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Flavio re de Longobardi HWV 16 ist eine Oper Dramma per musica in drei Akten von Georg Friedrich Handel WerkdatenTitel FlavioOriginaltitel Flavio re de LongobardiTitelseite des Librettos von Flavio Tho Wood London 1723 Form Opera seriaOriginalsprache ItalienischMusik Georg Friedrich HandelLibretto Nicola Francesco HaymLiterarische Vorlage Matteo Noris Il Flavio Cuniberto 1682 Urauffuhrung 14 Mai 1723Ort der Urauffuhrung King s Theatre Haymarket LondonSpieldauer 2 StundenOrt und Zeit der Handlung Lombardei um 690 n Chr PersonenFlavio Cunincpert Konig der Langobarden Alt Lotario ein Ratgeber des Konigs Bass spater Tenor Emilia Tochter Lotarios Sopran Ugone ein Ratgeber des Konigs Tenor spater Bass Guido Ugones Sohn Mezzosopran Teodata Theodote Ugones Tochter Alt Vitige Teodatas Geliebter Adjutant des Konigs Sopran Hofstaat Krieger Wachen Dienerschaft Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Libretto 3 Handlung 3 1 Historischer und literarischer Hintergrund 3 2 Erster Akt 3 3 Zweiter Akt 3 4 Dritter Akt 4 Musik 5 Struktur der Oper 5 1 Erster Akt 5 2 Zweiter Akt 5 3 Dritter Akt 6 Orchester 7 Diskografie 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEntstehung Bearbeiten nbsp John Vanderbank Karikatur einer Auffuhrung von HandelsFlavio 3 Akt Szene 4 Senesino links die Diva Francesca Cuzzoni in der Mitte und rechts Gaetano BerenstadtDie von Handel neu engagierte italienische Sopranistin Francesca Cuzzoni hatte am 12 Januar 1723 in seinem Ottone re di Germania ihr Londoner Debut gegeben Drei Tage danach hatte Attilio Ariostis erste Oper fur die Royal Academy of Music Coriolano Premiere und es gab inzwischen wilde Begeisterungssturme fur die Cuzzoni Neben dem Altkastraten Senesino entwickelte sie sich sehr schnell zu einer Hauptattraktion der Opernakademie Auf Ariostis Oper folgte dann Erminia von Giovanni Bononcini Alle drei Opern sind seriose Heldenopern und so plante Handel fur seinen zweiten Beitrag der Spielzeit einen Uberraschungseffekt indem er im Mai ein Werk auf den Spielplan setzte welches eigentlich die Parodie einer Heldenoper war Flavio Eine bunte Mischung aus Komik Sentimentalitat Ironie und politischer Satire 1 Die Musik komponierte Handel im April Mai 1723 und beendete sie am 7 Mai Das Autograph enthalt am Ende die Bemerkung Fine dell Opera London May 7 1723 Die Urauffuhrung fand schon eine Woche spater statt Ursprunglich plante er dieser Oper den Titel der weiblichen Hauptfigur Emilia zu geben wie die autographe Uberschrift beweist 2 3 Die Anderung des Titels nahm Handel hochstwahrscheinlich vor um Verwechslungen mit der am 30 Marz herausgebrachten Erminia Bononcinis zu vermeiden 4 Libretto BearbeitenNicola Francesco Hayms Libretto basiert auf einer alteren romischen Quelle Il Flavio Cuniberto von Silvio Stampiglia Parma 1696 die ihrerseits auf ein gleichnamiges venezianisches Opernbuch von Matteo Noris 1682 fur den Komponisten Giovanni Domenico Partenio zuruckgeht und nachfolgend mehrfach fur andere italienische Stadte umgearbeitet wurde Noris Text wurde danach auch noch von Domenico Gabrielli 1688 Alessandro Scarlatti 1693 und Luigi Mancia 1696 vertont Besetzung der Urauffuhrung Flavio Gaetano Berenstadt Altkastrat Lotario Giuseppe Maria Boschi Bass Emilia Francesca Cuzzoni Sopran Ugone Alexander Gordon Tenor Guido Francesco Bernardi genannt Senesino Mezzosoprankastrat Teodata Anastasia Robinson Alt Vitige Margherita Durastanti Sopran Die Oper kam im Mai und Juni 1723 auf acht Auffuhrungen und wurde im April 1732 fur weitere vier Vorstellungen wiederaufgenommen Danach gab es keine weiteren Produktionen des Stuckes selbst die so treuen Nachspiel Buhnen in Hamburg und Braunschweig brachten den Flavio nicht bis zum 2 