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Die vertauschten Kopfe Untertitel Eine indische Legende ist die langste Erzahlung von Thomas Mann Sie erschien erstmals im Oktober 1940 in Stockholm Die Arbeit daran hatte der Autor am 1 Januar 1940 in Princeton begonnen und am 28 Juli 1940 in Kalifornien abgeschlossen Die Erzahlung Thomas Manns basiert auf der sechsten Erzahlung der als Vetalapancaviṃsatika bekannten Sammlung von 25 Geschichten eines Leichengespenstes vetala die wiederum in der ca 350 Erzahlungen beinhaltenden Sammlung Kathasaritsagara Ozean der Erzahlstrome 11 Jh uberliefert ist Dieselbe ursprunglich auf Sanskrit verfasste Erzahlung liegt auch Goethes Parialegende zugrunde 1 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Zur Form 3 Ausgaben 4 Literatur 5 FussnotenInhalt BearbeitenDer achtzehnjahrige athletisch wohlgestaltete aber ziegennasige Schmied Nanda und der drei Jahre altere vergeistigte schmalnasige Kaufmann Schridaman leben von Kindheit an in dem kleinen indischen Tempeldorf Wohlfahrt der Kuhe Verschieden an Geist und Korper Beruf und Kastenzugehorigkeit sind sie dennoch unzertrennliche Freunde geworden Sie bewundern und verspotten sich gegenseitig und unternehmen vieles gemeinsam so auch eine langere Fussreise uber Land auf der der Schmied Nanda uber eine Lieferung Roherz verhandeln und der Kaufmann Schridaman seine Textilien verkaufen will Als sie sich nach zwei Tagen am Flusschen Goldfliege erfrischen und im lauschigen Schatten der Baume Rast machen werden sie heimlich Zeuge wie am einsamen Ufer plotzlich ein anmutiges junges Madchen auftaucht um dort fur kurze Zeit ebenfalls seine Bade Andacht zu verrichten Splitternackt steht sie da mit sussesten Kinderschultern und wonnig geschwungenen Huften dazu die eine geraumige Bauchflache ergaben mit jungfraulich starrenden knospenden Brusten und prangend ausladendem Hinterteil sich verjungend nach oben zum schmalsten zierlichsten Rucken der geschmeidig eingebogen erschien da sie die Lianenarme erhoben und die Hande im Nacken verschrankt hielt so dass ihre zarten Achselhohlen sich dunkelnd eroffneten Solch reizende Korpergestalt wird vollauf bestatigt durch die Lieblichkeit des Kopfchens namentlich durch die wie Lotosblatter langgeschweiften Augen Schridaman ist derart hingerissen von so viel Schonheit dass es ihm dem sonst so Wortgewandten buchstablich die Sprache verschlagt Auch Nanda ist auf seine Art ganz hubsch ergriffen reagiert allerdings etwas gelassener da er in der Schonen ein bekanntes Gesicht wiedererkennt Es ist Sita dt die Furche aus dem Dorfe Buckelstierheim die er ein Jahr zuvor auf dem Sonnen Hilfsfest mit seinen kraftigen Armen zur Sonne geschaukelt habe Nachdem sich die ahnungslose Sita wieder angekleidet und zuruckgezogen hat trennen sich die beiden Freunde fur drei Tage um ihren unterschiedlichen Geschaften nachzugehen Bei ihrem Wiedersehen stellt sich heraus dass sich Schridamans Sehnsucht nach Sita zu einem bedenklichen Liebeskummer ausgewachsen hat Voller Verzweiflung uber diese Krankheit zum Tode sprich die Aussichtslosigkeit seiner Hoffnungen glaubt er sterben zu mussen und will sich schon umbringen Aber der bodenstandige Nanda lacht ihn aus beruhigt ihn und verspricht ihm bei der Brautschau zu helfen Und tatsachlich gelingt es ihm die beiden glucklich zu vereinen Beide geniessen die Wonnen der Ehe und schon bald sieht Sita Mutterfreuden entgegen Trotz der Schwangerschaft reist das Paar begleitet von seinem gemeinsamen Freund Nanda nach Buckelstierheim denn Sitas Eltern haben die Tochter ein halbes Jahr nicht gesehen Unterwegs lenkt der schlafrige Nanda aus Versehen den Ochsenkarren vom Weg ab in den Dschungel Die drei Reisenden verirren sich und machen vor dem Felsentempel der unnahbaren dunklen Weltenmutter Durga Halt Schridaman lasst Sita und Nanda auf dem Karren warten betritt den Opferraum des Heiligtums ergreift das dort bereit liegende Schlachtschwert und enthauptet sich Draussen warten die beiden Ahnungslosen vergebens auf Schridamans Ruckkehr Allein gelassen wagen sie kaum einander anzublicken geschweige denn miteinander zu sprechen Schliesslich beschliesst Nanda nach dem Rechten zu sehen Als er das grausige Blutbad entdeckt erkennt er rasch in welch heikle Situation er unversehens geraten ist Die Leute im Dorf werden sagen Nanda habe Schridaman ermordet weil er dessen schone