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An mein Volk und an die deutsche Nation ist eine Proklamation vom 21 Marz 1848 die im Zusammenhang mit der Berliner Marzrevolution entstand In der Proklamation richtete sich der preussische Konig Friedrich Wilhelm IV an die nationalliberale Freiheitsbewegung der Zeit Den Entwurf der Erklarung hatte der preussische Aussenminister Heinrich Alexander von Arnim Suckow verfasst Das Dokument wurde schliesslich mit Billigung des Konigs und der Mitglieder des Staatsministeriums veroffentlicht Die in der Proklamation beanspruchte Fuhrungsrolle Preussens in der Deutschen Frage rief jedoch Widerstand sowohl bei den europaischen Grossmachten als auch bei den deutschen Fursten der Aristokratie und den Parlamenten des sogenannten Dritten Deutschlands hervor Auch die widerspruchliche Rolle des Konigs in der preussischen Nationalpolitik trug letztlich zum politischen Scheitern der Proklamation bei An mein Volk und an die Deutsche Nation wohl hauptsachlich von Heinrich Alexander von Arnim Suckow verfasst 1 21 Marz 1848 Einblattdruck auf PapierExemplar des Deutschen Historischen Museums Berlin 42 cm 62 4 cm 2 und Exemplar des Stadtarchivs Paderborn 35 cm 22 cm 3 Vorlage Infobox Gemalde Wartung Museum Inhaltsverzeichnis 1 Historischer Hintergrund der Proklamation 2 Entstehung der Proklamation und nationale Haltung des Konigs im Marz 1848 3 Inhalt der Proklamation 3 1 Anspielung auf den Befreiungskrieg von 1813 3 2 Verhaltnis zwischen Revolution und deutscher Nation 3 3 Verhaltnis zwischen Preussen und Deutschland 3 4 Zweiter Vereinigter Landtag und liberale Zugestandnisse 4 Folgen 4 1 Preussens Deutschlandpolitik in der Schleswig Holsteinischen Erhebung 4 2 Ablehnung der deutschen Kaiserwurde durch Friedrich Wilhelm IV 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHistorischer Hintergrund der Proklamation Bearbeiten nbsp Deutscher Bund 1815 1866Im Unterschied zu Frankreich und Grossbritannien bildete Deutschland bis 1871 keine politische Einheit Auch der Wiener Kongress schuf 1815 mit dem Deutschen Bund lediglich einen losen Zusammenschluss deutscher Einzelstaaten Dem Deutschen Bund fehlte eine gemeinsame Rechtsprechung Verwaltung Gesetzgebung und Heerorganisation 4 Preussen wurde aufgrund seiner aufgeklart reformerischen Tradition Christian Jansen als ein moglicher Wegbereiter in der nationalen Einigung gesehen Im Gegensatz zu Osterreich der zweiten deutschen Grossmacht war es kulturell wirtschaftlich und politisch nicht nach Osteuropa ausgerichtet Preussen wuchs 1815 vor allem nach Westen in deutsches Gebiet hinein 5 Mit dem Regierungsantritt des preussischen Konigs Friedrich Wilhelm IV am 7 Juni 1840 schien Bewegung in die sogenannte deutsche Frage zu kommen Der Offentlichkeit war bekannt dass Friedrich Wilhelm IV der deutschen Nationalbewegung nicht ablehnend gegenuberstand Allerdings war das Nationalverstandnis des neuen Konigs unvereinbar mit dem der nationalliberalen Krafte Sein Nationalkonzept basierte auf einer Wiederherstellung des 1806 untergegangenen Heiligen Romischen Reiches das er als christlichen und standischen Idealstaat ansah Ebenso glaubte er nicht die historischen Rechte der deutschen Dynastien verletzen zu durfen Wegen ihrer Einsetzung von Gottes Gnaden und ihrer seit Jahrhunderten bestehenden Herrschaftstradition meinte er auf ihre Zustimmung angewiesen zu sein um eine nationale Einigung vorantreiben zu konnen Vor allem sollten die Habsburger die zuletzt die romisch deutsche Kaiserkrone getragen hatten seinem Verstandnis nach wieder zum hochsten Haupt der Christenheit aufsteigen Sich selbst sah Friedrich Wilhelm IV in der Rolle eines zukunftigen Konigs der Deutschen der von den