Juli 1967 Unter der Leitung von Gunther Weissenborn wurden bei den Handel Festspielen in Gottingen drei Vorstellungen in einer deutschen Textfassung von Emilie Dahnk Baroffio gegeben Die erste Auffuhrung des Stuckes in historischer Auffuhrungspraxis fand am 24 August 1989 bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck statt Es spielte das Ensemble 415 unter der Leitung von Rene Jacobs Handlung Bearbeiten nbsp Cunincpert war der erste Langobardenkonig dessen Abbild auf Munzen gepragt wurde In Pavia gepragter Tremissis DN CVNI INCPE RX Dominus Noster Cunincpert Rex Unser Herr Cunincpert der Konig SCS MI HAHIL Sankt Michael Historischer und literarischer Hintergrund Bearbeiten Die Grundlage fur das Opernsujet lieferte der langobardische Geschichtsschreiber und Monch Paulus Diaconus in seiner Geschichte der Langobarden 5 die er im spaten 8 Jahrhundert gegen Ende seines Lebens schrieb Darin wird berichtet wie der Langobardenkonig Flavius Cunincpertus der Sohn jener Rodelinda der Handel in seiner gleichnamigen Oper ein Denkmal setzte um 680 schon von seinem Vater Perctarit zum Mitkonig erhoben und nach dessen Tod 688 alleiniger Konig wurde Diaconus beschrieb Cunincperts Lebenswandel recht schillernd gehorten doch Ehebruch Trunksucht selbst Mordplane gegen unbequeme Gegner dazu Eine Episode ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse ist sie doch fur Handels Oper eine der beiden Haupthandlungsquellen Die Verfuhrung der aus altem romischen Adel stammenden langhaarigen Blondine Theodote die er zunachst zu seiner Geliebten machte sie dann aber in ein Kloster abschob das spater nach ihr benannt wurde S Maria Theodotis della Posterla 6 7 Theodote ist auch durch eine Grabinschrift bezeugt 8 Stampiglia verknupft diese Affare nun in seinem Libretto Il Flavio Cuniberto Flavius war der Geschlechtername der langobardischen Konige mit einer Begebenheit die aus Pierre Corneilles Schauspiel Le Cid 1637 stammt und von Liebe einerseits Ehre und Pflichtbewusstsein andererseits handelt Die junge Adlige Chimene klagt beim Konig ihren Verlobten Don Rodrigue an weil der ihren Vater der wiederum dessen schon alten Vater beleidigt hatte zum Duell gefordert und todlich verletzt hat Dieses Ereignis liefert dem Drama die Grundlage fur den Streit zwischen Lotario und Ugone und die Rache durch Guido 9 Erster Akt Bearbeiten Nacht Garten vor dem Haus Ugones Vor Tagesanbruch stiehlt sich Vitige nach einer heimlichen Liebesnacht aus Teodatas Kammer Die Liebenden nehmen voneinander Abschied und versichern sich ihrer Treue Hell erleuchteter Saal in Lotarios Haus Fur die Hochzeit von Lotarios Tochter Emilia mit Ugones Sohn Guido im engsten Familienkreis ist alles vorbereitet Die beiden Vater fuhren die Hande ihrer Kinder geruhrt zusammen und beschliessen vor der Vermahlung noch den Segen des Konigs Flavio einzuholen Braut und Brautigam besingen ihre Vorfreude auf das Ehegluck Audienzsaal im koniglichen Palast Ugone stellt seine Tochter Teodata dem Konig mit der Bitte vor sie in den koniglichen Dienst einzustellen Flavio ist von ihrer Schonheit beeindruckt und verspricht sie seiner Gemahlin Ernelinda vorzustellen Lotario erscheint und ladt Flavio zur Hochzeitsfeier ein als dem Konig ein Brief seines Statthalters in Britannien Narsette gereicht wird der aus Altersgrunden um die Entbindung von seinen Pflichten bittet Der zogert kurz ob er Lotario den frei gewordenen Posten ubertragen soll entscheidet sich dann aber nach Ugone zu schicken Doch Lotario hat nur mitbekommen dass er offenbar ein moglicher Kandidat fur die Vakanz ist und schwelgt schon bei dem Gedanken an die ehrenvolle Ernennung Aber der Konig erklart den eintreffenden Ugone zum neuen Statthalter Britanniens denn auf diese Weise wurde er ihn loswerden und