Frau fur sich haben wolle Also nimmt Nanda das Schwert und enthauptet sich ebenfalls Sita harrt weiter draussen aus schimpft daruber dass auf die Manner kein Verlass sei kann sich aber letztlich nicht gegen die Ahnung von etwas Furchterlichem wehren Sie steigt vom Ochsenkarren und geht in den Tempel um den Mannern mal richtig die Kopfe zurechtzusetzen Als sie wenig spater vor der grasslichsten der Bescherungen steht wirft sie vor Entsetzen die Arme empor die Augen traten ihr aus den Hohlen und von einer Ohnmacht entseelt sank sie hin zu Boden Wieder bei Bewusstsein erkennt auch Sita ihre ausweglose Situation wankt ins Freie dreht aus einer Liane eine Schlinge und will sich am nachsten Feigenbaum erhangen Das jedoch vereitelt die strenge Weltenmutter Durga Bevor die Gottin bei der Problemlosung zu helfen bereit ist muss Sita der Weltenmutter alle ihre Sunden gestehen Das tut sie denn auch in aller Ausfuhrlichkeit Spatestens bei dieser Gelegenheit erfahrt der Leser warum sich Schridaman umgebracht hat Immer wenn Sita in Schridamans Armen lag beging ihr Kopf Ehebruch sodass sie in ihrer Lust den Namen Nandas lallte weil ihr Schoss statt des schmachtigen Schridamans Leib den muskelbepackten Korper des ziegennasigen Schmieds begehrte Sita muss auf gottliche Weisung die vier Teile ihrer zwei Manner zusammensetzen Aber in ihrer Huschlichkeit macht Sita Kuddel Muddel Sie fabriziert einen Schridaman mit Nandas perfektem Korper und einen Nanda mit einem Schridaman Leib Die neue Kombination scheint ideal Beide Manner sind wieder quicklebendig und mit ihrem neuen Aussehen hochst zufrieden Aber bald steht das nachste Problem an Kopf oder Korper wer von beiden ist der Vater des Kindes Wer soll in Zukunft Sitas Ehelager teilen Der Richtspruch des Asketen Kamadamana ist gefragt Der hat sich in seine Einsiedelei im heiligen Dankakawald zuruckgezogen Sein Urteil fallt erwartungsgemass aus Der mit dem Gattenhaupt und dem Freundesleib erhalt das ringsum schongliedrige Weib Ihre angebliche Huschlichkeit hat Sita das Ziel ihrer heimlichen Wunsche beschert Nanda aber der schon immer einmal Einsiedler werden wollte zieht sich in eine Einsiedelei zuruck und legt zwischen sich und das gluckliche Paar den Engpass der Rauber die Tigerschlucht und das Tal der Vipern Sitas Sohn Samadhi wird geboren und wachst heran Ganz so glucklich wie es scheint ist die Ehe jedoch bald nicht mehr Denn Schridaman lebt sein altes Leben weiter was dazu fuhrt dass er seinen neuen Korper vernachlassigt und immer weniger attraktiv werden lasst Sita sehnt sich erneut nach Nanda In Schridamans Abwesenheit macht sie sich eines Tages mit dem kleinen Sohn auf die Suche nach Nanda Der hat sich in ein kleines Naturparadies zuruckgezogen und ist durch geistige Meditation und korperliche Arbeit inzwischen zu einem wahren Adonis geworden Als Sita seine Einsiedelei endlich findet kennt ihre lang verdrangte Liebe kein Halten mehr Ihr kleiner Sohn Samadhi spielt unterdessen im Gras stark kurzsichtig wie er ist kann er das Liebestreiben des Paars nicht sehen Als Schridaman von seinen Geschaften heimkehrt und das Haus leer findet weiss er sofort Bescheid Umsichtig packt er zwei Schwerter ein und macht sich auf den Weg zu Nanda Dort angekommen wahlt man die ehrenhafte Losung Die Manner stechen sich gegenseitig die Schwerter ins Herz und Sita lasst sich mit den Leichen ihrer beiden Manner bei lebendigem Leibe als Doppelwitwe verbrennen So ist sie auf dem Glutbett des Todes mit ihnen vereint Spater wird zum Gedenken an ihren Opfertod ein Obelisk errichtet die Asche der drei Liebenden wird in einem Tonkrug vereint und im Ganges versenkt Samadhi wird als Sohn einer Denkstein Witwe beruhmt und geniesst uberall hilfreiches Wohlwollen Er entwickelt sich zu einem stattlichen jungen Mann Selbst seine Kurzsichtigkeit gerat ihm zum Vorteil da er so seine Interessen mehr aufs Geistige und nicht zu sehr aufs Korperliche richtet Er erhalt eine Ausbildung bei einem Brahmanen bei dem er Rhetorik Grammatik Astronomie und Denkkunst studiert und bringt es schliesslich als Vorleser des Konigs von Benares zu grossem Wohlstand Zur Form BearbeitenAhnlich wie Thomas Manns letzter Roman die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull lebt auch dieser schon zehn Jahre fruher entstandene Text von seinem durchgangig ironischen Grundton Dabei erlauben sowohl die Form der Legende