www.wikidata.de-de.nina.az
Die Abtei Sankt Bertin franzosisch Abbaye Saint Bertin ist ein ehemaliges Kloster in der Region Hauts de France im Norden Frankreichs Es liegt etwa 30 km von der Kanalkuste zwischen Calais und Dunkirchen entfernt in der nach dem Klostergrunder benannten Stadt Saint Omer Ruine der Abtei St Bertin Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Grundung 1 2 Abt Bertinus 1 3 Fruhe Selbststandigkeit 1 4 Verbindung zum frankischen Hochadel 1 5 Literarisches Zentrum 1 6 Aufhebung und Nachnutzung 2 Liste der Abte 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenGeschichte BearbeitenGrundung Bearbeiten In der ersten Halfte des 7 Jahrhunderts war Audomar auch Otmar genannt franzosisch Omer von Konig Dagobert zum Bischof von Tarvanna auch Teruana heute Therouanne ernannt worden der romischen Colonia Morinorum Audomar schickte wohl um 648 zur Missionierung der Bevolkerung die Monche Mummolinus Bertinus und Ebertramnus Bertram in die sumpfige Gegend nordlich der Bischofsstadt um dort ein Kloster zu errichten So entstand das von Mummolinus geleitete Vetus monasterium Altes Kloster heute St Momelin Jedoch war der Ort zu sumpfig und Audomar bewog den frisch zum Christentum bekehrten ortlichen frankischen Landbesitzer Adroald dazu ihm fur den Klosterneubau den 21 Meter hohen Hugel Sithiu 1 direkt am Ufer der Aa zu schenken Dort errichteten die Monche das Kloster Sithiu Abt Bertinus Bearbeiten Bertinus amtierte nach dem um 660 als Nachfolger des Eligius zum Bischof von Noyon ernannten Mummolinus als erster Abt der Neugrundung Er bewirtschaftete das Kloster erfolgreich und benannte es nach seinem Lehrer Audomarus dem Initiator der Grundung Beide stammten offenbar auch aus demselben Geburtsort in der heutigen Normandie Bischof Audomar starb um 670 in Sithiu und galt sehr bald als Heiliger Wie Audomar und die ubrigen Missionare war Bertinus durch seine Ausbildung in dem von dem Iren Columban von Luxeuil 615 gegrundeten Kloster Luxeuil vom iroschottischen Monchtum gepragt Die Lebensweise der Monche von Sithiu war wahrscheinlich durch eine benediktinisch kolumbanischen Mischregel bestimmt die iroschottische und romische Elemente kombinierte Bertin galt spater als Apostel des heutigen Departements Pas de Calais und wurde schon um 745 ebenfalls als Heiliger verehrt Ab etwa 1100 erhielt das Kloster seinen Namen wahrend der um die Abtei entstandene Ort nach Audomar benannt blieb und noch heute Saint Omer heisst Die Stadt wuchs rasant und hatte zu Beginn des 14 Jahrhunderts bereits etwa 40 000 Einwohner Fruhe Selbststandigkeit Bearbeiten Audomar gewahrte seinen Mitarbeitern weit reichende Freiheiten und legte noch selbst den Grundstein fur die Eigenstandigkeit des Klosters Bereits erblindet unterschrieb er 663 eine Urkunde mit der er die Guter des Klosters Sithiu der Verfugung des Bischofs also seiner eigenen entzog und die Monche von seiner disziplinarischen Oberhoheit befreite 691 bestatigte Konig Chlodwig III dem Kloster auch seinerseits die Immunitat Die Exemtion der Kloster aus der bischoflichen Verfugungsgewalt war im 8 und 9 Jahrhundert ein innerkirchlich viel diskutiertes Streitthema Verbindung zum frankischen Hochadel Bearbeiten Ab 737 dem Todesjahr des Konigs Theuderich IV wurde der Merowinger Childerich III als Erbe des Thrones von Karl Martell in Saint Bertin gefangen gehalten 743 von dessen Sohn Karlmann wieder an die Regierung geholt 751 von Pippin dem Jungeren wieder abgesetzt und