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Judenrat ist der Begriff der fur die wahrend der Zeit des Nationalsozialismus errichteten Zwangskorperschaften der Juden in den vom Deutschen Reich besetzten und kontrollierten Gebieten verwendet wurde Der Begriff wurde von der SS und der Gestapo geschaffen Die Judenrate wurden von ihnen und anderen Besatzungsbehorden zwangsweise ernannt Struktur und Aufgaben der Judenrate unter nationalsozialistischer Herrschaft waren verschieden je nachdem ob sie fur ein einzelnes Ghetto eine Region oder ein Land eingesetzt wurden Das Gebaude des Judenrats des Warschauer Ghettos nach der Niederschlagung des Aufstands durch die SS Aufnahme Stroop Bericht Mai 1943Ghetto Litzmannstadt Plakat Sauberes Kind gesund schmutziges krank Inhaltsverzeichnis 1 Antijudische Gesetzgebung 2 Besetzte Gebiete 2 1 Aufgaben 2 2 Ghetto Situation 3 Zur Tatigkeit als Judenrat gezwungene Personen 4 Erganzungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAntijudische Gesetzgebung BearbeitenIn einem kurz nach der Machtubernahme der NSDAP in Auftrag gegebenen Anfang April 1933 vorgelegten Bericht zur Judenbekampfung wurde die Errichtung eines rechtlich anerkannten Verbands der Juden in Deutschland dem alle Juden Deutschlands zwangsweise beizutreten hatten empfohlen Dieser sollte einem durch den Reichskanzler ernannten deutschen Volkswart unterstellt werden Als fuhrendes Organ der judischen Zwangsorganisation war ein alle vier Jahre von den Mitgliedern gewahlter 25 kopfiger Judenrat vorgesehen Der Bericht der Regierungskommission wurde nicht offiziell umgesetzt Der Historiker Dan Michman erachtet es als wahrscheinlich dass die Kommission die sich nachweislich mit den Rechtsbeziehungen zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland vor der Emanzipation auseinandergesetzt hatte auf die fur das Mittelalter beispielsweise fur Augsburg 1 und Nurnberg belegte Bezeichnung Judenrat zuruckgriff was so Michman die Ziele der Kommission erhellen wurde namlich Emanzipation und Assimilation ruckgangig zu machen und die Juden auf ihren mittelalterlichen Status zuruckzuwerfen 2 Besetzte Gebiete BearbeitenDie ersten Judenrate entstanden auf Befehl von Reinhard Heydrich seit dem 21 September 1939 kurz nach dem Uberfall auf Polen Sie sollten die antijudischen Massnahmen der Besatzer im westlichen und mittleren Teil des Landes durchsetzen und hatten keine eigenen Machtbefugnisse Sie sollten sich moglichst aus Rabbinern und anderen einflussreichen Mitgliedern bestehender judischer Gemeinden zusammensetzen damit diese ihre Anweisungen unter deutscher Kontrolle befolgen wurden Zugleich sollte diese Einbindung die Glaubwurdigkeit der bisherigen Fuhrungspersonen gegenuber ihren Mitjuden untergraben Weitere Judenrate in Ostpolen zu bilden befahl Hans Frank Chef des neugebildeten Generalgouvernements am 18 November 1939 Diese sollten fur Orte mit bis zu 10 000 judischen Einwohnern aus 12 fur grossere Anteile aus 24 Personen bestehen Sie sollten bis zum Jahresende von ihren Gemeinden gewahlt werden und dann unter sich einen ersten und zweiten Vorsitzenden wahlen Das Ergebnis musste dem jeweiligen deutschen Stadt oder Kreishauptmann vorgelegt und von diesem anerkannt werden Die Wahl war demnach nur formal demokratisch faktisch diktierten die Besatzer die Zusammensetzung der Rate Sie mischten sich aber nur begrenzt in die Kandidatenwahl ein Von ihnen benannte Personen weigerten sich ofter in den Rat einzutreten um sich nicht von den Besatzern missbrauchen zu lassen In der Regel wurden die traditionellen Sprecher der judischen Gemeinden gewahlt und ernannt so dass die Kontinuitat der Fuhrung von beiden Seiten aus gesichert wurde Aufgaben Bearbeiten Die Nationalsozialisten strebten danach die Judengemeinden Osteuropas auszuhungern und ihre Widerstandskrafte und moglichkeiten systematisch zu schwachen Die ersten Judenrate mussten fur sie vor allem die judische Bevolkerung ihres Ortes zahlen Wohnungen raumen lassen und ihnen