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Abstammungsprinzip bezeichnet das Prinzip nach dem ein Staat seine Staatsburgerschaft an Kinder verleiht deren Eltern oder mindestens ein Elternteil selbst Staatsburger dieses Staates sind Es wird auch Ius sanguinis auch Jus sanguinis und vereinzelt ius sanguis lateinisch ius sanguinis Recht des Blutes auch als Blutrecht bezeichnet vgl Blutsverwandtschaft genannt Staaten mit ius sanguinis oder unbekanntem Staatsburgerschaftsrecht Staaten in denen das ius soli abgeschafft wurde Staaten mit Mischsystem aus beiden Prinzipien Staaten mit uneingeschranktem ius soli Es gilt in den meisten Staaten allein oder in Verbindung mit dem Geburtsortsprinzip und kann nachrangig sein gegenuber ausschliessenden Prinzipien wie der Vermeidung mehrfacher Staatsburgerschaften z B in China oder fruher weit verbreiteten und immer noch anzutreffenden Bedingungen an Geschlecht Religion oder Ethnie Das insbesondere im angelsachsischen Rechtskreis herrschende Ius soli Recht des Bodens ist ein anderes Prinzip des Staatsburgerschaftserwerbs und knupft an den Geburtsort an Es wird in manchen Staaten z B Frankreich neben dem Ius sanguinis oder in Erganzung zu diesem praktiziert In den meisten Staaten gilt eine Mischung beider Erwerbsprinzipien Geschichte BearbeitenLange war die Weitergabe der Staatsangehorigkeit allein auf den Vater beschrankt Diese patrilineare Beschrankung wurde im Zuge der Gleichstellung der Geschlechter aufgegeben ebenso wie die lange verbreitete Unterscheidung von ehelichen und nichtehelichen Kindern beim Erwerb der Staatsangehorigkeit Vor allem Staaten aus denen zahlreiche Auswanderer kamen neigten zum Abstammungsprinzip um den Zusammenhang mit ihren Volkszugehorigen auch wenn diese keine Staatsangehorigen mehr waren moglichst zu bewahren 1 Staaten die das Abstammungsprinzip anwenden BearbeitenDeutschland Bearbeiten 1842 wurde in Preussen das Gesetz uber die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als preussischer Untertan sowie uber den Eintritt in fremde Dienste eingefuhrt Mit diesem Gesetz war Preussen von dem bis dahin geltenden Ius soli zum Ius sanguinis ubergegangen Der Historiker Wolfgang Wippermann sieht diesen Wandel im Zusammenhang mit dem volkischen Begriff der Nation der sich im 19 Jahrhundert in Deutschland durchgesetzt habe Dieser Begriff schloss alle Fremdvolkischen selbst dann aus wenn sie sich durchaus als deutsch empfanden Das betraf vor allem Sinti die auf Grundlage des Staatsangehorigkeitsgesetzes von 1870 nun zu Auslandern erklart und ausgewiesen wurden obwohl ihre Vorfahren zumeist seit dem Spatmittelalter in Deutschland gelebt hatten 2 Im Deutschen Kaiserreich galt das 1870 noch fur den Norddeutschen Bund erlassene Gesetz uber den Erwerb und den Verlust der Bundes und Staatsangehorigkeit vom 1 Juni 1870 3 in dem die Bundesangehorigkeit aus der Staatsangehorigkeit der Gliedstaaten abgeleitet wurde Es trat nach der Reichsgrundung in weiteren Gliedstaaten in Kraft etwa im Konigreich Bayern durch 9 des Gesetzes betreffend die Einfuhrung Norddeutscher Bundesgesetze in Bayern vom 22 April 1871 4 Auch im Reichsland Elsass Lothringen das kein Bundesstaat sondern reichsunmittelbar war wurde die norddeutsche Regelung in der fur Bayern geltenden Fassung durch das Gesetz betreffend die Einfuhrung des Reichsgesetzes uber die Freizugigkeit vom 1 