erneut diesmal als Monch nach Saint Bertin gebracht Auch in der folgenden Zeit blieb das Kloster immer sehr eng mit den fuhrenden Adelskreisen des Frankenreichs verbunden etwa dem Bischof Folcuin von Therouanne einem Enkel Karl Martells Die Tatigkeit des Abtes Fridugis der ein hochrangiger Berater Ludwig des Frommen war schildert der selbst aus hohem frankischen Adel stammende Chronist Folcuin von Lobbes ein Verwandter des alteren Folcuin von Therouanne im 10 Jahrhundert anders als das Wirken der nachfolgenden Abte Hugo und Hilduin uberaus negativ 2 Unabhangig davon inwieweit Folcuins Vorwurfe zutreffen oder auf unhistorischen Projektionen beruhen gab es jedenfalls zu seiner Zeit gepflegte Negativerinnerungen an Fridugis die wohl fruhe Konflikte zwischen den damals in der Regel Laien Monchen und der priesterlichen Gruppe der Chorherren widerspiegeln welche an der dem Kloster benachbarten Marienkirche wirkten und von Fridugis angeblich bevorzugt wurden 3 Aus der vom Grunderbischof Audomar gestifteten Marienkirche in der sich auch seine Grablege befand entwickelte sich die spatere Kathedrale von Saint Omer Deren Konkurrenzsituation zur Abtei blieb auch im spateren Mittelalter pragend und fuhrte zu zahlreichen Auseinandersetzungen die besonders haufig den Verbleib und die Verwahrung der Gebeine Audomars betrafen Die Abtei war schon im 8 Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der angelsachsischen Buchmalerei Im 12 Jahrhundert wurde sie von der kluniazensischen Reform erfasst und der Kongregation von Cluny eingegliedert Literarisches Zentrum Bearbeiten nbsp Die Abtei um 1756Saint Bertin war ein bedeutendes Zentrum klosterlicher Geschichtsschreibung Die Annalen von St Bertin sind eine wichtige Quelle fur die Geschichte des 9 Jahrhunderts die Schlacht von Brissarthe 866 die erste Erwahnung der Stadt Montreuil 898 die Geschichte der Rus etc finden hier ihre Schilderung Ihren Namen haben diese Annalen von der aus dem Kloster stammenden altesten erhaltenen Handschrift des Werkes Es ist jedoch weder von einem Monch aus St Bertin verfasst worden noch schildert es die Geschichte der Abtei Im 10 Jahrhundert entstanden die Gesta Abbatum Sithiensium des Folcuin die das Leben und Wirken der ersten Abte von Sithiu beschreiben Im 14 Jahrhundert war der Chronist Johannes Longus von Ypern genannt Iperius oder Yperius 1383 an der Abtei tatig dessen auf alten Quellen basierende Geschichte des Klosters Chronicon Bertinianum seu Sithiense auch zahlreiche uber diese hinaus wichtige Uberlieferungen aus der Geschichte Flanderns zusammenstellt Der Abfassungsstil weist von der mittelalterlichen Chronistik bereits auf die gelehrten Geschichts und Sammelwerke der Fruhrenaissance voraus 4 Durch Antoine de Berghes wurde die Abtei zu einem bedeutenden literarischen Mittelpunkt des Renaissancehumanismus Aufhebung und Nachnutzung Bearbeiten nbsp Nachgebautes Modell der ehemaligen AbteikircheMit Beginn der Franzosischen Revolution wurde das Klosterleben unterbunden und die Abtei Saint Bertin am 16 August 1791 aufgehoben Die Gebeine des Klostergrunders und Stadtpatrons um deren Besitz es seit dem Mittelalter uber mehrere Jahrhunderte andauernde Streitigkeiten zwischen der Abtei und dem stadtischen Domkapitel gegeben hatte gingen in der Revolutionszeit verloren weil sein Schrein aus der Kathedrale von Saint Omer nach Paris verbracht und dort eingeschmolzen wurde Die Steine der damals existierenden und aus den Jahren 1250 bis 1520 