konnte ungestort um seine neue Leidenschaft Teodata buhlen Weil er ubergangen wurde verfallt Lotario in blinde Wut Flavio bleibt mit Vitige zuruck und erzahlt seinem Adjutanten von Teodatas Schonheit Um sein eigenes Verhaltnis zu ihr zu verbergen stottert Vitige aber nur dass er sie nicht schon finde und muss sich weiter anhoren wie Flavio von der Frau schwarmt der er selbst in heimlicher Leidenschaft verbunden ist Atrium im koniglichen Palast Derangiert begegnet Ugone seinem Sohn Guido und berichtet ihm dass Lotario ihn wutend vor Neid geschlagen hat Der Ehrenkodex wurde nun Rache verlangen Da er selbst fur ein Duell aber zu alt sei fordert er Guido auf an seiner Stelle die Schmach zu rachen und die Familienehre uber seine Liebe zu Emilia zu stellen An diesem tragischen Konflikt zerbricht Guido bald und will um der Ehre willen notfalls auch sein Leben hingeben So verkundet er seine Entscheidung die Ehre seiner Familie zu verteidigen Als Emilia ahnungslos hinzu kommt versteht sie seine Andeutungen nicht und warum er versucht ihr auszuweichen Sie schwort ihm ewige Treue komme was da wolle Zweiter Akt Bearbeiten Konigliches Gemach Flavio hat Teodata zu sich bestellt um sich ihr zu nahern Doch da sturzt Ugone herein zu verzweifelt um zusammenhangend zu sprechen Weil Flavio den Grund nicht aus ihm herausbringen kann beauftragt er Teodata herauszufinden was ihn qualt und geht ab Ugone klagt nun uber den Verlust der Ehre was Teodata missversteht denkt sie doch dass ihr Verhaltnis mit Vitige entdeckt wurde Unter Tranen gesteht sie ihrem Vater gegenuber diese heimliche Verbindung ein Ausser sich ob des neuerlichen Schicksalsschlags wirft er seine jetzt auch entehrte Tochter hinaus Garten Lotario eroffnet Emilia dass er sie nicht an den ruchlosen Sohn seines verhassten Rivalen verlieren will und dass die Verlobung gelost wurde Beklommen bleibt Emilia zuruck Dem nun erscheinenden Guido verspricht sie ewige Liebe was immer auch geschehe Doch Guido fordert Emilia auf ihn allein zu lassen Schweren Herzens trennt sie sich von ihm Allein zuruckgeblieben versucht Guido in seiner zwischen Wut und Sehnsucht angesiedelten Zerrissenheit mithilfe der Gotter einen Ausweg zu finden Der liebeskranke Konig schwarmt seinem Adjutanten erneut von Teodata vor befiehlt dem fast vor Eifersucht platzenden Vitige Teodata zu ihm bringen zu lassen und entfernt sich voller Vorfreude auf die neue Geliebte Die weinend nahende Teodata berichtet Vitige dass ihre verbotene Liebe nun Ugone bekannt sei Um das Ungluck vollzumachen bekennt Vitige seinen unglucklichen Auftrag und sie beschliessen den Konig noch eine Weile hinzuhalten Sie soll zum Schein auf Flavios Werben eingehen um ihren Vater ihren Bruder und ihren Geliebten zu schutzen Dazu ist sie unter der Bedingung bereit dass Vitige nicht eifersuchtig werden durfe Hof in Lotarios Haus Lotario ist von Neid geplagt als Guido hinzutritt und ihn zum Duell herausfordert Der erfahrene Krieger verspottet die Kuhnheit des jungen Mannes unterliegt aber und fallt verletzt zu Boden Guido geht ab um seinem Vater den Vollzug der Rache zu berichten Emilia findet ihren Vater in einer Blutlache und bevor er stirbt benennt er noch Guido als seinen Morder In ihrer Verzweiflung schwort Emilia den Morder ihres Vaters gnadenlos zu verfolgen Doch dieser ist der Mann ihres Herzens Dritter Akt Bearbeiten Konigliches Gemach Flavio traumt von seiner neuen Liebe als Emilia und Ugone kommen und ihn bedrangen jeweils in ihrem Sinne Gerechtigkeit herzustellen sie fordert die Todesstrafe fur den Morder ihres Vaters er pladiert fur das Leben seines Sohnes da dieser nur erlittenes Unrecht vergolten hatte Von diesem Zwiespalt uberfordert bedingt sich Flavio Zeit zum Nachdenken aus und schickt sie weg Jetzt bringt