deutschen Fursten gewahlt und anschliessend im Frankfurter Kaiserdom St Bartholomaus gesalbt und gekront werden sollte vgl die Rolle der Kurfursten im Heiligen Romischen Reich In dieser Funktion wollte er als eine Art Premierminister so David E Barclay dem deutschen Kaiser dienen 6 An die Tradition der Erzamter des Heiligen Romischen Reiches anknupfend sah Friedrich Wilhelm IV fur sich das Amt eines Reichserzfeldherrn vor 7 Nach Christopher Clark hatte Friedrich Wilhelm IV aber durchaus Interesse an einer deutschen Kaiserwurde gehabt 8 Frank Lothar Kroll hebt hervor dass das Nationalverstandnis Friedrich Wilhelms IV weder mit dem Begriff des liberalen Nationalismus noch mit dem des konservativen Internationalismus gefasst werden kann Zwar habe der preussische Konig mit den Vertretern des konservativen Internationalismus etwa dem osterreichischen Aussenminister Metternich und Zar Nikolaus I das Interesse an Interventionismus zum Schutz der legitimen Dynastien und zur Aufrechterhaltung der alten Ordnung so Kroll geteilt lehnte aber im Gegensatz zu ihnen eine einzelstaatliche Grossmachtpolitik ab Kroll halt es fur wahrscheinlich dass Friedrich Wilhelm IV deutschen Interessen und preussischen Hegemonieanspruchen weniger Prioritat einraumte als dem Erhalt der ubernationalen Heiligen Allianz 9 Insbesondere die im Zuge der Rheinkrise von 1840 ausgeloste nationale Euphorie wollte der Konig nutzen um trotz seiner Ablehnung einer zeitgemassen Verfassung Popularitat in der preussischen Bevolkerung zu gewinnen Im Dezember 1840 schrieb er in einem Brief an Konig Ludwig I von Bayern dass er sich einen franzosischen Angriff am Rhein herbeiwunsche denn dann trete der teutsche Bund zum ersten Male als Europaische Macht auf In der Rheinkrise setzte Friedrich Wilhelm auf eine Kooperation mit Osterreich In einem Brief an Metternich vom 10 Januar 1841 forderte er dass Osterreich der Geburtshelfer des neuen Deutschlands sein musse Osterreich furchtete allerdings dass die Grundung eines deutschen Nationalstaates zu separatistischen Bewegungen im Vielvolkerstaat ermutigen wurde was den territorialen Zerfall der Habsburgermonarchie bedeuten konnte Ohne Unterstutzung aus Wien beliess Friedrich Wilhelm seine Nationalpolitik bei symbolischen Gesten so auch bei dem Kolner Dombaufest von 1842 bei dem die Grundsteinlegung zum Weiterbau des Doms zelebriert wurde Hatten das Wartburgfest 1817 und das Hambacher Fest 1832 die sakular freiheitlichen Festakte der Franzosischen Revolution nachgeahmt wollte der preussische Konig dem nun Veranstaltungen mit monarchisch christlich Werten entgegensetzen 10 11 1847 betraute Friedrich Wilhelm IV den Diplomaten Joseph von Radowitz mit der Aufgabe mit Metternich eine Reform des Deutschen Bundes auszuhandeln wobei die einzelnen deutschen Staaten nur eingeschrankt politische Souveranitat an den Bund abtreten sollten Die Zusammenarbeit zwischen Preussen und Osterreich sollte festgeschrieben werden Die Bundesreform kam jedoch nicht mehr Zustande da die Revolution von 1848 die Ansatze uberrollte 12 Entstehung der Proklamation und nationale Haltung des Konigs im Marz 1848 BearbeitenZu den sonstigen Ereignissen Marzrevolution 1848 in Berlin nbsp Der Ritt Friedrich Wilhelms IV durch Berlin am 21 Marz 1848Nachdem im Februar 1848 der franzosische Konig Louis Philippe I und im Marz 1848 der osterreichische Staatskanzler Metternich gesturzt worden waren kam es am 18 Marz auch in Berlin zu einer Massendemonstration Dem offentlichen Druck nachgebend gab der Konig um 14 Uhr ein Patent bekannt das angekundigte der bevorstehende Preussische Vereinigte Landtag sollte uber die Umgestaltung des Staatenbundes in einen Bundesstaat debattieren d h die Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes sollten sich einer gemeinsamen Bundesverfassung anschliessen Dieses nationalpolitische Zugestandnis konnte jedoch nicht mehr die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen koniglichen Truppen und Zivilisten in Berlin verhindern 13 Als der Konig am 19 Marz 1848 den Befehl gab die Truppen zuruckzuziehen begab er sich in unmittelbare Abhangigkeit von der Berliner Opposition Im Umkreis Friedrich Wilhelms gewann in dieser Situation vorerst endgultig ein Beraterkreis an Bedeutung der die Initiative dadurch wiedergewinnen wollte dass der Monarch die Fuhrung in der deutschen Einigung ubernehmen sollte Der bisherige preussische Diplomat in Paris Heinrich Alexander von Arnim Suckow der am 21 Marz 1848 zum Aussenminister ernannt wurde verbreitete ohne Absprache mit dem Konig noch am Morgen desselben Tages Plakate in Berlin die einen Ritt des Konigs mit den alten ehrwurdigen Farben deutscher Nation gemeint schwarz rot gold ankundigten Arnim legte daruber hinaus dem Staatsministerium und Konig seinen bereits am 17 Marz 1848 formulierten Entwurf zu der Proklamation An mein Volk und an die deutsche Nation vor Im Gegensatz zu Friedrich Wilhelm IV war Arnim ein liberaler Verfechter einer starken preussischen Vorherrschaft in Deutschland 14 15 Der Konig brachte seine Abneigung gegenuber solchen Planen schon wenige Stunden spater bei seinem Umritt durch die Strassen Berlins zum Ausdruck Auf dem Schlossplatz bei der Universitat dem Alexanderplatz und Collnischen Rathaus hielt er kurze Reden in denen er davor warnte die Legitimitat der anderen deutschen Fursten in Frage zu stellen Was Ihr hier seht ist keine Usurpation Ich will keine Fursten vom Throne sturzen Alles richte sich nur auf die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands 16 Auf einen Hochruf der Menge der ihn als Kaiser von Deutschland feierte reagierte der Konig ablehnend Vermutlich so der Historiker Rudiger Hachtmann zeichnete sich bereits hier die spatere Ablehnung der deutschen Kaiserkrone ab die ihm die gesamtdeutsche Frankfurter Nationalversammlung im April 1849 anbieten sollte Friedrich Wilhelm hielt die Offentlichkeit beziehungsweise Vertreter des Volkes fur nicht berechtigt ihm die Kaiserkrone zu verleihen Dies sah er allein als Vorrecht der deutschen Fursten an 17 18 Hinzu kam so der Historiker Peter Kruger Friedrich Wilhelms fehlender Blick fur Zusammenhange der Ordnung Deutschlands Mitteleuropas und der europaischen Staatenwelt Der Konig habe sich zu sehr auf Deutschland selbst fixiert 19 Inhalt der Proklamation BearbeitenAnspielung auf den Befreiungskrieg von 1813 BearbeitenUm den Anspruch einer preussischen Fuhrung Deutschlands historisch zu legitimieren zog Arnim Parallelen zu der Proklamation An mein Volk von 1813 in der Friedrich Wilhelms Vater zum Widerstand gegen die napoleonischen Truppen aufgerufen hatte Die Proklamation An mein Volk und an die deutsche Nation beginnt daher wie Folgt Mit Vertrauen sprach der Konig vor funfunddreissig Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu seinem Volke und sein Vertrauen ward nicht zuschanden Der Konig mit seinem Volke vereinigt rettete Preussen und Deutschland von Schmach und Erniedrigung Mit Vertrauen spreche Ich heute im Augenblicke wo das Vaterland in hochster Gefahr schwebt zu der deutschen Nation 20 Wie vor dem preussischen Kriegseintritt in den Befreiungskriegen so drohte auch 1848 ein Krieg gegen Frankreich Die preussische Regierung furchtete dass das revolutionare Frankreich wie schon 1792 und 1806 Preussen angreifen konnte was allerdings nicht geschah Friedrich Wilhelm IV erwog dennoch zeitweise einen Praventivkrieg gegen Paris Preussen so zumindest die