November 1867 und des Reichsgesetzes uber die Erwerbung und den Verlust der Bundes und Staatsangehorigkeit vom 1 Juni 1870 vom 8 Januar 1873 5 in Kraft gesetzt so dass auch dessen Einwohner Angehorige des Deutschen Reiches wurden Sozialdemokraten und Linksliberale von der Fortschrittlichen Volkspartei forderten wiederholt in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Auslandern das Recht auf Einburgerung zu gewahren Damit wollten sie die Lage von Kindern aus Ehen deutscher Frauen und staatenloser Manner verbessern die in Deutschland vollauf integriert lebten Dies wurde von den meisten anderen Parteien aber abgelehnt die eine Masseneinwanderung Volksfremder namentlich von Polen und Juden und dadurch eine Gefahrdung der Homogenitat der Nation befurchteten Der Deutschkonservative Abgeordnete Eduard Giese etwa erklarte 1912 er sehe in der Hauptsache des Bluts der Abstammung das Entscheidende fur den Erwerb der Staatsangehorigkeit Diese Bestimmung dient hervorragend dazu den volkischen Charakter und die deutsche Eigenart zu erhalten und zu bewahren Deutschland behielt das Ius sanguinis bei 6 1914 trat das Reichs und Staatsangehorigkeitsgesetz in Kraft das seither im Deutschen Reich und spater in der Bundesrepublik Deutschland massgeblich war Diese Regelung fuhrte eine der Sache nach einheitliche Reichsstaatsangehorigkeit auf der Grundlage der Staatsangehorigkeiten der deutschen Lander ein verankerte rechtlich das Abstammungsprinzip und schaffte das teilweise noch geltende Geburtsortsprinzip ab Wahrend der Zeit des Nationalsozialismus wurden 1934 die Landerstaatsangehorigkeiten abgeschafft und die unmittelbare Reichsangehorigkeit als deutsche Staatsangehorigkeit definiert 7 1935 wurde das Reichsburgergesetz erlassen eines der Nurnberger Gesetze das das Abstammungsprinzip fur Juden und Polen mit deutscher Staatsangehorigkeit aufhob Nur wer deutschen oder artverwandten Blutes war konnte Reichsburger sein Damit wurde die Teilmenge aller Staatsangehorigen bezeichnet die mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet waren Allen anderen wurde nur die einfache Staatsangehorigkeit zugewiesen 8 Am 15 Juli 1999 beschloss der Deutsche Bundestag das reformierte Staatsangehorigkeitsgesetz StAG das am 1 Januar 2000 in Kraft trat Danach erwirbt ein Kind auslandischer Eltern durch die Geburt im Inland unter bestimmten Bedingungen die deutsche Staatsangehorigkeit Falls das Staatsangehorigkeitsrecht der Eltern das Abstammungsprinzip vorsieht erwirbt das Kind beide Staatsangehorigkeiten muss sich aber nach Erreichen der Volljahrigkeit entscheiden welche es behalten will 9 Osterreich Bearbeiten Im osterreichischen Recht gilt ein reines Abstammungsprinzip Kinder einer osterreichischen Mutter bzw eines mit der Mutter verheirateten osterreichischen Vaters sind von Geburt an osterreichische Staatsburger Bei unverheirateten Eltern muss der osterreichische Vater innerhalb von acht Wochen nach der Geburt die Vaterschaft anerkennen damit das Kind als osterreichischer Staatsburger anerkannt wird Erfolgt dies erst spater kann das Kind die Staatsburgerschaft unter erleichterten Bedingungen durch Verleihung erhalten 10 Das osterreichische Staatsburgerschaftsrecht ist im Falle der Einburgerung gegenuber Doppelstaatsburgerschaften sehr restriktiv Die Annahme einer fremden Staatsburgerschaft fuhrt ohne vorhergehende Bewilligung des