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Leiden und Grosse Richard Wagners ist ein 1933 geschriebener Essay von Thomas Mann Verlagsanzeige S Fischer Berlin 1933Titelblatt Einzeldruck des Essays 1933Verso Titelblatt Einzeldruck des Essays 1933 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Inhalt 2 1 Richard Wagner 1813 1883 und sein Jahrhundert 2 2 Wagners Kunst 2 3 Figuren in dem Buhnenweihfestspiel Parsifal 2 4 Ernst und Heiterkeit in der Kunst am Beispiel Richard Wagners 2 5 Wagner als Bourgeois 2 6 Wagners Arbeitsdisziplin 2 7 Thomas Manns Bekenntnis zu Richard Wagner 3 Reaktion und Vorwurf 4 Literatur 5 Weblinks 6 Einzelnachweise und AnmerkungenEntstehung BearbeitenAnlass war das Ersuchen der Wagner Vereinigung Amsterdam am 13 Februar 1933 zur 50 Wiederkehr des Todestages von Richard Wagner einen Festvortrag im Concertgebouw zu halten Weitere Einladungen zu diesem Anlass zu sprechen erhielt Mann unter anderem auch von der Goethe Gesellschaft in Munchen Diesen Einladungen entsprach Mann mit dem Festvortrag im Auditorium maximum der Universitat Munchen am 10 Februar 1933 und einer am Folgetag angetretenen Vortragsreise die ihn und seine Frau nach Amsterdam Brussel und Paris fuhrte und von der sie nicht mehr ins Deutsche Reich zuruckkehren sollten Die Arbeit am Vortrag hatte Thomas Mann Mitte Dezember 1932 begonnen Beim Schreiben wuchs sich das Vortragsmanuskript allerdings zu einer grosseren Abhandlung aus Fertiggestellt wurde sie in Garmisch Ende Januar 1933 Der eigentliche Vortragstext wurde in Lugano nach Beendigung der Vortragsreise zu einem Essay von 52 Seiten ausgeweitet Er erschien 1933 in der April Ausgabe der Neuen Rundschau Der eigentliche Vortragstext galt lange Zeit verschollen seit 2008 ist jedoch bekannt dass das Typoskript in der Thomas Mann Collection der Yale University enthalten ist 1 2012 wurde ein Korrekturexemplar einer fur das Fruhjahr 1933 geplanten aber nie realisierten Einzelausgabe des Essays wiederentdeckt Inhalt BearbeitenRichard Wagner 1813 1883 und sein Jahrhundert Bearbeiten Richard Wagners Jahrhundert das neunzehnte wurdigt Thomas Mann in der Eroffnung des Essays als das burgerliche Von grossen Mannern sei es gepragt worden Naturwissenschaftlern und Kunstlern Im Kunstgeschmack habe ein Hang zum Grandiosen und Massenhaften bestanden Welche Riesenlasten wurden damals getragen epische Lasten im letzten Sinne dieses gewaltigen Wortes weshalb man dabei nicht nur an Balzac und Tolstoi sondern auch an Wagner denken soll Wagners Kunst Bearbeiten Das homerische Leitmotiv von Tolstoi als stehende Sprachwendung gebraucht mit der er seine Figuren charakterisiert entwickelt Wagner zum musikalischen Leitmotiv Zugleich ist Wagners Musik Sinnlichkeit Und Wagners Musikdramen enthalten Psychologie Wie in Siegfrieds Traumerei unter der Linde der Muttergedanke ins Erotische verfliesst das ist Freud das ist Analyse nichts anderes Psychologie wird in Wagners Opern mythisches Geschehen Psychologie und Mythos verschmelzen noch vor Freud Im Psychologisieren der kunstlerischen Aussage sieht Thomas Mann eine Verwandtschaft zwischen Wagner und Ibsen dem skandinavischen Sprachmeister Denn nordische Magier nordlich der Alpen schlimm verschmitzte Hexenmeister waren sie beide tief bewandert in allen