Vitige Teodata herbei was Flavio uberwaltigt Er bringt kein Wort mehr heraus und ubertragt daher Vitige die Aufgabe bei Teodata fur ihn zu werben was diesem verstandlicherweise schwerfallt Als Flavio seine Sprache wiederfindet redet er Teodata mit meine Konigin an und bietet ihr an noch heute seine Braut zu werden Vitige indes scheint vergessen zu haben dass das Auffuhren dieser Komodie seine Idee war und bleibt in einem wutenden Meer der Eifersucht geplagt zuruck Emilia trauert um ihren Vater aber auch um ihren Geliebten den sie wohl verlieren wird Als Guido erscheint und sich ihr zu Fussen wirft zeigt sie sich unversohnlich Da gibt Guido ihr sein Schwert und bittet sie instandig ihn damit zu toten Doch sie bringt es nicht ubers Herz wirft das Schwert fort und eilt davon Nun keimt ein wenig Hoffnung in Guido auf und er bittet Amor um Hilfe Rasend vor Eifersucht huldigt Vitige Teodata der Konigin Sie beschuldigen sich gegenseitig zu weit beim Hintergehen des Konigs gegangen zu sein und zugelassen zu haben dass das Spiel ernst wurde Als sich die Liebenden naherkommen entdecken sie zu spat dass Flavio sie belauscht hatte Zerknirscht mussen sie zugeben dass sie ein Liebespaar sind Als nun fur Flavio die Welt zusammenzubrechen droht kommen Ugone und Guido der den Konig bittet ihn fur seine Tat mit dem Tode zu bestrafen Nun versucht Ugone alle Schuld auf sich zu nehmen er hatte seinen Sohn angestiftet den Racheakt an seiner Stelle zu vollziehen Flavio erkennt dass nun ein weises Urteil notig ist Er lasst Emilia holen und bedeutet Guido sich zu verbergen Als sie kommt meldet Flavio ihr den vermeintlichen Tod des Morders Ihre spontane Verzweiflung ihr Leben sei ohne Guido doch sinnlos wo sie doch Genugtuung zeigen musste verrat sie jedoch Als Guido aus seinem Versteck kommt fallt sie vor Freude fast in Ohnmacht Flavio fuhrt sie zusammen und sie versohnen sich Wahrend Guido um Vergebung bittet braucht Emilia eine Zeit der Trauer Um sich als grosser Herrscher zu erweisen verzichtet Flavio auf Teodata und gibt sie Vitige mit koniglichem Segen zur Frau Ugone kann nun als unbescholtener Mann seinen Posten als Statthalter von Britannien antreten 9 Musik BearbeitenDie Oper war zu Handels Zeit wenig erfolgreich Dass er sie spater 1732 nur einmal wiederaufnahm war doch ziemlich ungewohnlich Auch in der Neuzeit hatte Flavio zunachst nicht viel Erfolg die funf Inszenierungen die es zwischen 1967 und 1987 gab haben alle an kleineren Opernhausern stattgefunden Dabei ist die Oper fur Handels Verhaltnisse kurz was es uberflussig macht heikle Striche zu machen die haufig Verwerfungen in Tonartengefuge und Symmetrie der Gesamtanlage verursachen Zudem sind bei der gewohnlichen Dominanz hoher Stimmen sehr effektvolle Tenor und Basspartien enthalten und somit alle Stimmlagen vertreten was in Handels Schaffen etwas Besonderes ist 10 3 Inzwischen wurde Flavio aber auch in London Berlin New York bei den bedeutenden Handelfestspielen in Gottingen Halle und Karlsruhe sowie beim Festival Bayreuth Baroque inszeniert was zeigt dass die Vorzuge dieser Oper durchaus erkannt werden Dass sie es zunachst dennoch so schwer hatte kann kaum an Handels Musik liegen die ausserordentlich farbig und voller Erfindungskraft ist Das Problem konnte eher die sehr besondere Mischung des Tragischen des Komischen und des Satirischen im Sujet sein die bei so manchem Impresario unserer Zeit Beruhrungsangste hervorruft weil sie nicht klar in ein Gattungsschema passt Sieht man von einigen Werken am Beginn z B Agrippina und am Ende seiner Opernkarriere z B Deidamia ab so sind Handels ubrige Opern viel mehr dem heroischen Typus der Opera seria zuzuordnen Sie handeln von bedeutenden Personen der Geschichte wie Konigen und Feldherrn und deren Situation zwischen