Aussage der Proklamation An mein Volk und an die deutsche Nation habe also bereits in den Befreiungskriegen eine fur die nationale Sache herausragende Rolle gespielt was es nun dazu berechtigen sollte die deutsche Nation erneut anzufuhren 21 22 Tatsachlich hatte der Aufruf An mein Volk von 1813 jedoch keinen deutschen Volkskrieg begrundet Obwohl Friedrich Wilhelm III seine preussischen Untertanen in dem Dokument als Deutsche ansprach meinte er damit lediglich die Bewohner der vier ihm verbliebenen Provinzen namentlich Brandenburger Preussen Schlesier und Litauer Zudem erinnerte die Proklamation An mein Volk an die vergangene preussische Glorie unter dem Grossen Kurfursten und Friedrich den Grossen Eine Assoziation die auf eine zukunftige deutsche Einheit hinweist wird dagegen an keiner Stelle beschworen Auch Freiwilligenverbande spielten in den Befreiungskriegen anders als es Arnim in der Proklamation An mein Volk und an die deutsche Nation darstellt kaum eine Rolle Die Niederlage Napoleons wurde hauptsachlich durch die regulare preussische Armee herbeigefuhrt 23 24 Verhaltnis zwischen Revolution und deutscher Nation Bearbeiten Weiter heisst es in dem Dokument Deutschland ist von innerer Gahrung ergriffen und kann durch aussere Gefahr von mehr als einer Seite bedroht werden Rettung aus dieser doppelten gemeint revolutionare und aussenpolitische Gefahr kann nur unter einer Leitung hervorgehen Ich Friedrich Wilhelm IV ubernehme heute diese Leitung fur die Tage der Gefahr 25 Neben der Verteidigung nach aussen betonte die Proklamation also auch die Verpflichtung Preussens revolutionare Unruhen beziehungsweise innere Gahrung in Deutschland zu verhindern Zu diesem Zweck schlug der Aufruf eine Vereinigung der deutschen Fursten und Volker unter der Leitung Friedrich Wilhelms IV vor Mit diesem Vorstoss in die nationale Einheitsfrage wollte Arnim die revolutionare Bewegung unter die Kontrolle der preussischen Regierung bringen 26 Das Eingehen auf die Nationalbewegung geschah aber auch im Interesse Friedrich Wilhelms IV da dieser den deutschen Nationalismus nicht seinen liberalen und demokratischen Gegnern uberlassen wollte Auf diese Weise sollte aus Sicht des Monarchen die Nationalbewegung von freiheitlich revolutionaren Elementen gereinigt und zugleich mit den konservativen Kraften versohnt werden 27 Kroll sieht die Tage der Gefahr als Hinweis auf die seit dem Sturz des Staatskanzlers Metternich bestehende Handlungsunfahigkeit Osterreichs im Deutschen Bund an Da Osterreich als historisch legitime deutsche Fuhrungsmacht ausfalle musse Preussen vorubergehend dessen leitende Position einnehmen 28 Im weiteren Verlauf wird um Friedrich Wilhelms Nationalkonzept entgegenzukommen auf das Banner des Heiligen Romischen Reiches angespielt Ich habe heute die alten deutschen Farben angenommen und Mich und Mein Volk unter das ehrwurdige Banner des deutschen Reiches gestellt 29 Damit folgt die Proklamation der irrtumlichen Annahme die Farben Schwarz Rot Gold seien bereits die Farben des Alten Reiches gewesen Tatsachlich setzte sich die Fahne der romisch deutschen Kaiser aber aus einem schwarzen Doppelkopfadler auf goldenem Hintergrund zusammen 30 31 Verhaltnis zwischen Preussen und Deutschland Bearbeiten Der Kernsatz der Proklamation dass Preussen fortan in Deutschland aufgehe wurde bewusst vage gehalten da innerhalb der Regierung zu unterschiedliche Vorstellungen zirkulierten wie das Verhaltnis von Preussen zu Deutschland so Rudiger Hachtmann uberhaupt gestaltet werden konnte Zudem hatte eine Konkretisierung des Einheitsplanes die um ihre politische Souveranitat furchtenden anderen deutschen Fursten nur noch mehr gegen Preussen aufgebracht Laut dem Historiker Walter