www.wikidata.de-de.nina.az
Der Berliner Hostienschanderprozess war ein gegen die in der Mark Brandenburg ansassigen Juden gefuhrter Prozess denen Hostienfrevel und Kindesmord unterstellt wurde Im Ergebnis wurden 39 Juden zum Feuertod verurteilt und am 6 Juli 1510 verbrannt zwei weitere starben nach vorheriger Taufe unterm Schwert 60 inhaftierte Juden mussten nachdem sie Urfehde geleistet hatten noch im Laufe des Jahres das Land verlassen 1 Urteilsverkundung vor der Berliner Marienkirche aus dem Sumarius von 1511 Inhaltsverzeichnis 1 Historischer Hintergrund 2 Politische Folgen 3 Gedenken 4 Literatur 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHistorischer Hintergrund Bearbeiten nbsp Gedenktafel Karl Liebknecht Strasse 8 in Berlin MitteIm Berliner Hostienschanderprozess war 1510 gegen die in der Mark Brandenburg ansassigen Juden Anklage wegen Hostienfrevel und Kindesmord erhoben worden Anlass dafur bot der Einbruch in die Kirche von Knoblauch und der damit verbundene Diebstahl einer vergoldeten Monstranz und zweier geweihter Hostien Der angebliche Tater der Bernauer Paul Fromm mal als Kesselflicker ein anderes Mal als Kesselschmied von Beruf erwahnt soll aus der Knoblaucher Kapelle eine Monstranz und eine Hostienbuchse mit zwei geweihten Hostien gestohlen haben Nach seiner Verhaftung gab Fromm unter Folter zu Protokoll den grossten Teil der Hostien an den Juden Salomon aus Spandau verkauft zu haben Im nun folgenden Prozess wurden ca 100 verdachtigte Juden nach Berlin gebracht Ihnen wurde nicht nur Hostienfrevel vorgeworfen sie sollen versucht haben Teile einer geweihten Hostie in ihre Mazzen einzubacken sondern auch die Marterung und Ermordung von sieben Christenkindern Eine Flugschrift berichtete uber den angeblichen Hostienfrevel in der Ortschaft Knobloch Aber Salomon der jud hat das hochwirdig Sacrament genomen auf ain eck aines tisch gelegt darauf auss hassigem judischem angepornen nedt mermals gehawen gestochen edoch hat er das nicht verwunden mugen biss so lang das er zu zorn bewegt und under vil andern ungestumen worten geflucht und gesprochen Bistu der Cristen got so erzad dich in tausendt teufel namen Auf der stund hat sich von dem stich der helig fronlechnam Cristi wunderbarlich in drej tail getailt Also das die ortter Stellen blutfarbig sind gewesen Die Juden wurden als gehassige Neider des christlichen Glaubens stilisiert die sich vergeblich an der geweihten Hostie zu schaffen machten Als unmittelbare Antwort auf den judischen Fluch soll sich die Hostie dann auf wundersame Weise zerteilt und verfarbt haben Das Eingestandnis solcher wundersamen Geschichten wurde einzelnen Juden zumeist unter Folter abgepresst 2 Die entdeckten so genannten Beweisstucke wurden im Brandenburger Dom ausgestellt die Resonanz beim glaubigen Volk war jedoch geringer als vom Klerus erhofft Am 6 Juli 1510 wurden im Ergebnis des Prozesses 39 Juden verbrannt zwei weitere nach vorheriger Taufe enthauptet 3 Paul Fromm starb nachdem er durch Berlin und Colln gefuhrt und mit gluhenden Zangen gerissen worden war ebenfalls den Feuertod 3 60 noch in Haft befindliche Juden mussten nachdem sie Urfehde geleistet hatten im Laufe des Jahres die Mark Brandenburg verlassen 1 4 Der Berliner Prozess stimmte in zahlreichen Details mit dem Sternberger Hostienschanderprozess von 1492 uberein 5 Politische Folgen BearbeitenDem Prozess folgte eine grosse Judenverfolgung in deren Ergebnis alle Juden aus der Mark Brandenburg ausgewiesen wurden Historiker die sich mit dem Ereignis befassten gaben hierfur unterschiedliche Grunde an Viele judische Grabsteine kamen nach Vertreibung der Juden ins Fundament der zu dieser Zeit im Bau befindlichen Spandauer Zitadelle 6 Von 1511 bis 1535 lebten keine Juden mehr in der Mark Durch die Ausweisung