Liebe Politik Ehrgeiz Ruhm und Ehre Und wenn einmal der historische Kolorit fehlt wie etwa in den Zauberopern so bleibt doch das Ernsthafte ja sogar das Tragische der bestimmende Charakterzug In Flavio gehoren die handelnden Personen alle einem Hofstaat an und tatsachlich verlauft auch einer der Handlungsstrange nicht nur tragisch sondern endet gar mit dem gewaltsamen Tod des Lotario Aber die Personen nicht zuletzt die Titelfigur selbst haben kaum Wurde und viele Situationen haben einen komischen Charakter Uber die Treue von Liebenden Ehre und Rache gibt es so manche Satiren womit aber die meistgeliebten Konventionen der Barockoper aufs Korn genommen werden So gesehen ist Flavio eine anti heroische Komodie mit tragischen Untertonen 10 Nicola Francesco Haym behielt die Ironie der Dialoge und die Komik in der Losung des Konflikts trotz aller Veranderungen des Textes und damit das Charakteristische der venezianischen Oper bei Gemeinsam mit Handel verstarkte er sogar noch das Element des Verhohnens Ubertreibens und steigerte den absurden Streit uber die Statthalterschaft in Britannien noch weiter Handel hatte sich wahrend seines Italienaufenthaltes mit der italienischen Oper des ausgehenden 17 Jahrhunderts und ihrem zwischen Seriositat und Komik angesiedelten Charakter vertraut gemacht und diese Kenntnis mit grossem Erfolg in seiner 1709 in Venedig aufgefuhrten Oper Agrippina angewandt Auch spater sollte er in Partenope 1730 und seinen drei letzten Opern Serse Imeneo und Deidamia 1738 1741 zu diesem Stil zuruckkehren 10 Der von Anspielungen getragene Humor und der farbenreiche Gebrauch dramatischer Ironie kommt vornehmlich in den Rezitativen zum Tragen Viele tanzerische und leichtfussige Arien lassen einen feinsinnigen Humor durchleuchten sie zeichnen Charaktereigenschaften und geben Einblicke in die Sehnsuchte und Note der Personen Die Musik des Flavio lebt von diesen gegensatzlichen zwischen Tragodie und Posse Ironie und Pathos angesiedelten Emotionen und bleibt dabei in der Balance Hier drangt sich fast ein Vergleich mit Mozart auf wenn es um die Meisterschaft geht so viele Gefuhlsschattierungen ohne irgendein Missverhaltnis miteinander zu verbinden 10 Den beiden Liebespaaren der Oper gibt Handel vollig verschiedene Charaktere Emilia und Guido gehoren zur Welt der heroischen Opera seria Damit dieses Element nicht uberhandnimmt lasst Handel das Tragische nur zweimal anklingen zum einen in der letzten Szene des zweiten Aktes in der Emilia erfahrt dass es ihr Geliebter war der ihren Vater totete und zum anderen am Ende der Oper als Guido sie auffordert ihn zu toten um ihre Rache zu vollziehen sie es dann aber doch nicht ubers Herz bringt das zu tun Im letzten Fall ist es eine eindrucksvolle Szene die vom standigen Wechsel zwischen Accompagnato und Secco Rezitativ lebt Weitere Accompagnati gibt es in der Oper nicht Beide Szenen gipfeln in ausserst tragisch komponierten Arien die auch noch in seltenen Tonarten stehen welche Handel fur solche Ausnahmesituationen reserviert Emilias Fis Moll Siciliano Ma chi punir desio Nr 18 und Guidos B Moll Arie Amor nel mio penar Nr 25 10 Vor dem Schlusschor aller versammelten Solisten haben Emilia und Guido ein Liebesduett zu singen was zwar tanzerisch ist und wegen des guten Ausganges fur die beiden auch eine gewisse Erleichterung verstromt letztlich aber doch in einem strengen wurdevollen Rahmen bleibt Auch Teodata und Vitige haben ein Duett am Beginn der Oper dieses hat jedoch einen vollig anderen Charakter Ihr Duett stellt einen zartlichen Abschied Liebender dar bevor der Liebhaber das Gemach der Geliebten vor Tagesanbruch verlasst Die Musik dazu ist sehr viel unbeschwerter als diejenige des Hauptpaares geradezu keck und ausgelassen und vertragt sich sehr gut