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Lippold ben Judel Chluchim 1530 in Prag 28 Januar 1573 in Berlin war Hoffaktor und Munzmeister unter Kurfurst Joachim II Hektor am kurfurstlichen Hofe zu Berlin Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Unter Joachim II 1 2 Unter Johann Georg 1 3 Hausarrest und Hinrichtung 1573 1 4 Ausweisung der Juden 1573 2 Einzelnachweise 3 Literatur 4 WeblinksLeben BearbeitenEr wurde als Sohn des Hluchim Lippold in Prag geboren Nachdem Philipp Melanchthon auf dem Furstentag zu Frankfurt am Main 1539 den versammelten Reichsfursten den markischen Pogrom von 1510 als fingiertes Justizverbrechen auseinandergesetzt hatte war Josel von Rosheim an Joachim II herangetreten und hatte die Zusage erreicht Juden die bis dahin verbotene Niederlassung in der Mark Brandenburg wieder zu erlauben In der Folge beider Begegnungen offnete Joachim II am 25 Juni 1539 die Mark wieder fur Juden und trat am 2 November desselben Jahres zum lutherischen Bekenntnis uber 1 Lippold zog mit Bruder und Vater um 1542 nach Berlin in die Stralauer Strasse im Klosterviertel Unter Joachim II Bearbeiten Nachdem Joachims II Hoffaktor Michael von Derenburg bei Uberfuhrung kurfurstlicher Einkunfte von Frankfurt an der Oder nach Berlin am 23 April 1549 einem Raububerfall zum Opfer gefallen und bald darauf todlich verungluckt war wurde Lippold im Jahre 1556 vom Kurfursten zu seinem Kammerer und Hoffaktor Hofjude ausserdem zum Vorsteher aller markischen Juden und 1567 zudem zum Munzmeister ernannt 2 Als Munzmeister verlegte er die Munze in die Poststrasse 4 im Nikolaiviertel heute Geschaftshaus Kurfurstenhofe Durch die Sonderstellung der Juden in der damaligen Zeit verbunden mit seinem Amt als Hoffaktor und damit Kreditgeber des Kurfursten teilte Lippold das Schicksal vieler europaischer Juden in ahnlich hohem Amt Er hatte ein besonderes Verhaltnis zum Kurfursten der ihm wegen seiner wenig gesicherten Aussenseiterstellung naher kommen konnte als anderen ihn aber auch hatte leicht fallen lassen konnen Lippold gelang aber der Balanceakt bis zum Tod des Kurfursten und er stand durchgehend in dessen Gunst Joachim II wollte nachdem mit ihm die markischen Hohenzollern lutherisch geworden waren fur das Herzogtum Preussen unter den dortigen lutherischen Hohenzollern als erbberechtigt mitbelehnt werden Da das Herzogtum zu der Zeit ein polnisches Lehen war galt es beim polnischen Konig Sigismund II August unter dem damals ublichen finanziellen Aufwand die Mitbelehnung zu erreichen Dies gelang 1569 belehnte der Konig zugleich Schwager Joachims II ihn und die Berliner Hohenzollern als erbberechtigt im Herzogtum Preussen Zur Finanzierung und wegen der auch sonst verschwenderischen Hofhaltung Joachims II unterwarf der Kurfurst die Einwohner der Mark insbesondere die judischen hohen Steuern Joachim II schreckte auch nicht vor Munzverschlechterung und Konfiskationen zuruck 3 Markische Kaufleute die von ausserhalb der Mark Waren importierten mussten diese in gewogenem Edelmetall bezahlen da die markische Munze wegen ihres herabgesetzten Edelmetallgehalts nicht mehr im Ausland akzeptiert wurde Joachim II verbot jedoch die Munze zu herabgesetzten Kursen zu berechnen Entsprechend entzogen sich die Kaufleute den Zwangskursen indem sie zunachst ihre Aussen und Grosshandelsgeschafte in fremder Wahrung tatigten und nachdem Joachim II