Einflusterungskunsten einer so sinnigen wie ausgepichten Teufelsartistik gross in der Organisation der Wirkung im Kultus des Kleinsten in aller Doppelbodigkeit und Symbolbildung in diesem Zelebrieren des Einfalls diesem Poetisieren des Intellekts Kunstform war in Wagners Fall die Oper im Falle Ibsens das Gesellschaftsstuck Figuren in dem Buhnenweihfestspiel Parsifal Bearbeiten Thomas Mann halt Kundry fur die starkste dichterisch kuhnste Figur die Wagner je konzipiert hat Die wilde Gralsbotin ist zugleich verfuhrerisches Weib der Gedanke einer seelischen Doppelexistenz also Die Heldinnen Wagners kennzeichnet uberhaupt ein Zug von Edelhysterie etwas Somnambules Verzucktes und Seherisches das ihre romantische Heroik mit eigentumlicher und bedenklicher Modernitat durchsetzt Einige Seiten weiter wird Thomas Mann noch drastischer Der Personenzettel des Parsifal was fur eine Gesellschaft im Grunde Welche Haufung extremer und anstossiger Ausgefallenheit Ein von eigener Hand entmannter Zauberer ein desperates Doppelwesen aus Verderberin und bussender Magdalena mit kataplektischen Ubergangszustanden zwischen den beiden Existenzformen ein liebesiecher Oberpriester der auf die Erlosung durch einen keuschen Knaben harrt dieser reine Tor und Erloserknabe selbst so anders geartet als der aufgeweckte Erwecker Brunhildes und in seiner Art ebenfalls ein Fall von entlegener Sonderbarkeit Ernst und Heiterkeit in der Kunst am Beispiel Richard Wagners Bearbeiten Am Beispiel Richard Wagners beschreibt Thomas Mann das schalkhafte Naturell des Kunstlers Neue Wahrheits Erlebnisse bedeuten dem Kunstler neue Spielreize und Ausdrucksmoglichkeiten weiter nichts Er glaubt genau soweit an sie er nimmt sie genau soweit ernst als es erforderlich ist um sie zum hochsten Ausdruck zu bringen und den tiefsten Eindruck damit zu machen Es ist ihm folglich sehr ernst damit zu Tranen ernst aber nicht ganz und also garnicht Sein Kunstlerischer Ernst ist Ernst im Spiel und absoluter Natur Wenn Wagner sich im Trivialen erholte alberte und sachsische Anekdoten erzahlte so wurde Nietzsche mit dem er einige Jahre befreundet war rot fur ihn und wir verstehen seine Scham uber eine solche Behendigkeit im Wechsel des Niveaus Es ist ratsam einzusehen dass der Kunstler auch der in den feierlichsten Regionen der Kunst angesiedelte kein absolut ernster Mensch ist dass es ihm um Wirkung um hohe Vergnuglichkeit zu tun ist und dass Tragodie und Posse aus ein und derselben Wurzel kommen Eine Beleuchtungsdrehung verwandelt die eine in die andere die Posse ist ein geheimes Trauerspiel die Tragodie zuletzt ein sublimer Jux Irrendes Handeln hatte Thomas Mann in Versuch uber das Theater 1907 das Wesen der Tragodie bezeichnet 2 Das beherrschende kunstlerische Vorbild Thomas Manns Richard Wagner wird von seinem Bewunderer so charakterisiert Ja er ist Hanswurst Lichtgott und anarchistischer Sozialrevolutionar auf einmal das Theater kann nicht mehr verlangen Wagner als Bourgeois Bearbeiten Nicht zu leugnen sei dass Wagners Liebhaberei fur burgerliche Eleganz eine Neigung zur Ausartung zeigt Sie habe nichts mehr mit Meisterwurde und Durermutze zu tun sondern ist schlimmstes internationales neunzehntes Jahrhundert trage den Charakter des Bourgeoisen Der nicht nur altburgerliche sondern modern bourgeoise