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Bairisches Mittelhochdeutsch ist jene Sprache die in der Donauregion und in den Ostalpen also im bairischen Sprachraum ungefahr vom Jahr 1100 bis 1400 geschrieben wurde Es ist die Sprachform der in dieser Region entstandenen mittelhochdeutschen Manuskripte was so prominente Texte wie das Nibelungenlied den Meier Helmbrecht die Vorauer Handschriften die Millstatter Handschriften und die nichtlateinischen Teile der Carmina Burana miteinschliesst sowie die Autoren Heinrich von Melk Williram von Ebersberg Dietmar von Aist Konrad von Fussesbrunnen der Burggraf von Regensburg Walther von der Vogelweide Hugo von Montfort Oswald von Wolkenstein und die bekannteste weibliche Dichterin des Mittelalters Frau Ava Minnesanger wie Dietmar von Aist verfassten ihre Lieder im bairisch osterreichischen MittelhochdeutschDie genaue zeitliche Abgrenzung zum Altbairischen 750 1100 davor und der spater mit dem Buchdruck im gesamten oberdeutschen Sprachraum aufkommenden Druckersprache Gemainteutsch 15 Jahrhundert und der Maximilianischen Kanzleisprache 16 Jahrhundert ist oft schwierig Ebenso ist eine exakte geographische Abgrenzung problematisch da besonders zum schwabisch alemannischen Sprachraum im Fruhmittelalter noch viele linguistische Gemeinsamkeiten bestanden und viele Texte etwa der fahrenden Minnesanger dem jeweiligen regionalen Publikum angepasst wurden und so oft mehrere Versionen eines Werkes uberliefert sind Inhaltsverzeichnis 1 Geographische Abgrenzung 2 Zeitliche Abgrenzung 2 1 Spates Altbairisch bis 1100 2 2 Fruhes bairisches Mittelhochdeutsch zwischen 1100 und 1200 2 3 Bairisch im Hochmittelalter zwischen 1200 und 1300 2 4 Bairisch im Spatmittelalter 3 Uberlieferte Manuskripte und Autoren 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeographische Abgrenzung BearbeitenEine genaue geographische Abgrenzung des bairischen Mittelhochdeutsch zu den ebenfalls oberdeutschen Nachbarregionen das heisst zu den Schwaben und Alemannen im Westen sowie den Franken im Norden ist in den Urkunden der fruhen Phase teilweise nur schwer moglich Besonders im 12 Jahrhundert bestehen zwischen dem bairischen und alemannischen Mittelhochdeutsch nur einige wenige linguistische Unterschiede Dies andert sich jedoch durch die im sudbairischen Raum Karnten Tirol Steiermark entstehende neuhochdeutsche Diphthongierung die sich bis zum 14 Jahrhundert auf die gesamte heutige bayrisch osterreichische Region ausdehnt und sich bis in mitteldeutsche Regionen ausbreitet Der alemannische Westen ubernahm die Diphthongierung jedoch nicht und blieb somit lautlich konservativ wodurch sich eine deutlichere Unterscheidbarkeit ergibt Andererseits ubte die stark alemannisch gepragte Dichtersprache um den Hof der Staufer im 12 und 13 Jahrhundert einen Einfluss auf die geschriebene Sprache im bairischen Sprachraum aus und galt in dieser Zeit teilweise als Leitvarietat fur gehobene und uberregionale Literatur Gegenuber dem oberfrankischen Raum sind die linguistischen Unterschiede zunachst hingegen deutlicher Beide Sprachregionen waren zuvor auch geographisch weitgehend isoliert da sich vom Fichtelgebirge bis zur oberen Donau grosse Waldgebiete erstreckten Durch die Siedlungsexpansion der Baiern nach Norden in die Oberpfalz und in Richtung Bohmen wird auch diese zuvor teilweise slawische Sprachgegend bairischsprachig und das Nordbairische entsteht Gleichzeitig expandiert die Siedlungsgrenze der