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Walsungenblut ist eine Novelle von Thomas Mann Sie entstand 1906 wurde aber erst 1921 veroffentlicht und persifliert Richard Wagners Musikdrama Die Walkure indem sie die snobistische Selbstverliebtheit und inzestuose Beziehung des reichen judischen Zwillingspaars Siegmund und Sieglind beschreibt Der Titel spielt auf eine Stelle in der Walkure an in der Siegmund seine Zwillingsschwester Sieglinde mit den Worten Braut und Schwester bist du dem Bruder so bluhe denn Walsungenblut zum Inzest und Ehebruch auffordert Die Walsungen sind ein sagenhaftes germanisches Geschlecht Katia Pringsheim die zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Klaus Thomas Mann zu seinem Walsungen Geschwisterpaar Sieglind und Siegmund inspiriert haben soll Gemalde von Franz von Lenbach 1892 Die Erzahlung gehort wegen stereotyper als antisemitisch bewerteter Vorstellungen und Charakterzeichnungen zu den umstrittensten Werken Thomas Manns der wegen Verstimmungen im Hause Pringsheim eine beabsichtigte Veroffentlichung in der Neuen Rundschau verhinderte Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Veroffentlichung 3 Interpretation 4 Verfilmung 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksInhalt BearbeitenHerr Aarenhold ist ein judischer Privatmann der vor Zeiten als Bergwerksunternehmer einen gewaltigen und unversiegbaren Goldstrom in seine Kasse gelenkt hat In seiner Villa leben noch dessen erwachsene Kinder Kunz und Marit sowie die neunzehnjahrigen Zwillinge Siegmund und Sieglind Wahrend die alteren Geschwister ihren Berufen bzw ihrer Ausbildung nachgehen Kunz ist beim Militar Marit studiert Jura verachten die Zwillinge burgerliche Normalitat und Karrieredenken Vom Schicksal verwohnt sind sie ausschliesslich mit sich selbst beschaftigt und lieben einander um ihrer erlesenen Nutzlosigkeit willen Aber was sie sprachen war scharf und funkelnd gefugt Siegmund hat das Studium der Kunstgeschichte wieder aufgegeben nicht nur weil die Kommilitonen fur seine Geruchsnerven zu selten badeten sondern auch weil er sein nur mittelmassiges Zeichentalent selbst erkannt hat und weit davon entfernt ist feurige Erwartungen in sein Kunstlertum zu setzen Sieglind ist verlobt und soll demnachst den Ministerialbeamten von Beckerath 1 heiraten Dieser wird gleich zu Beginn der Erzahlung er ist bei Aarenholds zum grossburgerlichen zweiten Fruhstuck geladen erbarmungslos von den spitzzungigen Geschwistern aufs Korn genommen ohne ihnen auch nur im mindesten rhetorisch gewachsen zu sein Seine Reaktion bleibt matt und die Zwillinge voller Verachtung fur seine triviale Existenz erwarten auch gar nichts anderes von ihm Sie liessen seine arme Antwort gelten als fanden sie dass sie ihm angemessen sei und dass seine Art die Wehr des Witzes nicht notig habe Als Siegmund mit gespielt formeller Hoflichkeit Beckerath um dessen Huld und Gnade bittet seiner Schwester zu erlauben am selben Abend gemeinsam mit ihrem Bruder noch ein letztes Mal vor der Hochzeit Richard Wagners Walkure besuchen zu durfen und der Verlobte freundlich zustimmt stellt sich heraus dass Siegmund die Eintrittskarten langst besorgt hat Am Abend beginnt es zu schneien Wahrend draussen die Flocken fallen besteigen die Zwillinge die sanft durchwarmte Kutsche Sie waren im Herzen der Stadt Lichter stoben hinter den Gardinen vorbei Rings um den taktfesten Hufschlag ihrer Pferde um die lautlose Geschwindigkeit ihres Wagens der sie federnd uber Unebenheiten des Bodens trug brauste gellte und drohnte das Triebwerk