Bussmann hatte Friedrich Wilhelm IV bei aller nationalen Schwarmerei sich nie mit einer volligen Auflosung Preussens abgefunden In erster Linie sei es in der Proklamation darum gegangen die Gemuter der Offentlichkeit nach dem Berliner Barrikadenkampf ruhig zu stellen wahrend die deutsche Frage eher zweitrangig gewesen sei Die Spaltung zwischen Preussen und Deutschland verfestigte sich sogar noch durch die Konkurrenz der beiden Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt am Main Der Historiker Anselm Doering Manteuffel kommt bei der mehrdeutigen Formulierung Preussen gehe fortan in Deutschland auf zu einem anderen Ergebnis Zum Zeitpunkt der Proklamation stand der Zusammentritt der Frankfurter Nationalversammlung noch aus Deshalb habe die preussische Regierung nur schwer abschatzen konnen was die Nationalbewegung konkret unter einer deutschen Einheit verstand Die Formulierung blieb entsprechend unprazise Gleichwohl sei die Proklamation nur aufgrund der hilflosen Situation des Konigs entstanden und nur ein halbherziges Bekenntnis zur Nationalbewegung 32 33 34 Zweiter Vereinigter Landtag und liberale Zugestandnisse BearbeitenIn der Proklamation heisst es weiter dass die Fursten und Stande Deutschlands dem fur April einberufenen Zweiten Vereinigten Landtag in Berlin beitreten sollten Als Mittel und gesetzliches Organ um im Verein mit Meinem Volk zur Rettung und Beruhigung Deutschlands voranzugehen bietet sich der auf den 2 April bereits einberufene Landtag dar Ich beabsichtige in einer unverzuglich naher zu erwagenden Form den Fursten und Standen Deutschlands die Gelegenheit zu eroffnen mit Organen dieses Landtages zu einer gemeinschaftlichen Versammlung zusammenzutreten 35 Diese in der Proklamation vorgeschlagene Erweiterung des preussischen Landtages zu einer deutschen Nationalvertretung so Heinrich August Winkler stellte sich als kaum realisierbares Projekt heraus Die liberalen und demokratischen Krafte in den deutschen Mittel und Kleinstaaten wollten keine preussische Vorherrschaft akzeptieren solange Preussen kein echter Verfassungsstaat war Die Institution des Vereinigten Landtages beruhte auf einer standischen Grundlage die nur einen kleinen Teil des Volkes reprasentierte und nicht aus Wahlen hervorging Um ihren Widerstand gegen den Zweiten Vereinigten Landtag zu demonstrieren schossen beispielsweise Oppositionelle in Stuttgart offentlich auf eine Puppe die Friedrich Wilhelm IV darstellen sollte und warfen sie anschliessend ins Feuer Auch in den preussischen Provinzen besonders in Schlesien kam es zu Protesten In dem letzten Satz der Proklamation wurden zentrale Marzforderungen wie die Einfuhrung von wahren constitutionellen Verfassungen Ministerverantwortlichkeit Geschworenengerichte und einer wahrhaft volksthumlichen Verwaltung scheinbar in das Regierungsprogramm aufgenommen Damit ging die Regierung zwar noch uber die Zugestandnisse in den Reformpatenten vom 18 Marz 1848 hinaus blieb jedoch in ihren Formulierungen erneut ungenau und doppeldeutig Ruckblickend rechtfertigte Friedrich Wilhelm IV dies mit der Behauptung dass er Deutschland im Marz 1848 in Flammen stehend gesehen habe und es nur mit dem unreinen Wasser des Konstitutionalismus hatte loschen konnen Er habe mit seinen liberalen Zugestandnissen lediglich beabsichtigt den revolutionaren Unruhen deutschlandweit die Grundlage zu entziehen 36 37 38 Dennoch trafen die Proklamation und das Verhalten der Regierung auf entschiedene Ablehnung im hochkonservativen Umfeld des Konigs Dieses habe so der Historiker Heinrich August Winkler darin eine widerwartige Anbiederung an die Revolution und geistigen Verrat an Preussen gesehen 39 Der konigliche Berater und Vertraute Leopold von