Einschlag in seiner menschlichen und kunstlerischen Personlichkeit ist unverkennbar der Geschmack am Uppigen am Luxus am Reichtum Samt und Seide und Grunderzeitpracht der aber tief ins Geistige und Kunstlerische reicht Am Ende sind Wagners Kunst und das Makartbukett mit Pfauenfedern das die gesteppten und vergoldeten Salons der Bourgeoisie schmuckt ein und derselben zeitlichen und asthetischen Herkunft Wagners Arbeitsdisziplin Bearbeiten Wagners Werk lasst so viel sinnig und witzig Gedachtes Anspielungsvolles verstandig Gewobenes so viele kluge Zwergenarbeit neben dem Riesen und Gotterwerk erkennen dass es unmoglich ist an Trance und Dunkelschopfung zu glauben Es ist Soliditat burgerliche Arbeitsakkuratesse wie sie sich in seinen keineswegs hingewuhlten sondern hochst sorgfaltig reinlichen Partituren spiegelt derjenigen seines entrucktesten Werkes zumal der Tristan Partitur einem Musterbild klarer penibler Kalligraphie Ein Vormittag ohne Arbeit sei ihm so ganz unertraglich erschienen Thomas Manns Bekenntnis zu Richard Wagner Bearbeiten Die Passion fur Wagners zaubervolles Werk begleitet mein Leben seit ich seiner zuerst gewahr wurde und es mir zu erobern es mit Erkenntnis zu durchdringen begann Was ich ihm als Geniessender und Lernender verdanke kann ich nie vergessen Was ich beanstande von jeher oder besser was mich gleichgultig liess war Wagners Theorie des Gesamtkunstwerkes Was sollte ich anfangen mit dieser Addition von Musik Wort Malerei und Gebarde Man braucht in der Kunst nicht ihre Gattungen zu summieren um sie vollkommen zu machen Zu der widerspruchsvollen Personlichkeit Richard Wagners Begnugen wir uns Wagners Werk zu verehren als ein gewaltiges und vieldeutiges Phanomen deutschen und abendlandischen Lebens von dem tiefste Reize ausgehen werden allezeit auf Kunst und Erkenntnis Reaktion und Vorwurf BearbeitenAls Reaktion auf die Vortrage erschien in der Osterausgabe vom 16 17 April 1933 in den Munchner Neuesten Nachrichten ein kleiner Zweispalter mit der Uberschrift Protest der Richard Wagner Stadt Munchen initiiert und verfasst vom Wagner verehrenden Direktor der Bayerischen Staatsoper Hans Knappertsbusch und unterzeichnet von 45 Personlichkeiten in einem Nachtrag noch einmal von weiteren drei Mannern uberwiegend aus Munchen darunter den Komponisten Richard Strauss Siegmund von Hausegger und Hans Pfitzner sowie dem beruhmten Zeichner Olaf Gulbransson Darin wird Thomas Mann in scharfen Worten vorgeworfen er habe Richard Wagner verunglimpft Pfitzner hatte den Text noch um einen bosen Satz entscharft Knappertsbusch hatte allerdings weder einen der insgesamt funf Vortrage gehort noch den Essay je gelesen Er kannte den Inhalt nur vom Horensagen und aus Zeitungsausschnitten die ihm aus den Niederlanden und vom Herausgeber der Munchner Zeitung MZ Wilhelm Leupold bekannt gemacht worden waren Leupold war Knappertsbuschs Bekannter aus dem Munchner Rotary Club dessen Mitglied auch Thomas Mann bis zur Streichung am 4 April 1933 war Die Streichung Manns im Rotary Club hatte gleichfalls intrigierend Leupold veranlasst Leupold und der Chefredakteur der MZ Schiedt waren es auch die den Text des Protestes in erster Linie redigiert hatten Knappertsbusch hatte mit den Nazis die er stets Proleten nannte nichts im Sinn Er wurde im