mit dem leichten Grundton der ganzen Oper Uberhaupt sind die Arien dieses Paares sehr leicht und tanzerisch Teodata ist eine liebenswurdige Frau die sich ausserlich zuruckhalt eigentlich aber eine heitere und geistreiche Person ist Solche Charaktere zeichnete Handel sehr gerne wie etwa auch die Poppea in Agrippina Teodatas teils stichelnde teils bissige Wortgefechte mit Vitige ziehen sich durch die ganze Oper Vitige der zu allem Uberfluss auch noch die Anweisung von Flavio erhalt seine Geliebte auf den Konig einzustimmen muss diesem gegenuber ihre Anziehungskraft auf ihn verleugnen Obwohl der Rat an Teodata von ihm kommt sich zum Schein auf Flavio einzulassen kriegt er aber doch Eifersuchts Probleme wenn sie das auf so uberzeugende Art und Weise tut Wenn er sie Flavio nachaffend mit stichelnder Ironie im dritten Akt als meine Konigin anspricht wird wiederum sie in Zweifel versetzt ob sie auf seine Bestandigkeit bauen kann Auch seine Gefuhlsaufwallungen in der Eifersuchtsarie Sirti scogli tempeste Nr 23 erscheinen ein wenig grotesk aber wurde Vitige hier nicht ubertreiben so wurde Teodata wohl ein Spielchen mit ihm treiben 10 Flavio ist ein entspannter unkomplizierter Herrscher selbst vor dem Hintergrund dass er Konig eines grossen Reiches ist und den Hauptteil seiner Macht in der Oper nicht ausspielt Anders als in heroischen Opern in denen die Helden auch zumindest teilweise heldenhafte Musik haben sind seine Arien alle Liebeslieder und meist in tandelnden Tanzrhythmen Auch ist er anders als die meisten Machthaber in Opern gewitzt und geniesst dann die von ihm inszenierte Komik auch etwa als er Vitige befiehlt seine widerstrebende Hand dem Madchen zu reichen das er angeblich nicht anziehend findet oder als er Ugone anweist Vitige als seinen wurdigen Schwiegersohn zu umarmen und sich dann unverzuglich auf den Weg zu machen Britannien zu regieren Das Parodiehafte in den wenig sensiblen Arien der beiden alten Manner Lotario und Ugone wird erst in ihrem Kontext erkennbar da es keine distanzlosen sondern realitatsnahe Parodien sind sodass man die Situationen durchaus auch ernst nehmen kann Diese Doppeldeutigkeit kann man in der ganzen Oper finden Komodie und Tragodie liegen manchmal dichter beieinander als man im ersten Augenblick denkt 10 Handel hatte ursprunglich die Partie des Ugone fur einen Bassisten und die Partie des Lotario fur einen Tenor vorgesehen Die Vertauschung der Stimmlagen fur die etwa annahernd gleichen Umfang aufweisenden Partien vor der Urauffuhrung geht vermutlich auf die individuellen Wunsche der beiden Sanger Boschi und Gordon zuruck Bei der Wiederaufnahme der Oper im April 1732 stellte Handel die ursprungliche Konstellation fur die neuen Sanger Ugone Antonio Montagnana Lotario Giovanni Battista Pinacci wieder her Weiterhin wurde die Partie des Vitige eine Hosenrolle in beiden Fassungen der Oper durch Kurzungen Transpositionen und Umstellungen gegenuber der Erstfassung verandert obwohl Handel von einigen Rezitativstellen abgesehen kaum neue Musik hinzukomponierte Weitere Umstellungen und Einfugungen vor allem fur die Fassung von 1732 verzeichnet seine Direktionspartitur Handexemplar in der Staats und Universitatsbibliothek Hamburg 3 Wie ublich nahm Handel einige Anleihen an eigenen fruheren Werken oder verwendete thematisches Material aus Flavio in spateren Stucken wieder In einer Anekdote heisst es Handel habe eine der Arien des Ugone wahrend einer Probe so feurig begleitet dass der Sanger ein junger Schotte namens Gordon drohte er werde ins Cembalo springen falls er damit fortfahre In Handels Antwort zeigt sich sein typischer trockener Humor Oh Let me know when you will do that and I will advertise it For I am sure more people will come to see you jump than to hear you sing Sagt