stammenden Klostergebaude dienten nach dem Sturz Napoleons als Material fur offentliche Bauten in Arras 1830 wurde der Komplex durch die Gemeinde abgerissen Im 19 Jahrhundert befand sich an der Stelle des Klosters ein Kolleg in dem unter anderen der spatere franzosische General und Staatschef von Vichy Frankreich Philippe Petain ab 1867 seine Ausbildung erhielt bevor er 1876 auf die Militarakademie von Saint Cyr wechselte In den Ruinen der Abtei im Stadtgebiet von Saint Omer befindet sich heute ein begehbares Labyrinth Liste der Abte BearbeitenAbte des Klosters Saint Bertin waren Bertin um 700 um 670 erster Abt nach Mummolinus Gedenktag 5 September Rigobertus Erlefridus Erkembodo 732 Fridugisus 834 819 Erzkanzler Ludwigs des Frommen Abt von Saint Martin de Tours von Folcuin als Zerstorer destructor des religiosen Lebens qualifiziert 3 Hugo 14 Juni 844 ausserehelicher Sohn Karls des Grossen und Erzkanzler Ludwigs des Frommen Abt 836 844 Karolinger Hugo Abbas 12 Mai 886 Abt 859 862 Welfen Fulko I 18 Abt Hilduin 19 Abt Fulko II 20 Abt Adalhard 3 April 864 Sohn Unruochs Unruochinger Adalhard nach 1 Juli 874 dessen Neffe Unruochinger Raoul Rudolf 1 Mai 892 dessen Bruder Unruochinger Adalolf Gerard de Brogne Odbert Abt 987 1007 unter dem Saint Bertin ein bedeutendes Zentrum der Vorromanik wurde Roderich Abt 1021 1042 Lambert von Saint Bertin um 1060 22 Juni 1125 Abt 1095 1125 der Saint Bertin 1099 1101 der Cluniazensischen Reform anschloss Simon van Gent Abt 1131 1137 Simon von Saint Bertin Abt 1138 1148 zuvor Abt von Auchy der so verhasst war dass er nach seiner Wahl sieben Jahren warten musste bevor er sein Amt antreten konnte Gedenktag 24 Februar Leonius Leo von Saint Bertin Abt ab 1137 38 1163 Hendricus de Condescure Jan van Ieper 58 Abt 1365 1383 Jean de Griboval 62 Abt ca 1430 1447 Jean de Medon 63 Abt 1447 1448 Gegenabt des Konvents zu Guillaume nach Paris gefluchtet Guillaume Fillastre der Jungere 64 Abt 1447 48 73 Kommendatarabt Jean de Lannoy 65 Abt 1473 1492 Anton de Glymes 1531 67 Abt 1493 Abt von Saint Bertin Haus Glymes Literatur BearbeitenPlacidus Heider Bertin us In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 2 Herder Freiburg im Breisgau 1994 Sp 293 f Karine Uge Creating the Monastic Past in Medieval Flanders York Medieval Press York 2005 ISBN 1 903153 16 6 darin Part I Saint Bertin S 17 94 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Abtei Saint Bertin Sammlung von BildernAnmerkungen Bearbeiten In den Annales Mettenses wird der Ort Sidiu genannt et in monasterium sancti Otmari quod dicitur Sidiu Wilhelm Puckert Die Unthaten des Abts Fridugis zu Sithin Falschungen von St Bertin In ders Aniane und Gellone Diplomatisch kritische Untersuchungen zur Geschichte der Reformen des Benediktinerordens im IX und X Jahrhundert Leipzig 1899 S 259 292 bes 281 a b Philippe Depreux Prosopographie de l entourage de Louis le Pieux 781 840 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1997 S 199 203 104 Fridugise bes 200 f Francis Palgrave Autor Inglis Palgrave Hrsg The History of Normandy and of England Band IV Cambridge 1921 S xxi Zur Bewertung Ernst Steindorff Balduin V In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 2 Duncker amp Humblot Leipzig 1875 S 9 50 750319 2 264535 Koordinaten 50 45 1 1 N 2 15 52 3 O Normdaten Korperschaft GND 1086389638 lobid OGND AKS LCCN n87807864 VIAF 131442366 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Abtei Saint Bertin amp oldid 234145455