Februar 1936 aus Munchen von den Nazis entfernt Die Zurechtweisung Thomas Manns im nationalsozialistischen Deutschland trug wesentlich dazu bei dass er die Warnungen seiner Kinder Erika und Klaus ernst nahm 3 und sich zur Emigration entschloss Er hatte diesen Schritt nicht vorbereitet Mann und seine Frau kehrten von ihrem so geplanten Erholungsaufenthalt nach den Vortragen in Arosa nicht mehr zuruck In seiner Erwiderung raumte Thomas Mann 4 ein der vollstandige Aufsatz sei ein an Brechungen und Abtonungen des Gedankens reiches Bekenntnis Doch in dem Vortrag der notwendig nur ein Teil des 52 seitigen Druckmanuskriptes sein konnte habe er noch auf manche psychologische Scharfe verzichtet die dem festlichen Anlass hatte zuwiderlaufen konnen Weiter bezweifelt Mann dass die Unterzeichner alle den vollstandigen Text gelesen hatten womit er vollig recht hatte Keiner der Unterzeichner kannte Rede oder Essay Eine offentliche Polemik mit Pfitzner und von Hausegger schloss sich an in der Schweiz meldete sich vehement Willi Schuh der spatere Strauss Biograf Strauss nannte den Protest spater die dumme Sache Gulbransson bat um Streichung seines Namens Knappertsbusch selbst entschuldigte sich auch offentlich Er verlor seinen Posten in Munchen Literatur BearbeitenTh M Leiden und Grosse Richard Wagners In Gesammelte Werke in 13 Banden Band 9 S Fischer Frankfurt 1974 ISBN 3 10 048177 1 S 363 427 als TB z B ebd 1995 ISBN 3 596 10310 X dass in Adel des Geistes Sechzehn Versuche zum Problem der Humanitat Bermann Fischer Stockholm 1945 erste Nachkriegsausg mehrere Auflagen bis 1948 Biographische Essays uber Adelbert von Chamisso Sigmund Freud Goethe mehrere Kleist August von Platen Hallermunde Theodor Storm u a Hans R Vaget Hrsg Im Schatten Wagners Thomas Mann uber Richard Wagner Fischer TB Frankfurt 2005 ISBN 3 596 16634 9 Georg Potempa Thomas Mann Bibliographie Cicero Morsum 1992 ISBN 3 89120 007 2 Peter de Mendelssohn Der Zauberer Das Leben des deutschen Schriftstellers Thomas Mann S Fischer Frankfurt 1975 Hans R Vaget Seelenzauber Thomas Mann und die Musik S Fischer Frankfurt 2006 ISBN 3 10 087003 4 Erwiderung Thomas Manns In Vossische Zeitung 21 April 1933 Abendausgabe S 5 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikibooks Zweideutigkeit als System Thomas Manns Forderung an die Kunst Leiden und Grosse Richard Wagners Lern und LehrmaterialienEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Mitteilung des Thomas Mann Forderkreises Munchen e V 2008 Hermann Kurzke Stephan Stachorski Hrsg Thomas Mann Essays Band 1 S 63 Die beiden hatten in einem Telefonat eindringlich vor dem schlechten Wetter in Deutschland gewarnt in der Vossischen Zeitung am 21 April 1933 von Mann ebenfalls eingeschickt an die Frankfurter Zeitung die Deutsche Allgemeine Zeitung Berlin und an die Neue Freie Presse Wien Werke von Thomas Mann RomaneBuddenbrooks Konigliche Hoheit Der Zauberberg Joseph und seine Bruder Tetralogie Lotte in Weimar Doktor Faustus Der Erwahlte Bekenntnisse des Hochstaplers Felix KrullErzahlungen NovellenVision Gefallen Der Wille zum Gluck Enttauschung Der Tod Der kleine Herr Friedemann Der Bajazzo Tobias Mindernickel Der Kleiderschrank Geracht Luischen Der Weg zum Friedhof Gladius Dei 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