des grossen Lebens Und abgeschlossen davon weichlich bewahrt davor sassen sie still in den gesteppten braunseidenen Polstern Hand in Hand In der Oper angekommen begegnen sie nicht zum ersten Mal in den nordischen Gotterkindern Siegmund und Sieglind ihren eigenen Spiegelbildern und erleben triumphierend mit wie Sieglind durch einen starken Zaubertrank den verhassten Hunding den man ihr als Ehemann aufgezwungen hat in einen Tiefschlaf versetzt um sich anschliessend ganz ihrer Leidenschaft fur Siegmund hingeben zu konnen Fasziniert lauschen die Zwillinge dem musikalischen Liebesrausch ihrer Ebenbilder In den Theaterpausen sprechen sie fast nichts und lutschen wahrend sie wie in Trance uber Gange und Treppen langsam dahinwandeln scheinbar gleichgultig an ihren eigens mitgebrachten Kognak Kirschen und Maraschino Bonbons Auf dem Heimweg sitzen die beiden wieder schweigend in der Kutsche abgeschlossen vom Alltag Nichts kann sie erreichen was sie der wilden brunstigen und uberschwenglichen Welt hatte abwendig machen konnen die mit Zaubermitteln auf sie gewirkt sie zu sich und in sich gezogen Sie trennen sich nach einem raschen und wortkargen Beisammensein am Abendessenstisch doch ist fur Siegmund der sich in sein Schlafzimmer zuruckgezogen hat klar dass Sieglind noch einmal erscheinen und ihm wie immer eine gute Nacht wunschen wird Vor dem Spiegel beginnt er die vorhin gesehenen Theaterposen auszuprobieren begibt sich wie sein Opernvorbild mit tragisch schleppenden Schritten zu dem Barenfell das auf dem Boden liegt und lasst sich dort versunken in den Anblick seines eigenen Spiegelbildes wie erschopft nieder Als Sieglind schon halb entkleidet fur die Nacht zu ihm kommt ist sie zunachst entsetzt da sie glaubt er habe sich verletzt oder sei krank Besorgt wie ihr germanisches Buhnenvorbild kniet sie neben ihm nieder und beginnt ihn zu streicheln Ihr aufgelostes Haar fiel hinab auf ihren offenen weissen Frisiermantel Unter den Spitzen ihres Mieders sah Siegmund ihre kleinen Bruste deren Hautfarbe wie angerauchter Meerschaum war Zunachst versucht sich Siegmund noch ihrer Kusse zu erwehren Als er sie jedoch genauso betrachtet wie er zuvor sich selbst betrachtete und erneut erkennt dass sie ganz wie er ist brechen alle Schranken Gleichsam wie in einem Racheakt gegen den plumpen Hunding alias Beckerath berauschen sich beide wie Hoffnungslose an ihren Liebkosungen die ubergriffen und ein hastiges Getummel wurden und zuletzt nur ein Schluchzen waren Noch wie betaubt kommt man wieder zu sich Nach Sieglinds verlegener Frage was denn nun mit Beckerath sei findet Siegmund nach anfanglicher Sprachlosigkeit wieder zur alten Wortgewandtheit zuruck und erklart gleichzeitig die inzestuose Beziehung der Geschwister zum zukunftigen Dauerzustand Dankbar solle Beckerath sein Er wird ein minder triviales Dasein fuhren von nun an Veroffentlichung BearbeitenDie Novelle sollte in der Literaturzeitung Neue Rundschau 1906 erstveroffentlicht werden doch zog Thomas Mann sie nach einem Gesprach mit seinem Schwager Klaus Pringsheim am 15 Dezember kurzfristig zuruck da er Auseinandersetzungen mit der Familie seiner Frau Katia furchtete falls das Werk von der Offentlichkeit als Schlusselerzahlung verstanden werden sollte 2 Wie die Titelfiguren die in der Erzahlung eine inzestuose Beziehung eingehen waren Katia und ihr Bruder Klaus Zwillinge und entstammten einer wohlhabenden judischen Familie Die Januarausgabe der Neuen Rundschau musste daraufhin neu gedruckt werden Nach den Erinnerungen verschiedener Zeitzeugen sollen