der Juden entledigten sich die Stande ihrer Glaubiger diese hatten die Vertreibung der Juden bereits 1503 vom Kurfursten gefordert Die Stande sollen vom Kurfursten gefordert haben dass die Juden am Michaelstag dem 29 September das Land verlassen sollten Ob es eine diesbezugliche Anordnung der Kurfursten gab ist nicht bekannt eher aber nicht Denn im Jahre 1509 wurden die Schutzbriefe fur 30 Juden verlangert bzw befristet fur 3 Jahre neu ausgestellt Diese 30 Juden lebten in Stendal Gardelegen Salzwedel Seehausen Werben Tangermunde Havelberg Kyritz Pritzwalk Perleberg Lenzen Brandenburg an der Havel Nauen und Cottbus Man geht davon aus dass ca 400 bis 500 Juden zu dieser Zeit in der Mark Brandenburg lebten die das Privileg hatten Geldleihgeschafte zu betreiben also im Gegensatz zu den Christen Geld gegen Zinsen verleihen durften Ihr Zins war auf 2 Pfennige fur 1 Gulden pro Woche begrenzt Auch durften sie Handel treiben Fleisch kaufen und baden Die Genehmigung einen Rabbiner zu haben der neben seiner religiosen Tatigkeit auch als Richter die Streitigkeiten unter den Juden regeln sollte musste zusatzlich erkauft werden Erst nach dem Tode des Kurfursten Joachim I 1535 wurde Juden aus Polen der Besuch von offenen Jahrmarkten in der Neumark durch dessen neuen Herrscher Hans von Kustrin gestattet 1539 folgte dann die Offnung der gesamten Mark zu Handelszwecken durch den Kurfursten Joachim II welcher ab 1543 wieder Juden in die Mark aufnahm darunter seinen judischen Hofdiener Michael der ihm sowohl ein Diener als auch ein Getreuer war Michael und seine Frau Merle waren beide wohnhaft in Frankfurt Oder und besassen zudem noch zwei Hauser in Berlin Der Grund fur die Aufnahme der Juden durfte in der grossen Schuldenlast nach dem missgluckten Turkenfeldzug zu finden sein Martin Luther war ein Gegner der Aufnahme der Juden er warnt den Kurfursten vor der judischen Tucke und lehnt deren Zulassungen ab Im Jahre 1555 ausserte der Kurfurst Joachim II dass die Christen nunmehr im verbotenen Munzgeschafte Wucher und anderem unziemlichen Handel der Juden Meister seien Die Stadte jedoch widersprachen dem und meinten dass der Wucher der Christen nicht so schadlich sei da diese schliesslich keine Pfander nahmen sondern nur Verschreibungen oder Burgen verlangten Der Jude Lippold wurde am 20 Januar 1556 fur die Dauer von 10 Jahren zum obersten Aufseher aller markischen Juden erklart Lippold aus Prag stammend war um 1550 in die Mark gekommen Die Aufgabe Lippolds war es alle Schutz und Geleitbriefe zu uberprufen und die Munzstatten zu kontrollieren etwaige Verstosse hatte er sofort anzuzeigen Kurfurst Joachim II starb in der Nacht vom 2 zum 3 Januar 1571 sein Sohn und Nachfolger Kurfurst Johann Georg liess umgehend am 3 Januar 1571 die Juden von Frankfurt Oder und Berlin festsetzen Lippold wurde verhaftet und am 28 Januar 1573 hingerichtet Die Synagoge in der Klosterstrasse zu Berlin wurde im Verlauf von Unruhen zu denen es aufgrund der neuerlichen Judenverfolgung kam zerstort 1573 mussten die Juden wie bereits 62 Jahre zuvor die Mark Brandenburg verlassen die meisten von ihnen zogen nach Polen und Bohmen Weitere 100 Jahre sollten nunmehr vergehen ehe nach Ende des Dreissigjahrigen Krieges wieder Juden in der Mark ansassig wurden Als 1750 das Generalprivileg erlassen wurde zahlte man in Brandenburg 4 716 Juden davon 2 188 in Berlin Gedenken Bearbeiten nbsp Gedenkstein fur die Opfer der Berliner Judenverbrennung in der Mollstr 11Im Jahr 1935 stiftete der Berliner Rabbiner Martin Salomonski eine Metalltafel die er an der Synagoge des Altersheimes Lietzmannstrasse anbringen liess In deren Nahe waren die sterblichen Uberreste der hingerichteten Juden beerdigt worden Die Tafel ist erhalten geblieben und wurde 1988 in einen