mir Bescheid wann dies stattfinden soll damit ich es ankundigen kann ich bin uberzeugt es werden mehr Menschen kommen um Euch springen zu sehen denn um Euch singen zu horen Georg Friedrich Handel Anekdote London 1723 11 1 Struktur der Oper BearbeitenOuvertureErster Akt Bearbeiten Duetto Teodata Vitige Ricordati mio ben Aria Emilia Quanto dolci quanto care Aria Guido Bel contento gia gode quest alma Aria Teodata Benche povera donzella Aria Lotario Se a te vissi fedele fedele ancor saro Aria Flavio Di quel bel che m innamora Aria Vitige Che bel contento sarebbe amore Aria Guido L armellin vita non cura Aria Emilia Amante stravagante piu del mio ben non v eZweiter Akt Bearbeiten Aria Ugone Fato tiranno e crudo ogn or a danni miei Aria Lotario S egli ti chiede affetto Aria Emilia Parto si ma non so poi Aria Guido Rompo i lacci e frango i dardi Aria Flavio Chi puo mirare e non amare Aria Teodata Con un vezzo con un riso Aria Vitige Non credo instabile chi mi piago Aria Emilia Ma chi punir desio l idolo del cor mioDritter Akt Bearbeiten Aria Emilia Da te parto ma concedi che il mio duolo Arioso Vitige Corrispondi a chi t adora Aria Flavio Starvi a canto e non languire Aria Teodata Che colpa e la mia se Amor vuol cosi Aria Vitige Sirti scogli tempeste procelle Recitativo Emilia Oh Guido oh mio tiranno Recitativo e Aria Guido Squarciami il petto Amor nel mio penar deggio sperar Duetto Emilia Guido Ti perdono o caro bene Coro Doni pace ad ogni coreOrchester BearbeitenBlockflote Traversflote zwei Oboen Fagott Streicher Basso continuo Violoncello Laute Cembalo Diskografie Bearbeitenharmonia mundi 901312 3 1989 Jeffrey Gall Flavio Ulrich Messthaler Lotario Lena Lootens Emilia Gianpaolo Fagotto Ugone Derek Lee Ragin Guido Bernarda Fink Teodata Christina Hogmann Vitige Ensemble 415 Dir Rene Jacobs 155 min Chandos Records CHAN 0773 2 2010 Tim Mead Flavio Andrew Foster Williams Lotario Rosemary Joshua Emilia Thomas Walker Ugone Iestyn Davies Guido Hilary Summers Teodata Renata Pokupic Vitige Early Opera Company Dir Christian Curnyn 146 min Literatur BearbeitenWinton Dean John Merrill Knapp Handel s Operas 1704 1726 The Boydell Press Woodbridge 2009 ISBN 978 1 84383 525 7 englisch Silke Leopold Handel Die Opern Barenreiter Verlag Kassel 2009 ISBN 978 3 7618 1991 3 Arnold Jacobshagen Hrsg Panja Mucke Das Handel Handbuch in 6 Banden Handels Opern Band 2 Laaber Verlag Laaber 2009 ISBN 3 89007 686 6 Bernd Baselt Thematisch systematisches Verzeichnis Buhnenwerke In Walter Eisen Hrsg Handel Handbuch Band 1 Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1978 ISBN 3 7618 0610 8 Unveranderter Nachdruck Kassel 2008 ISBN 978 3 7618 0610 4 Christopher Hogwood Georg Friedrich Handel Eine Biographie Insel Taschenbuch 2655 Aus dem Englischen von Bettina Obrecht Insel Verlag Frankfurt am Main Leipzig 2000 ISBN 3 458 34355 5 Paul Henry Lang Georg Friedrich Handel Sein Leben sein Stil und seine Stellung im englischen Geistes und Kulturleben Barenreiter Verlag Basel 1979 ISBN 3 7618 0567 5 Albert Scheibler Samtliche 53 Buhnenwerke des Georg Friedrich Handel Opern Fuhrer Edition Koln Lohmar Rheinland 1995 ISBN 3 928010 05 0 Winton Dean Handel Flavio Aus dem Englischen von Liesel B Sayre harmonia mundi 901312 3 Arles 1990 Weblinks BearbeitenPartitur von Flavio Handel Werkausgabe hrsg v Friedrich Chrysander Leipzig 1875 Flavio Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project Libretto PDF 541 kB von Flavio Weitere Angaben zu Flavio Erstdruck Arienpartitur John Walsh London 1723 von Flavio Handlung und Hintergrund von Flavio englisch nbsp Wikisource Historia Langobardorum Quellen und Volltexte Latein Einzelnachweise Bearbeiten a b Christopher Hogwood Georg Friedrich Handel Eine Biographie Insel Taschenbuch 2655 Aus