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Unordnung und fruhes Leid ist eine Novelle von Thomas Mann die 1925 zunachst in der Neuen Rundschau publiziert wurde und 1926 als Buch erschien 1976 wurde der Stoff unter der Regie von Franz Seitz weitgehend textgetreu verfilmt wobei in einer Art Vorspann auch Motive aus Tonio Kroger mitverarbeitet wurden Darsteller sind unter anderen Martin Held Ruth Leuwerik Sabine von Maydell Hansi Kraus und Christian Kohlund Thomas Manns Munchner Villa die als Vorbild fur das Ambiente von Unordnung und fruhes Leid diente Die Erzahlung weist auffallend starke autobiographische Zuge auf Im Familienoberhaupt Professor Cornelius und seinem eleganten und bequemen Munchner Vorstadthaus sind unschwer der Autor und seine damalige Bogenhausener Villa wiederzuerkennen Das Fest dort erinnert an die typischen Kunstler und Atelierfeste der Weimarer Zeit Auch die ungewohnliche Familienkonstellation erinnert sehr an Thomas Manns eigene Verhaltnisse Seine beiden alteren Kinder Klaus und Erika befanden sich im Inflationsjahr 1923 im selben Alter wie Ingrid und Bert Cornelius und benahmen sich auch ebenso exzentrisch wie in Unordnung und fruhes Leid beschrieben Die um zwolf Jahre jungeren Geschwister Beisser und Lorchen entsprechen weitgehend Michael Mann und Elisabeth und das im Zentrum der Geschichte stehende fruhe Leid der verliebten kleinen Tanzerin hat sich ganz ahnlich auch in Wirklichkeit so zugetragen Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Die Familie Cornelius 1 2 Das Fest 2 Interpretation 3 Literatur 4 WeblinksInhalt BearbeitenDie Familie Cornelius Bearbeiten Die Novelle spielt wahrend der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg Professor Abel Cornelius Ordinarius fur fruhneuzeitliche Geschichte lebt mit seiner Frau seinen halbwuchsigen Kindern Bert und Ingrid den beiden Nachzuglern Beisser und Eleonore Lorchen sowie mehreren Bediensteten in einem eleganten Munchner Vorstadthaus In seiner Funktion als Historiker liebt er Geschichte nur sofern sie geschehen ist Die gegenwartigen Umwalzungen hasst er indes empfindet sie als gesetzlos unzusammenhangend und frech mit einem Wort als unhistorisch Die beiden alteren Kinder sind von einer gewissen spielerischen Exzentrik gepragt die sie zu allerlei Streichen veranlasst Die obligatorischen Lebensmittelrationierungen umgehen sie zum Beispiel indem sie sich in den Laden in wechselnder Verkleidung mehrmals anstellen um die erforderlichen Eier fur den Festtagskuchen zusammenzubekommen Auch haben Bert und Ingrid einmal die Besuchskartenschale der Eltern ausgeleert und die Karten kreuz und quer aber nicht ohne Sinn fur das Verwirrend Halbwahrscheinliche in die Briefkasten des Viertels verteilt woraus viel Unruhe erwuchs In der Trambahn fuhren sie schon mal laute lange gefalschte und recht ordinare Gesprache etwa uber Ingrids angeblichen Sohn der sadistisch veranlagt ist und neulich auf dem Lande eine Kuh so unbeschreiblich gemartert hat bis sich ein konservativer Herr die Erorterung derartiger Themata durch junge Leute energisch verbittet Die beiden Kleinen dagegen wachsen verwohnt und behutet heran mit heiteren Spielen mit den Eltern mit Reimversen der Kinderfrau Anna und Neckereien des Hausdieners Xaver Kleinsgutl Beisser in seiner vierjahrigen Manneswurde leidet schwer unter den Misshelligkeiten des Lebens