Gedenkstein integriert Als Stifter verewigte sich Salomonski auch namentlich Der Text der hebraischen Inschrift lautet auf Deutsch Hier ruhen die Gebeine der Gerechten unter den Mitgliedern unserer ersten Gemeinde in Berlin Sie wurden als Martyrer ermordet und am 12 Aw 5270 verbrannt Diese Gedenktafel wurde von Meir dem Sohn von Abraham Salomonski im Jahr 1935 angebracht 7 Am 19 Juli 2021 liess der Berliner Magistrat nahe der Marienkirche eine Stele mit Informationen auf Deutsch und in Englisch aufstellen An diesem Ort dem damaligen Neuen Markt waren 511 Jahre zuvor die Todesurteile gegen den Kesselflicker Paul Fromm und 41 Juden aus Berlin und Brandenburg ergangen 8 9 Literatur BearbeitenWerner Heise Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571 Verlag Dr Emil Ebering Berlin 1932 Fritz Backhaus Die Hostienschandungsprozesse von Sternberg 1492 und Berlin 1510 und die Ausweisung der Juden aus Mecklenburg und der Mark Brandenburg In Jahrbuch fur Brandenburgische Landesgeschichte Band 39 1988 S 7 26 Heiko Hesse Die angebliche Hostienschandung von Knoblauch vor einem halben Jahrtausend In Historischer Verein Brandenburg Havel e V Hrsg 20 Jahresbericht 2010 2011 Brandenburg an der Havel 2011 S 99 108 Reena Perschke Andrea Theissen Das Verhangnis der Mark Brandenburg Der Hostienschandungsprozess von 1510 In MuseumsJournal Nr 2 Jg 24 Heft April Juni 2010 Berlin 2010 S 82 83 Academia edu Gesellschaft fur Judische Familien Forschung 35 50 Arthur Czellitzer 1934 Lutz Heydick Gunther Hoppe Jurgen John Historischer Fuhrer Statten und Denkmale der Geschichte 1987 Schriften des Vereins fur die Geschichte Berlins 1886 Bischofs Wolfgang Beitrage zur Geschichte des Bistums Regensburg Band 28 Regensburg 1994 Martin Krapf Kein Stein bleibt auf dem anderen 1999 Jorn R Christophersen Krisen Chancen und Bedrohungen Harrassowitz Wiesbaden 2021 ISBN 978 3 447 11710 4 S 357 379 Siehe auch BearbeitenGeschichte der Juden Mittelalter Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Berliner Hostienschanderprozess Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Beginn der judischen Geschichte in Brandenburg Als die Berliner Juden im Jahr 1510 verbrannt wurdenEinzelnachweise Bearbeiten a b Fritz Backhaus Die Hostienschandungsprozesse von Sternberg 1492 und Berlin 1510 1988 S 18 unter Bezug auf Adolph Friedrich Riedel Hrsg Codex diplomaticus Brandenburgensis Berlin 1838 1869 III Band 3 1861 S 206 f Das reformierte Quartalsmagazin Herausgegeben im Auftrag des Reformierten Bundes 3 Jahrgang 2002 Nr 3 September 2002 a b Fritz Backhaus Die Hostienschandungsprozesse von Sternberg 1492 und Berlin 1510 1988 S 7 26 Urfehde welche die Juden geschworen als sie wegen Misshandlung des Sacraments aus der Churmark verwiesen wurden vom Jahre 1510 In Riedel Adolph Friedrich Hrsg Codex diplomaticus Brandenburgensis Sammlung der Urkunden Chroniken und sonstigen Quellenschriften fur die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten III Band 3 Berlin 1861 S 206 Digitalisate Fritz Backhaus Die Hostienschandungsprozesse von Sternberg 1492 und Berlin 1510 1988 S 22 Eckart Elsner Sussmilchs Zeit in Etzin In Berlinische Monatsschrift Luisenstadtischer Bildungsverein Heft 9 1997 ISSN 0944 5560 S 11 luise berlin de Die Schrifttafel befindet sich jetzt auf einem Gedenkstein neben dem Haus Mollstrasse 11 Memento des Originals vom 8 September 2021 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www gedenktafeln in berlin de Neue Gedenktafel erinnert an Berliner Hostienschandungsprozess B Z vom 19 Juli 2021 Informationstafel zum Berliner Hostienschandungsprozess von 1510 wird enthullt Pressemitteilung auf Berlin de vom 12 Juli 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Berliner Hostienschanderprozess amp oldid 233572129