Gerlach kommentierte die preussische Deutschlandpolitik in seinem Tagebuch folgendermassen Wie heuchlerisch ist uberhaupt diese Germanomanie und was fur Wunden hat sie nicht schon Deutschland geschlagen 40 Fur Gerlach stellte die nationale Begeisterung liberaler Auspragung der Friedrich Wilhelm in der Proklamation teilweise nachgegeben hatte einen Fremdimport aus dem revolutionaren Frankreich dar Seinem Verstandnis nach konne Deutschland in der historischen Nachfolge des Heiligen Romischen Reiches nur als ein standisch monarchischer Herrschaftsverband bestehen Von diesem Kerngedanken der bisherigen preussischen Aussenpolitik sei Friedrich Wilhelm IV aber nun abgewichen 41 Folgen BearbeitenPreussens Deutschlandpolitik in der Schleswig Holsteinischen Erhebung Bearbeiten Der in der Proklamation erhobene Anspruch Deutschland militarisch verteidigen zu wollen stellte die preussische Regierung in der sogenannten Schleswig Holsteinischen Erhebung erstmals auf die Probe Hintergrund war die multiethnische Zusammensetzung des danischen Gesamtstaates Es ging um die Frage ob die deutschsprachigen Herzogtumer Schleswig und Holstein die von dem danischen Konig Friedrich VII regiert wurden in einen deutschen Nationalstaat eingegliedert werden konnten Die danische Annexion Schleswigs am 21 Marz 1848 loste in den deutschen Staaten eine nationale Emporung aus In Kiel bildete sich eine provisorische Regierung die den Bundestag und spater die gesamtdeutsche Nationalversammlung um Aufnahme bat Am 4 April 1848 beauftragte der Bundestag die preussische Regierung mit Danemark zu einem Vermittlungsgeschaft zu kommen Abermals dem offentlichen Druck nachgebend befahl Friedrich Wilhelm IV schliesslich die Mobilmachung der preussischen Armee Am 23 April 1848 uberschritt ein unter preussischem Oberbefehl stehendes Bundesheer die Grenze zu Schleswig und drang bis nach Jutland vor Unter dem Druck Russlands Grossbritanniens Frankreichs und Schwedens musste Preussen jedoch am 26 August 1848 in den Waffenstillstand von Malmo einwilligen Dieser aussere Widerstand zeige so Christopher Clark dass die deutsche Frage letztlich eine europaische Frage war die Preussen nicht im Alleingang losen konnte Die gesamtdeutsche Nationalversammlung die die schleswig holsteinische Angelegenheit zu einer Ehrensache der deutschen Nation erklart hatte trat als Aggressor auf wahrend Danemark Territorium verteidigte das es besass Dieter Langewiesche Aus Sicht der europaischen Nachbarn konnte ein moglicher deutscher Nationalstaat das seit dem Wiener Kongress bestehende Gleichgewicht zwischen den Grossmachten storen Nach Rudiger Hachtmann kam der preussischen Regierung der Waffenstillstand jedoch durchaus entgegen Nach Malmo waren die preussischen Truppen nicht langer ausserhalb Preussens gebunden was ihren moglichen Einsatz gegen revolutionare Unruhen im Inneren beforderte 42 43 44 45 nbsp Karikatur Kreidelithografie nach einer Zeichnung von Isidor PopperAblehnung der deutschen Kaiserwurde durch Friedrich Wilhelm IV Bearbeiten Hauptartikel Kaiserdeputation Die Frage nach der Grenzziehung und Staatsform des deutschen Nationalstaates blieb bis zum Ende der Revolution kontrovers diskutiert Da allerdings die Mehrheit der Abgeordneten der gesamtdeutschen Nationalversammlung die Fursten in die neue Staatsordnung einbeziehen wollte fiel den beiden deutschen Grossmachten Osterreich und Preussen eine Schlusselrolle zu Somit gewann die Frage an Bedeutung ob Osterreich entsprechend der grossdeutschen Losung zu Deutschland gehoren oder entsprechend der kleindeutschen Losung ausgeklammert werden sollte Fur die Nationalversammlung war es jedoch nicht vorstellbar die nicht deutschsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie etwa Bohmen und Slowenien in den deutschen Nationalstaat einzugliedern Diese Vorstellung lief darauf hinaus dass die ausserdeutschen Gebiete nur durch eine lockere Personalunion mit der restlichen Donaumonarchie verbunden geblieben waren was angesichts der separatistischen Bewegungen de facto zur Auflosung des Vielvolkerstaates beigetragen hatte Die Absage aus Wien liess somit nur noch eine kleindeutsche Losung unter preussischer Fuhrung zu Am 28 Marz 1849 wahlte die Frankfurter Nationalversammlung mit 290 von insgesamt 538 moglichen Stimmen Friedrich Wilhelm IV zum Kaiser der Deutschen Der Monarch lehnte jedoch am 3 April 1849 die ihm von einer Gesandtschaft angebotene Kaiserkrone ab da er kein Herrscher von Volkes Gnaden sein und eine militarische Konfrontation mit Osterreich vermeiden wollte 46 Weblinks BearbeitenProklamation Sr Majestat des Konigs von Preussen Friedrich Wilhelm IV An mein Volk und die deutsche Nation vom 21 Marz 1848 auf documentarchiv deEinzelnachweise Bearbeiten Wolf Nitschke Adolf Heinrich Graf v Arnim Boitzenburg 1803 1868 Eine politische Biographie Berlin 2004 S 213 1 Inventarnummer S 1 8 22 Junfermann sche Buchdruckerei Siehe Wilfried Reininghaus Katalogteil In Wilfried Reininghaus Horst Conrad Hg Fur Freiheit und Recht Westfalen und Lippe in der Revolution 1848 49 Begleitbuch zur Ausstellung Fur Freiheit und Recht Munster 1999 S 141 280 hier S 167 Wolfgang J Mommsen 1848 Die ungewollte Revolution Die revolutionaren Bewegungen in Europa 1830 1849 Fischer Berlin 2000 S 31 Christian Jansen Vormarz und soziale Unruhen In Karl Marx 1818 1883 Leben Werk Zeit Theiss Stuttgart 2018 S 75 David E Barclay Anarchie und guter Wille Friedrich Wilhelm IV und die preussische Monarchie Siedler Berlin 1995 S 275 276 Peter Kruger Europaisch christliche Ordnung als Antwort auf die Krise des Staatensystems in der Mitte des 19 Jahrhunderts In Peter Kruger Julius H Schoeps Hrsg Der verkannte Monarch Friedrich Wilhelm IV in seiner Zeit Verlag fur Berlin Brandenburg Potsdam 1997 S 181 218 hier S 199 Christopher Clark Preussen Aufstieg und Niedergang 1600 1947 Pantheon Munchen 2008 S 483 Frank Lothar Kroll Friedrich Wilhelm IV und das Staatsdenken der Romantik Spiess Berlin 1990 S 152 Wolfgang J Mommsen 1848 Die ungewollte Revolution Die revolutionaren Bewegungen in Europa 1830 1849 Fischer Berlin 2000 S 72 David E Barclay Anarchie und guter Wille Friedrich Wilhelm IV und die preussische Monarchie Siedler Berlin 1995 S 87 Peter Kruger Europaisch christliche Ordnung als Antwort auf die Krise des Staatensystems in der Mitte des 19 Jahrhunderts In Peter Kruger Julius H Schoeps Hrsg Der verkannte Monarch Friedrich Wilhelm IV in seiner Zeit Verlag fur Berlin Brandenburg Potsdam 1997 S 181 218 hier S 199 Dirk Blasius Friedrich Wilhelm IV 1795 1861 Psychopathologie und Geschichte Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1992 S 122 123 Wolf Nitschke Adolf Heinrich Graf v Arnim Boitzenburg 1803 1868 Eine politische Biographie Berlin 2004 S 213 David E Barclay Anarchie und guter Wille Friedrich Wilhelm IV und die preussische Monarchie Siedler Berlin 1995 S 222 David E Barclay Anarchie und guter Wille Friedrich Wilhelm IV und die preussische Monarchie Siedler Berlin 1995 S 218 Rudiger Hachtmann Berlin 1848 Eine Politik und Gesellschaftsgeschichte der Revolution Dietz Bonn 1997 S 211 David E Barclay Anarchie und guter Wille Friedrich Wilhelm IV und die preussische Monarchie Siedler Berlin 1995 S 217 218 Peter Kruger Europaisch christliche Ordnung als Antwort auf die Krise des Staatensystems in der Mitte des 19 Jahrhunderts In Peter Kruger Julius H Schoeps Hrsg Der verkannte Monarch Friedrich Wilhelm IV in seiner Zeit Verlag