neigt zu Jahzorn und Wutgetrampel zu verzweifelten und erbitterten Tranenergussen uber jede Kleinigkeit was die Kinderfrau Anna auf sein fettes Blut zuruckfuhrt Lorchen dagegen der Liebling ihres Vaters gefallt sich darin ihren Bruder zu unterrichten ihn uber Krankheiten wie Brustentzundung Blutentzundung und Luftentzundung aufzuklaren oder ihm im Bilderbuch die Vogel Wolkenfresser Hagelfresser und Rabenfresser zu zeigen Das Fest Bearbeiten Eines Abends geben die Grossen im Hause der Eltern ein Fest Cornelius dem solche Aktivitaten eher lastig sind halt sich zunachst im Hintergrund erledigt seine Korrespondenz und beschaftigt sich lieber in seinem Arbeitszimmer mit der Verschuldung historischer Staaten Spater mischt er sich dann doch unter die Gaste und lasst sich von seinen Kindern die jungen Gaste vorstellen u a den Brauereierben Zuber den Schauspieler Herzl den Bankbeamten und Wandervogel Sanger Moller vor allem aber den Studenten Max Hergesell Zu Anchovisbrotchen und Zigaretten tanzt man Shimmys Foxtrotts und Onestepps Die Kleinen geniessen den ungewohnten Trubel und beteiligen sich in altersgemasser Weise am Fest Zu Lorchens grossem Vergnugen beugt sich Hergesell zu ihr herunter und tanzt zum Spass mit ihr wie mit einer erwachsenen Partnerin Auf einem kurzen winterlichen Abendspaziergang hangt Professor Cornelius schwermutigen Gedanken nach vergleicht Hergesell mit seinem eigenen liederlichen Sohn Bert rasoniert uber seine am folgenden Morgen anstehenden Geschichtskollegien insbesondere uber die Idee der Gerechtigkeit und uber die Themen Sympathie und Melancholie Bei seiner Ruckkehr berichtet man ihm von Lorchens Seelennoten Sie sei zu Bett gebracht worden habe sich dabei aber nicht von Max Hergesell ihrem Tanzpartner losen wollen Max soll mein Bruder sein fleht sie nun verzweifelt ihren Vater an Der fragt sich vorwurfsvoll was die Tanzgeselligkeit da nur angerichtet habe Annas einfaltigen aber gar nicht so unzutreffenden Verweis darauf dass die weiblichen Triebe bei dem Kind ganz uhngemein lepphaft in Erscheinung traten und es das Lorchen recht heftik erwischt habe verbittet er sich brusk Auf Betreiben Xavers des jugendlichen Hausdieners kommt Max noch einmal in Lorchens Schlafzimmer zeigt sich im sichtlichen Vollgefuhl seiner Rolle als Glucksbringer Marchenprinz und Schwanenritter am Bettchen der schluchzenden Kleinen die daraufhin selig einschlaft Cornelius preist den Himmel dass eine Kindernacht zwischen Tag und Tag einen tiefen und breiten Abgrund bildet sodass morgen der junge Hergesell nur noch ein blasser Schatten sein werde unkraftig ihrem Herzen irgendwelche Verstorung zuzufugen Interpretation Bearbeiten nbsp Erstdruck 1925 in der Literatur Zeitschrift Die neue Rundschau nbsp Impressum und AnfangEin zentrales Thema der Erzahlung ist das konservative Bewahrenwollen der Vergangenheit und der Ruckzug ins Private Konsequent verschliesst sich Geschichtsprofessor Cornelius den als gesetzlos frech und unhistorisch empfundenen Zeitstromungen eben der im Titel vorkommenden Unordnung Die schwierige politische Situation der Weimarer Republik mit ihrer Inflation ihrem politischen Extremismus und ihrer moralischen Haltlosigkeit schlagt sich hier ebenso nieder wie der am Horizont heraufziehende Nationalsozialismus Vaterliebe und ein Kindchen an der Mutterbrust seien daher zeitlos und ewig und darum sehr