dies verboten hatte in gewogenem Edelmetall zahlten Darauf reagierte der Kurfurst mit einem Verbot Edelmetall zu nutzen und zu besitzen In Edelmetall erlangte Verkaufserlose mussten zu verordneten die entwertete Landesmunze hoch taxierenden Zwangskursen an die Landeskasse verkauft werden 4 Markische Juden mussten daruber hinaus kostspielig Edelmetall importieren das sie dann unter Einstandspreis zu diktierten Inlandspreisen an den Kurfursten liefern mussten 5 Das machte es Kaufleuten unmoglich zu kostendeckenden Erlosen zu im und exportieren Lippold war als Munzmeister beauftragt die Zwangsmassnahmen gegen die Kaufleute lutherische und judische gleichermassen durchzusetzen Zu den Massnahmen gehorten auch Hausdurchsuchungen bei Kaufleuten wobei gefundenes verbotenerweise gehaltenes Edelmetall zu Gunsten des Landesherrn beschlagnahmt wurde Unter Johann Georg Bearbeiten Am 3 Januar 1571 verstarb Kurfurst Joachim II wahrend er sich in Kopenick mit einer Jagdgesellschaft aufhielt bei der auch Lippold zugegen war Der neue Kurfurst Johann Georg der von seinem Vater Schulden in Hohe von 2 5 Millionen Gulden hinterlassen bekam liess in Berlin alle Hauser der Gunstlinge des Verstorbenen durchsuchen und versiegeln und unternahm nichts gegen einen Pogrom wobei Juden misshandelt die Synagoge am Kleinen Judenhof in der nordlichen Klosterstrasse heute nordlich der Karl Liebknecht Strasse verwustet und die meisten judischen Haushalte geplundert 6 und dabei geraubte Schuldscheine offentlich verbrannt wurden Wahrend sich bedeutende lutherische Glaubiger wie der Kaufmann Grieben auf den polizeilichen Schutz verlassen konnten verhangte Johann Georg uber die so drangsalierten und geschadigten Juden zudem noch eine absolute Ausgangssperre Lippold kurfurstlicher Munzmeister und Hoffaktor wurde als vermeintlicher Schuldiger belastet und ihm die Unterschlagungen landesherrlicher Einkunfte sowie ungerechtfertigte Bereicherung unterstellt Als Hofjude war Lippold Kreditgeber und verdiente daher an gezahlten Zinsen Uber die Hohe der Zinsen war schon zu Joachims II Lebzeiten geklagt worden jedoch hatte dieser die Beschwerden zuruckgewiesen mit der Begrundung dass lutherische Kreditgeber im markischen Frankfurt an der Oder noch hohere Zinsen nahmen was angesichts der sich entwertenden Landeswahrung auch nicht verwunderlich ist Durch seine Stellung bei Hofe hatte es Lippold zu Reichtum und verbunden mit seiner personlichen Beziehung zu Joachim II zu Einfluss gebracht Aber er schaffte sich als Vollstrecker der landesherrlichen Finanzpolitik und Konfiskationen sowie durch seinen davon unbeeintrachtigten Reichtum und den Einfluss am Hofe auch Neider Erst nach dem Tod Joachims II bot sich adligen kaufmannischen und anderen Schuldnern die Moglichkeit sich des judischen Glaubigers zu entledigen Im Prozess wegen der Unterschlagungen entlastete das Gericht Lippold jedoch nach Prufung aller Bucher Im Gegenteil die Richter bestatigten dass der verstorbene Kurfurst Lippold noch 89 Taler und 5 Silbergroschen schuldete 7 Hausarrest und Hinrichtung 1573 Bearbeiten Der markische Kanzler Lampert Distelmeyer handigte derweil ohne Rechtsgrundlage Lippolds Schuldnern ihre versetzten Pfander und ausgestellten Schuldscheine ohne Tilgung aus Die Gegner ruhten aber dennoch nicht und Lippold der nach dreimonatiger Untersuchungshaft unter Hausarrest gestellt worden war wurde