fur Berlin Brandenburg Potsdam 1997 S 181 218 hier S 198 Walter Grab Hrsg Die Revolution von 1848 49 Eine Dokumentation 131 Dokumente und eine Zeittafel Nymphenburger Verlag Munchen 1980 S 59 Rudiger Hachtmann Berlin 1848 Eine Politik und Gesellschaftsgeschichte der Revolution Dietz Bonn 1997 S 122 Christopher Clark Preussen Aufstieg und Niedergang 1600 1947 Pantheon Munchen 2008 S 560 Jorg Echternkamp Der Aufstieg des deutschen Nationalismus 1770 1840 Campus Frankfurt am Main New York 1998 S 217 Peter Brandt Die Befreiungskriege von 1813 bis 1815 in der deutschen Geschichte In An der Schwelle zur Moderne Deutschland um 1800 Forschungsinstitut der Friedrich Ebert Stiftung Historisches Forschungszentrum Bonn 1999 S 99 Walter Grab Hrsg Die Revolution von 1848 49 Eine Dokumentation 131 Dokumente und eine Zeittafel Nymphenburger Verlag Munchen 1980 S 59 Dirk Blasius Friedrich Wilhelm IV 1795 1861 Psychopathologie und Geschichte Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 1992 S 129 Frank Lothar Kroll Der gesamtdeutsche Einheitsgedanke Friedrich Wilhelms IV im Krisenjahr 1848 In Friedrich Wilhelm IV und das Staatsdenken der Romantik Spiess Berlin 1990 S 128 Frank Lothar Kroll Der gesamtdeutsche Einheitsgedanke Friedrich Wilhelms IV im Krisenjahr 1848 In Friedrich Wilhelm IV und das Staatsdenken der Romantik Spiess Berlin 1990 S 130 Walter Grab Hrsg Die Revolution von 1848 49 Eine Dokumentation 131 Dokumente und eine Zeittafel Nymphenburger Verlag Munchen 1980 S 59 Dirk Blasius Friedrich Wilhelm IV 1795 1861 Psychopathologie und Geschichte Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 1992 S 129 Heinrich August Winkler Der lange Weg nach Westen Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik Beck Munchen 2014 S 103 Walter Bussmann Zwischen Preussen und Deutschland Friedrich Wilhelm IV Eine Biographie Siedler Munchen 1996 S 295 Rudiger Hachtmann Berlin 1848 Eine Politik und Gesellschaftsgeschichte der Revolution Dietz Bonn 1997 S 671 Anselm Doering Manteuffel Vom Wiener Kongress zur Pariser Konferenz England die deutsche Frage und das Machtesystem 1815 1856 Vandenhoeck Gottingen 1991 S 74 Walter Grab Hrsg Die Revolution von 1848 49 Eine Dokumentation 131 Dokumente und eine Zeittafel Nymphenburger Verlag Munchen 1980 S 59 Rudiger Hachtmann Berlin 1848 Eine Politik und Gesellschaftsgeschichte der Revolution Dietz Bonn 1997 S 291 Heinrich August Winkler Der lange Weg nach Westen Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik Beck Munchen 2014 S 103 Frank Lothar Kroll Der gesamtdeutsche Einheitsgedanke Friedrich Wilhelms IV im Krisenjahr 1848 In Friedrich Wilhelm IV und das Staatsdenken der Romantik Spiess Berlin 1990 S 129 Heinrich August Winkler Der lange Weg nach Westen Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik Beck Munchen 2014 S 103 Bernhard Ruetz Der preussische Konservatismus im Kampf gegen Einheit und Freiheit Duncker und Humblot Berlin 2001 S 78 Bernhard Ruetz Der preussische Konservatismus im Kampf gegen Einheit und Freiheit Duncker und Humblot Berlin 2001 S 78 Rudiger Hachtmann Berlin 1848 Eine Politik und Gesellschaftsgeschichte der Revolution Dietz Bonn 1997 S 670 Walter Bussmann Zwischen Preussen und Deutschland Friedrich Wilhelm IV Eine Biographie Siedler Munchen 1996 S 302 Christopher Clark Preussen Aufstieg und Niedergang 1600 1947 Pantheon Munchen 2008 S 570 Dieter Langewiesche Nation Nationalismus und Nationalstaat in Deutschland und Europa Beck Munchen 2000 S 272 Rudiger Hachtmann Berlin 1848 Eine Politik und Gesellschaftsgeschichte der Revolution Dietz Bonn 1997 S 871 873 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title An mein Volk und an die deutsche Nation amp oldid 228373180