osterreichischen Staates automatisch zum Verlust der osterreichischen 11 Eine Ausnahme sind Kinder mit Eltern unterschiedlicher Staatsburgerschaft wo im Land des nicht osterreichischen Elternteils ebenfalls der ius sanguinis Grundsatz gilt In diesem Fall ist das Kind von Geburt an Doppelstaatsburger und muss sich nach osterreichischem Recht auch bei Volljahrigkeit nicht fur eine der beiden Staatsburgerschaften entscheiden 12 Schweiz Bearbeiten Das Schweizer Burgerrecht wird ausschliesslich durch Abstammung an Kinder ubertragen Jeder Schweizer erbt in der Regel von seinem Vater den Heimat oder Burgerort Als Burger einer Burgergemeinde hat er automatisch auch das Schweizer Burgerrecht Wohnort der Eltern und eigener Geburtsort sind fur diesen Vorgang unerheblich Einburgerungen sind an strenge Bedingungen geknupft und fur die Betroffenen mit langen Wartezeiten und teilweise hohen Kosten verbunden Wer eingeburgert werden will ersucht um das Burgerrecht einer Schweizer Gemeinde womit er auch das Burgerrecht des Bundes der Schweizerischen Eidgenossenschaft erhalt Israel Bearbeiten Hauptartikel Ruckkehrgesetz In Israel besagt das Ruckkehrgesetz dass jede Person nach Israel einwandern darf und anschliessend die Staatsburgerschaft erhalt die einen judischen Eltern oder Grosselternteil hat zum Judentum konvertiert ist oder mit einer Person verheiratet ist auf die eine der vorgenannten Bedingungen zutrifft Personen die von Geburt an oder durch Konversion Juden waren und aus freien Stucken eine andere Religion angenommen haben sind von dieser Regelung ausgenommen 13 USA Bearbeiten In den Vereinigten Staaten von Amerika gilt neben dem Geburtsortsprinzip auch das Abstammungsprinzip Angewandt wird dies auf im Ausland geborene Personen die zum Zeitpunkt der Nationalitatsprufung noch minderjahrig sind Folgende Falle sind zu unterscheiden Eine Person die als Kind zweier US Staatsburger von denen mindestens einer seinen Wohnsitz in den USA hat im Ausland geboren wird erwirbt die amerikanische Staatsburgerschaft per Geburt nach Abschnitt 301 c des Immigration and Nationality Act INA 14 Eine Person die als eheliches Kind eines US Staatsburgers der einen vorgegebenen festen Mindestzeitraum in den USA gelebt hat und eines Auslanders im Ausland geboren ist erwirbt die amerikanische Staatsburgerschaft per Geburt nach Abschnitt 301 g des INA 14 Eine Person die als nichteheliches Kind eines mannlichen US Staatsburgers im Ausland geboren ist kann nach Abschnitt 301 g des INA die amerikanische Staatsburgerschaft erwerben wenn der Vater bestimmte im Abschnitt 309 a aufgefuhrte Voraussetzungen erfullt 14 Eine Person die als nichteheliches Kind eines weiblichen US Staatsburgers im Ausland geboren ist kann nach Abschnitt 309 c die amerikanische Staatsburgerschaft erwerben wenn die Mutter zuvor einen vorgegebenen festen Mindestzeitraum in den USA gelebt hat 14 Wenn das Kind zwar ausserhalb der USA geboren ist aber legal z B mit einer Permanent Resident Card in den USA lebt erwirbt es die amerikanische Staatsburgerschaft per Gesetz also ohne besonderen Antrag Diese Regel gilt auch fur Kinder aus legal dort lebenden Migrantenfamilien in denen mindestens ein Elternteil sich naturalisieren lasst Wenn das Kind ausserhalb der USA geboren ist und weiterhin im Ausland lebt kann es die US Staatsburgerschaft nur auf Antrag erwerben 15 Literatur