Franken nach Suden und fuhrt dort zu einer bairisch frankischen dialektalen Ubergangszone im Raum von Amberg bis Nurnberg Innerhalb des bairischen Mittelhochdeutsch ist zu dieser Zeit jedoch noch kein Unterschied zwischen Texten aus dem heutigen Bayern und dem heutigen Osterreich feststellbar Der Donauraum bildete trotz der Teilung des baierischen Stammesherzogtums im Jahr 1156 mit seinen Handelsbeziehungen eine relativ einheitliche Sprachregion die sich erst spater in der fruhen Neuzeit und durch das entstehen grosserer urbaner Zentren in einen nach Wien orientierten Ostteil und einen nach Regensburg und Ingolstadt spater nach Munchen orientierten Westteil gliedern wird Kleine erkennbare linguistische Unterschiede bestehen zu dieser Zeit nur zwischen dem Flachland und den alpinen Regionen wobei heute als typisch sudbairisch geltende Merkmale damals weiter verbreitet waren und im Voralpenland erst im Hochmittelalter durch mittelbairische Formen verdrangt werden So war etwa die aspirierte Aussprache des Fortis Konsonanten lt k gt im Anlaut auch an der Donau verbreitet und findet sich oft sogar graphisch markiert in den Texten als lt ch gt geschrieben chind chlagen Chriemhild was als lt kch gt zu lesen ist Im 12 bis 14 Jahrhundert war der alpine Raum der linguistisch innovativere so wurde etwa in den sudbairischen Dialekten die neuhochdeutsche Diphthongierung komplett bei wirklich allen langen Vokalen durchgefuhrt Erst im 12 Jahrhundert entsteht im Flachland die mittelbairische Konsonanten Lenisierung p t k zu b d g sowie im 13 Jahrhundert die L Vokalisation die sich beide nie in den alpinen Bereich ausbreiten konnten und so zu einem klaren Unterscheidungsmerkmal zwischen Mittel und Sudbairisch wurden Wobei festgehalten werden muss dass zwar im Osten Nordtirols in den Salzburger Gebirgsgauen und in den nordlichsten Teilen der Steiermark die aspirierte Aussprache des lt k gt erhalten blieb sich dort etwas spater aber auch die L Vokalisation durchsetzte Zeitliche Abgrenzung BearbeitenSpates Altbairisch bis 1100 Bearbeiten Die Grenze zwischen der althochdeutschen Sprachstufe und der mittelhochdeutschen wird fur den gesamten hochdeutschen Sprachraum meist um das Jahr 1050 angegeben Das Altbairische war jedoch noch im spaten 11 Jahrhundert produktiv So wurde noch nach 1050 im Kloster Wessobrunn eine altbairische Ubersetzung des alemannischen Sankt Gallner Notkers angefertigt Dieses Werk wird heute nach seinem Aufbewahrungsort Wiener Notker genannt Ebenfalls noch grossteils altbairischen Lautstand weist das in Regensburg nach 1067 verfasste Otlohs Gebet auf sowie die die im Kloster Tegernsee entstandenen Ruodlieb Glossen Zu diesen spaten Gruppe sind auch noch die Bibelubersetzungen des eigentlich vom Mittelrhein stammenden aber um 1060 im bayerischen Benediktinerkloster Ebersberg wirkenden Williram von Ebersberg zu zahlen die teilweise bereits zum Fruhmittelhochdeutsch gerechnet werden Lautlich schon an der Grenze zum bairischen Mittelhochdeutsch steht auch der Anfang des 12 Jahrhunderts entstandene Millstatter Blutsegen Typisch fur das spate Altbairisch ist jedoch das es ausschliesslich in den Klostern geschrieben wurde wahrend ab dem 12 Jahrhundert auch Laien zu schreiben beginnen Fruhes bairisches Mittelhochdeutsch zwischen 1100 und 1200 Bearbeiten nbsp Blatt der Millstatter Genesis Die fruhe Phase des bairischen Mittelhochdeutsch ist gepragt durch eine lautliche Nahe zu den schwabisch alemannischen