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Die Losung der Judenfrage ist der heute missverstandliche Titel eines kurzen Essays von Thomas Mann der am 14 September 1907 in den Munchner Neuesten Nachrichten erschien und spater als einer von einhundert Beitragen in Die Losung der Judenfrage Eine Rundfrage veroffentlicht wurde Portrataufnahme von Thomas Mann 1905Der Autor reagierte damit auf ein Rundschreiben von Julius Moses zur sogenannten Judenfrage deren Losung er wenn auch modifiziert in einer kulturellen Assimilation im Sinne einer Europaisierung des Judentums sah Trotz des erklarten Philosemitismus zeigt der Text ein ambivalentes Verhaltnis zum Judentum und kommt etwa bei der drastischen Darstellung der Ghettojuden nicht ohne gewisse damals weit verbreitete antijudische Stereotype aus die weiterhin Gegenstand der Forschung sind Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Hintergrund 3 Bedeutung und Rezeption 4 EinzelnachweiseInhalt Bearbeiten nbsp Adolf Bartels vor 1897 Mit einer ironischen Wendung widerspricht Thomas Mann der bestechenden These des grossen germanischen Lyrikers und Literaturhistorikers Adolf Bartels eines volkischen Antisemiten er sei Jude und verweist demgegenuber auf seine romanische Blutmischung Als Philosemit betrachte er den von Zionisten geforderten Exodus der Juden wegen ihrer kulturellen Bedeutung fur Europa als grosstes Ungluck 1 Fur den Novellisten sei die Judenfrage ein psychologisch reizvolles Problem Uberall als Fremdling kenntlich das Pathos der Ausnahme im Herzen verkorpere der Jude eine ausserordentliche Daseinsform die sich innerhalb des burgerlichen Lebens erhalten habe und sich in einem erhabenen oder anruchigen Sinne von der gemeinen Norm auszeichne Die kontraren Eigenschaften und Kontraste des judischen Wesens wie Freigeisterei und revolutionare Neigungen Snobismus und Sehnsucht Zynismus und Sentimentalitat seien Ergebnisse seiner Ausserordentlichkeit wozu nicht zuletzt seine Uberlegenheit im Wettstreit gehore Hier sei man als Minderheit im Vorteil 2 Die Judenfrage konne nicht rasch gelost werden weder durch Assimilation oder Zionismus noch durch andere Zauberworter sondern sich nur wandeln und irgendwann vielleicht nicht mehr existieren Die Unterstutzung judischer Angelegenheiten gehe einher mit dem kulturellen Fortschritt Auf einen der Vorschlage im Rundschreiben eingehend spricht sich Thomas Mann fur die Assimilation aus allerdings im Sinne der Europaisierung des Judentums die mit seiner Aufwertung einhergehe bzw sich gegen die Verelendung des judischen Typus richte wie sie sich etwa in den Ghettos zeige 3 Es sei ein Fehler aus der zweitausendjahrigen Diaspora einen Anpassungsmangel herleiten zu wollen Es bestehe keine Notwendigkeit dass der Jude immer einen Fettbuckel krumme Beine und rote mauschelnde Hande behalte ein leidvoll unverschamtes Wesen zur Schau trage und im ganzen einen fremdartig schmieren Aspekt gewahre Im Gegenteil gebe es heute schon junge Leute die sich bei englischem Sport und gunstigen Bedingungen entwickelt hatten ohne ihre Art zu verleugnen und wohlgeraten und auf eine Weise elegant seien die jedem germanischen Magdlein oder Jungling den Gedanken einer Mischehe recht leidlich erscheinen lassen musse 4 Hintergrund BearbeitenJulius Moses hatte sich mit einem Rundschreiben an zahlreiche Personlichkeiten des offentlichen Lebens gewandt und Fragen zur kulturellen Assimilation Fortentwicklung und nationalen Selbstandigkeit der Juden im Zusammenhang mit der zionistischen Bewegung aufgeworfen Am Ende seines Rundschreibens fragte er nach dem Wesen der Judenfrage nach Unterschieden in anderen Landern und der moglichen Losung Neben Rainer Maria Rilke und Maxim Gorki befand sich auch der volkische Antisemit Adolf Bartels unter den Empfangern Dieser hatte in seinem Buch Die deutsche Dichtung der Gegenwart unter anderem behauptet die Gebruder Mann seien Juden Bedeutung und Rezeption BearbeitenIn den unterschiedlichen Forschungsansatzen und literaturwissenschaftlichen Bewertungen wird immer