deportationsziel Izbica Izbica Ghetto ohne Mauern Berichte des Gouverneurs im Distrikt Lublin Staatsarchiv in Lublin Berichte der Judischen Sozialen Selbsthilfe in Izbica und Krasnystaw Erinnerungen und Zeugenaussagen von Uberlebenden Judisches Historisches Institut in Warschau Hanna Krall The Woman from Hamburg and Other True Stories Ubersetzung aus dem polnischen von Madeline G Levine Other Press New York 2006 ISBN 978 1 59051 223 4 Robert Kuwalek Das Durchgangsghetto in Izbica In Theresienstadter Studien und Dokumente 2003 S 321 351 Robert Kuwalek Die Durchgangsghettos im Distrikt Lublin In Bogdan Musial Aktion Reinhardt Der Volkermord an den Juden im Generalgouvernement 1941 1944 Osnabruck 2004 ISBN 3 929759 83 7 Robert Kuwalek Die letzte Station vor der Vernichtung das Durchgangsghetto in Izbica In Deutsche Juden Polen Geschichte einer wechselvollen Beziehung im 20 Jahrhundert Herausgeber Andrea Low Kerstin Robusch Stefanie Walter Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 593 37515 X S 157 179 LG Kassel 9 Mai 1952 In Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Band VIII bearbeitet von Adelheid L Ruter Ehlermann H H Fuchs C F Ruter University Press Amsterdam 1972 Nr 316 S 603 629 Erschiessung und Misshandlung von Juden unter anderem bei einem der letzten Massentransporte von Juden aus Izbica in die Vernichtungslager am 15 Oktober 1942 dem schwarzen Tag von Izbica In die Menge schiessen In Der Spiegel Nr 34 1951 online Siehe auch BearbeitenKategorie Haftling im Durchgangsghetto Izbica Liste der Ghettos in der Zeit des NationalsozialismusWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Ghetto Izbica Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Bericht uber den Judischen Friedhof von Izbica 2004 und der Aufsatz von Robert Kuwalek Das Durchgangsghetto in Izbica Bildungswerk Stanislaw Hantz Die Transit Ghettos Izbica Piaski und Rejowiec deathcamps org Denkmal fur die Opfer des Ghettos Izbica Gedenkstattenportal Unveiling of the Memorial stone dedicated to the Franconian Jews by a delegation of Franconian communal politicians on May 10th 2007 in Izbica PDF Einzelnachweise Bearbeiten rabinovici at Doron Rabinovici Instanzen der Ohnmacht Wien 1938 1945 Der Weg zum Judenrat Judischer Verlag in Suhrkamp 2001 Klaus Peter Friedrich Bearbeiter Polen Generalgouvernement August 1941 1945 Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Band 9 Munchen 2014 S 224 Bogdan Musial Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement Harrassowitz Wiesbaden 1999 S 99 In die Menge schiessen Der Justizobersekretar Rudolf Rieger in Izbica In Der Spiegel Nr 34 1951 online Thomas Toivi Blatt Nur die Schatten bleiben Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibor 1 Auflage Aufbau Taschenbuch 2001 ISBN 978 3 7466 8068 2 englisch From the Ashes fo Sobibor Ubersetzt von Monika Schmalz a b Stephan Lehnstaedt Der Kern des Holocaust Belzec Sobibor Treblinka und die Aktion Reinhardt Munchen 2017 ISBN 9783406707025 S 71 DasErste de TV Dokumentation uber Judische Grabsteine fur Gestapogefangnis Memento vom 2 Dezember 2009 im Internet Archive a b Robert Kuwalek Das Transitghetto Izbica In bildungswerk ks de Abgerufen am 13 September 2018 kitzingen info PDF Ghettos in der Zeit des NationalsozialismusDeutsch besetzte Gebiete Heutiges Polen Bialystok Debica Izbica Kielce Krakau Leslau Litzmannstadt Lomscha Lublin Meseritz Neu Sandez Otwock Piotrkow Trybunalski Przemysl Plohnen Radom Radomsko Reichshof Rejowiec Siedlce Sosnowiec Tarnow Tomaszow Mazowiecki Tschenstochau 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