Schriften dieser Zeit Dies hangt zum einen damit zusammen dass beide zur elbgermanischen Gruppe der westgermanischen Sprachen gehoren andererseits stammen oft neue modernere Schreibweisen aus dem alemannischen Westen da um diese Zeit die hofische Dichtersprache der Staufer Einfluss auf die geschriebene Sprache ausubt Schreiber aus dem heutigen bairischen Sprachraum die erstmals nicht mehr nur auf Latein schrieben sondern literarische Versuche in der Volkssprache machten orientierten sich dabei oft an der Schreibweise der Dichter am Hof der schwabischen Staufer Weiters bildet der Lech zwar die naturliche geographische Grenze beider Sprachraume die jedoch durch Handelsbeziehungen und kulturellen Austausch verwischt wird Dadurch sind Werke die in diesem Kontaktraum entstanden sind etwa in Sudtirol Vorarlberg oder Schwaben oft nicht eindeutig dem Alemannischen oder dem Bairischen zuordenbar Erst im 12 Jahrhundert beginnt sich das Bairische eindeutig von seinem westlichen Nachbarn zu unterscheiden wobei anfangs der sudbairische Sprachraum auf Ebene der Vokale der innovativere ist und spater der mittelbairische Donauraum auf Ebene der Konsonanten die Lautveranderung vorgibt Lenisierung In das fruhe 12 Jahrhundert gehoren die Werke der ersten namentlich bekannten Dichterin Frau Ava des ersten bekannten Minnesangers Der von Kurenberg des Wirnt von Grafenberg des Burggrafen von Regensburg und Dietmar von Aist Auch die alteste mittelhochdeutsche Ubersetzung des Rolandsliedes von Konrad dem Pfaffen ist in Bairisch geschrieben 1 In die spatere Phase gehoren Konrad von Fussesbrunnen Walther von der Vogelweide Reinmar der Alte und Thomasin von Zerclaere sowie die klosterlichen Werke der Vorauer Handschriften mit der Kaiserchronik A den Voraurer Buchern Mosis sowie den bairischen Versionen des Alexanderliedes vom Pfaffen Lamprecht und des Ezzoliedes Um das Jahr 1200 entstanden sind die Millstatter Handschriften mit einer sudbairischen Version der Genesis des Exodus und einem Physiologus sowie die Wiener Version davon in der Wiener Handschrift 2721 auch Altdeutsche und Wiener Genesis Exodus und Physiologus genannt Bairisch im Hochmittelalter zwischen 1200 und 1300 Bearbeiten nbsp Der Meier Helmbrecht eine sudbairische Versnovelle aus dem 13 JahrhundertIm 13 Jahrhundert entstehen neue Stadte und die Kunst des Lesens und Schreibens verbreitet sich dort bei neuen Gesellschaftsschichten Erstmals gibt es im heutigen bayrisch osterreichischen Raum auch eine grossere Zahl von uberlieferten nicht lateinischen Dokumenten die neben religiosen und literarischen Themen auch ganz alltagliche Dinge betreffen wie rechtliche Urkunden Kaufvertrage Zunftordnungen und Ortschroniken die teilweise auch von weniger gebildeten Schreibern verfasst wurden Obwohl sich diese Urkundenschreiber immer noch bemuhten sich im Schreibstil und der Orthographie an literarischen Vorbildern zu orientieren verwenden sie doch viel haufiger ein kleinraumiges Vokabular und dialektale lautliche Besonderheiten Das Aufbrechen dieses Schreibmonopols fuhrte dazu dass mundlich vermutlich schon langer gebrauchliche Formen nun auch erstmals schriftlich verwendet werden So findet sich etwa in den Urkunden dieser Zeit erstmals vermehrt die Verzwielautung Diphthongierung der langen Vokale Dabei schreiben die altehrwurdigen bischoflichen Kanzleien etwa in Regensburg oder Salzburg noch langer nach den alten Formen wahrend in kleineren Schreibstuben fruher die neuen