BearbeitenRogers Brubaker Staats Burger Deutschland und Frankreich im historischen Vergleich Junius Verlag Hamburg 1994 ISBN 3 88506 234 8 Helgo Eberwein Eva Pfleger Fremdenrecht fur Studium und Praxis Lexis Nexis Verlag Wien 2011 ISBN 978 3 7007 5010 9 Oliver Trevisiol Die Einburgerungspraxis im Deutschen Reich 1871 1945 V amp R Unipress Gottingen 2006 ISBN 3 89971 303 6 zugl Dissertation Universitat Konstanz 2004 Wolfgang Wippermann Das ius sanguinis und die Minderheiten im Deutschen Kaiserreich In Hans Henning Hahn Hrsg Nationale Minderheiten und staatliche Minderheitenpolitik in Deutschland im 19 Jahrhundert Akademie Verlag Berlin 1999 ISBN 3 05 003343 6 S 133 143 Weblinks BearbeitenDas Abstammungsprinzip Webseite der deutschen BundesregierungEinzelnachweise Bearbeiten Georg Dahm Jost Delbruck Rudiger Wolfrum Volkerrecht Bd I 2 Der Staat und andere Volkerrechtssubjekte Raume unter internationaler Verwaltung 2 vollig neu bearbeitete Auflage de Gruyter Berlin 2002 ISBN 3 89949 023 1 S 37 f abgerufen uber De Gruyter Online Wolfgang Wippermann Das ius sanguinis und die Minderheiten im Deutschen Kaiserreich In Hans Henning Hahn Hrsg Nationale Minderheiten und staatliche Minderheitenpolitik in Deutschland im 19 Jahrhundert Akademie Verlag Berlin 1999 ISBN 3 05 003343 6 S 133 143 hier S 135 139 abgerufen uber De Gruyter Online Gesetzestext Gesetzestext Gesetzestext Vito F Gironda Linksliberalismus und nationale Staatsburgerschaft im Kaiserreich Ein deutscher Weg zur Staatsburgernation In Jorg Echternkamp und Oliver Muller Hrsg Die Politik der Nation Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen 1760 bis 1960 Oldenbourg Munchen 2002 ISBN 3 486 56652 0 S 107 130 hier S 119 122 abgerufen uber De Gruyter Online Verordnung uber die deutsche Staatsangehorigkeit vom 5 Februar 1934 Dieter Gosewinkel Einburgern und Ausschliessen Die Nationalisierung der Staatsangehorigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2003 S 384 Sybille Kuster Staatsangehorigkeit in Deutschland Historische Aspekte der Nationalisierung und Ethnisierung von Fremdheit In Cornelia Klinger Gudrun Axeli Knapp Birgit Sauer Hrsg Achsen der Ungleichheit Zum Verhaltnis von Klasse Geschlecht und Ethnizitat Campus Frankfurt am Main New York 2007 S 193 209 hier S 204 Georg Dahm Jost Delbruck Rudiger Wolfrum Volkerrecht Bd I 2 Der Staat und andere Volkerrechtssubjekte Raume unter internationaler Verwaltung 2 vollig neu bearbeitete Auflage de Gruyter Berlin 2002 ISBN 3 89949 023 1 S 39 abgerufen uber De Gruyter Online Staatsangehorigkeitsrecht Webseite des Bundesministeriums des Innern fur Bau und Heimat Zugriff am 20 Juli 2020 Bundesregierung Optionsmodell Memento vom 8 Dezember 2011 im Internet Archive Staatsburgerschaft Erwerb durch Abstammung oesterreich gv at abgerufen am 9 September 2019 Staatsburgerschaft Doppelstaatsburgerschaft oesterreich gv at abgerufen am 9 September 2019 Staatsburgerschaft Doppelstaatsburgerschaft bei Kindern oesterreich gv at abgerufen am 9 September 2019 Law of Return 5710 1950 vom 5 Juli 1950 Wortlaut des Ruckkehrgesetzes Israelisches Aussenministerium abgerufen am 23 Oktober 2018 englisch a b c d Acquisition of U S Citizenship by a Child Born Abroad Memento vom 1 August 2013 im Internet Archive Citizenship Through Parents USCISBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Abstammungsprinzip amp oldid 222480899