wieder ein Spannungsverhaltnis betont Einerseits weist Thomas Mann vor allem in seinem fruhen und mittleren Werk Klischees unter Hinweis auf seinen Philosemitismus zuruck andererseits wiederholt er sie Fur Stefan Breuer zeigt der Essay erneut eine eigentumlich Spaltung Thomas Mann habe sich zwar politisch vom Antisemitismus der Zeitschrift Das zwanzigste Jahrhundert abgewendet fur die vor allem sein Bruder Heinrich aggressive Beitrage verfasst hatte doch wirkten auf dem literarischen Feld negative Stereotype fort die in einer Reihe judischer Figuren aus dem Prosawerk zu erkennen seien Auffallig sei dass der Text neben dem erklarten Philosemitismus drastische denunziatorische Darstellungen des Ghettojuden enthalte und somit eine Ambivalenz von Erklarung und antijudischen Stereotypen erkennen lasse Da es an einer weltanschaulichen Aufladung fehle konne von Antisemitismus indes nicht gesprochen werden 5 Ahnlich konstatiert Heinrich Detering einen Widerspruch zwischen der positiven Einschatzung der kulturellen Bedeutung des Judentums und einer unmerklichen Abgleitung ins Feindselige und Aufsassige So habe Thomas Mann mit selbstverstandlicher Beilaufigkeit von der entarteten und im Ghetto verelendetsten Rasse geschrieben und damit als nicht erlauterungsbedurftig vorausgesetzt das Ghetto wurde den Juden heute noch zutiefst in der Seele sitzen Mit der gonnerhaften Einschrankung der Jude musse keine krummen Beine und rote mauschelnde Hande behalte n habe der erklarte Philosemit Thomas Mann eben genau die Stereotype wiederholt die er vorher entschieden verworfen habe 6 Mit Blick auf die von Mann verwendeten Klischees in seinem fatalen Stuck weist Klaus Harpprecht darauf hin dass der Autor mit antisemitischen Publikationen vermutlich vertraut gewesen sei Die Fragwurdigkeit lasse sich schon daran erkennen dass der Essay zu Lebzeiten des Autors in keiner weiteren seiner Textsammlungen habe erscheinen durfen 7 Andererseits durfe die Perspektive nicht vergessen werden aus der heraus Thomas Mann wie ein Sohn seiner Zeit gedacht habe obwohl aufgeklarte Geister schon damals antisemitische Ressentiments als kulturlos zuruckgewiesen hatten Zum weiteren Verhaltnis Thomas Manns zum Judentum siehe Thomas Mann und das Judentum Einzelnachweise Bearbeiten Thomas Mann Die Losung der Judenfrage In Thomas Mann Gesammelte Werke in dreizehn Banden Band 13 Nachtrage Fischer Frankfurt 1974 S 459 Thomas Mann Die Losung der Judenfrage In Thomas Mann Gesammelte Werke in dreizehn Banden Band 13 Nachtrage Fischer Frankfurt 1974 S 460 Thomas Mann Die Losung der Judenfrage In Thomas Mann Gesammelte Werke in dreizehn Banden Band 13 Nachtrage Fischer Frankfurt 1974 S 466 Thomas Mann Die Losung der Judenfrage In Thomas Mann Gesammelte Werke in dreizehn Banden Band 13 Nachtrage Fischer Frankfurt 1974 S 462 Stefan Breuer Das Zwanzigste Jahrhundert und die Bruder Mann In Thomas Mann und das Judentum Thomas Mann Studien 30 Band Vittorio Klostermann Frankfurt 2004 S 95 Heinrich Detering Juden Frauen Literaten In Thomas Mann und das Judentum Thomas Mann Studien 30 Band Vittorio Klostermann Frankfurt 2004 S 17 Klaus Harpprecht Thomas Mann Eine Biographie 22 Kapitel Rowohlt 1995 S 277 Werke von Thomas Mann RomaneBuddenbrooks Konigliche Hoheit Der Zauberberg Joseph und seine Bruder Tetralogie Lotte in Weimar Doktor Faustus Der Erwahlte Bekenntnisse des Hochstaplers Felix KrullErzahlungen NovellenVision Gefallen Der Wille zum Gluck Enttauschung Der Tod Der kleine Herr Friedemann Der Bajazzo Tobias Mindernickel Der Kleiderschrank Geracht Luischen Der Weg zum Friedhof Gladius Dei Tonio Kroger Tristan Die Hungernden Das Wunderkind Ein Gluck Beim Propheten Schwere Stunde Anekdote Das Eisenbahnungluck Wie Jappe und Do Escobar sich prugelten Der Tod in Venedig Herr und Hund Gesang vom Kindchen Walsungenblut Unordnung und fruhes Leid Mario und der Zauberer Die vertauschten Kopfe Das Gesetz Die BetrogeneTheaterstuckeFiorenza Luthers Hochzeit Fragment Einzelne Essays und 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