als auch die Wahl des marchenhaft fernen Indiens als Schauplatz des Geschehens zusatzliche Moglichkeiten des phantastischen Humors und der poetischen Ubertreibung Wenn der Erzahler dann auf dem Hohepunkt der Erzahlung behauptet In dieser Geschichte wird nicht ubertrieben liefert er damit nur das offensichtlichste Beispiel der Selbstironie des Autors Ein weiteres sprachliches Merkmal dieser Erzahlung ist der immer wieder auftauchende Wechsel im Gebrauch von parodistischem Legenden Pathos einerseits und travestistischem Bathos andererseits Die Komik dieses Wechsels verblufft und uberzeugt besonders in denjenigen Passagen in denen der Erzahler aus den feinsinnigen Hohen blumiger Beschreibungen altindischer Mythen unvermittelt abrutscht in die platten Ebenen moderner oft obendrein bayrischer Umgangssprache Ist das eine Gaudi oder Aus ist s und gar ist s 2 Stellvertretend und exemplarisch fur solche und ahnlich paradoxe Stilmischungen kann die Art und Weise gelten in der der asketische Eremit Kamadamana auf den erotischen Bericht der drei Liebenden reagiert Seine teils lyrisch rhythmisierten Worte die kaum ein intimes Detail aussparen verraten nicht nur sein zwar verleugnetes aber nach wie vor lebendiges Interesse am menschlichen Sexualleben sondern verweisen zugleich auch auf die thematische Quintessenz und Moral der gesamten Legende Uf sagte er Ihr drei seid mir die Rechten Ich war wohl auf eine lebensdunstige Geschichte gefasst gewesen aber die eure qualmt ja nur so aus allen Poren der Tastbarkeit und zwischen meinen vier Feuerbranden zur Sommerszeit ist besser aushalten als in ihrem Brodem Ware nicht meine Aschenschminke ihr konntet die rote Hitze sehen die sie mir auf den anstandig abgezehrten Wangen entzundet hat oder vielmehr auf den Knochen daruber beim asketischen Zuhoren Ach Kinder Kinder Wie den Ochsen der mit verbundenen Augen die Olmuhle dreht treibt es euch um das Rad des Werdens wobei ihr noch achzt vor Inbrunst ins zuckende Fleisch gestachelt von den sechs Muhlknechten der Leidenschaften Konnt ihr s nicht lassen Musst ihr augen und zungeln und speicheln vor Begierde schwach in den Knien beim Anblick des Trug Objekts Nun ja nun ja ich weiss es ja Der Liebesleib von bitterer Lust betaut gleitendes Gliedwerk unter fettiger Seidenhaut der Schultern holdes Kuppelrund schnuffelnde Nas irrender Mund die susse Brust geschmuckt mit Sternen zart der schweissgetrankte Achselbart ihr Weidetrifte ruheloser Hande geschmeidiger Rucken atmender Weichbauch schone Huft und Lende der Arme Wonnedruck der Schenkel Brust des Hinterfleisches kuhle Doppellust und von dem allen gierig aufgebracht das Zeugezeug in schwul unflatiger Nacht das man sich voll Entzucken zeigt einand damit zum siebten Himmel geigt und dies und das und hier und da ich weiss es ja Ich weiss es ja Hannelore Schlaffer 3 nimmt den Brutalismus geradezu als Symptom fur manche Novelle so auch fur diese nbsp Erstausgabe von 1940 mit dem OriginalumschlagAusgaben BearbeitenThomas Mann Die vertauschten Kopfe Eine indische Legende Bermann Fischer Verlag Stockholm 1940 Thomas Mann Die vertauschten Kopfe In Die Betrogene und andere Erzahlungen Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt 1994 ISBN 3 596 29442 8Literatur BearbeitenHannelore Schlaffer Poetik der Novelle Metzler Stuttgart 1993 ISBN 3 476 00957 2 Hans R Vaget in Helmut Koopmann Hrsg Thomas Mann Handbuch Kroner Stuttgart 2001 ISBN 3 520 82803 0 S 572Fussnoten Bearbeiten Siehe M Winternitz Geschichte der Indischen Litteratur Bd III Leipzig 1920 pp 334f Dieses Stilmittel erinnert von ferne an die bekannten Stellen in Thomas Manns erstem Roman Buddenbrooks wo Grunlichs gezierter Salonkonversationston abgelost wird durch Permaneders bajuwarischen Fluch Geh zum Deifi Saulud r dreckats Hannelore Schlaffer S 123 untenWerke von Thomas Mann RomaneBuddenbrooks Konigliche Hoheit Der Zauberberg Joseph und seine Bruder Tetralogie Lotte in Weimar Doktor Faustus Der Erwahlte Bekenntnisse des Hochstaplers Felix KrullErzahlungen NovellenVision Gefallen Der Wille zum Gluck Enttauschung Der Tod Der kleine Herr Friedemann Der Bajazzo Tobias Mindernickel Der Kleiderschrank Geracht Luischen Der Weg zum Friedhof Gladius Dei Tonio Kroger Tristan Die Hungernden Das Wunderkind Ein Gluck Beim Propheten Schwere Stunde Anekdote Das Eisenbahnungluck 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