Formen dominieren Zur selben Zeit beginnt auch die fur das Mittelbairische der Donau und Voralpenregion typische Lenisierung von p t k In Salzburger Urkunden des spaten 13 Jahrhunderts ist beispielsweise drei Mal der Wochentag Mittwoch als midichen uberliefert der Ortsname Otting Altotting wird in einer lateinischen Urkunde von 1231 als vetus Odingen geschrieben oder aus St Georgenberg in Tirol ist aus dem spaten 13 Jahrhundert mehrmals eine Person friderich satelchneht Friedrich der Sattelknecht in der Schreibweise friderich sadelchnecht uberliefert also mit einem weichen lt d gt statt einem harten lt t gt Typisch fur das sudbairische Tirolerisch in diesem Beispiel auch das aspirierte lt kh gt hier als lt ch gt geschrieben c steht wie im lateinischen fur ein k wahrend das h fur den Reibelaut ch IPA x steht 2 Wichtige bairische Autoren des 13 Jahrhunderts waren 13 Jahrhundert Wernher der Gartenaere Neidhart von Reuental Reinmar von Brennenberg Ulrich von Liechtenstein Bruder Wernher Friedrich von Sonnenburg sowie das Heldenepos Dietrichs Flucht von einem unbekannten Schreiber Bairisch im Spatmittelalter Bearbeiten 14 Jahrhundert Hadamar von Laber Andreas Kurzmann nbsp Der Sudtiroler Dichter Oswald von Wolkenstein15 Jahrhundert Johannes von Tepl Oswald von Wolkenstein Ulrich FuetrerEine Besonderheit und praktisch den Abschluss der mittelhochdeutschen Literatur im bairischen Sprachraum stellt das Ambraser Heldenbuch dar das noch Anfang des 16 Jahrhunderts in den Jahren 1504 1517 im Auftrag Kaiser Maximilians I vom Sudtiroler Schreiber Hans Ried erstellt wurde Es ist eine Sammlung der wichtigsten Texte in deutscher Sprache des 12 und 13 Jahrhunderts vom Nibelungenlied bis zu Hartmann von Aue wobei diese hier unabhangig von ihrer ursprunglichen regionalen Farbung in eine rekonstruierte mittelalterliche sudbairische Schreibsprache ubertragen wurden Uberlieferte Manuskripte und Autoren BearbeitenSterzinger Miszellaneen HandschriftLiteratur BearbeitenIngo Reiffenstein Aspekte einer Sprachgeschichte des Bayerisch Osterreichischen bis zum Beginn der fruhen Neuzeit Kapitel 191 Seite 2897 ff In Werner Besch Sprachgeschichte Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung Band 2 3 Walter de Gruyter Berlin 1998 ISBN 3110158833 Ingo Reiffenstein Metasprachliche Ausserungen uber das Deutsche und seine Subsysteme bis 1800 in historischer Sicht Kapitel 157 Seite 2205 ff In Werner Besch Sprachgeschichte Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung Band 2 3 Walter de Gruyter Berlin 1998 ISBN 3110158833 Peter Wiesinger Schreibung und Aussprache im alteren Fruhneuhochdeutschen Zum Verhaltnis von Graphem Phonem Phon am Bairischen osterreichischen Beispiel von Andreas Kurzmann um 1400 Walter de Gruyter Berlin 1996 ISBN 3110137275 online bei Google Books Walter Haas Die Mundarten in Jacob Grimms linguistischer Argumentation Kapitel 4 ab Seite 41 In Walter Haas Jacob Grimm und die deutschen Mundarten Franz Steiner Verlag Stuttgart 1990 ISBN 3515055746 Hannes Scheutz Drent und herent Dialekte im salzburgisch bayerischen Grenzgebiet EuRegio Salzburg Berchtesgadener Land Traunstein 2007 mit sprechendem Dialektatlas auf CD Rom Einzelnachweise Bearbeiten Heidelberg Universitatsbibl Cpg 112 In handschriftencensus de Abgerufen am 18 Dezember 2020 Ingo Reiffenstein in Hannes Scheutz Drent und herent 2007 S 142 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bairisches Mittelhochdeutsch amp oldid 234996582