nicht etwa entlassen sondern im Jahre 1573 drei Tage vor Ablauf des Hausarrestes unter fingierten Zauberei und Mordverdacht gestellt und nach 44 der Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V einem peinlichen Gerichtsverfahren unterzogen 8 Lippold war seine Ausweglosigkeit klar er flehte ihm die Tortur zu ersparen und in der Hoffnung dann ohne Umschweife hingerichtet zu werden gestand er schriftlich alles was er sich unter Zauberei nur vorstellen konnte Er bekannte dass ehr den Teufel in einem glase und kreisse bannen und zwingen konne seinen willen zu tun auch durch seine Hulffe in Seiner kurfurstlichen Gnaden verschlossene und verriegelte Gemacher zu tagk und nacht seines gefallens kommen Sich mit dem Teuffel verbunden und ihm mitt leib und seele ergeben habe dass ehr Peter Beninkoven und Urban Kemnitzen Gifft beigebracht dass sie davon verlamen verquinen und endlich sterben mussen Auch das ehr einen schwartzen Hahnen mit Zauberei zugerichtet In der Muntze begraben dass dieser Muntzmeister kein Gedeihen am muntzen haben solte 9 Unter Folter presste man ihm das Gestandnis ab Kurfurst Joachim seinen Dienst und Schutzherrn vergiftet zu haben Auf die Frage im Verhor warum er den Landesherrn der ihm doch nur Liebes und Gutes erwiesen habe denn nur vergiftet habe gestand Lippold er habe wegen der Entwendung einer Kette die Strafe des Kurfursten gefurchtet Dabei hatte Lippold die Kette auftragsgemass zu Portugalosern umpragen lassen von denen jeder Gast im Schloss Kopenick aus der Hand Joachims II am Abend vor seinem Tode einen geschenkt bekam Lippold wurde zum Tode durch Radern und Vierteilen verurteilt Vor der Hinrichtung auf dem Neuen Markt nahe der lutherischen St Marienkirche sollte Lippold wie vorgeschrieben noch einmal horbar sein Gestandnis offentlich wiederholen Doch er brachte den Mut auf zu widerrufen So wurde er umgehend in die damals an der Spandauer Ecke Oderberger heute Rathaus Strasse gelegenen Gerichtslaube des Berliner Rathauses gezerrt und einer verscharften Folter mit Spanischen Stiefeln unterzogen worauf er alles Widerrufene fur wahr erklarte Dann raderten und vierteilten Scharfrichter Balzer und seine Knechte ihn auf dem Neuen Markt ohne erneute offentliche Wiederholung des Gestandnisses Seine Eingeweide wurden mit einem Alchemiebuch das ihm als Quelle seiner Zauberei gedient haben sollte verbrannt sein Kopf wurde auf eine Eisenstange aufgespiesst am Georgentor heute Alexanderplatz aufgestellt sein gevierteilter Leichnam an Landstrassen in jeder Himmelsrichtung vor Berlin an Galgen aufgehangt den Aasvogeln preisgegeben Sein Vermogen wurde uberwiegend eingezogen 10 Ausweisung der Juden 1573 Bearbeiten Lippolds Tod lautete eine noch schwerere Zeit fur die markischen Juden ein die unter Joachim II ohnehin hohere Zwangsabgaben und Steuern zu zahlen hatten als andere Landeskinder Johann Georg verfugte ihre Vertreibung bis spatestens am 1 Februar 1573 wobei sie ihr Vermogen noch zu liquidieren und an ihn abzufuhren hatten Die meisten gingen nach Prag viele nach Polen Johann Georg verbot Juden jegliche Niederlassung in Brandenburg was erst der Grosse Kurfurst Friedrich Wilhelm durch Edikt im Jahre 1671 revidierte Lippolds Witwe Magdalena wurden 750 Taler Barschaft belassen bevor sie mit den neun Kindern ausgewiesen wurde und nach Wien ging Den Kindern von Lippolds Bruder liess Johann Georg dann noch