ubergeben Zwangsarbeiter zur Verfugung stellen Wertsachen konfiszieren Tribute sammeln und auszahlen Durch diese Massnahmen der Besatzer die zudem alle staatlichen Dienstleistungen strichen und verhinderten entstanden enorme Versorgungsprobleme in den judischen Gemeinden Daher nahmen die Judenrate auch am Aufbau eigener Ersatzinstitutionen teil Sie versuchten die Lebensmittelverteilung zu organisieren Krankenstationen Altenheime Waisenhauser und Schulen aufzubauen Zugleich versuchten sie mit den ihnen verbliebenen Moglichkeiten den Zwangsmassnahmen entgegenzuwirken und Zeit zu gewinnen Dazu verzogerten sie die Umsetzung der Befehle und bemuhten sich diese abzuschwachen indem sie Rivalitaten verschiedener Besatzungsstellen auszunutzen versuchten Sie stellten ihre Arbeitskrafte als moglichst unentbehrlich fur die Deutschen dar um ihre Versorgungslage zu verbessern und die Deutschen zur Rucknahme einiger Kollektivstrafen zu bewegen Dies gelang jedoch nur sehr begrenzt Die aufgezwungene Notlage fuhrte vielfach zu personlichen Vorteilsnahmen Gunstlingswirtschaft und Protektionismus der relativ Beguterten Dies fuhrte in den judischen Gemeinden zu heftiger Kritik und teilweise Ablehnung der Judenrate Ghetto Situation Bearbeiten Der Judenrat war verantwortlich fur die lokale Verwaltung der Ghettos und stand zwischen der nationalsozialistischen Besatzungsmacht und der einfachen Bevolkerung der Ghettos Ihm unterstand eine judische Ordnungspolizei Im Allgemeinen setzten sich die Judenrate aus den jeweiligen Eliten der judischen Gemeinschaft zusammen Sie wurden gezwungen Juden als Sklavenarbeiter an die Deutschen zu liefern und diesen bei der Deportation von Juden in die Konzentrationslager zu helfen Diejenigen die sich weigerten den Befehlen Folge zu leisten wurden selbst erschossen oder in Konzentrationslager deportiert und sofort durch andere Mitgefangene ersetzt Zur Tatigkeit als Judenrat gezwungene Personen BearbeitenBeispiele Abraham Asscher 1880 1950 und David Cohen 1882 1967 beide im Judenrat Amsterdam Leo Baeck 1873 1956 Rabbiner 1943 Deportation nach Theresienstadt Terezin dort Mitglied im ernannten Altestenrat Adam Czerniakow 1880 1942 im Warschauer Ghetto zuvor Ingenieur und polnischer Senator verfasste ein Tagebuch Selbsttotung vor Massendeportationen Jakob Edelstein 1903 1944 Jurist 1941 nach Terezin deportiert Paul Eppstein 1902 1944 Soziologe im Januar 1943 nach Terezin deportiert Anna Feingold gest 1940 in der Stadt Przemysl Jacob Gens 1905 1943 im Ghetto Wilna Benjamin Murmelstein 1905 1989 promovierter Rabbiner 1943 nach Terezin deportiert von der SS 1944 als Judenaltester eingesetzt Chaim Rumkowski 1877 1944 vor dieser Tatigkeit Versicherungsvertreter wurde am 13 Oktober 1939 in Lodz von den nationalsozialistischen Behorden zum Judenaltesten des von ihnen errichteten so genannten judischen Wohnbezirks bestimmt und beauftragt einen Judenrat zu grunden Die Mitglieder dieses ersten Judenrates wurden am 11 November 1939 verhaftet deportiert und grosstenteils ermordet Rumkowski wurde schwerst misshandelt und zur Bildung eines neuen Judenrates gezwungen um mit diesem eine Liste von etwa 50 000 Personen zu erstellen die ins Gebiet des Generalgouvernements deportiert werden sollten Georg Vogel Jiri Vogela Tschechische Namensform 1904 1993 Ingenieur 1941 nach Terezin deportiert Mitglied im ernannten Altestenrat und seit dem 11 Mai 1945 vom Tschechischen Nationalrat ernannter Leiter des Displaced Persons Lagers 3 Erganzungen BearbeitenBerthold Storfer Der NS Reichsstatthalter Arthur Seyss Inquart delegierte zu der internationalen Fluchtlingskonferenz in Evian am 6 Juli 1938 fur die Judische Gemeinde Wien neben dem Leiter dem Gemeindevorsitzenden Josef Lowenherz und Heinrich Neumann von Hethars auch Storfer Seyss Inquart verpflichtete nach deren Scheitern diese Delegation demnachst in Konzentrationslager zu verschleppende Juden gegen ein Losegeld freizukaufen und ihre Ausreise zu organisieren Entspr Absatz im Artikel Oberjude in den