allerdings Makulaturbogen der Novelle die als Packpapier fur andere Bucher des Fischer Verlags verwendet worden waren vom Mitarbeiter einer Munchner Buchhandlung aufbewahrt worden sein so dass Geruchte uber den Inhalt der Geschichte in Munchen die Runde machten 3 auch sollen private Abschriften der Geschichte zirkuliert haben 4 Erst 1921 erschien die Erzahlung in Buchform illustriert von Thomas Theodor Heine als Privatdruck im Phantasus Verlag Diese Ausgabe wurde 1975 vom Aufbau Verlag Berlin und Weimar als fotomechanischer Nachdruck publiziert 1958 wurde die Erzahlung in die Stockholmer Gesamtausgabe der Werke Manns aufgenommen Gegenuber der Urfassung hat Mann den Schluss in den spater publizierten Versionen entscharft und die Schlusspointe Beganeft haben wir ihn den Goi durch die oben aufgefuhrte Formulierung ersetzt Die Bezeichnung beganeft verdankte Thomas Mann Katias Vater Alfred Pringsheim Allerdings wusste der Schwiegervater nicht was sein Schwiegersohn im Sinn hatte als dieser ihn nach einem jiddischen Ausdruck fur einen gehornten Brautigam fragte Katia Mann ausserte hierzu 1973 in ihren Ungeschriebenen Memoiren Wenn Thomas Mann den Eindruck gehabt hatte zwischen mir und meinem Bruder bestunde eine unerlaubte Beziehung hatte er sich sofort von mir getrennt oder es verschwiegen aber es doch nicht in einer Novelle der Welt bekanntgegeben Es war sonnenklar dass etwas Derartiges nicht bestanden haben konnte Interpretation BearbeitenSiegmunds Figur ist gepragt von extremem Asthetizismus und Narzissmus Er ist ein decadent par excellence Nach dem Muster des 1884 erschienenen Romans A Rebours von Huysmans der bald als Manifest der decadence galt lebt Siegmund mit seiner Schwester Sieglind gegen den Strich a rebours der verachteten burgerlichen Normalitat 5 Er pflegt sich stundenlang vor seinem Spiegelkabinett pudert und parfumiert sich rasiert sich zweimal taglich und wechselt mehrmals die Krawatte Er wird deutlich androgyn gezeichnet und kann sich daher in seiner Schwester wiederfinden Du bist ganz wie ich So demonstriert die Vereinigung mit der Schwester weniger einen inzestuosen Akt als narzisstischen Selbstgenuss Der auf dem kitschigen Eisbarenfell vollzogene Inzest eine Chiffre steriler Selbstverfallenheit die auf einen unschopferischen Habitus hindeutet und deshalb ein Lieblingsmotiv der Epoche wurde 5 enthalt daruber hinaus einen ironischen Seitenhieb Thomas Manns auf den Asthetizismus seiner Zeit Denn Siegmund kann in seiner Selbststilisierung das auf der Buhne Erlebte nur unbeholfen nachahmen auch der Inzest in der Walkure geschieht auf einem Barenfell nicht aber selbst kunstlerisch produktiv tatig werden Daran hindert ihn der Reichtum Er war zu scharfsinnig um nicht zu begreifen dass die Bedingungen seines Daseins fur die Entwickelung einer gestaltenden Gabe nicht eben die gunstigsten waren Denn die Ausstattung des Lebens war so reich so vielfach so uberladen dass fur das Leben selbst beinahe kein Platz blieb Der Luxus des burgerlichen Lebens legt gleichsam die schopferischen Fahigkeiten Siegmunds lahm Und der Autor erubrigt noch so viel Sympathie fur seine Negativfigur dass er sie im instinktiven Leiden an ihrem schopferischen Manko das typisch mannsche Kunstler Credo erkennen lasst Ein Schmerz war in Siegmunds Brust ein Brennen oder Zehren irgend etwas wie eine susse Drangsal wohin wonach Es war so dunkel so schimpflich unklar Er fuhlte zwei Worte Schopfertum Leidenschaft Und wahrend die Hitze in seinen Schlafen pochte war es wie ein sehnsuchtiger Einblick dass das