weitere Gegenstande aus dem Haushalt Geld Kleider Silber und Goldgerat zustellen die er mit 316 Talern taxierte Magdalenas Gesuch ihr das weitere gerichtlich festgestelltermassen wohl erworbene Vermogen Lippolds auszuzahlen unterstutzte Kaiser Maximilian II worauf Johann Georg im Sommer 1578 erwiderte mehr als das was er ihr gelassen habe werde er nicht herausgeben 11 Friedrichs II Leibarzt Wilhelm Moehsen arbeitete das Justizverbrechen an Lippold auf indem er aus dem Hofarchiv des damaligen Leibarztes Paul Luther Sohn des Reformators anhand der Protokolle und Originalurkunden zu Joachims Tod die einhellig einen Ausfluss am Fusse in Kombination mit einer plotzlichen Erkaltung als Todesursache nennen den Vorwurf des Giftmordes widerlegte 12 Einzelnachweise Bearbeiten Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 64 Ingo Materna Wolfgang Ribbe Hrsg Brandenburgische Geschichte Akademie Verlag Berlin 1995 ISBN 3 05 002508 5 S 279 Digitalisat Joachim II hatte schon bis 1544 einen Schuldenberg von 700 000 Reichsthalern oder umgerechnet ca 1 000 000 Gulden angehauft Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 74 Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 75 Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 79 Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 80 Materna Ribbe Adamy Brandenburgische Geschichte 1995 S 285 mit Abbildung der Hinrichtung Digitalisat und Friedrich Christoph Jonathan Fischer Geschichte des teutschen Handels Der Schiffarth Fischerei Erfindungen Kunste Gewerbe Manufakturen der Landwirthschaft Polizey Leibeigenschaft des Zoll Munz und Bergwesens des Wechselrechts der Stadtwirthschaft und des Luxus Helwing Hannover 1792 S 122 Digitalisat Zitat mit Auszug aus der Gerichtsakte nach Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 82 Orthographie und Auslassung Wolbes sowie die originale Orthographie des Zitats bei Wolbe unverandert ubernommen Gerhild Komander Johann Georg Markgraf von Brandenburg Eugen Wolbe Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg Kedem Berlin 1937 S 87ff Heinz Knobloch Herr Moses in Berlin Auf den Spuren eines Menschenfreundes Fischer Taschenbuch Nr 12801 3 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 596 12801 3 S 306 Literatur BearbeitenJan Eik Schaurige Geschichten aus Berlin Fuhrer zu den dunklen Geheimnissen der Stadt Jaron Verlag 2003 ISBN 3 89773 115 0 S 68f Ernst Friedlander Lippold In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 18 Duncker amp Humblot Leipzig 1883 S 737 Franz Menges Lippold In Neue Deutsche Biographie NDB Band 14 Duncker amp Humblot Berlin 1985 ISBN 3 428 00195 8 S 667 f Digitalisat Oskar Schwebel Aus Alt Berlin Stille Ecken und Winkel der Reichshauptstadt in kulturhistorischen Schilderungen Arani Verlag 2001 S 92 Auszug Weblinks BearbeitenDie Hinrichtung des Munzmeisters Lippold am 28 Januar 1575 zu Berlin Kunstkopie FlugblattHofjuden Preussen Chronik deNormdaten Person GND 13708384X lobid OGND AKS VIAF 232241757 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lippold Ben ChluchimALTERNATIVNAMEN Judel Chluchim LippoldKURZBESCHREIBUNG Hoffaktor und Munzmeister zu Berlin hingerichtetGEBURTSDATUM 1530GEBURTSORT Prag Konigreich BohmenSTERBEDATUM 28 Januar 1573STERBEORT Berlin Kurfurstentum Brandenburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lippold Ben Chluchim amp oldid 238793767