deutschen sog Ghettos bzw Judenlagern oder Zwangsarbeitslagern in Polen Die Bezeichnung folgender bestimmter und so genannter Funktionshaftlinge in den deutschen Konzentrationslagern Lageraltester er war mit einer schwarzen Binde mit den gotischen Buchstaben LA Abkurzung fur Lageraltesten oder bei entsprechender Grosse des Konzentrationslager mit den Ziffern I oder II LA I Lageraltester II der Stellvertreter des Lageraltesten am linken Oberarm gekennzeichnet Die Blockaltesten als Aufsicht der KZ Haftlinge in einer KZ Baracke Literatur BearbeitenDan Diner Gedachtniszeiten Uber judische und andere Geschichten Beck Munchen 2003 ISBN 3 406 50560 0 Dan Diner Jenseits des Vorstellbaren Der Judenrat als Situation In Hanno Loewy Gerhard Schoenberner Hrsg Unser einziger Weg ist Arbeit Das Ghetto in Lodz 1940 1944 Locker Wien 1990 ISBN 3 85409 169 9 Marian Fuks Das Problem der Judenrate und Adam Czerniaks Anstandigkeit In Stefi Jersch Wenzel Deutsche Polen Juden Ihre Beziehungen von den Anfangen bis ins 20 Jahrhundert Colloquium Verlag Berlin 1987 ISBN 3 7678 0694 0 S 229 239 Einzelveroffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 58 Raul Hilberg The Judenrat Conscious or Unconscious Tool In Michael R Marrus Hrsg The Victims of the Holocaust The Nazi Holocaust 1 Berlin Walter de Gruyter 1989 S 162 164 ISBN 978 3 11 096872 9 Dan Michman On the Historical Interpretation of the Judenrate Issue Between Intentionalism Functionalism and the Integrationist Approach of the 1990s in Moshe Zimmermann Hrsg On Germans and Jews under the Nazi Regime Essays by Three Generations of Historians A Festschrift in Honor of Otto Dov Kulka Jerusalem The Hebrew University Magnes Press 2006 S 385 397 Dan Michman Judenrat In Dan Diner Hrsg Enzyklopadie judischer Geschichte und Kultur EJGK Band 3 He Lu Metzler Stuttgart Weimar 2012 ISBN 978 3 476 02503 6 S 236 242 Doron Rabinovici Instanzen der Ohnmacht Wien 1938 1945 Der Weg zum Judenrat Judischer Verlag bei Suhrkamp Frankfurt am Main 2000 ISBN 3 633 54162 4 Isaiah Trunk Judenrat The Jewish Councils in Eastern Europe under Nazi Occupation Stein amp Day New York NY 1977 ISBN 0 8128 2170 X A Scarborough Book Verena Wahlen Select Bibliography on Judenraete under Nazi Rule In Yad Vashem Studies 10 1974 ISSN 0084 3296 S 277 294 Aharon Weiss Jewish Leadership in Occupied Poland Postures and Attitudes In Yad Vashem Studies 12 1977 S 335 365 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Judenrat Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Wolf Murmelstein Die Judenrat Frage Tragisch uberfordert oder ewig schuldig Yad Vashem Judenrat PDF Datei 95 kB Aharon Weiss The Relations Between the Judenrat and the Jewish Police PDF Datei 92 kB Die Wiener Judenrate unter der NS Herrschaft Doron Rabinovici Vortrag am 14 Februar 2002 in Ebensee Memento vom 30 September 2007 im Internet Archive Altestenrat Das Theresienstadt Lexikon Mark Paul Oktober 2009 Patterns of Cooperation Collaboration and Betrayal Jews Germans and Poles in Occupied Poland during World War II PDF 1 9 MB Hans Dieter Arntz Jupp Weiss aus Flamersheim der Judenalteste von Bergen Belsen shoa de Hans Dieter Arntz Josef Weiss ein Held in der Zeit des Holocaust Dokumente uber den Judischen Altestenrat im Ghetto Theresienstadt in den Sammlungen des Judischen Museums in PragEinzelnachweise Bearbeiten Shmuel Spector The Encyclopedia of Jewish life before and during the Holocaust New York University Press New York 2001 ISBN 0 8147 9356 8 Band 1 S 61 englisch Dan Michman Judenrate und Judenvereinigungen unter nationalsozialistischer Herrschaft Aufbau und Anwendung eines verwaltungsmassigen Konzepts In Die Historiographie der Shoah aus judischer Sicht Konzeptualisierungen Terminologie Anschauungen Grundfragen Dolling und Galitz Hamburg 2002 ISBN 3 935549 08 3 S 106 zuerst in ZfG 1998 Das Kriegsende in Theresienstadt bei holocaust czNormdaten Sachbegriff GND 4435139 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judenrat amp oldid 235977077