heilig und schon Und doch erkennt Cornelius das Unreine in dieser Liebe die Feindseligkeit darin die Opposition gegen die geschehende Geschichte zugunsten der geschehenen das heisst des Todes Ein weiteres Motiv besteht im schleichenden Ablosungsprozess der Kinder dieser Villenproletarier von ihrem grossburgerlichen Elternhaus Die Grossen Bert und Ingrid haben sich langst emanzipiert nennen ihre Eltern scherzhaft ehrwurdige Greise tanzen ihnen buchstablich auf der Nase herum und wollen Kunstler werden oder gar als Kellner in Kairo arbeiten Aber auch die Kleinen zeigen bereits Entfremdungstendenzen Lorchens Erlebnis mit dem Neuling Max Hergesell entspricht nicht nur dem zweiten Begriff des Novellentitels dem fruhen Leid sondern ist ein erster fruher Bote des Ausbrechens aus den vertrauten Kreisen Noch wird es von Cornelius im Vertrauen auf die Kurze des kindlichen Gedachtnisses beiseitegeschoben doch aufhalten kann er es letztlich nicht Mit der Figur des Max Hergesell hat Thomas Mann seinem Ruf als Schopfer sprechender Namen wieder einmal alle Ehre gemacht Der junge Mann hat sich hergesellt ein hergelaufener Geselle der sich ungefragt in wohlgemeinter aber ver storender Weise zwischen Vater und Tochter schiebt Entsprechend ambivalent ist das Verhaltnis des Professors zu ihm Einerseits schatzt er ihn als Menschen von Distinktion und Vorbild fur seinen irrlichtelierenden Sohn Bert Andererseits sind die Empfindungen die den Professor gegen den jungen Hergesell beseelen ganz eigentumlich aus Dankbarkeit Verlegenheit Hass und Bewunderung zusammengeqirlt Auch Eifersucht und Zweifel an der Lauterkeit der Motive des Studenten klingen mit an wenn er ihn scherzhaft zweideutig mahnt dass Sie sich nur keine Ruckgratverkrummung zuziehen beim Bucken Beachtung verdient auch das zahlreiche Dienstpersonal der Villa das einen facettenhaften Einblick in die Sozialstruktur der Weimarer Zeit erlaubt die einfaltige mit strenger Beschranktheit agierende Kinderfrau Anna die ihr neues Gebiss fur den Gesprachsstoff weiter Kreise halt und in uberkompensatorischer Unterdruckung ihres Standesjargons auch weiche Konsonanten hart spricht Der schalkhafte mit seiner Stellung weitgehend zufriedene Xaver Kleinsgutl dessen Namen Mann von seinem langjahrigen renitenten Dienstmadchen Josepha Kleinsgutl Affa entlehnt hat Schliesslich die aus dem Burgertum in die Dienstbotensphare abgestiegenen von dem von vornherein gleich niedrig geborenen Kleinsgutl verhohnten Schwestern Hinterhofer Literatur BearbeitenThomas Mann Unordnung und fruhes Leid und andere Erzahlungen Frankfurt 1991 ISBN 3 596 29441 XWeblinks BearbeitenThomas Mann Figurenlexikon von Eva D Becker im Portal Literaturlexikon onlineWerke von Thomas Mann RomaneBuddenbrooks Konigliche Hoheit Der Zauberberg Joseph und seine Bruder Tetralogie Lotte in Weimar Doktor Faustus Der Erwahlte Bekenntnisse des Hochstaplers Felix KrullErzahlungen NovellenVision Gefallen Der Wille zum Gluck Enttauschung Der Tod Der kleine Herr Friedemann Der Bajazzo Tobias Mindernickel Der Kleiderschrank Geracht Luischen Der Weg zum Friedhof Gladius Dei Tonio Kroger Tristan Die Hungernden Das Wunderkind Ein Gluck Beim Propheten Schwere Stunde Anekdote Das Eisenbahnungluck Wie Jappe und Do Escobar sich prugelten Der Tod in Venedig Herr und Hund Gesang vom Kindchen 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