Schopfertum aus der Leidenschaft kam und wieder die Gestalt der Leidenschaft annahm Er sah sein eigenes Leben an dies Leben das sich aus Weichheit und Witz aus Verwohnung und Verneinung Luxus und Widerspruch Uppigkeit und Verstandeshelle reicher Sicherheit und tandelndem Hass zusammensetzte dies Leben in dem es kein Erlebnis nur logisches Spiel keine Empfindung nur totendes Bezeichnen gab Hier deutet sich der fur das Werk Thomas Manns so konstitutive Kunstler Burger Konflikt an Auch Thomas Mann befurchtete durch den Luxus den die Heirat mit Katia Pringsheim fur ihn brachte seine kunstlerische Produktivitat zu verlieren Denn uber jenem sorgenfreien Leben schwebte fur ihn auch immer das Damoklesschwert des drohenden Dilettantismus Allerdings war sich Thomas Mann ebendieser Gefahr nicht nur bewusst sondern konnte sich im Gegensatz zu Siegmund den Wohlstand zu Nutze machen Ach Reichtum ist doch eine gute Sache Ich bin Kunstler genug corruptibel genug um mich davon bezaubern zu lassen 6 Denn die Grundlage fur sein Kunstlertum ist immer die Leidenschaft die er sich auch angesichts der neuen verbesserten Lebensumstande beibehalten mochte Verfilmung BearbeitenDie Novelle wurde 1964 unter der Regie von Rolf Thiele unter dem gleichen Titel verfilmt Darsteller waren Rudolf Forster Graf Arnstatt Margot Hielscher Grafin Isabella Michael Maien Siegmund Gerd Baltus Beckerath Elena Nathanael Sieglind Die Sangerin Ingeborg Hallstein hatte einen Gastauftritt in der kleinen Rolle der Comtess Marit Arnstadt Literatur BearbeitenHelmut Koopmann Hrsg Thomas Mann Handbuch 3 Auflage Kroner Stuttgart 2001 ISBN 3 520 82803 0 Tobias Kurwinkel Apollinisches Aussenseitertum Konfigurationen von Thomas Manns Grundmotiv in Erzahltexten und Filmadaptionen des Fruhwerks Mit einem unveroffentlichten Brief von Golo Mann zur Entstehung der Filmadaption Der kleine Herr Friedemann Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2012 ISBN 978 3826046247 Ariane Totzke Die Utopie der Assimilation Zur Stigmatisierung des Judischen in Thomas Manns Walsungenblut In Wirkendes Wort 61 Nr 1 2011 S 45 61 Einzelnachweise Bearbeiten Thomas Mann wahlte den Namen Beckerath aufgrund der schwierigen Sammler Beziehung seines Schwiegervaters Alfred Pringsheim zu Adolf von Beckerath dem seinerzeit in Berlin bedeutendsten nichtjudischen Kunstsammler Klaus Harpprecht Thomas Mann Eine Biographie Rowohlt Reinbek 1995 S 270 Online Peter de Mendelssohn Der Zauberer Das Leben des deutschen Schriftstellers Thomas Mann 1 Band Frankfurt 1975 S 662 667 https www spiegel de kultur wonnen nach wagner a d17e6c1e 0002 0001 0000 000046175022 a b Jochen Schmidt Die Geschichte des Genie Gedankens in der deutschen Literatur Philosophie und Politik 1750 1945 Wiss Buchgesellschaft Darmstadt 1985 Band 2 S 240 Thomas Mann Briefe an Otto Grautoff 1894 1901 und Ida Boy Ed 1903 1928 S Fischer Frankfurt am Main 1975 ISBN 3 10 048183 6 S 156 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiversity Thomas Mann Walsungenblut 1921 Mit Lithographien von Th Th Heine Kursmaterialien Werke von Thomas Mann RomaneBuddenbrooks Konigliche Hoheit Der Zauberberg Joseph und seine Bruder Tetralogie Lotte in Weimar Doktor Faustus Der Erwahlte Bekenntnisse des Hochstaplers Felix KrullErzahlungen NovellenVision Gefallen Der Wille zum Gluck Enttauschung Der Tod Der kleine Herr Friedemann Der Bajazzo Tobias Mindernickel Der Kleiderschrank Geracht Luischen Der Weg zum Friedhof Gladius Dei Tonio Kroger Tristan Die Hungernden Das 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