dem Englischen von Bettina Obrecht Insel Verlag Frankfurt am Main Leipzig 2000 ISBN 3 458 34355 5 S 146 Winton Dean A Handel Tragicomedy In The Musical Times August 1969 Nr 110 1518 S 819 ff a b c Bernd Baselt Thematisch systematisches Verzeichnis Buhnenwerke In Walter Eisen Hrsg Handel Handbuch Band 1 Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1978 ISBN 3 7618 0610 8 Unveranderter Nachdruck Kassel 2008 ISBN 978 3 7618 0610 4 S 210 f Winton Dean John Merrill Knapp Handel s Operas 1704 1726 The Boydell Press Woodbridge 2009 ISBN 978 1 84383 525 7 S 471 Paulus Diaconus Historia Langobardorum Ludwig Bethmann und Georg Waitz Hrsg in Monumenta Germaniae Historica Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum saec VI IX Hahn Hannover 1878 Paul Darmstadter Das Reichsgut in der Lombardei und Piemont Trubner Strassburg 1896 S 12 Das Reichsgut in der Lombardei und Piemont 568 1250 568 1250 Internet Archive Martina Hartmann Die Konigin im fruhen Mittelalter W Kohlhammer Verlag Stuttgart 2009 ISBN 978 3 17 018473 2 S 51 a b Silke Leopold Handel Die Opern Barenreiter Verlag Kassel 2009 ISBN 978 3 7618 1991 3 S 240 ff a b c d e f g Winton Dean Handel Flavio Aus dem Englischen von Liesel B Sayre harmonia mundi 901312 3 Arles 1990 S 20 ff Christopher Hogwood Handel Thames and Hudson London 1984 Paperback Edition 1988 ISBN 978 0 500 27498 9 S 84 Buhnenwerke von Georg Friedrich Handel OpernDer in Krohnen erlangte Glucks Wechsel oder Almira Konigin von Castilien HWV 1 Die durch Blut und Mord erlangte Liebe oder Nero HWV 2 Der begluckte Florindo HWV 3 Die verwandelte Daphne HWV 4 Vincer se stesso e la maggior vittoria Rodrigo HWV 5 Agrippina HWV 6 Rinaldo HWV 7a b Il pastor fido HWV 8a b c Teseo HWV 9 Lucio Cornelio Silla HWV 10 Amadigi di Gaula HWV 11 Radamisto HWV 12a b Il Muzio Scevola HWV 13 Il Floridante HWV 14 Ottone re di Germania HWV 15 Flavio re de Longobardi HWV 16 Giulio Cesare in Egitto HWV 17 Tamerlano HWV 18 Rodelinda regina de Langobardi HWV 19 Publio Cornelio Scipione HWV 20 Alessandro HWV 21 Admeto re di Tessaglia HWV 22 Riccardo I re d Inghilterra HWV 23 Siroe re di Persia HWV 24 Tolomeo re di Egitto HWV 25 Lotario HWV 26 Partenope HWV 27 Poro re dell Indie HWV 28 Ezio HWV 29 Sosarme re di Media HWV 30 Orlando HWV 31 Arianna in Creta HWV 32 Ariodante HWV 33 Alcina HWV 34 Atalanta HWV 35 Arminio HWV 36 Giustino HWV 37 Berenice regina d Egitto HWV 38 Faramondo HWV 39 Serse HWV 40 Imeneo HWV 41 Deidamia HWV 42 SchauspielmusikenThe Alchemist HWV 43 Comus HWV 44 Alceste HWV 45 OratorienIl trionfo del Tempo e del Disinganno HWV 46a Il trionfo del Tempo e della Verita HWV 46b La Resurrezione HWV 47 Der fur die Sunde der Welt gemarterte und sterbende Jesus Brockes Passion HWV 48 Acis and Galatea Masque HWV 49a Serenata HWV 49b Esther Haman and Mordecai Masque HWV 50a HWV 50b Deborah HWV 51 Athalia HWV 52 Saul HWV 53 Israel in Egypt HWV 54 L Allegro il Penseroso ed il Moderato HWV 55 Messiah HWV 56 Samson HWV 57 Semele HWV 58 Joseph and his Brethren HWV 59 Hercules HWV 60 Belshazzar HWV 61 An Occasional Oratorio HWV 62 Judas Maccabaeus HWV 63 Joshua HWV 64 Alexander Balus HWV 65 Susanna HWV 66 Solomon HWV 67 Theodora HWV 68 The Choice of Hercules HWV 69 Jephtha HWV 70 The Triumph of Time and Truth HWV 71 SerenatenAci Galatea e Polifemo HWV 72 Il Parnasso in festa HWV 73 Pasticci und FragmenteL Elpidia ovvero Li rivali generosi HWV A 1 Genserico HWV A 2 Ormisda HWV A 3 Venceslao HWV A 4 Titus l empereur HWV A 5 Lucio Papirio dittatore HWV A 6 Catone HWV A 7 Semiramide riconosciuta HWV A 8 Caio Fabbricio HWV A 9 Arbace HWV A 10 Oreste HWV A 11 Didone abbandonata HWV A 12 Alessandro Severo HWV A 13 Giove in Argo HWV A 14 Normdaten Werk GND 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